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Das Dorf Swanzey war damals noch eine vereinzelte Ansiedlung in der grünen Urwaldwildnis, die sich, von spärlichen Rodungen unterbrochen, zwischen dem Pawtucket- und dem Tauntonflusse bis zur Naragansettbai hinabzog.
Ein lebhaft strömender Bach hielt wie ein Band die in unregelmäßiger Weitläufigkeit erbaute Siedlung zusammen und durchschlängelte in launischer Wellenlinie eine muldenartige Niederung, deren sanft ansteigende Seitenwände überall von dem regen Fleiß einer ackerbauenden Bevölkerung Zeugnis gaben. Maisfelder wechselten hier mit Anpflanzungen von Hülsenfrüchten und tiefgrünen Matten, und einen eigentümlich wohltuenden Gegensatz zu dem ringsher allmählich zurückweichenden Urforst bildeten die treuen Begleiter des gesitteten Menschen, die Obstbäume hinter den Häusern und Gehöften. Von der Vorderseite der Wohnungen fielen wohlbebaute Gemüse- und Obstgärten sanft gegen die beiden Ufer des Baches ab, über den mehrere Stege führten. Die Behausungen der Ansiedler erhoben sich bald völlig einzeln, bald in näher zusammenstehenden Gruppen von drei oder vier Häusern. Bei ihrer Anlage war auf die Gesetze der Baukunst wenig oder gar keine Rücksicht genommen worden. Der strenge puritanische Sinn ließ sich in der großen Einfachheit der hergestellten und eingerichteten Wohnungen und in der Einförmigkeit der Bauweise erkennen. An der helleren oder dunkleren Farbe des angewandten Bauholzes unterschied man nicht nur die älteren und jüngeren Gebäude, sondern konnte auch vielfach an einem und demselben Hause wahrnehmen, wie es sich im Laufe der Zeit aus der rohen hinterwäldlerischen Blockhütte allmählich zu einer behaglichen Behausung gestaltet hatte.
Nahe beim Wald stand eine Mahl- und Sagemühle, deren Räder der hier mit einem kunstlosen Wehr gedämmte Bach in Bewegung setzte. Auf der entgegengesetzten Seite des Wassers, näher dem Dorfe zu, sprang aus der sich allmählich abdachenden Talwand eine Art natürlicher Terrasse vor, deren Rand auf allen vier Seiten mit einer Reihe starker Palisaden eingefenzt war. Innerhalb dieser Umzäunung erhob sich ein aus Backsteinen erbautes Haus, dessen Front dem Dorfe zugekehrt war und an dessen Hinterwand ziemlich ausgedehnte Stallungen und Schuppen sich anlehnten. Das Gebäude, kurzweg des Richters Haus genannt, erinnerte in seiner ganzen Erscheinung und Gediegenheit an die Wohnungen englischer Grundbesitzer damaliger Zeit. Den hinter dem Gehöft hügelansteigenden Garten beschatteten alte Obstbäume.
Von dem durch ein mächtiges Bohlentor verschlossenen Haupteingang der Umzäunung führte ein steiler, jedoch auch für Fuhrwerke zugänglicher Weg an den Bach hinunter und über einen breiten Steg auf das jenseitige Ufer. Hier stand inmitten eines freien Platzes von ziemlich großer Ausdehnung ein Gebäude aus Backsteinen, an Größe die Wohnungen des Dorfes weit übertreffend, aber von kunstloser Einfachheit. Dieser schuppenartige Würfel von Haus war die Stätte für die gemeinschaftliche Andacht der Puritaner, ihr »Versammlungshaus«, ihrer Sinnesweise entsprechend frei von jeglichem religiösen Zierat und sinnbildlichen Schmuck.
Aus dem Hause des Richters waren zwei Männer getreten und die Halde gegen den Waldsaum zu aufwärts gegangen, hier und da den Morgengruß erwidernd, den einzelne Dörfler auf dem Wege zu ihrer Feldarbeit ihnen geboten hatten.
Der ältere von beiden, ein Greis von hoher Gestalt und strengem Aussehen, war der Richter Theophilus Eaton. Die geschichtlichen Quellen unserer Erzählung rühmen von ihm, daß er an eiserner Willenskraft und Selbstbeherrschung mit den Herren der römischen Republik hätte wetteifern können, während ihm seine strenge Religiosität, sein beharrliches Durchführen der Grundsätze des Puritanertums zu außerordentlichem Ansehen in den Ansiedlungen verhalf. Gefaßte Ruhe und äußerste Einfachheit in Tracht und Gebärde zeichneten seine äußere Erscheinung aus, und die festen Züge seines Antlitzes verrieten keinem, daß eine Last von Schmerzen auf der Brust dieses Mannes gelegen hatte und vielleicht noch lag.
