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Portrait eines unbekannten holländischen Meisters um 1685
Bildquelle: de.wikipedia.org

VI.
Rückblick.

Wie Jeder, der seinen äußeren Glanz ablegt, strenger und härter beurtheilt, von Neid und Haß viel bitterer verfolgt wird, als wer nie damit umgeben war, so ist auch Christina, die Königin von Schweden, nach ihrer Thronentsagung und Conversion in hohem Grade geschmäht und ungerecht beurtheilt worden. Die Protestanten waren erbittert, weil »die Tochter des gepriesenen Retters ihrer Religion in die römischen Irrthümer zurückgefallen« wäre, und konnten es deshalb nicht über sich bringen, sie mit Mäßigung und Gerechtigkeit zu beurtheilen. Viele Gelehrte und Beamte, die bis dahin Gnadenbezeugungen von ihr erhalten, waren gegen sie verstimmt, weil sie nun diese goldene Aussicht verloren. Die Franzosen endlich haben die Königin viel geschmäht, weil sie in den letzten Jahren zu dem verhaßten und fortwährend bekriegten Spanien so sehr hinneigte und ihnen das Unglück Schweden's so oft zur Last legte. Um sich hierfür zu rächen, ließ das französische Ministerium die sogenannten Memoiren Chanut's drucken, deren zweiter Theil aber nicht von Chanut ist und viele Irrthümer und Verleumdungen enthält, obgleich auch im ersten Theile die feindliche Hand hier und da zu erkennen ist. Durch solche offenbare Entstellungen tief gekränkt, ließ Christina am französischen Hofe Beschwerde führen und sprach sich in Briefen an Bourdelot, welche für die Beurtheilung ihres Charakters nicht ohne Bedeutung sind, sehr bitter aus: »Ich bin es meiner Ehre schuldig, die Sache zu ahnden. Aber ich thue es ohne Verdruß und Unruhe. Unser Zeitalter tröstet mich; man verschont heut zu Tage Niemand und die Verleumdung hängt sich gewöhnlich an die größten Verdienste an. Ich, für meine Person, seit langem der Mißgunst und dem Betruge ausgesetzt, habe mich an die Undankbarkeit der Menschen gewöhnt. Mein Trost ist, daß mir mein Gewissen nichts vorwirft. Schweden, Rom und alle anderen Orte, wo ich mein Leben zugebracht habe, werden mir wenigstens nach meinem Tode das Zeugniß geben, daß jene Verleumdungen falsch waren. Mein Ruhm und mein guter Name sind, Gott sei Dank! zu fest begründet, als daß ich dergleichen Verleumdungen befürchten dürfte, und ich berufe mich dabei auf das Gewissen derjenigen selbst, welche sie erfunden haben; ich bin gewiß versichert, daß sie selbst nicht glauben, was sie sagen. Nur das verdrießt mich, daß dieses Buch des Herrn Chanut's Namen trägt. Ich bin überzeugt, daß er es nicht gemacht hat, und es kränkt mich tief, daß man dem Gedächtnisse eines so braven Mannes einen so schwarzen Flecken anhängt. Denn kurz, hätte Gott mich so sehr verlassen, daß ich all' der Unwürdigkeiten schuldig wäre, deren man mich anklagt, so wäre das sicherlich für mich das größte Unglück; aber dabei würde es bestehen bleiben, daß jeder Mensch, der fähig ist, solche Dinge zu verbreiten, nicht werth ist zu leben und daß er der ehrloseste von allen Menschen sein muß. Aber wie dem auch sei, so bin ich darüber ganz ruhig; und die Meinung, welche Schweden bis jetzt von mir gehabt hat, ist für mich sehr ehrenvoll und rechtfertigt mich hinreichend; ich hoffe, daß mein vergangenes Leben und die Zukunft Alles, was der Neid und der Betrug von mir sagen können, förmlich Lügen strafen werden; und ich werde über diese Sache das Endurtheil aussprechen, welches einst ein italienischer Dichter über die Schmähungen Aretin's aussprach: » Il Papa è Papa, e tu sei un furfante, der Papst ist Papst und du bist ein Schurke.«

»Mich verleumden,« sagt sie in Bezug auf jene Memoiren in einem andern Briefe, »heißt die Sonne antasten, da ein wenig gesunde Philosophie mich so weit über Alles das erhebt, daß Sie die Leute versichern können, ich sei von allen Seiten unverwundbar. Wir werden sehen, ob die Beförderer dieser Armseligkeiten ebenso unverwundbar sind, wie ich, wenn man sie einst auf Proben stellt, die sie nicht erwarten. Indessen möchte ich wohl wissen, und Sie werden mir einen Dienst erweisen, wenn Sie entdecken können, womit ich es um die Leute verdient habe, daß sie sich gegen mich bis zu einer solchen Unbilligkeit vergaßen, deren ich mich selbst für sie schäme. Ich glaube doch denen, welche so erbittert gegen mich sind, mehr als einen wesentlichen Dienst geleistet zu haben. In der That, ich bemitleide sie, daß sie die Kunst, sich zu rächen, so schlecht verstehen. Hat man etwas auf dem Herzen, warum sucht man sich nicht gegen einander zu erklären? Ich meines Theils möchte, welche Beleidigungen ich auch empfangen hätte, mich nicht auf meine eigenen Unkosten rächen, und ich glaube, sich so rächen, heißt an sich selbst Rache üben. Indessen verzeihe ich die Wuth, welche man gegen mich beweist, von ganzem Herzen. Ich kann und ich will Niemand zwingen, mein Freund zu sein; man soll nur wissen, daß ich von Allem, was vorgeht, unterrichtet bin und alle geheimen Kabalen kenne, die man gegen mich schmiedet, und daß ich bei dem Allen nichts fürchte und Alles verachte!« Um solchen Verunglimpfungen entgegenzuwirken, wollte Christina Is. Vossius veranlassen, die Geschichte ihres Lebens zu schreiben. »Ich habe bemerkt,« schreibt sie deshalb an ihn, »daß die Unwissenheit und der Neid Vergnügen daran gefunden haben, die schönsten und die größten Handlungen meiner Regierung zu verdecken oder zu verdunkeln. Und dies zwingt mich, Sie um eine Ehrenerstattung zu ersuchen, zu Gunsten der Wahrheit, welcher alle Schriftsteller huldigen müssen, sowie für den Ruhm Schweden's, dessen Ehre es erheischt, dieselben in das wahre Licht zu stellen, unter einer Regierung, die den Ruhm seines Namens auf den höchsten Gipfel gebracht hat. Sie sind selbst Augenzeuge seines höchsten Glückes gewesen. Ich verlange von Ihnen weder niedrige Gefälligkeiten noch Schmeicheleien: ich verlange von Ihnen nichts als die reine Wahrheit, die um so weniger verdächtig sein wird, als die ganze Welt weiß, wie das gegenwärtige Unglück Schweden's mich in einen Zustand versetzt hat, daß ich keinen Weihrauch kaufen kann; und Sie wissen wohl, daß ich die Schmeichelei und die Lüge ebenso stark hasse, wie ich die Wahrheit, die Tugend und den wahren Ruhm liebe.« Obgleich nun Is. Vossius diese Aufgabe, Christina's Regierungszeit zu schreiben, nicht gelöst hat, anderseits ihr Lebensbild aber so vielfach entstellt worden ist, so sind wir doch durch eine Menge zuverlässiger Zeugnisse in den Stand gesetzt, uns ihren Charakter in seiner wahren Größe und Schönheit zu vergegenwärtigen. Hören wir zunächst die Schilderung, welche der französische Gesandte Chanut, ein ehrenwerther Mann, der ihr volles Vertrauen besaß und ein wissenschaftlich gebildeter Geist und gläubiger Katholik war, seinem Hofe von Christina gab. Wir begleiten diese Charakteristik mit den Bemerkungen, welche Christina eigenhändig einem Exemplare der Memoiren Chanut's beifügte, welches die verstorbene Königin von Schweden, Hedwig Elisabeth Charlotte, besessen hat.

»Ihre Miene ändert sich je nach ihren verschiedenen Gemüthsbewegungen so plötzlich, daß man sie von einem Augenblick zum andern nicht mehr erkennt; gewöhnlich ist sie etwas nachdenkend, indessen bleibt bei allen ihren Gemüthsbewegungen – so leicht und so oft sie auch wechseln – eine gewisse Heiterkeit und Anmuth in ihrem Gesichte zurück. Wenn zuweilen, was aber selten der Fall ist, etwas ihr Mißfälliges gesagt wird, so sieht man freilich ihr Gesicht in eine Wolke gehüllt, die, ohne sie zu entstellen, denen Furcht einflößt, welche sie ansehen; ihre Stimme ist gewöhnlich sehr sanft, und so fest sie die Worte ausspricht, jungfräulich; zuweilen wird dieser Ton ungesucht und ohne scheinbare Ursache stärker, als bei ihrem Geschlechte gewöhnlich ist, fällt aber nach und nach und unvermerkt wieder in das gewöhnliche Tonmaß. Ihr Wuchs ist etwas unter dem Mittelmäßigen, welches weniger merklich wäre, wenn sie gewöhnliche Frauenschuhe trüge.

