Johannes Scherr
Brunhild
Johannes Scherr

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8. Der Mond geht unter.

Die Herbstnacht ist still, klar und mild. Groß leuchten die Sterne über dem mitternächtigen Schweigen, und der Vollmond gießt sein silbernes Licht auf den kleinen Hochsee und die Burgruine mit dem halbzerfallenen Wartturm.

Auf der Bank am Fuße desselben sitzt eine weibliche Gestalt, in dunkle Gewänder gehüllt. Die zurückgeschlagene Kapuze des Mantels läßt das gespensterhafte Weiß ihres Antlitzes sehen und den blassen Goldschimmer ihres üppigen Blondhaars. Die dunkeln Augen ruhen unbewegt auf der spiegelglatten Wasserfläche, regungslos liegen die ineinander geschlungenen Hände auf den Knien, und festgeschlossen, wie zu ewigem Schweigen, ist der Mund.

Eine Stunde vergeht. Dann erhebt sich die Gestalt, und ohne Hast schreitet sie den Fußpfad hinunter zum See. Sie umgeht denselben zur Hälfte und verschwindet für eine kurze Weile in einem Weidengebüsche am östlichen Ufer. Wieder hervorgetreten, steht sie im vollen Schein des Mondes, welcher, zum Niedergange sich schickend, schon den Gipfeln der Hochgebirge im Westen nahegekommen ist.

Ihr Obergewand ist hinaufgeschlagen und der weite Saum über den Hüften festgebunden. In schweren, straffen Falten hängt es über dem weißen Untergewand bis zu den Knien herab, als berge es eine gewichtige Last.

So muß es auch wohl sein, denn sie legt die wenigen Schritte, welche sie noch am Ufer hin tut, augenscheinlich nur mühsam zurück. Sie steht einen Augenblick still. Dann schreitet sie, mit fest an die Lenden gedrückten Händen, langsam in das Wasser hinein. Kein Zug ihres Gesichtes ändert sich auf diesem Todesgang. Die festgeschlossenen Lippen beben nicht, kein Zucken in den düster flammenden Augen, überall nur die Ruhe und Sicherheit einer eisernen Entschlossenheit. Immer weiter hinein. Schon umspielt die kalte Flut die Brust, worin ein stolzes Herz so unbändig geschlagen, bis es unter dem Hammerschlag des Schicksals gebrochen wie ein spröder Diamant. Immer weiter hinein. Nur noch das schone Haupt ist sichtbar auf der Wasserfläche, als läge es auf einem ungeheuren Sllberteller.

Ein Schritt noch, ein letztes, blitzschnell schwindendes Aufschimmern des Goldhaars; dann ein leises Zusammenrauschen des Wassers über der Stelle, wo es zuletzt geschimmert.

Wellenringe zittern an das Ufer, ein Windhauch geht durch die Weiden und Föhren, und hinter den Bergen versinkt der Mond.


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