Eatons Begleiter, Miles Standish, hat in der Geschichte der Pilger ebenfalls einen unvergänglichen Klang. Er war eine Reihe von Jahren der Held und Ritter der Kolonie von Plymouth gewesen. Wegen seines unansehnlichen Äußeren und seiner kleinen Gestalt hatte ihm ein Gegner den Spottnamen »Hauptmann Knirps« gegeben. Aber in dem unscheinbaren Manne wohnte eine Heldenseele, und sein gedrungener Bau, seine sehnenstarken Glieder machten ihn auch geeignet, Anstrengungen aller Art mit Leichtigkeit zu ertragen. Sein langer Degen und die mächtigen Faustrohre, die er im Gürtel trug, hatten durchaus nicht das Lächerliche, welches gewaltige Waffen sonst einer kleinen Figur zu geben pflegen. Zwanglos und rasch bewegte er sich in seinem Lederkoller und seinen hohen Reitstiefeln.
Am Saume des Waldes angelangt, standen die beiden Männer auf einer erst kurz zuvor gerodeten Stelle still, wandten sich um und blickten auf das Dorf hernieder, das in lieblichem Morgenfrieden vor ihnen lag.
»Einen lieblichen Ort,« begann Standish, »habt Ihr Euch da unten zurechtgemacht. Welche Felder, Wiesen und Gärten! Seht nur, wie alles grünt und blüht, und wie der Sommer einen gesegneten Herbst verspricht!«
»Ja, Kapitän. Wenn ich daran denke, wie der Platz, wo jetzt Swanzey steht, aussah, als ich ihn vor gerade sechsunddreißig Jahren zuerst betrat, muß ich mit dankbarem Herzen die Huld des Höchsten anerkennen, der uns mitten in der Wildnis ein sicheres Zelt gründen ließ. Es kostete Mühe und Schweiß genug, bis wir nur zum ersten Blockhause Raum gewonnen hatten. Seht, dort stand es, wo jetzt mein Haus steht. Am Tage, als die Hütte aufgeblockt war, gab mir mein Weib den Sohn, der –«
Der Blick des Greises richtete sich unwillkürlich auf den Friedhof, der von drei Seiten das Versammlungshaus umgab, und wie er dort ein Grab suchte, feuchteten sich seine Augen. Aber als schämte er sich seiner Schwäche, fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht und drängte mit einer gewaltsamen Bewegung den Schmerz zurück. Standish jedoch faßte mit freundschaftlicher Wärme die Rechte seines Begleiters und sagte nachdrücklich:
»Freund, es ist nicht gut, der Natur ihren Tribut zu verweigern.«
»Ja,« versetzte Eaton sich fassend. »Ich beuge mich unter die Hand Gottes ohne Murren, wenn auch nicht ohne Schmerz, und ich muß dankbar sein für all die große Freude, die mir der Sohn lange Jahre bereitete.«
»Ja, er war ein Trefflicher, Richter, bescheiden und klug in seiner Rede, kühn und wacker im Handeln. Sein Auge wie seine Herzensgüte erinnerten an seine Tante, die arme Mabel –«
»Nichts von ihr, Freund, nichts von ihr,« unterbrach Eaton den Kapitän streng, fast unwillig. »Ich habe sie vergessen, ich habe mich bemüht, sie zu vergessen. Der Herr hat mich in ihr gezüchtigt, weil mein törichter Stolz frohlockte, eine solche Schwester zu haben.«
»Wohl, aber nur noch dieses: was ist aus ihr geworden?«
»Ich weiß es nicht, ich will es nicht wissen. – O, lieber zehn Söhne verlieren, so, wie ich den einzigen verlor, als eine Schwester, so, wie ich sie verlor. Das unglückselige Weib hatte nicht die Kraft, den Lockungen des Verworfenen zu widerstehen, als er es wagte, nachdem er die gerechte Strafe für seine fluchwürdigen Irrtümer erlitten und bei Todesstrafe aus der Gemeinde gebannt worden war, hierher zurückzukehren.« »Aber durfte sie denn widerstehen? War sie nicht sein Weib? War es nicht ihre Pflicht, dem Manne zu folgen?«
»Es gibt nur eine Pflicht, die, das Gebot des Herrn zu vollbringen: Du sollst keine Gemeinschaft haben mit den Gottlosen. Doch genug von dieser Sache und für immer, ich bitt' Euch, Freund. – Wie fandet Ihr unsere teuren Brüder?«