So viel man aus äußerlichen Zeichen schließen kann, hat sie ein lebhaftes Gefühl für Religion und treue Anhänglichkeit an das Christenthum. Sie billigt es nicht, daß man in den gewöhnlichen Unterredungen über die Wissenschaften die Lehre von der Gnade verläßt, um auf heidnische Weise zu philosophiren: was dem Evangelium nicht gemäß ist, hält sie für Träumereien. Sie disputirt gar nicht bitter über die Streitigkeiten, welche es zwischen den Protestanten und Katholiken Sie war niemals lutherisch. Christina's Anmerkung. gibt. Es scheint, sie trage weniger Sorge, sich über diese zu unterrichten, als über jene Schwierigkeiten, welche von Philosophen, Heiden und Juden gemacht werden. Ihre Frömmigkeit scheint vorzüglich in dem Vertrauen auf den göttlichen Schutz zu bestehen, übrigens ist sie gar nicht ängstlich und hält nichts auf frömmelnde Ceremonien Sie war niemals von dieser Krankheit angesteckt. Christina.. Ein hohes Ideal von Tugend, mit großer Ruhmbegierde verbunden, erfüllt ganz ihre Seele, und, soviel man davon urtheilen kann, wünscht sie die Tugend immer von der Ehre begleitet. Zuweilen gefällt es ihr, wie die Stoiker von jener Erhabenheit der Tugend zu reden, welche unser höchstes Gut in diesem Leben ausmacht. Ueber diese Materie spricht sie mit einem bewunderungswürdigen Nachdruck; wenn sie davon mit Personen redet, mit welchen sie vertraut umgeht, und auf die wahre Schätzung kommt, welche die menschliche Hoheit Sie hat niemals viel Wesens davon gemacht. Christina. verdient, so sieht man mit Bewunderung und Freude, wie sie ihre Krone unter die Füße legt Dieses ist ihre wirkliche Gesinnung. Christina. und laut bekennt, die Tugend sei das einzige Gut, das alle Menschen suchen müßten, ohne auf irgend einen Vorzug ihres Standes stolz zu sein Sie macht sich eine Ehre daraus, unter die Füße zu legen, was die anderen Könige auf ihre Häupter setzen. Christina.. Doch bei diesem Geständnisse vergißt sie nicht lange, daß sie Königin ist Sie vergaß es niemals. Christina.. Sie ergreift ihre Krone sogleich wieder; sie kennt das Gewicht derselben und hält es für die erste Stufe der Tugend, die Pflichten seines Berufes gut zu erfüllen. Auch hat sie die Natur zur Erreichung dieses Zweckes mit großen Vorzügen begabt; denn sie besitzt eine bewunderungswürdige Leichtigkeit, was ihr vorkommt, zu begreifen; auf ihr Gedächtniß kann sie sich so gut verlassen, daß man beinahe sagen möchte, sie mißbrauche es oft. Sie spricht die lateinische, französische, deutsche, niederländische und schwedische Sprache und studirt die griechische. Sie liebt die Umgebung gelehrter Männer, um sich in den Nebenstunden über Alles, was es in den Wissenschaften Merkwürdiges gibt, zu unterhalten Das ist wahr. Christina., und ihr wissensdurstiger Geist unterrichtet sich von Allem. Kein Tag vergeht, wo sie nicht ein Stück aus der Geschichte des Tacitus liest Das ist unwahr. Sie hat niemals eine Vorliebe für diesen Auctor gehabt, weil sie mit Vergnügen alle guten liest. Christina., welche sie ein Schachspiel nennt. Dieser Schriftsteller, welcher Gelehrten Mühe macht, ist ihr in den schwersten Stellen verständlich, und wo die Gelehrten über den Sinn der Worte zweifelhaft sind, drückt sie denselben selbst in unserer Sprache mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit aus. Aber sie verschmäht es, oder gibt sich wenigstens nicht die Mühe, ihre Belesenheit und ihre Kenntnisse zur Schau auszulegen. Nichts macht ihr mehr Vergnügen, als zweifelhafte Fragen zwischen Gelehrten, welche verschiedener Meinung sind, verhandeln zu hören; nie sagt sie ihre Gedanken über die Sache, bis Jedermann gesprochen hat, und dann immer nur mit wenigen Worten, und so überdacht, daß es als Entscheidung gelten kann. Das kommt daher, weil sie mit Einsicht und ohne Uebereilung auf den Grund der Sache dringt, und wenn sie über etwas spricht, mehr als einmal nachdenkt, ehe sie ihre Meinung sagt. In den Geschäften zeigt sie mehr Zurückhaltung, als in den Gesprächen über wissenschaftliche Dinge. Ihre Minister haben Mühe, wenn sie dem Rathe beiwohnt, zu entdecken, auf welche Seite sie sich neige. Sie ist sehr verschwiegen Ganz richtig. Christina., und da sie sich nicht durch die Berichte, welche man ihr macht, zum voraus einnehmen läßt, so scheint sie denen, welche gern bei ihr etwas durchsetzen möchten, mißtrauisch oder schwer zu überreden Sie hat diesen Fehler niemals bereut. Christina.. Es ist wahr, daß sie ein wenig zum Argwohn geneigt ist, daß es bisweilen gar zu langsam geht, bis sie sich über die Wahrheit aufgeklärt hat, und daß sie zu leicht bei Anderen eine Arglist vermuthet. Dieses hindert sie aber nicht, die Geschäfte selbst gut zu führen. Von Privatangelegenheiten, welche einzig von ihrem Willen abhängen, oder nur ihr Haus angehen, spricht sie mit Niemanden; aber über Alles, was die Regierung des Staates betrifft, berathschlagt sie sich mit ihrem Senate. Es ist unglaublich, wie mächtig sie hier ist Unsinn, wie lächerlich und übel unterrichtet ist er doch! Christina., denn mit dem Stande der Königin verbindet sie eine Anmuth, einen Einfluß, eine Wohlthätigkeit und Ueberredungskraft, daß oft die Senatoren selbst über die Gewalt erstaunen, die sie über ihre Meinungen hat, wenn sie versammelt sind Ueber das Gegentheil wäre sich eher zu verwundern. Christina.. Einige schreiben diese große Unterwürfigkeit ihrer Minister gegen sie ihrem Geschlechte zu Die Eigenschaft des Weibes ist nicht geeignet, sich Gehorsam zu verschaffen. Christina.; aber die Wahrheit zu gestehen, entspringt sie vielmehr aus ihren guten persönlichen Eigenschaften, und ein König mit eben diesen Tugenden würde wohl in seinem Staate ebenso unumschränkt herrschen.

Keine ländliche Uebung kann sie ermüden, so daß sie selbst zehn Stunden hindurch auf der Jagd zu Pferde bleibt; weder Kälte noch Frost fallen ihr beschwerlich. Niemand in Schweden versteht sich besser darauf, einen Hasen in vollem Sprunge mit einer einzigen Kugel zu schießen. Sie läßt ihr Pferd ganz ungezwungen alle Reitkünste machen und ist weit entfernt, sich darauf etwas einzubilden. Selten spricht sie mit den Damen ihres Hofes, weil bald die Uebungen, welche sie im Freien vornimmt, bald die Staatsgeschäfte, welche sie fesseln, ihnen ihren Umgang entziehen; sie besuchen sie nie, als nur um ihr gewissermaßen die Aufwartung zu machen, und auch da überläßt sie dieselben, nach den gewöhnlichen Höflichkeiten, sich selbst und unterhält sich mit den Männern. Im Umgange mit Personen, von welchen sie nichts zu lernen glaubt, ist sie sehr kurz und spricht nur so viel, als durchaus nothwendig ist. Ihre Bedienten sprechen nicht viel mit ihr, lieben sie aber nichtsdestoweniger, weil sie zwar wenig, aber doch freundlich mit ihnen redet und eine gütige, selbst über die Kräfte des Staates freigebige Gebieterin gegen sie ist. Zuweilen zieht sie dieselben scherzhaft auf, aber auf eine gute Art und ohne Bitterkeit; doch wäre es vielleicht besser, wenn sie es unterließe Er hat Recht. Witze haben ihr viele Feinde verschafft. Christina., weil der Aufgezogene doch immer die Besorgniß hat, man verspotte ihn. Indessen geschieht dieses nur selten, weil Geschäfte und Studiren ihr keine Zeit übrig lassen. Auch geht sie wirklich sehr haushälterisch mit der Zeit um; sie schläft gewöhnlich nur fünf Stunden Drei Stunden. Christina., und weil dieses zur Wiederherstellung der Kräfte nicht hinreicht, so ist sie bisweilen, besonders im Sommer, genöthigt, eine Stunde nach Tisch zu schlafen Falsch. Christina.. Kleidung und Putz beschäftigen sie so wenig, daß sie bei Eintheilung ihres Tages nicht in Betracht kommen. In einer Viertelstunde ist sie angezogen, und wenn man hohe Festtage ausnimmt, so machen ein Kamm und ein Stückchen Band ihren ganzen Kopfputz aus. Gleichwohl stehen diese so vernachlässigten Haare ihrem Gesichte gut, für welches sie aber so wenig sorgt, daß sie nie weder gegen Sonne, noch Wind, noch Regen, weder in Stadt, noch auf dem Lande eine Haube oder Maske trägt. Wenn sie reitet, hat sie keine andere Bedeckung gegen die schlimme Witterung, als einen Hut mit Federn, so daß ein Fremder, der sie auf der Jagd mit ihrem ungarischen Kleide und einem kleinen Kragen nach Art der Männer sähe, sie nicht für die Königin halten würde. Unstreitig übertreibt sie diese Sorglosigkeit gegen ihre eigene Person, weil es Fälle geben kann, wo man schlechte Folgen für ihre Gesundheit daher besorgen muß; aber Alles gilt ihr nichts neben jener feurigen Liebe für Ehre und Tugend, und man kann sagen, ihr Ehrgeiz bestehe mehr darin, ihren Namen durch außerordentliche Verdienste, als durch Eroberungen berühmt zu machen, und sie wolle ihren Ruhm lieber sich selbst, als der Tapferkeit ihrer Unterthanen zu verdanken haben.«

Ebenso aus persönlicher Bekanntschaft und als Augenzeuge schildert die Königin Christina der Pater Mannerschied, Beichtvater des spanischen Gesandten Pimentel. Ich lasse aus seiner Schilderung nur dasjenige weg, was bloße Wiederholung des Vorigen sein würde. »Sie hat eine freie Stirn, große lebhafte Augen, aber einen freundlichen Blick, eine Habichtsnase, einen nicht zu großen und schönen Mund. Ihr Reitkleid ist so schlecht, daß ich kaum weiß, ob es vier bis fünf Dukaten werth ist, und auch am Hofe ist sie immer sehr bescheiden gekleidet. Nie sah ich weder Gold noch Silber an ihrem Kopfputz oder in ihrem übrigen Anzuge. Ein Ring ist Alles, was sie von Gold an sich trägt. Um ihren Putz bekümmert sie sich gar nicht. Ich sah zuweilen, wenn ich mit ihr sprach, den Aermel ihres Hemdes voll Dintenflecken, welche sie sich beim Schreiben gemacht hatte; auch bemerkte ich zerrissene Wäsche an ihr. Wenn man sie erinnern will, mehr auf sich selbst zu sehen, so antwortet sie, diese Sorgen müßte man denen überlassen, die sonst nichts zu thun hätten. Nach dem Erwachen widmet sie fünf Stunden dem Lesen verschiedener Bücher. Oeffentlich zu speisen, ist für sie eine Qual. Wenn sie aber allein ist, bleibt sie kaum eine halbe Stunde bei der Tafel. Sie trinkt nichts als Wasser. Noch nie hörte man sie ein Wort zum Lobe oder Tadel einer Speise sagen; nie gibt sie Befehl über die Küche. Oft habe ich sie sagen hören, sie lebe ohne Kummer und ohne Unruhe und kenne nichts in der Welt, das wichtig und empfindlich genug für sie wäre, die Ruhe ihrer Seele stören zu können. Sie rühmt sich, den Tod ebenso wenig als den Schlaf zu fürchten. Mitten im Winter, wenn das Meer gefroren ist, fährt sie im Schlitten selbst vier, fünf oder sechs Stunden in die Nacht hinein. Den Morgen bestimmt sie den Staatsangelegenheiten und wohnt gewöhnlich ihrem Rathe bei. Ich habe gesehen, daß sie an einem Tage, an welchem sie sich zur Ader gelassen hatte, eine Rathsversammlung hielt, in welcher sie fast fünf Stunden blieb. Während eines 28 Tage anhaltenden Fiebers entzog sie sich nie der Besorgung der Staatsgeschäfte. Sie sagt, Gott habe ihr die Verwaltung des Reiches anvertraut; sie wolle diese Pflicht nach bestem Willen erfüllen, und wenn es ihr auch nicht immer gelinge, so habe sie doch den Trost, daß sie sich nichts vorwerfen dürfe. Alle öffentlichen Geschäfte gehen durch ihre Hände; die fremden Gesandten und Minister unterhandeln nur mit ihr, ohne jemals an einen Sekretär oder Staatsbeamten gewiesen zu werden. Bei öffentlichen Audienzen beantwortet sie ganz allein die Reden der Gesandten. Sie will von Allem Kenntniß haben, was die Regierung des Staates betrifft; so sah ich sie einen schriftlichen Aufsatz von 28 Blättern in sehr kurzer Zeit durchlesen und einem Gesandten in lateinischer Sprache erklären. Der Gedanke ans Heirathen ist ihr unerträglich und Niemand könnte sie bereden, sich einen Gemahl zu wählen, weil, sagt sie, sie frei sterben wolle, wie sie frei geboren sei. In dem gewöhnlichen Umgange ist sie so vertraulich, daß man sie nicht einmal für eine Dame von hohem Stande, geschweige für eine Königin halten würde. Sie redet die Personen zuerst an, nimmt sie bei den Händen, lacht und scherzt mit einer ungemeinen Freimüthigkeit. Doch flößt sie zu gleicher Zeit so viel Ehrerbietung ein, daß man in ihrer Gegenwart ebenso furchtsam ist, wie ein Kind. Bei ernsthaften Angelegenheiten weiß sie eine Majestät anzunehmen, die dem Kühnsten imponiren würde. Ich habe sie in einem Augenblicke aus einer vertraulichen Unterredung zu der für die königliche Majestät geziemenden Würde, das heißt von einem Aeußersten zum andern übergehen sehen, so daß ich meinen Augen nicht traute. Sie hat Ehrendamen an ihrem Hofe, aber mehr zur Pracht, als zu ihrem Dienste: sie scheint wenig Achtung vor ihnen zu haben, und geht nur mit Männern um. Sie zeigt die Stärke ihrer Beurtheilung in den Ausfertigungen, welche sie anordnet. Sie beschäftigt, ich weiß nicht, wie viel Geheimschreiber, welche kaum alle Briefe schreiben können, die sie ihnen in die Feder sagt, und die sie auch ganz allein durchsieht und verbessert. Sie ist so freigebig, daß, wenn man sagen darf, sie halte in irgend einem Stück das Maß nicht, solches von den Geschenken wahr ist, welche sie austheilt. Die Gesetze der Gerechtigkeit beobachtet sie heilig. Daher sagt sie auch, sie habe nur sehr selten Verbrechern, die den Tod verdient hätten, das Leben geschenkt, obgleich sie niemals Jemand zum Tode verurtheilt habe, über den sie nicht Thränen vergossen hätte. Sie versteht zehn bis elf Sprachen, kennt sehr genau die alten und neuern Dichter, hat die Schriften aller alten Philosophen und eine große Menge Kirchenväter durchgelesen, wie z. B. den heiligen Augustin, Ambrosius, Hieronymus, Tertullian, Cyprian; sie schätzt besonders den Lactantius, den Clemens von Alexandrien, den Arnobius, den Minutius Felix und zieht allen übrigen den Gregor von Nazianz vor. Man durfte sich in ihrer Gegenwart keinen Gedanken irgend eines alten Dichters zueignen, ohne daß sie sogleich den Betrug merkte. Sie hat ein englisches Gedächtniß. Nichts mangelt dieser Fürstin, als die wahre Religion, und obschon ich verschiedene Unterredungen mit ihr hatte, so war es mir doch nicht möglich, sie auf dieses Kapitel zu bringen. Sie wird durch die Verfassung des Reiches gebunden, dessen Königin sie nicht mehr sein könnte, wenn sie die Religion änderte.«

Nach solchen Schilderungen wird es von großem Interesse sein, auch zu hören, wie Christina über sich selbst dachte und von welchem Standpunkte aus sie sich betrachtete.