»Gefaßt und stark im Vertrauen auf den, der die alte gute Sache schon einmal so glorreich siegen ließ. Aber es war dennoch ein schmerzliches Wiedersehen. Es rief mir eine Zeit ins Gedächtnis zurück, wo kaum ein Tag verging, ohne daß ich der Gast derer war, welchen jetzt mein Haus nicht als Zufluchtsort anbieten zu können mir bitter weh tut, eine Zeit, sag' ich Euch, wo ich fühlte, daß ich hätte grenzenlos glücklich werden können, aber statt dessen sehr unglücklich wurde.«
»Ich kenne Eure Geschichte. Die Weisheit und Tugend meines alten Freundes Richard Whalley verkehrte sich in seiner Enkelin in Torheit und Sünde. Ein Hund von Franzose entführte sie dem großväterlichen Hause. Es war eine schreckliche Prüfung für den Großvater und den Vater. Aber hatten sie dem eitlen Tande der Welt nicht zu großen Raum in ihrem Hause gestattet? Hatten sie nicht die sündhafte Schwäche gehabt, der Mutter der beiden Mädchen ihr leichtfertiges Gefallen an den gotteslästerlichen Gaukelspielen des Lotterbuben, William Shakespeare, nachzusehen. Gab das Weib nicht sogar ihren Töchtern Namen, die aus den elenden Komödien jenes Sittenverderbers entlehnt sind?«
»Ich will mit Euch darüber nicht rechten, Richter,« entgegnete Standish, ohne seinen Mißmut über diesen Ausbruch sinnloser Unduldsamkeit zu verbergen. »Ich weiß nur, daß die Mutter der Mädchen ihr Leben lang als das Muster einer Tochter und Ehefrau geachtet war, und ich hätte den Tag gesegnet, an dem ich Desdemona als meine Gattin in die Halle meiner Väter hätte heimführen können.«
»Tröstet Euch! So seid Ihr ein kräftiges Rüstzeug geworden für die heilige Sache unseres Gemeinwesens.«
»Ihr wollt Balsam in die alte Wunde träufeln. Ich dank' Euch, Freund. Aber mir liegt das Schicksal des trefflichen Mädchens, das mich gestern zu den Ihrigen geführt hat, besonders am Herzen. Je mehr ich auf dem Gang nach der Höhle das reine Gemüt und den edlen Geist Lovelys achten lernte, um so mehr beunruhigte mich ihre Zukunft.«
»Laßt Euch das nicht bekümmern, Kapitän. Sie steht unter meinem Schutz und wird von mir wie eine Tochter gehalten.«
»Dann ist alles gut. Ich hoffe auch, daß unsere verfolgten Freunde nicht allzulange wie gehetztes Wild in Schluchten und Höhlen sich werden verbergen müssen und wir ihnen bald eine warme Stelle an unserem Herde bereiten können.«
»Gott gebe es! Einstweilen sind sie sicher da, wo sie sind. Aber mir will scheinen, Kapitän, als ob wir schon alle abgewichen seien von den Wegen des Herrn, weil wir es nicht wagen, denen, die für unsere Sache in unserem schwergeprüften Heimatlande so mannhaft eingestanden, hier offen unsern Schutz angedeihen zu lassen und den Schergen des ungläubigen Ahab zu sagen: Es sind unsere Brüder; so sie strafbar, sind wir es auch; wir stehen einer für alle und alle für einen.«
»Ja, wenn wir es mit dem schwarzen Stuart und seinen Helfershelfern diesseit und jenseit des Meeres noch allein zu tun hätten, so möchte ein unverhohlenes Auftreten in dieser Sache wohl zu wagen sein; aber es droht uns ja eine viel nähere Gefahr.«
Die beiden Männer schritten nachdenklich nebeneinander über den Rasen dahin. Nach einer kurzen Pause nahm Eaton das Gespräch wieder auf:
»Ihr wollt von den Gefahren sprechen, Kapitän, womit der rote Heide unsere Ansiedlungen bedroht. Mein Sinn war in letzter Zeit vielleicht mehr, als er sollte, von den Angelegenheiten unserer Brüder abgezogen. Ich fürchte, daß ich ob der Hingabe an meinen eigenen Schmerz meine Pflichten als Richter und Ältester der Gemeinde in strafbarer Weise vernachlässigt habe.«
»Ihr tut Euch Unrecht an, Freund. Wollte Gott, daß alle Leiter der Gemeinden an Eifer und Tätigkeit für das gemeine Beste dem Richter von Swanzey gleichkämen. Aber hört, was ich von dem neuesten Stande unserer Verhältnisse zu den Indianern mitzuteilen habe. Der Wampanog Metakom, den wir König Philipp zu nennen pflegen –«
»Fluch sei diesem Nebukadnezar der Wälder!« murmelte Eaton zwischen den Zähnen.
»Ja, der falsche Heide scheint allen Ernstes über einem Werke der Finsternis zu brüten und sich mit dem Plane zu tragen, alle Weißen in Neu-England auszurotten. Ehrgeiziger und gewalttätiger als sein Vater Massasoit, hat er seine ausgezeichneten Gaben dazu verwandt, ein großes Bündnis unter den Rothäuten zu stiften. Nicht nur die Stämme der Pokanoketen hat er unbedingt seiner Herrschaft zu unterwerfen gewußt, sondern es steht zu befürchten, daß er den feurigen und kühnen Häuptling der Naragansetter völlig in seinen Dienst zu ziehen verstanden hat, und leider müssen wir uns gestehen, daß Kanonchet vollwiegenden Grund zur Rachelust hat.«
»Ihr meint wegen der Tat auf der Sachemsebene, Kapitän. Aber hat nicht der Herr geboten, die Götzendiener von der Erdoberfläche zu tilgen?«
»Wohl, Richter, aber trotzdem glaube ich, daß man mit Miantonomo nicht ganz so verfahren ist, wie es Christen geziemte. Doch geschehene Dinge lassen sich nicht ändern. Die Leiter der Baikolonie wie die von Plymouth und Konnektikut gaben sich Mühe, den Umtrieben Philipps auf die Spur zu kommen, aber der schlaue Wilde wußte diese Bemühungen lange zu vereiteln. Endlich verschaffte uns John Sasamon einen Einblick in das dunkle Gewebe indianischer Ränke.«
»John Sasamon, der verworfene Abtrünnige?«
»Dieser Indianer war ein Abtrünniger, gewiß, denn er entwich nach seiner Bekehrung durch den trefflichen Elliot wieder in die Wälder, um sein altes Vagabundenleben fortzusetzen. Allein reumütig kehrte er zu uns zurück und wurde ein gesegneter Gehilfe seines Bekehrers. Auf einem seiner Bekehrungszüge traf er zufällig mit seinem alten Bekannten Metakom und anderen Häuptlingen zusammen, und seine Klugheit wußte bei dieser Gelegenheit zu erkunden, daß ein großer Schlag gegen die Weißen im Werke sei. Sofort machte er von dem, was er gehört, gesehen und erraten, dem Gouverneur von Plymouth, unserem Freunde Winslow, ausführliche Anzeige. Aber drei Tage darauf wurde er von drei Indianern grausam ermordet. Zwei der Mörder gelang es zu fangen, und sie erlitten den Tod, wie rechtens. Der dritte aber, Metatoms vertrautester Unterhäuptling, der teuflische Annawon, entkam. Demnach steht fest, daß die mörderische Tat von Philipp angestiftet oder geradezu befohlen worden ist, obgleich die zwei Erwischten jedes Zeugnis gegen ihren Häuptling verweigerten, ein Beweis, wie dieser Heide die Gemüter seiner Leute seinem überlegenen Willen Untertan zu machen versteht.«
»Oh, Satan hat zu allen Zeiten seinen Anhängern die Macht der Verführung gegeben. Doch sprecht, Kapitän, welche Maßregeln hat die Regierung der Kolonie auf Sasamons Eröffnungen hin getroffen?«
»Vorerst die, alle Gemeinden zur Wachsamkeit zu mahnen, Waffenübungen für die Milizen anzuordnen und den Brüderkolonien von der bedrohlichen Gefahr Nachricht zu geben. Zu diesem Zweck bin ich auf der Rundreise in alle Niederlassungen. Zu meinem Bedauern muß ich jedoch sagen, die Wahrnehmung, daß Philipp auf eine uns rätselhafte Weise so schnell von den Angaben Sasamons Kenntnis erhalten hatte, hat auf die Leiter der Kolonie sehr niederschlagend gewirkt, weil daraus hervorgeht, daß die Fühlfäden seiner Schlauheit bis in unsere Mitte sich erstrecken.«