»Schrecklich wäre meine Undankbarkeit, o Herr!« so beginnt die Königin ihre Selbstbiographie, »würde ich nicht die Muße, die Du mir geschenkt, zu Deiner Verherrlichung benutzen. Das, was Du bist und was ich bin, verpflichtet mich dazu. Du bist Alles und ich bin Nichts, das Du fähig gemacht, Dich anzubeten und Dich zu besitzen. Durch Deine Gnade bin ich von allen Deinen Geschöpfen diejenige, welche Du am meisten begünstigt.

Mit vollen Händen hast Du Alles über mich ausgegossen, was ein Geschöpf glücklich und glorreich in dieser Welt machen kann. Die Kraft meiner Seele und meines Körpers, Abkunft, Glück und Größe, die ließest Du Deiner Ehre und meinem Glücke dienen; und Alles, was einem solchen wunderbaren Vereine entspringt, und daß Du mich als unbeschränkte Königin über das tapferste und ruhmvollste Volk der Erde geboren werden ließest, das ist ohne Zweifel noch die geringste meiner Verpflichtungen gegen Dich; denn nachdem Du mir so Vieles verliehen, hast Du mich noch zu dem Ruhme berufen, Dir, wie ich es schuldig war, ein vollkommenes Opfer meines Glückes, meiner Größe und meines Ruhmes darzubringen, um Dir das glorreich zurückzugeben, was Du mir geliehen. Und weil ich es nur deswegen bin, weil Du gut bist, so schulde ich Dir ehrfurchtsvollen Dank dafür, daß Du mir die Kraft gegeben, ein so großes Opfer zu vollbringen. Darum halte ich mich verpflichtet, alle Gnaden, die Du mir verliehen, der Nachwelt zu offenbaren und der ganzen Erde zu verkünden, indem ich die Geschichte meines Lebens aufzeichne, das Du herrlich und glorreich gemacht durch das Gute und Schlimme, durch Glück und Unglück. – Du weißt es, o Herr! daß Du mir ein Herz gegeben, das nichts zufrieden stellen kann. – Nichts kann mich erfüllen, nichts mir genügen, als Du allein. So groß hast Du mich gemacht, gäbst Du mir auch die Herrschaft der ganzen Welt, sie würde mir nicht genügen. Alles, was Du nicht bist, darf ich für nichts achten. – Verleihe mir, daß die Betrachtung, die ich über mein vergangenes Leben anstelle, mich mit Bewunderung für Dich und Beschämung über mich erfülle und daß Alles, was ich sage, der Wahrheit Zeugniß gebe, die nichts anderes als Du selbst bist. – Banne aus meinem Herzen jede eitle Selbstgefälligkeit und Eitelkeit. Erleuchte meinen Verstand, daß er Deine Gnade und meine Fehler erkenne. – Ich werde unter dem Beistande Deiner Gnade von mir selbst wie eine Fremde reden, an der ich keinen Theil habe. Ich fürchte die Wahrheit nicht. Deine Zulassungen haben mich so oft und scharf gedemüthigt, daß ich mich nur zu gut kenne. Ich schreibe nicht, um mich zu rechtfertigen, ich schreibe, um mich vor aller Welt als eine Schuldige zu bekennen, – wie ich es vor Deinen Augen bin, – die alle Deine Gnaden und Wohlthaten grausam mißbraucht und Dir schlecht gedient und sich Deiner vielen Gutthaten unwürdig erzeigt hat. Ich schreibe, um Alles zu verfluchen, was Dir an mir mißfällt, und endlich schreibe ich, um Dir allein die Ehre zu geben von dem, was ich bin. Dir überlasse ich, o Herr! dieses Werk; Du wirst daraus machen, was Dir beliebt. Du weißt, daß die Geschichten in dem Jahrhundert, worin ich lebe, nichts sind, als endlose Lobreden oder giftige Schmähungen auf Jene, deren Namen sie führen. Der Neid, die Gemeinheit, die Ungerechtigkeit der Menschen sind allzeit bereit, das unglückliche Verdienst zu zerfleischen und den Lastern und Verbrechen derer, die herrschen, zu schmeicheln. Solcher Ungerechtigkeit gleichgültig zuzusehen, wie ich sollte, dazu hast Du mir noch nicht Stärke genug verliehen. Dir, o Herr, opfere ich daher mein vergangenes Leben; Du bist mein einziger und mein glorreicher Anfang und wirst mein glorreiches und einziges Ende sein. Ich flehe Dich an, mir alles Vergangene verzeihend zu vergessen. In den tiefen Abgrund Deiner Unendlichkeit versenke ich meine Unwissenheit und meine Verbrechen, die allein mir angehören, und alle meine Tugenden und Talente, wenn ich solche besitze, gehören Dir. Vernichte Alles, was nicht von Dir ist, und durch Deine Güte vollende Du zu Deinem Ruhme Dein Werk. Mache Deine Güte siegreich über meine Unwissenheit und meine Schwäche. Beschütze mich vor mir selbst, nachdem Du mich vor allen meinen Feinden beschützt. Ich begehre Dich von Dir und durch Dich. Entziehe Dich nicht diesem glühenden unstillbaren Verlangen, das Du in meinem Herzen entzündet und das ich als das größte aller Deiner Gnaden anerkenne. Dich zu besitzen mache mich würdig durch jene blinde und gänzliche Hingabe, die Dir mit so vollem Rechte gebührt, und die Dir nicht ohne ewige Unseligkeit verweigert wird. Zerreiße alle meine geheimen Bande, so edel, so schuldlos sie sein mögen. Mache, daß ich Dir allein mein Werk, mein Leben und meinen Tod anheimstelle für Zeit und Ewigkeit.«

Obgleich die Königin solche Gedanken und Gesinnungen an verschiedenen Stellen ausgesprochen und durch die That bekräftigt hat, so hat man doch sehr oft ihre Religiösität in Zweifel gezogen und sie des Unglaubens beschuldigt. Denn da man einmal der Ansicht war, sie sei nicht aus Ueberzeugung, sondern aus äußeren Beweggründen zur katholischen Kirche übergetreten, so nahm man folgerichtig an, sie habe auch später keine Ueberzeugung gehabt, sondern nur wegen ihrer Lebensverhältnisse und ihres Aufenthaltes in Rom sich zu dieser Kirche bekannt. Man führt dafür an die Mißbilligung der Dragonaden, ihre Theilnahme für den Ketzer Molinos, ihre geringe äußerliche Andacht, die Verwendung für zwei von der spanischen Inquisition verurtheilte Theologen, ihren Streit mit dem Papste Innocenz XI. und endlich manche Aeußerungen über Jesuiten, Mönche und Reliquien. Bei näherer Prüfung beweisen aber diese Thatsachen gar nichts. In dem Streite mit dem Papste handelte es sich um rein persönliche und äußere Angelegenheiten, welche mit einer Ueberzeugung vom religiösen Dogma nichts gemein hatten. Ihre Handlungen und Aeußerungen dabei betrafen immer nur die einzelne Person, nicht den dogmatischen und kirchlichen Begriff derselben. Welchen Unterschied sie in dieser Hinsicht zwischen Person und Würde machte, sagt sie schön in folgenden Worten: »Die Schwachheiten, Fehler und Verbrechen der Päpste löschen ihren heiligen Charakter nicht aus und zerstören ihr Ansehen nicht, welches unsere Ehrfurcht verdient, obschon oft ihre Person derselben nicht werth ist.« Auch sonst spricht sie eine sehr hohe Meinung über die päpstliche Würde aus. Als sie des Papstes Aufforderung an den König von Schweden zur Hülfe gegen die Türken eifrig unterstützte, befahl sie ihrem Geschäftsträger in Schweden, das päpstliche Breve nicht abzugeben, im Falle er vermuthete, daß dasselbe nicht ehrenvoll aufgenommen werde. »Denn wenn diese Geschöpfe,« schreibt sie, »mit dem Papste nicht verhandeln wollen, wie es sich gebührt, so lassen Sie sich nicht täuschen und verführen, weil ich nicht dazu beitragen will, daß der Papst eine Unhöflichkeit erfahre; und machen Sie ihnen begreiflich, daß der Papst, wenn er auch nicht derjenige wäre, der er ist, ohne Zweifel ein großer Monarch wäre, dessen Staat so groß und so schön ist, daß eine Spanne seines Landes mehr werth ist, als die ganze Herrschaft von Schweden.«

Ebenso richten sich die tadelnden Aeußerungen, welche sie über Mönche, Beichtväter u. A. gethan hat, nicht gegen die Kirche und ihren Glauben, sondern nur gegen die Fehler und Gebrechen einzelner Personen, welche ihre Berufspflichten vernachlässigten, oder die Grenzen derselben überschreitend, sich in weltliche Angelegenheiten mischten. Denn Christina sagt ausdrücklich: »Die Klosterleute, die das sind, was sie scheinen, muß man verehren; mit denjenigen aber, die es nicht sind, muß man Mitleid tragen. – Alle geistlichen Orden sind heilig.« Und in Bezug auf die Beichtväter sagt sie: »Sündhafte Gedanken, Worte und Handlungen gehören für die Beichtväter. Alles Uebrige geht sie nichts an. – Man leistet den Beichtvätern völligen Gehorsam, wenn man sich bekehrt und Buße thut.« Die Unzufriedenheit mit der damaligen äußeren Gestalt der Kirche, sagt Rühs, »läßt jedoch auf keine Geringschätzung der Religion selbst schließen, der sie in ihrem Herzen immer ergeben blieb«. Bei Reliquien und Legenden fragte sie zuweilen, ob das wohl so sein könnte; einen Stab, welchen man für den des Aaron ausgab, wollte sie nicht dafür anerkennen, indem sie bemerkte, der sei von Mandelholz gewesen, dieser aber nicht. Solche Bemerkungen konnten leicht ein ungünstiges Licht auf sie werfen und ungünstige Gerüchte über ihren Katholicismus veranlassen. – Wenn Christina die Dragonaden mißbilligte und Theilnahme für den als Ketzer verurtheilten Molinos und die beiden spanischen Theologen zeigte, so war das nur eine Regung ihres mitleidigen Herzens und eine Bethätigung des Grundsatzes: »Es ist eine Ungerechtigkeit, wenn man die Irrgläubigen hasset, man muß sie bedauern, ohne sie zu verfolgen.« Daß sie ihre dogmatischen Irrthümer gebilligt, läßt sich weder annehmen noch beweisen. – Eine andächtige in die Augen fallende Frömmigkeit, wie man sie von Convertiten erwartet, hat Christina allerdings nie gehabt und auch nie angestrebt. »Nichts ist ermüdender,« sagt sie selbst, »als eine Andacht, die sich im Aeußern zeigt.« Dieser Mangel an äußerer Andacht, sagt Pallavicino, ging zum Theil aus ihrem Grundsatze hervor: Die Tugend, um rein zu sein, müsse fern vom Scheine bleiben und auf den Dienst Gottes, nicht auf den Beifall der Menschen sich richten. Indessen hat sie die Pflichten ihrer Religion immer treu erfüllt und auch ihre Diener dazu angehalten. Sie empfing, wie selbst eine Schmähschrift gestehen muß, regelmäßig die heiligen Sakramente und wohnte täglich der heiligen Messe bei. In einem Briefe an den Bischof von Jesi, den sie sehr schätzte, empfiehlt sie sich an zwei Stellen in dessen Opfer und Gebete. – Wenn man endlich sagt, Christina habe zu verschiedenen Zeiten den schwedischen Thron wieder besteigen wollen und dazu nothwendig wieder lutherisch werden müssen, so ist Beides unrichtig und beruht auf bloßer Vermuthung. Was man am meisten hierfür anführen könnte, ist ein Bericht über Christina's Reise nach Schweden im Jahre 1667, wo es heißt: »Im Falle der junge König Karl XI. stürbe,« sagte Christina zu dem ihr entgegengesandten schwedischen Hofmanne, »hätte ich wohl auch ein Wort mitzusprechen, wenn nicht für mich selbst, doch für seinen Nachfolger.« Der Hofmann erwiderte, in jenem Falle würde der Nation die gesetzliche Wahl zustehen. »Dann würde ich,« antwortete sie, »die Geistlichkeit und die Bauern auf meiner Seite haben, sowie auch den Adel: aus Grund der Religion würde sich mir gewiß Niemand widersetzen.« Der Abgeordnete entgegnete, durch ihren Uebertritt zum Katholicismus habe sie die Liebe des Volkes verloren, das die Einführung einer fremden Religion nicht dulden würde. Darauf antwortete die Königin: »Wollte Gott, Sie könnten mich versichern, daß man nichts als dies gegen mich hätte: dann würde ich sehr zufrieden sein und Alles gut gehen.« Diese zweideutige Bemerkung erläuterte sie aber sogleich dadurch, daß, wenn ihre Wünsche auf den Thron gingen, woran sie jedoch nicht dächte, sie dabei Niemand zum Bekenntniß der katholischen Religion nöthigen würde; sie könne sagen, wie der Marschall Turenne: »Ich bin Calvinist, aber mein Degen ist katholisch.« Diese Aeußerungen zeigen durchaus nicht eine Neigung Christina's, zur lutherischen Religion zurückzukehren: sie sagen nichts weiter, als daß es ihre Ansicht wäre, ihr Katholicismus würde ihr nicht hinderlich sein, wenn sie die Krone wieder nehmen wollte, da sie nur für sich katholisch bleiben, nicht aber ihre Religion in dem Reiche einführen wolle.

Läßt sich also nichts anführen, wodurch man Christina's Mangel an katholischer Ueberzeugung beweisen könnte, so sprechen aber viele Thatsachen für das Gegentheil. In den Verhandlungen mit Schweden hätte sie Alles erreichen können, wenn sie ihren Glauben wieder geändert hätte, und gerade ihr beharrliches Festhalten an der freien Ausübung des katholischen Gottesdienstes hat ihr viele Unannehmlichkeiten bereitet. In ihren späteren Lebensjahren zeigte sie sogar eine große Neigung, in ein Kloster zu gehen, so daß sie ihrem Gesandten del Monte bei seiner Verhandlung in Schweden auftrug, auch für diesen Fall ihre Einkünfte sicher zu stellen. Daß sie dieses Vorhaben nicht ausführte, darüber erklärt sie sich in einem Briefe an den Grafen Wasenau, Sohn des Königs Wladislaus von Polen, den sie bewegen wollte, das klösterliche Leben zu wählen. »Es ist in der Welt nichts größeres,« sagt sie, »nichts ruhmwürdigeres, nichts edleres, als sich dem Allerhöchsten gänzlich zu widmen: und dafern Sie diesen Entschluß freudig und herzhaft fassen, so werden Sie dabei nicht übel fahren … Doch prüfen und erforschen Sie zuvor Ihr Herz und Ihre Kräfte; aber vertrauen Sie diesen nicht, vertrauen Sie Gott; und wenn Sie von seinem Rufe überzeugt sind, so verlassen Sie die Welt baldmöglichst; aber verlassen Sie dieselbe wie ein Haus, welches brennt und woraus man sich schleunigst retten muß, wenn man nicht darin umkommen will. Ordnen Sie Ihre Angelegenheiten und geben Sie Gott muthig das Wenige, was Sie besitzen, ohne Furcht, etwas zu verlieren: er wird Ihnen Alles mit Zinsen wiedergeben. Dieses Opfer ist der beste Gebrauch, den man von Allem machen kann, was es in der Welt gibt; und Gott ist so gütig, daß er uns belohnt, wenn wir ihm geben, was nur ihm gehört. Welcher Ruhm und welche Freude, einem so gütigen Herrn zu dienen! … Sie werden mir vielleicht sagen, warum thun Sie es nicht ebenfalls? … Ich will Ihnen gern alle Bedenken darüber nehmen, indem ich Ihnen erkläre, daß dieselbe Vorsehung, welche Sie zu diesem Glücke beruft, mir verbietet, darnach zu trachten, wie die Thatsachen beweisen: Alles, was mir in meinem Leben begegnet ist, überzeugt mich, daß es sein Wille nicht ist, daß ich daran denke; daß es hieße, sich gegen seine Befehle auflehnen, wollte man einen Stand ergreifen, wozu man nach allem Anscheine nicht berufen ist. Wenn dieselbe Vorsehung eines Tages anders darüber verfügt, so werde ich blindlings ihren Befehlen folgen, zumal ich schon seit langer Zeit ihrer Leitung mich überlassen habe. Thun Sie desgleichen und Sie werden glücklich sein.«

Andere schöne Züge ihrer Frömmigkeit sind folgende: Ein Schriftsteller von Christina's Bekanntschaft hatte ziemlich nachtheilig über den heiligen Augustin geurtheilt. Sie verwies ihm dieses: »Man hat mir gesagt,« schrieb sie, »daß Sie in einigen Ihrer Werke wenig Achtung für St. Augustin bezeugen; das stimmt nicht mit dem überein, was ich Sie von diesem großen Manne sagen hörte. Ich hatte gestern Lust, Ihnen darüber Vorwürfe zu machen, aber es fehlte mir an Zeit, mich gegen Sie zu erklären. Rechtfertigen Sie sich, denn über dieses Kapitel haben Sie keine Schonung von mir zu hoffen. Sie werden mir sagen, ich mache es hinsichtlich der Bücher des heiligen Augustin ebenso, wie die irrenden Ritter, welche für unbekannte Damen kämpfen. Ich gestehe das unverholen, aber was ich von dem Werke dieses unvergleichlichen Mannes gesehen habe, ist genug, um mir Bewunderung für das Uebrige einzuflößen, was ich vielleicht nie sehen werde.« Als der berühmte Geschichtsschreiber und Rechtsgelehrte S. v. Pufendorf in dem der Königin gewidmeten Werke de rebus Suecicis einige unkirchliche Bemerkungen über die Reformation und kirchliche Angelegenheiten gethan, schrieb sie ihm ernstlich über dieses rücksichtslose Verfahren, verweigerte jede fernere Unterstützung und auch die Annahme der Widmung des Werkes. An den Professor Wasmuth an der Universität Kiel, der in einem Christina gewidmeten Werke einige Aussprüche hatte, welche sich mit der katholischen Lehre nicht vertrugen, schrieb sie: »Für die Kirche bin ich bereit, alles Blut in meinen Adern und tausend Leben, wenn ich sie hätte, hinzugeben: ich versichere Ihnen, daß ich in diesem Kapitel äußerst delicat bin und gänzlich unerbittlich.« Ebenso schrieb sie an Olivekrans: »In einem Werke, das meinen Namen tragen und auf meine Kosten gedruckt werden soll, kann ich durchaus nicht die mindeste Aeußerung dulden, die der katholischen Religion zuwider ist.« Ueber Otto von Guericke's astronomisches Werk schrieb sie an dessen Sohn: »Ich überlasse es den Mathematikern und Astronomen, mit ihm über sein System zu disputiren; ich meines Theils unterschreibe gern die Mehrzahl seiner trefflichen Conjecturen, wenigstens soviel als mir die Autorität der römischen Kirche gestattet.« Diese Ansicht, wonach die Lehre des Christenthums und der Kirche für sie der untrügliche Maßstab war, an dem sie Werth oder Unwerth der wissenschaftlichen Errungenschaften bemaß, sprach sie aber nicht nur öffentlich aus, etwa mit Rücksicht auf ihre äußere Stellung, sondern auch im vertrauten Briefwechsel. So schreibt sie in einem Briefe an Bourdelot, nachdem sie sich mit großer Toleranz über die Jansenisten ausgesprochen hat: »Ich meines Theils gebe mich blindlings den Lehren der römischen Kirche hin, und ich glaube ohne Rückhalt Alles, was ihr Oberhaupt befiehlt.«

In einem anonymen Berichte über ihren Aufenthalt in Frankreich heißt es: »In Ansehung ihrer Religion habe ich sie frei von allem Aberglauben, den die größten Christen und die größten Weltweisen so sehr verabscheuen, weit entfernt gefunden. Sie bewundert diejenigen, die sich über Glaubenslehren hartnäckig zanken und sagt, wenn man einmal überzeugt worden, so müßte man die von den Päpsten entschiedenen Punkte in tiefster Ehrfurcht und völligem Gehorsam annehmen.« Pallavicino sagt als Ohrenzeuge, sie habe geäußert, sie würde sich schämen, wenn der Papst, für wie heilig und in den übrigen Tugenden unvergleichlich sie ihn halte, in der des Glaubens sie überträfe; das übrige Lob, das Wohlgeneigte ihr zollten, wäre Artigkeit, dieses aber in seiner ganzen Größe nur Gerechtigkeit. Noch entschiedener spricht Christina ihre katholische Gesinnung in ihrer Selbstbiographie aus. Nachdem sie die Verdienste Gustav's I. gepriesen, fährt sie fort: »Aber dieser Fürst, so groß, so tapfer, der ohne Zweifel einer der größten Könige war, die je in Schweden geherrscht haben, hatte das Unglück, seinen Ruhm mit dem Verbrechen des Abfalls zu beflecken, welches er für sein ganzes Reich ansteckend machte, indem er die Ketzerei Luther's einführte, worin unglücklicher Weise alle Könige, seine Nachfolger, bis jetzt beharrten, ausgenommen der König Sigismund, welcher der erste katholische König unseres Hauses nach dem Abfalle war, ebenso wie ich, obgleich man den König Johann, seinen Vater, wegen dieses schönen Verbrechens im Verdacht gehabt hat.« Dasselbe sagte sie von ihrem Vater Gustav Adolph, dessen Tugenden sie sonst so sehr preist: »Er war siegreich während seines ganzen Lebens, und er feierte einen Triumph in seinem Tode. Aber warum war der Triumph nicht vollständig? Doch es ist Zeit, die Augen von diesem traurigen Gegenstande abzuwenden. Beklagen wollen wir alle diejenigen, die nicht den wahren Ruhm kennen und die das ewige Unglück haben, sein Phantom und seinen Schatten für ihn selbst zu nehmen. Jedoch könnte man nicht, ohne gegen Deine Gerechtigkeit, o Herr! zu verstoßen, sich schmeicheln, daß Du einem Manne Gnade erwiesen habest, den Du so groß gemacht hast, Du, der Du geheime Mittel und so unbekannte und den Menschen verborgene Wege in allen Herzen hast? Ein Strahl Deiner siegreichen Gnade hätte ihn in dem letzten Augenblicke seines Lebens verklärt. Aber mag das geschehen sein oder nicht, man muß in alle Deine ewigen und gerechten Beschlüsse sich ergeben; man muß sie bewundern und anbeten.« Aehnliche Gedanken finden wir in ihren Aphorismen: »Wenn man katholisch ist, hat man den Trost, alles zu glauben, was so viele große Geister, die seit sechzehn Jahrhunderten lebten, geglaubt haben; man ist glücklich, sich zu einer Religion zu halten, die durch Millionen Wunder und durch Millionen Märtyrer beglaubigt ist, die ihr Leben für die Wahrheit der katholischen Religion aufgeopfert haben; das ist eben die Religion, welche die Wüsten mit Menschen anfüllte, die sich durch ein geheimeres Martyrthum Gott aufopferten, indem sie der Welt und allen ihren Reizen entsagten; es ist eben die Religion, die so reich an bewunderungswürdigen Jungfrauen ist, welche über die Schwäche ihres Geschlechtes und Alters triumphirten, um sich zu rühmlichen Opfern einer den Menschen unbekannten Religion zu machen, die nur durch einen Gott gelehrt werden konnte: alle jene sind zu beklagen, welche diese großen Wahrheiten nicht annehmen.« – »Gott hat dem Papste und der Kirche auf so erstaunenswürdige Weise Ansehen verleihen wollen durch so viele Wunder, so viele Concilien und andere außerordentliche Erscheinungen, daß kein vernünftiger Mensch an der Erfüllung seines glänzenden Versprechens zweifeln kann, er werde ihr über die Hölle Gewalt verleihen bis an das Ende der Welt. Er hat gewollt, die Regierung seiner Kirche solle monarchisch sein. Er hat seine Unfehlbarkeit dem Papste und nicht den Concilien gegeben. Der Papst ist Alles ohne sie und sie sind nichts ohne ihn. Er hat von seinen Handlungen Niemanden als Gott Rechenschaft zu geben. – Die Anrufung und die Verehrung, welche wir der Mutter Gottes, den Engeln und den übrigen Heiligen widmen, ist ebenso gerecht, wie die Lästerungen der Ketzer darüber abscheulich sind. Wir beten in ihnen Gott und seine Barmherzigkeit an. Wir danken ihm für alle Verdienste und für die Gnade, die er ihnen gewährt, für die Tugend und den Ruhm, womit er sie gekrönt hat. Wir bestreben uns, ihre Tugenden und ihre Beispiele nachzuahmen, und wir bitten Gott um die Gnade, sie uns als Mittler bei seiner göttlichen Majestät zu verleihen; wir beten in ihnen nur Gott allein an, als die einzige Quelle aller Gnaden, Wunder und Tugenden, die sie zu seinem Ruhme bethätigen.«