»Die List der Bösen wird zuschanden werden! Laßt den blutigen Heiden ankommen!« rief der Greis aus, seine hohe Gestalt aufrichtend, und mit dem ganzen Feuer jener kriegerischen Begeisterung, die dem Puritanertum so außerordentliche Erfolge verschafft hatte. »Er soll in uns Männer finden, welche allen seinen Teufeleien Trotz zu bieten wissen. Der Herr hat uns in dieses Land geführt, redlich haben wir den Boden erworben, mit unserem Schweiße haben wir ihn gedüngt, mit unserer Hände Arbeit ihn urbar gemacht. Fest wollen wir darauf stehen und uns von keinem verdrängen lassen, von keinem, und wäre er auch verbündet mit allen Mächten der Hölle!«
»Amen von ganzem Herzen! Aber seht, was kommt denn dort für ein wunderlicher Geselle daher?«
Eaton folgte mit den Augen der auf den nächsten Waldvorsprung deutenden Hand des Freundes und sagte dann:
»Das ist ja fürwahr der alte Blackstone. Sicherlich hat seine Erscheinung etwas zu bedeuten, denn ohne wichtigen Grund hätte der menschenscheue Einsiedler seine Wälder nicht verlassen. Seht, er hat uns gesehen und kommt gerade auf uns zu.«
Eine lange, hagere Greisengestalt in einem abgetragenen, ehemals schwarzen Leibrock und Beinkleidern von Hirschhaut, mit einem abgewetterten Gesicht und langem, grauen Bart, saß der wunderliche Geselle auf einem kleinen, munter ausschreitenden Ochsen, den er mit einem durch den Nasenring des Tieres gezogenen Strick lenkte. Auf dem Rücken hatte er eine langläufige Büchse hängen, und in der Hand trug er einen kurzen Stab mit eiserner Spitze, der ihm als Reitpeitsche und Sporn diente.
So war der Vater Blackstone lange Jahre hindurch in den Kolonien von Neu-England eine bekannte und willkommene Erscheinung. Früher daheim in England ein wohlbestallter Pfarrer der bischöflichen Kirche, hatten ihn die ungerechten Plackereien seitens des Oberhauptes seines Kirchspiels veranlaßt, jenseit des Ozeans nach einem friedlicheren Leben sich umzusehen. Von ungewöhnlicher Liebe zur Einsamkeit getrieben, hatte er sich in die dichtesten Forste südlich vom Charlesflusse zurückgezogen. Dort lebte er in einer eigenhändig erbauten Blockhütte vom Ertrage eines mühevoll und sorgfältig angelegten Gartens und einer großartigen Obstkultur. Zwei junge Ochsen hatte er sich, den einen zum Lasttier, den andern zum Reitpferd, abgerichtet, und man wußte Wunderdinge zu erzählen von der Geschicklichkeit, womit er junge Bären, Elentiere, Vögel und anderes Getier zu zähmen und zu anstelligen Genossen seines einsamen Lebens zu machen verstand. Nur ein paarmal im Jahre pflegte er in den Ansiedlungen zu erscheinen, um sein Obst, seine Sämereien, seine Honigwaben gegen sonstige Bedürfnisse seiner höchst einfachen Lebensweise auszutauschen. Dabei wurde er namentlich von den Kindern, denen er allerlei hübsche, seltene und gute Dinge mitbrachte, jubelnd begrüßt. Im übrigen war er trotz seiner Menschenscheu durchaus kein sauertöpfischer, sondern im Gegenteil ein heiterer, dem Scherze geneigter Mann.
Als der des schwierigen Geländes ungeachtet rüstig vorwärts trabende Bukephalos – diesen klassischen Namen hatte der Einsiedler seinem Ochsen gegeben – in einer Entfernung von einigen hundert Schritten die beiden Männer erblickte, stand er still, wandte den Kopf nach seinem Reiter und ließ ein dumpfes Muhen hören. Ein leichtes Schütteln mit dem Stricke setzte aber das Tier sogleich wieder in Gang, und bald darauf trafen die drei zusammen.