Endlich sprechen für ihre Treue und Anhänglichkeit an den katholischen Glauben die verschiedenen Bestrebungen für dessen Aufrechthaltung und Verbreitung. Dahin gehört ihre Verwendung für die freie Religionsübung der Katholiken in den nördlichen Staaten und die zu Gunsten der englischen Katholiken bei dem Könige Wilhelm von Oranien. Dem zum Katholicismus übergetretenen Herzog Christian von Mecklenburg, der in seinem Palaste zu Hamburg den katholischen Gottesdienst eingehen ließ, bezeugte sie darüber ihr ernstliches Mißfallen und forderte ihn zur Wiederherstellung auf. Einer Nonne im Kloster Seven im Gebiete von Bremen, welche nur eine Pension von 70 Thalern hatte, bewilligte sie ein Jahrgehalt von 100 Thalern und schrieb ihrem dortigen Statthalter: »Versäumen Sie nicht, alle Ordensgeistlichen beiderlei Geschlechts, die es dort gibt, oder andere katholische Geistliche mit Allem zu versorgen, was ihnen zum Leben nothwendig ist, und noch mehr als das, sparen Sie nichts zu dem Zwecke, es handelt sich hier um meine Ehre und mein Gewissen.« Besonders nahm sich Christina auch vieler Convertiten an, unterstützte sie, soviel sie vermochte, und empfahl sie einflußreichen Herren. Ja selbst zur Annahme des katholischen Glaubens suchte sie manche Personen zu bewegen. So schrieb sie an die gelehrte Mademoiselle le Febre, Tochter des Philosophen Faber zu Samur und nachherige Gemahlin Dacier's, nach vielen Artigkeiten über ihre ausgezeichneten Talente, wodurch sie die Musen mit den Grazien vereinige, folgende schönen Worte: »Könnten Sie in diesen Bund noch das Glück hereinziehen, so wäre das eine fast beispiellose Vergrößerung, die nichts zu wünschen übrig ließe, als etwa die Erkenntniß der Wahrheit, welche einer jungen Dame nicht lange verborgen sein kann, die sich mit den heiligen Schriftstellern in der Ursprache zu unterhalten vermag. Ich hoffe und wünsche mit Gottes Gnade, diese werden Sie einst, wenn Sie dieselben ohne Vorurtheil befragen, davon überzeugen, daß ungefähr 1500 Jahre, bevor die Luther und Calvine der Wahrheit entsagt haben, Alles, was es von verständigen und großen Leuten in der Welt gab, ebenso katholisch war, wie wir es heut zu Tage in Rom sind und wie es der vernünftigste und beste Theil Ihres Frankreich's ist. Wozu kann Ihnen Ihre ganze Wissenschaft dienen, wenn Sie diesen so wichtigen Gegenstand nicht kennen? Geben Sie sich Mühe, ihm ein reifliches Nachdenken zu widmen, und bitten Sie Gott, daß er eines Tages Ihre Augen und Ihr Herz der Wahrheit öffne.« Nimmt man noch hinzu, daß Christina bei dem Papste mit Entschiedenheit darum anhielt, daß man dem Papste Pius V. in Erwartung seiner feierlichen Canonisation schon vorläufig den Namen und Ehren eines Seligen beilegen dürfe, die ihm schon mehrere Päpste »wegen seiner großen Tugenden und Heiligkeit und der beglaubigtsten Wunder« zuerkannt hatten, so wird man gern das Wort Chanut's unterschreiben: daß nämlich diese Königin einen besonders göttlichen Trieb gehabt, und eine recht eifrige Christin gewesen sei. Mit Recht sagt daher eine sachkundige Schrift, welche den damaligen Zustand Rom's darstellt: »Das Leben, welches Christina zu Rom geführt, verunglimpfen, heißt gar keine Kenntniß davon haben, oder sie absichtlich anschwärzen gegen sein eigenes Wissen und die Augenscheinlichkeit einer Wahrheit, wofür es Millionen von Zeugen gibt. Es war nicht in Rom möglich, daß sie ohne Religion hätte leben und von der Verleumdung verschont bleiben können; ohne mit einem vermessenen Urtheile in die Tiefen der Seele eindringen zu wollen, kann man niemals in Abrede stellen, daß Christina sogar sehr eifrig und musterhaft alle Pflichten einer Person ausgeübt hat, die der Religion, welche sie bekannte, anhänglich ist.«

Ebenso grundlos als die Beschuldigung von Christina's Unglauben ist die der Unsittlichkeit. Veranlassung dazu war vielleicht in dem einen oder anderen Falle ihr vielfacher Verkehr mit Kriegsmännern und Gelehrten, ihr Hang zur Satire, der gewöhnlich ungezwungene Reden veranlaßt, ihre Beschäftigung mit Reiten und Jagen, überhaupt ihr mehr männlicher als weiblicher Charakter, der durch das Studium der alten Klassiker noch mehr ausgebildet war. Fremde und feindliche Späher konnten dadurch zu falschen Urtheilen verleitet werden, zu Entstellungen und Erdichtungen, welche man ohne Scheu ausstreute, als die königliche Würde nicht mehr den Ehrfurcht gebietenden Glanz um sie verbreitete und sie selbst nicht mehr mit vollen Händen Gold und Titel ausstreute. Namentlich sind es einige französische Schriften, welche darin das Aergste von schamloser Gemeinheit geleistet haben. Sie tragen so sehr das Gepräge der Leidenschaft und Erbitterung an der Stirn, daß sie nur aus persönlicher Feindseligkeit hervorgegangen sein können. Ihre Verfasser, welche sich mit dem Schilde der Anonymität decken, zeigen sich durch Stil und Darstellung als ungebildete Personen und haben wahrscheinlich früher in Christina's Diensten gestanden. Daß diese Schmähschriften, welche ohne alle Beweise und Kenntnisse der Verhältnisse sind, keinen Glauben verdienen, ist eine ausgemachte Sache und daher unbegreiflich, daß Historiker wie Raumer aus dergleichen Quellen schöpfen und damit die Geschichte beschmutzen konnten. Gleichzeitige glaubwürdige Schriftsteller, wie Burnet, Wagenseil und Misson, welche damals in Rom lebten, wissen von einer Unsittlichkeit der Königin nichts zu berichten, während Andere derartige Gerüchte ausdrücklich für ganz grundlos erklären. So sagt der gelehrte Theologe Huet: »Ihre Sitten scheinen rein, denn ich gebe nichts auf einige widersprechende Gerüchte, welche vorzüglich in Deutschland verbreitet sind.« Als der französische Geschäftsträger in England den Gesandten Chanut um Auskunft hinsichtlich solcher Gerüchte bat, schrieb ihm dieser, er habe bei ihr keineswegs eine so übermäßige Neigung für Spanien, eine so wunderliche Lebensweise, noch so thörichten und unverständigen Sinn gefunden; zwei Freunde, die zugleich mit ihm Christina besucht hätten, würden ihm nähere Aufklärung darüber geben; er wolle nur einen Punkt hervorheben, daß sie nämlich zu freimüthig manche Paradoxen aufstelle und vertheidige, als wären es ihre eigenen Ansichten, obgleich sie, wie er glaube, das nur thue, um die Meinungen der Andern zu hören, deren Verstand auf die Probe zu stellen und ihren eigenen zu vergnügen. Der Gesandte von England antwortete Chanut, seine beiden Begleiter hätten ihm so vollständig Auskunft über das Benehmen der Königin gegeben, daß er nun im Stande wäre, diejenigen zurechtzuweisen, welche Christina's Aufführung tadelten. Das entschiedenste Zeugniß aber gegen ihre Unsittlichkeit legen die beiden französischen Damen ab, Mademoiselle de Montpensier, Bruderstochter König Ludwig's XIII., und Madame de Motteville, Ehrendame der Königin, welche mit Christina bei ihrem Aufenthalte in Frankreich näheren Umgang gehabt und alle ihre Handlungen mit weiblicher Eifersucht einer strengen Kritik unterworfen haben. »Nichts zeigte sich an Christina,« sagt letztere, »was der Ehre zuwider gewesen wäre, ich meine, derjenigen Ehre, welche von der Keuschheit abhängt; und hätte sie sich in diesem Punkte verleiten lassen, so würden die liebreichen Leute des Hofes nicht vergessen haben, es bekannt zu machen.« Und Mademoiselle de Montpensier sagt: »Christina zeigte sich artig, vorzüglich gegen Männer, aber gegen Frauen auffahrend und heftig. Doch fand man keinen wirklichen Grund, die nachtheiligen Reden, die man über sie geführt hatte, zu glauben, obgleich diese durch ganz Europa zu ihren Ungunsten sich verbreitet hatten.« Zur Erklärung dieses auffallenden Benehmens gegen das weibliche Geschlecht sagte sie selbst: »Ich bin den Männern nicht gut, weil sie Männer sind, sondern darum, weil sie nicht Frauen sind.« Ueber ihren Aufenthalt in Rom heißt es in der schon angeführten sachkundigen Schrift: »Während der ganzen Zeit, die sie in Rom gelebt, ist sie frei gewesen von dem Verdachte wegen Ausschweifung und Leichtsinn.« Endlich berichtet Pallavicino: »Christina sagte einst mit dem Ausdrucke reinster Wahrhaftigkeit in Stimme und Miene, sie würde keine unrechte Handlung begehen, wenn sie auch Gott selbst unsichtbar wäre: der Gedanke, daß ihre eigene Seele zuschaue, sei genügend, sie zurückzuhalten.« Bei diesen ausdrücklichen Zeugnissen ist es nicht ohne Bedeutung, daß sich in der großen Masse ihrer Briefe auch nicht ein einziger Beweis für ein wirkliches Liebesverhältniß finden läßt, und daß sie selbst ihre Unschuld gegenüber den lügnerischen Gerüchten wiederholt betheuert. So schreibt sie an den König Karl Gustav: »Man wird niemals hören, daß ich etwas unternommen habe, was Ew. Majestät, der Krone Schwedens oder dem Volke zum Nachtheil, Schaden oder Unehre gereichen könne, sondern ich werde vielmehr bei allen Vorfällen alles mögliche anwenden, um mich gegen Ew. Majestät und das Reich auf eine Art zu betragen, die mich der Ehre, eine Königin von Schweden gewesen zu sein, niemals verlustig machen soll.« In ihrer Selbstbiographie weist Christina alle jene verleumderischen Gerüchte mit einer Entschiedenheit zurück, die nur auf dem Bewußtsein und tiefen Gefühle der Unschuld beruhen kann: »So nahe ich auch oft dem Abgrunde war, so hat mich doch Deine mächtige Hand davon zurückgezogen. Du weißt, was immer die Verleumdung darüber sagen mag, daß ich an allen lügenhaften Sagen unschuldig bin, durch die sie mein Leben anzuschwärzen suchte.« Geijer sagt darum mit Recht: »Sie war besser als ihr Ruf.«

Blicken wir auf die anderen Eigenschaften der Königin, so verdient zunächst ihre natürliche Gutherzigkeit und Bereitwilligkeit, Allen zu helfen, hervorgehoben zu werden. Eine große Menge ihrer Briefe geben davon Zeugniß, wie gern sie die Interessen derer förderte, die sie ihrer Theilnahme werth erachtete und dabei weder auf Confession, noch auf Nationalität sah, sondern nur auf Tüchtigkeit und Würdigkeit. Den Einen empfahl sie zu einer geistlichen Würde, wie den Erzbischof Maurocordato dem Dogen von Venedig; einen Andern zu einem gelehrten Amte oder einer sonstigen Anstellung, wie dem ihr befreundeten Bischof Ferdinand von Fürstenberg einen römischen Advocaten zum Geschäftsführer; einem Dritten gab sie Empfehlungsbriefe an die bedeutendsten Personen in verschiedenen Staaten. Vorzüglich nahm sie sich der Bedrängten und Unglücklichen an: so verwandte sie sich für den aus England geflüchteten Herzog von Northumberland, daß ihm seine entzogenen Güter wieder gegeben wurden; für den Abbé Machera, um seine Rückkehr aus der Verbannung ins Vaterland zu erwirken. Den aus Dänemark geflüchteten Grafen Corfiz Ulfeld, dessen Vorzüge sie in längerem Umgange kennen gelernt, tröstete sie in seiner Gefangenschaft und unterstützte ihn aufs freigebigste. In Rom unterhielt sie Jahr aus Jahr ein 400 Personen, die des Almosens bedürftig waren. »Das einzige Vergnügen, welches das Geld gewährt,« sagt sie, »ist, es auszugeben.« – »Alles, was man hingibt,« sagt sie ferner, »ist ein Gewinn, und was man nicht gibt, ist ein Verlust. Fürsten dürfen kleine Geschenke wohl annehmen, aber selten machen. Ihre Geschenke dürfen weder dem, der sie macht, noch dem, der sie erhält, zur Unehre gereichen. Allein nicht ihr äußerer Werth, wie groß er auch immer sei, sondern die Weise der Vertheilung sei das Verbindlichste dabei.« Als sie hörte, daß der Erzbischof Angelo della Noce sich in großer Noch befand, schrieb sie an ihn: »Ich überschicke Ihnen zweihundert Dukaten, die weder Ihren Verdiensten, noch meinem Wunsche gemäß sind. Allein Sie sollen wissen, daß Sie gerächt sind, weil ich mich selbst schäme. Sagen Sie Niemanden etwas davon, wenn Sie nicht die Königin tödtlich beleidigen wollen.« Ihre Art zu verbinden übertraf noch ihre Wohlthaten. Sie hatte stets die lobenswerthe Aufmerksamkeit, die Hülfe, die sie leistete, dem bedürftigen Verdienste zu verbergen.

Die größte Güte zeigte Christina für ihre Untergebenen. Als sie die Stelle eines Kämmerers aufhob, äußerte sie bei dieser Bestimmung in Bezug auf die damaligen Inhaber derselben: »Ich bin nicht hart genug, um Leuten, die es nicht verdient haben, das Brod zu nehmen und will ihnen jedenfalls das Gehalt lassen, bis sie einen andern Lebensunterhalt gefunden.« Bei dem Tode des Marquis del Monte tröstete sie dessen Sohn: »Ich bin untröstlich, Marchese,« sagt sie, »über den gemeinschaftlichen Verlust, den wir in dem Marchese, ihrem Vater, erlitten haben, welcher, wie ich hoffe, der Glorie des Himmels theilhaftig ist. Ich nehme Theil an Ihrem nur zu gerechten Schmerze; aber man muß sich in den göttlichen Willen ergeben. Von Andern werden Sie die traurige Nachricht mit allen Einzelheiten wissen: mir blutet das Herz, wenn ich daran denke; was mir zukommt, ist, Ihnen zu versichern, daß seine ganze Liebe für Sie mir als Vermächtniß zugefallen ist, und daß Sie von jetzt an mein Sohn, wenigstens der Liebe, sein werden.« Dieselbe Theilnahme für den gebeugten Sohn spricht sie auch in den Briefen an Olivekrans und Texeira aus und trägt ihnen auf, auf jede Weise den Marquis zu trösten und zu unterstützen. Ein anderer Zug edler Sorgfalt für ihre Diener ist folgender: Als ihr Sekretär Santini, der damals krank war, über die Abfassung eines wichtigen Schreibens bei ihr anfragte, fügte sie dem Bescheide, den sie darauf gab, hinzu: »Tragen Sie Sorge für Ihre Gesundheit, diese geht allen anderen Dingen vor.« Mit dieser Güte und Liebe gegen die Untergebenen, wovon auch die langjährige Dienstzeit derselben Zeugniß gibt, besteht vollkommen strenge Forderung des Gehorsams, die eben als Fortsetzung ihrer Regierungsweise charakteristisch ist. »Ich habe wenige Diener,« sagt sie, »und diese haben keine anderen Zwecke, noch andere Interessen und können keine anderen haben, als die meinigen; und obgleich sie wenig davon unterrichtet sind, so wissen sie doch, daß sie mir allein zu gehorchen und zu dienen haben, und nicht Anderen; und sie mögen wissen, daß ich in meinem Hause diesen Grundsatz im Herzen aller der Meinigen festgestellt habe, so daß keiner ist, der nicht überzeugt wäre, es werde ihm das Leben oder meinen Dienst kosten, wenn er anders handelte; und die Beispiele Einiger, die sich nicht danach gerichtet, haben Allen gezeigt, daß ich da wenige Ceremonien mache. Als ich in meinem Reiche war, hatte ich viele Räthe und Minister; diese hörte ich alle, aber ich nahm die Beschlüsse aus mir selbst nach meiner Weise, sowohl in den großen als kleinen Dingen, und ich forderte von meinen Dienern und Ministern nichts als blinden Gehorsam, womit meine Dekrete ohne Widerrede ausgeführt wurden. Ich allein war die Herrin, ich wollte es sein und verstand es zu sein durch die Gnade Gottes. Der Kaiser, Schweden, die ganze Welt weiß es: daher sage ich nichts mehr. Gegenwärtig habe ich meine Glücksverhältnisse geändert, aber nicht meinen Sinn, und ich thue jetzt das im Kleinen, was ich damals im Großen that; und ich versichere Ihnen, daß es keinen meiner Diener und Minister gibt, noch geben wird, der die Kühnheit hätte, einen Schritt zu thun ohne meinen Befehl und mein Wissen.« Dem jungen del Monte, der nach seiner Vermählung mit einer Nichte jenes unglücklichen Monaldeschi seine Liebe zu der sehr schönen Nichte des Cardinals Gabrieli nicht aufgeben wollte, schrieb sie: »Ihrer Liebe mit dieser Dame müssen Sie sich gänzlich, aber auch gänzlich entschlagen. Sie sprechen von einer Verbindlichkeit. Erinnern Sie sich, daß Ihre einzige Verbindlichkeit die Treue ist, die Sie Ihrer Gemahlin schuldig sind; diese haben Sie Gott und Menschen angelobt, von allem Uebrigen würden Sie nur Scham, Reue und Schaden für Seele und Leib haben. Ich bin nicht scrupulös, aber ich empfehle Ihnen Ihre Seele. Ich weiß, Sie sind jung: ich verlange nicht, daß Sie ein Anachoret oder Eremit sein sollen; aber debauchiren Sie mit Niemanden, um so mehr, da Sie an jener Armen Verrath begehen, indem Sie ihr die Meinung einflößen, daß Sie sie lieben.«

Bei Christina's Billigkeit und Gerechtigkeit lag ihr nichts so sehr am Herzen, als die Bezahlung ihrer Schulden. So schreibt sie an ihren General-Statthalter in Bezug auf Texeira's Forderung für geleistete Vorschüsse: »Auch ist er überzeugt, daß ich ihm nie sein Recht verkümmern werde: denn ich wollte lieber trockenes Brod essen, als meine Schulden nicht bezahlen; ich kann mich nicht anheischig machen, Wasser zu trinken, denn ich habe in meinem Leben nichts Anderes getrunken, und hätte ich Krösus' Schätze, so tränke ich nie etwas Anderes. Daher brauchen Sie Texeira's wegen keine Sorgen zu haben, denn ich denke mehr an ihn als an mich, und meine Besorgnisse sind einzig meine Schulden: denn es würde mich in Verzweiflung bringen, denen mein Wort nicht zu halten, die sich darauf verlassen haben … ich wollte lieber sterben, als einen Diener verlassen oder verrathen, der mir so viele Jahre lang so treu gedient hat; aber hätte er mir auch nur einen Augenblick gedient, so würde das hinreichen, um mich ewig daran zu erinnern.«

Dankbarkeit, verbunden mit einer großmüthigen, wahrhaft königlichen Freigebigkeit, bildet einen der glänzendsten Züge ihres Lebens. Als sie dem General Torstenson auf sein dringendes Anhalten seine Entlassung sandte, begleitete sie dieselbe mit folgenden Worten: »Ich habe diesen eigenhändigen Brief beigefügt, um Ihnen für die langen, treuen und unermüdeten Dienste, die Sie mir geleistet haben, verbindlich zu danken; und wünsche von Herzen, daß der Allmächtige Sie glücklich in das Vaterland zurückführen und Ihnen die erforderlichen Kräfte schenken wolle, Uns mit Ihrem Rathe beizustehen, weil ich das Zutrauen zu Ihnen habe, daß Sie sich dessen bei diesen kritischen Umständen nicht weigern werden, insofern es Ihre Gesundheit gestattet.« Besonders bewies sie diese schöne Tugend der Dankbarkeit gegen Steinberg und Bourdelot für ihre Lebensrettung, gegen die pfalzgräfliche Familie und ihren Lehrer Matthiä für ihre Erziehung. Als Letzterer aus seinem bischöflichen Amte entlassen wurde, weil er zu Christina's Religionsveränderung beigetragen habe, schrieb ihm die Königin: »Ich nehme Theil an Ihrem Unglück. Haben Sie Geduld und trösten Sie sich mit der Versicherung, die ich Ihnen gebe, daß ich Sie niemals verlassen will, und daß es Ihnen an nichts fehlen soll, so lange ich leben werde. Verlassen Sie sich auf mein Wort, das ich Ihnen desfalls gebe.«

Unverbrüchliche Freundschaft erhielt sie immer lebendig für ihre Jugendfreundin Ebba Sparre. »Nachdem ich,« schreibt sie unter Anderm, »in dem schönen und gebildetsten Theile der Welt Alles gesehen, was es von unserem Geschlechte Reizendes und Schönes gibt, behaupte ich mit noch größerer Kühnheit, daß Niemand ist, der Ihnen den Vorzug streitig zu machen wagte, den Sie vor Allem haben, was es Liebenswürdiges auf der Welt gibt. Und nun sagen Sie mir, ob man sich trösten kann, wenn man zu ewiger Trennung verurtheilt ist. Aber wenn ich sicher weiß, daß ich Sie nicht mehr sehen werde, so weiß ich auch sicher, daß ich Sie stets lieben werde, und Sie sind grausam, wenn Sie daran zweifeln. Eine Freundschaft, welche durch dreijährige Abwesenheit bewährt ist, darf Ihnen nicht verdächtig sein; und wenn Sie das Recht, welches Sie über mich haben, noch kennen, so werden Sie sich erinnern, daß ich schon seit zwölf Jahren im Besitze Ihrer Liebe bin; ich gehöre Ihnen so ganz an, daß es unmöglich ist, daß Sie mich verlieren können; und nur mit dem Leben werde ich aufhören, Sie zu lieben … Ich wäre die glücklichste Fürstin von der Welt, könnte ich Sie zur Zeugin meiner Glückseligkeit haben und könnte ich einst die Freude hoffen, Ihnen nützlich zu sein.«

Ihrer Mutter bezeigte sie stets Ehrfurcht und anhängliche Sorgfalt; daß bei den Eigenthümlichkeiten der Mutter und dem ganz verschiedenen Charakter von beiden Christina's zärtliche Liebe nicht sehr groß sein konnte, ist leicht denkbar; daß sie aber »unkindlich« gewesen und sich »um ihre Mutter wenig gekümmert«, ist unwahr, wie schon früher gezeigt. Das Andenken ihres Vaters hat sie mit der bewundernden Liebe einer Tochter bewahrt, während sie die Sache, für die er seine Kraft und sein Leben geopfert, den Zwiespalt in der Kirche, verabscheute. »Ueberall,« sagt sie von ihm, »siegte er entweder selbst oder seine Feldherren, bis zu dem verhängnißvollen Tage von Lützen, und auch dort starb er siegend und triumphirend in den Armen des Sieges. Groß war dieser Fürst in Allem; groß seine Geburt, sein Geschick nicht minder. Sein Ehrgeiz war größer als seine Kräfte, aber nicht größer als sein Glück. Er war weise, war tapfer, er war ein großer Feldherr, ein großer König; kurz er war der größte Mann seines Jahrhunderts, ja unter denen, die drei oder vier Jahrhunderte vor ihm gelebt. Er war edelmüthig, freigebig bis zur Verschwendung und doch haushälterisch und geschickt in Allem. Er sprach und verstand mehrere Sprachen, hielt passende Anreden, liebte Bücher und schöne Wissenschaften. Er war ein schöner Fürst, allein zu stark, zu beleibt, was ihn zu belästigen anfing. Er war allzu heftig und zu rasch und den Frauen zu sehr hingegeben. Den Wein liebte er nicht, allein er trank, eine allgemeine Sünde des Nordens; doch hinderte ihn dies nicht, seinem Ruhme und seiner Pflicht zu leben; er that es gezwungen, aus politischer Nothwendigkeit, denn er hing nicht an dem Weine aus Neigung … Er hatte,« fährt sie an einer andern Stelle fort, »große Talente und große Tugenden und nur wenige Fehler; vor Allem aber trugen die Gelegenheiten, die er wohl zu nützen verstand, zu seiner Größe bei. In seinen Kriegen gewann er 20 Schlachten, bei neun oder zehn war er selbst zugegen. Siegreich zeigte er sich während seines ganzen Lebens und triumphirend in seinem Tode.« Allein der Schimmer dieser Siege und Triumphe konnte Christina nicht blenden über die Sache, für die der Vater gestritten. »Er war wahrhaft groß,« sagt sie, »und nichts hat seiner Wohlfahrt gefehlt, wäre er dem alten Glauben seiner Väter ergeben gestorben, statt als ein Vertheidiger der Häresie zu fallen. Um jedoch einem so großen Manne in keiner Weise Unrecht zu thun, möchte ich lieber nicht glauben, daß er sich einer so schlechten Sache geopfert. Ich will glauben, daß er sich dieses Vorwandes klug bedient hat, um dem Ruhm seiner Pläne entgegen zu gehen Der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna leugnet es ebenfalls, daß das Hauptziel des deutschen Krieges von Seite Schwedens die Vertheidigung der Religion gewesen sei. Geijer III. 387. Derselben Ansicht ist der protestantische Geschichtsschreiber F. W. Barthold (Geschichte des großen Krieges). Räß VII. 65.. Doch wie es sich auch damit verhalten mag, so hatte er jedenfalls das Unglück, daß er sich entweder der Lüge opferte, oder jenem Scheinbilde, welches die Menschen Ruhm nennen, und das, wenn auch ein Scheinbild, doch solche Gewalt über große Herzen übt.«

Christina hatte eine innige Hochachtung vor allem Großen und Erhabenen, wovon ihre Verehrung für Oxenstierna, Condé, den Cardinal Azzolino und für Andere Beweise sind. Von unedlem Stolze war sie so weit entfernt, daß sie sagte, nur der sei ein großer König, an dem das den geringsten Werth habe, daß er König sei. Ferner: »Die wahre Größe kommt nur auf das Herz an; wenn dieses groß ist, so ist alles Uebrige es ebenso. Je vornehmer man ist, je höflicher und leutseliger kann man sein.« Aber so heiter und ungezwungen sie sich zu benehmen pflegte, so wußte sie doch immer Majestät und Würde in ihrer äußeren Erscheinung zu behaupten. »Fürsten,« sagt sie, »müssen ihre Hoheit über Alles lieben.«

Bescheidenheit in Betreff ihrer Vorzüge besaß sie in hohem Grade trotz des vollen Bewußtseins derselben; ein Lob, welches sie für unverdient hielt, wies sie entschieden zurück. Dem gelehrten Fr. de Lemène schrieb sie nebst Anerkennung eines von ihm verfaßten Werkes: »Nur mißfällt mir, daß Sie es mit allzu großen Schmeicheleien gegen mich verdorben haben. Diese Lobeserhebungen, die nicht verdient sind, scheinen mir so viele Vorwürfe zu sein.« »Ihr Herren Gelehrten,« schreibt sie einem ihrer Correspondenten in Frankreich, »seid so gewohnt, Leuten meiner Art Weihrauch zu streuen, daß man Euch nicht hindern kann, solchen selbst denen auszutheilen, welche sonst nicht von Rauch leben und Sie haben mir für lange Zeit genug zukommen lassen. Ich verzeihe es Ihnen, weil ich Ihre Absicht kenne.« Und in einem andern Briefe, nachdem sie ihm ebenfalls seine Schmeicheleien verwiesen hat: »Sie sind sehr glücklich, daß Sie noch jung sind; ich wollte, ich wäre es auch, damit ich die Hoffnung nähren könnte, noch etwas zu werden. Aber wenn man fünfzig Jahre hinter sich hat, ohne zu etwas zu taugen, kann man da noch je zu etwas brauchbar werden? Wäre das möglich, so würde ich mich bemühen, das noch zu werden, wofür Sie mich nach Ihrer Versicherung halten. Es thut mir leid, daß ich mir den Weihrauch, den man ehemals meinem Stande streute, so wenig zu Nutzen machte; denn ich glaube, die Schmeichelei, welche das Gift der Fürsten ist, würde ihr bestes Gegengift sein, wenn sie das Geheimniß wüßten, es gehörig zu brauchen; aber für mich ist es zu spät und Sie müssen Ihre Freunde schonen, welche nicht mehr im Stande sind, daraus Nutzen zu ziehen.« »Die Schmeichelei,« sagt sie in ihren Aphorismen, »vergiftet die, welche sich mit ihr verstehen;« und ein Statut der von ihr gestifteten Akademie lautet: »Aus dieser Akademie werden alle Schmeicheleien und Lobeserhebungen für die Königin verbannt.« Endlich heißt es in einer Beschreibung ihres Aufenthaltes in Paris: »Sie verabscheut alle Verstellung, was bei Personen ihres Geschlechtes und ihres Standes recht selten ist. Man sagt, Tiberius habe Schmeichler und offenherzige Leute gleich stark gehaßt. Christina aber haßte nur die ersteren, ohne es übel zu nehmen, wenn Jemand ihr seine Gedanken auch über sie selbst entdeckt.« Daher kam es, daß sie sogar Schmähschriften mit Vergnügen las, wenn sie mit Geist und Laune geschrieben waren. »Ich mag die Lobreden nicht,« schreibt sie an Bourdelot, »und meine Neigung für die Satire ist von der Art, daß ich sogar die gegen mich selbst gerichteten, deren Anzahl, Gott sei Dank, ganz anständig groß ist, gern lese, um mich auf meine eigenen Kosten lustig zu machen, nachdem ich mich lange Zeit auf Kosten Anderer lustig gemacht habe; ich sage auf meine eigenen Kosten, da Alles, was ich bisher gesehen, so thöricht und unverschämt ist, daß es mir unmöglich gewesen wäre, es zu lesen, hätten sie nicht schlecht von mir gesprochen.«

Christina's Gemüthsstimmung war stets froh und heiter. »Ich habe sie,« sagt Freinsheim, »jederzeit aufgeräumt, entschlossen, in Glück und Unglück gleichsinnig, mäßig bei Lustbarkeiten und großmüthig in Kummer und unter den Widerwärtigkeiten gesehen.« In einem Briefe an ihren Statthalter Rosenbach, in welchem sie über große Geldverlegenheit klagt, fügt sie unter Anderm hinzu: »Der gütige Gott sei sowohl für das Böse als für das Gute gelobt: wie ich ihm von ganzem Herzen dafür danke. Ich befinde mich wohl und bin so froh und vergnügt, als wenn ich alle Macht und alle Schätze der Welt hätte.« Von jugendlicher Lebenslust und genialem Humor zeugen folgende Stellen: »Sagen Sie,« schreibt sie an den Franzosen Benserade, »Ihrem Glücke Dank, das Ihre Reise nach Schweden gehemmt hat. Ein so zarter Geist, wie der Ihrige ist, würde sich daselbst unfehlbar erkältet haben, und Ihr Herz würde, leiblicher Weise zu sprechen, ohne Schnupfen nicht wieder nach Hause gekommen sein. Man würde sich nur bei Ihrer Zurückkunft aus diesem frostigen Lande zu Paris in Ihren viereckigen Bart, in Ihr lappländisches Wams, in Ihre Schuhe und Strümpfe von eben dem Gewächse gar sehr verliebt haben. Ich bin gewiß, in einem solchen Aufzuge würden Sie aller alten Weiber Herzen gefangen nehmen« u. s. w. An Bourdelot schreibt sie: »Sie haben mir des Launoi physische Versuche geschickt, um mir Verlangen darnach zu erregen; Sie werden mich verbinden, wenn Sie mir sein Werk ganz schicken wollen … Die Einspritzung des Blutes betreffend, so scheint mir die Erfindung sehr schön; ich wollte mich aber derselben nicht gern bedienen, damit ich nicht zum Schafe würde; im Falle einer Verwandlung möchte ich doch lieber ein Löwe sein, damit andere mich nicht auffressen könnten. Ich befinde mich gut genug und lache über die Aerzte sammt der Arzneikunst; um aber eine vollkommene Gesundheit zu genießen, ist mein vornehmstes Hilfsmittel, römische Luft zu schöpfen.« Scherzhaft und ernst ist der Brief an Mademoiselle le Febre: »Ich höre, Sie sind ein schönes und artiges Mädchen. Schämen Sie sich denn nicht, so gelehrt zu sein? Das ist in der That zu arg. Durch welche geheime Bezauberung haben Sie wohl die Musen mit den Grazien zu vereinigen gewußt? Können Sie noch in diese Verbindung das Glück einflechten, so wäre das ein Vortheil ohne Beispiel, zu dem man nichts hinzuwünschen könnte, als die Erkenntniß der Wahrheit; diese aber kann einer Person, die sich mit den heiligen Schriftstellern in ihren eigenen Sprachen unterhalten kann, nicht lange verborgen bleiben.«

In Gefahren zeigte die Königin große Geistesgegenwart und Unerschrockenheit. Als eines Tages in der Schloßkirche zu Stockholm ein wahnsinniger Mensch mit einem Messer auf sie losstürzte, wich sie ruhig den Streichen aus und setzte nachher, als der Mörder ergriffen war, ohne Aufregung ihr Gebet fort. Gleiche Unerschrockenheit bewies Christina, als sie bei Besichtigung einer Flotte im Hafen von Stockholm ins Meer stürzte und in große Lebensgefahr gerieth; ebenso bei dem Ausbruch eines Feuers im eigenen Schlosse, wo sie trotz des schrecklichen Tumultes und erstickenden Rauches nicht eher sich entfernte, bis alle Papiere der Kanzlei in Sicherheit waren.

Endlich zeichnete sich Christina aus durch rastlose Thätigkeit in der Arbeit, durch Verachtung aller Mühen, durch Beharrlichkeit in der Ausführung ihrer Beschlüsse, wie auch durch Zufriedenheit und Ergebung, wenn sie die Unmöglichkeit sah, ihre Pläne durchzuführen. Selbständigkeit erscheint in ihrer ganzen Regierung: ihre Minister waren ihre ersten Sekretäre; und von den Geheimschreibern sagt sie, daß sie nicht nur ihr Glück machen, sondern auch ihren Verstand bilden müßte. Unter dem Entwurfe eines Briefes findet sich für den Geheimschreiber folgende Erinnerung: »Meine Unwissenheit und unser beider Nachlässigkeit wird verursachen, daß Sie diesen Brief noch einmal abschreiben müssen: aber zum letzten Male. Versehen Sie sich nicht mehr: denn ich möchte ihn gern nett und sauber haben. Ueberhüpfen Sie ja kein Wort, das mir den Sinn verderbe und versehen Sie sich nicht mehr.«

Diesen Vorzügen des Charakters treten aber auch Fehler und Schwächen gegenüber, deren sich Christina selbst in ihrer Selbstbiographie mit folgenden Worten anklagt: »Einer so glücklichen Geburt, so schönen Talenten, den Gaben Deiner Gnade, o Herr! hatte die verdorbene Natur auch Mängel beigemischt, die ich nicht verschweigen werde. Ich war mißtrauisch, argwöhnisch und ehrgeizig bis zum Uebermaß. Ich war jähzornig und heftig, stolz und ungeduldig, hochmüthig und spöttisch. Ich verschonte Niemand; und diese Fehler, statt daß sie sich mit dem Alter und dem Unglück vermindert hätten, haben sich so stark gemehrt, daß sie mir nur zu sehr die Erkenntniß verschafft, daß sie meiner Person und nicht meinen Glücksumständen angehören, und was dabei sonderbar scheint, ich fühlte diese Fehler stärker und lebendiger im Unglück, als im Glück. Denn es scheint, daß die Ruhe des Glückes die wilden Bestien besänftigt und einschläfert, während das Unglück sie reizt und aufweckt. Ich weiß gar wohl, daß ich sie verheimlichen kann, wenn ich will. Aber ich weiß nicht, ob ich jemals ernstlich daran gearbeitet, sie gänzlich zu bändigen. Es ist Deine Gnade allein, o Herr! die sie gehindert, mich so weit fortzureißen, als sie konnten; und wenn Du ihnen manchmal die Zügel schießen ließest, so hast Du ihnen doch nie gestattet, daß sie mich hinabrissen. Ueberdies war ich ungläubig und wenig fromm, und mein hitziges und heftiges Temperament hat mir nicht weniger Neigung zur Liebe als zum Ehrgeiz gegeben. In welches Unglück hätte mich eine so furchtbare Neigung gestürzt, hätte nicht Deine Gnade meine Mängel benutzt, um mich davon zu heilen. Mein Ehrgeiz, mein Stolz, unfähig, sich Jemanden zu unterwerfen, und mein Hochmuth, der Alles verachtete, haben mir auf wunderbare Weise zur Bewahrung gedient; und durch Deine Gnade hast Du ein so feines Zartgefühl ihnen beigesellt, wodurch Du mich gegen eine Neigung gesichert, so gefährlich für Deine Ehre und mein Glück; wie nahe ich auch dem Abgrunde kam, Deine mächtige Hand hat mich davon zurückgezogen. Ich gestehe es, wäre ich nicht als ein Mädchen geboren worden, die Gewalt meines Temperamentes hätte mich vielleicht zu schrecklichen Verirrungen hingerissen. Du aber, der Du mich all mein Leben hindurch Ruhm und Ehre mehr denn irgend eine Lust lieben ließest, Du hast mich vor dem Unglücke bewahrt, worin mich die Gelegenheit, die Freiheit meines Standes und die Hitze meines Temperamentes so leicht gestürzt hätten.

»Ich habe noch einen Fehler, dessen mich anzuklagen ich fast vergaß, die äußere Schicklichkeit meines Geschlechtes allzu sehr mißachtet zu haben, und dies eben ließ mich öfter schuldiger erscheinen, als ich es bin; ich habe aber diesen Fehler allzu spät erkannt, um ihn bessern zu können, und ich wollte mir nicht die Mühe dazu nehmen. Ich bin sogar überzeugt, ich hätte besser gethan, mich ganz darüber hinwegzusetzen, und dies ist die einzige Schwäche, deren ich mich anklage; denn da ich nicht dazu geboren war, mich diesen Formen der Convenienz zu unterwerfen, so hätte ich mich in Bezug darauf gänzlich in Freiheit setzen sollen, wie mein Stand und meine Gemüthsart es forderten. Ich hatte noch andere Fehler, wovon gewisse Personen des einen oder des anderen Geschlechtes, die während meiner Kindheit mir nahe kamen, mir ein böses Beispiel gaben; ich habe sie aber durch Deine Gnade gänzlich getilgt. Von der in meinem Vaterlande so üblichen Unmäßigkeit hast Du mich bewahrt: allein Du ließest zu, daß in einem Lande, wo Männer und Frauen ohne zu schwören nichts zu sagen wußten, dieses Laster des Schwörens auch mich ansteckte; ich habe mich aber gänzlich davon frei gemacht, indem ich dagegen arbeitete, sobald ich den Fehler erkannte. Ich habe noch zwei andere Fehler: daß ich nämlich zu oft und zu laut lache und daß ich zu schnell gehe. Da ich aber niemals bei ungehöriger Gelegenheit lache: so habe ich diesen Fehler vernachlässigt, wie nicht minder den des zu eiligen Gehens, der in der Heftigkeit meiner Natur, die alle Langsamkeit verabscheut, seinen Grund hat. Alle diese Fehler wären wenig beachtenswerth, fänden sie sich nicht bei einem Mädchen. Mein Geschlecht macht sie viel unverzeihlicher, da sie zum Theil auch meinen guten Eigenschaften und Talenten ihren Werth rauben, indem sie einer Natur sind, die diesen nicht zusteht. Es ist unverzeihlich, o Herr! daß ich nicht alle meine Fehler, große oder kleine, ausgetilgt habe, da Du unter den Talenten, welche Deine Hand so freigebig über mich ausgegossen, mir auch die Gabe einer vollkommenen und wunderbaren Gewalt über mich selbst verliehen hast, so daß ich Alles aus mir mache, was ich will. Wie es sich aber auch damit verhalten möge, Dir, o Herr! schulde ich Alles, was ich bin und ich gestehe, daß ich nach Dir dafür den großen Männern verpflichtet bin, die mich erzogen haben: mich bedünkt, daß ich mich nicht undankbar gegen sie erzeigt habe, und um den Preis meines Lebens möchte ich es niemals gegen Dich gewesen sein.«

Offenbar sind die meisten dieser Schwächen die Fehler ihrer Erziehung. Von Kindheit an war sie von Männern umgeben, welche ihrem jugendlichen Herzen nicht die milden Tugenden des Kreuzes einprägten, sondern ihren Geist für irdischen Ruhm und Ehre begeisterten und ihr die Heldengestalten der stolzen Heidenwelt zur Bewunderung und Nachahmung vorführten. Dazu kam, daß die junge Fürstin schon frühzeitig sich selbst überlassen wurde, und ihr nicht eine liebende und geliebte Mutter zur Seite stand, welche mit wahrhaft frommem Sinne die zarteren Empfindungen hätte wecken und entfalten, das Männliche in der Erziehung hätte mildern und neben der Königin auch die Jungfrau hätte bilden können. Es konnte deshalb kaum anders sein, als daß auch später ihre Empfindungsweise von jenen jugendlichen Eindrücken mehr oder minder beherrscht wurde, da sie schon zur katholischen Kirche zurückgekehrt und in ihrer Lehre ihre folgsame Tochter geworden war. Auch da noch erwachten von Zeit zu Zeit die Amazonenträume ihrer Kindheit, und gedachte sie mit begeisterter Bewunderung der Helden ihrer Jugend. In solchen Gefühlen einer stolzen Weltansicht aufgewachsen, ihrer Kraft bewußt und stets bewundert, wie schwer mußte es da der Tochter des von Tausenden bewunderten Gustav Adolph werden, Demuth und Sanftmuth, Geduld und Milde zu üben. Ihre unbefriedigte Ruhmbegier, ihr Streben nach Glanz, nicht minder ihre stolze, jede Unterwürfigkeit verschmähende Selbständigkeit und bei aller Herzensgüte ihre strenge, ja manchmal bis zur Härte grenzende Ansicht von der Hoheit und dem Vorrange der Herrschaft und ihre scharfe, fast eifersüchtige Wachsamkeit auf die diesem Vorrange gebührende Ehrenbezeugung wurzeln in ihrer frühesten Geistesbildung und finden hier, wenn auch nicht ihre Rechtfertigung, so doch ihre mildernde Erklärung. Uebrigens haben alle diese Fehler mit den wachsenden Jahren bedeutend abgenommen, da Ruhe und Besonnenheit immer mehr das Hitzige ihres Temperamentes und das Feurige ihres ganzen Wesens, was die Hauptquelle ihrer Schwächen war, mäßigten und verdrängten. Vielleicht darf man auch von Christina hinsichtlich ihrer Fehler sagen, was sie selbst über Alexander den Großen äußert: »Alexander war ein Mensch; daher muß man ihm seine Fehler seiner großen Tugenden wegen verzeihen. Die Natur hat selbst der Sonne Flecken gegeben, deren ungeachtet dieses schöne Gestirn dennoch das bewunderungswürdigste Licht der Welt ist. Diejenigen, die solches zu wissen glauben, versichern uns, diese Flecken wären viel lichtreicher und glänzender, als die Sterne, die uns von der ersten Größe zu sein scheinen. Mit den Fehlern großer Leute ist es ebenso beschaffen. Diese halten wohl den Tugenden gewöhnlicher Leute die Wage. Es ist ausgemacht, daß Neid und Verleumdung Niemand verschonen, sondern sich gesellschaftlich an das Leben der berühmtesten Leute wagen.«

Schließen möchten wir dieses Lebensbild der Königin Christina mit einer Stelle aus ihren Reflexionen über das Leben und die Thaten Cäsar's, die auf sie selbst ebenso passend zu sein scheint. »Es gibt kein größeres Vergnügen,« sagt sie, »als große Leute zu betrachten und ihr persönliches Verdienst zu prüfen. Sie entstehen aus sich selbst, um der Welt erhabene Schauspiele zu geben, und es scheint, als ob das Schicksal sie nur deswegen dazu bestimmt habe, mit dem Glück zu kämpfen, um sie über dasselbe triumphiren zu lassen, selbst wenn sie unterliegen. Alles Widrige und Unangenehme, was es ihnen in den Weg stellt, hindert sie am Ende nicht, den Ruhm ihrer Bestimmung zu erfüllen. Alles trägt dazu bei, sie groß zu machen: ihre Fehler und Vergehungen sind die Fehler ihrer Zeit, die sie wider Willen dazu zwingen, sie aber doch nicht hindern, würdige Gegenstände der Bewunderung und des Erstaunens der Menschen zu sein. Man kann sich keine schönere Beschäftigung machen, als die, sie zu studiren. Dieses Studium unterrichtet uns: es bessert uns, es erhebt die Seele über sich selbst, entflammt sie und zeigt ihr, wozu sie fähig ist. Die edlen Gesinnungen und großen Handlungen außerordentlicher Menschen sind es, welche durch eine Art glücklicher Ansteckung, vor der man sich nicht anders als zu seinem eigenen Unglück verwahren kann, eine Seele mit Tugend und Stärke erfüllen.«

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