»Willkommen, Vater Blackstone!« begrüßte Eaton in einem leichteren Tone, als ihm gewöhnlich eigen war, den alten Bekannten: »Willkommen in Swanzey! Welch guter Wind hat Euch denn so weit nach Süden herab geweht?«
»Hm, Richter,« versetzte der Einsiedler, das rechte Bein mit großer Gelenkigkeit über den roh gearbeiteten Holzsattel hebend und absteigend, »hm, vermute fast, der Wind, der mich so weit südwärts trieb, möchte Euch nicht viel Gutes bringen. Aber ich möchte meinen Neuigkeitssack nicht so ohne weiteres auf öffentlichem Felde ausleeren.«
Ein zweifelhafter Blick auf Standish begleitete diese Worte.
»Laßt Euch die Gegenwart meines Freundes hier nicht anfechten, Vater Blackstone,« sagte der Richter. »Es ist der Kapitän Sir Miles Standish von der Plymouthbai, dessen Namen Ihr wohl auch schon gehört habt.«
»Freilich, freilich, müßte ja taub sein, so ich noch nie von dem kleinen Feuerspeier gehört hätte. Verzeiht, Kapitän, so nennen Euch die Roten, und versichere Euch, sie tun's mit der gebührenden Achtung. Sie haben einen tüchtigen Zahn auf Euch, fürchten Euch aber ganz gehörig.«
Standish gab dem Alten lachend die Hand und sagte:
»Habt Ihr mir vielleicht Grüße von meinen roten Freunden zu bestellen?«
»Das nicht, nein, aber ich fürchte fast, sie möchten Euch diese Grüße demnächst persönlich überbringen, und ihre Ansprache dürfte nicht die freundlichste lein. Doch es geziemt mir nicht, zu scherzen, da ich der Überbringer bedenklicher Neuigkeiten bin.«
»Sprecht, Freund,« sagte Eaton. »Was führt Euch hierher?«
»Die Besorgnis um das Heil der Kolonisten, Richter. Ihr wißt, ich gelte etwas bei den Roten, weil ich mich jederzeit allen freundlich erwiesen habe. Sie halten mich für einen großen Medizinmann oder Zauberer, was freilich unter Christenmenschen keine große Ehre ist. Indessen verleiht mir der Ruf, in dem ich stehe, Ruhe und Sicherheit in meiner Zurückgezogenheit, und so mag ich auch nicht den Titel eines Medizinmannes ablehnen. Schon den ganzen Winter über hatte ich Gelegenheit zu bemerken, daß ein ungewöhnlich bewegtes Leben unter den Eingeborenen angefangen habe. Es war zwischen dem Charlesfluß, dem Pawtucket und dem Taunton die letzten Monate ein Hin- und Hergehen von Boten und Läufern, ein Anzünden von Ratsfeuern, ein geheimnisvolles Getue und Wispern unter den Roten, daß ich bei mir denken mußte: Alter Blackstone, die Heiden haben etwas vor, was den Ansiedlern gilt. Während ich mich nun anstrengte, zu ergattern, warum, wie und wann der Tomahawk gegen die Weißen erhoben werden sollte, wurde in voriger Woche meine Siedelei mit einem Besuche beehrt, der mich anfangs ganz verblüffte, hernach aber mir die Überzeugung beibrachte, daß ein umfassender, höchst feindseliger Plan gegen die Kolonien im Werke sein müßte. Denkt Euch, ich war gerade in meinem Garten beschäftigt, einen jungen Birnbaum zu veredeln, als ich meine Hunde anschlagen, meine Bären brummen und fast zu gleicher Zeit eine Frauenstimme von wunderbar lieblichem Klange zu mir sagen hörte: »Guten Morgen, Vater Blackstone!« Ich schaute auf, und über die Fenz herein blickte eine Dame, die auf einem hübschen Pony saß und mir freundlich zunickte wie einem alten Bekannten. Hatte sie aber mein Lebtag noch nie gesehen, überhaupt noch nie eine so schöne Lady. Sie nahm sich ganz prächtig aus in ihren Gewändern von Samt und Seide, hatte etwas so Anmutiges und doch auch wieder etwas so Erhabenes an sich.«
»Spiegelfechterei der Hölle!« rief Eaton dazwischen. »Wie sollte ein solches Weib in Eure wilden Hinterwälder kommen?«
»Die Fremde hatte zwei in den Wäldern wohlbekannte Männer zum Geleite, Groot Willem, den die Rothäute Mato den grauen Bär nennen, und einen jüngeren Jäger, das Goldhaar.«
»Also mit diesen beiden kam die fremde Lady?«
»Ja! Es war bei ihr aber auch ein Mann von seemännischem Gebaren und einer so gebieterischen Haltung, als sei er gewohnt, vom Hinterteil eines Kriegsschiffes herab Befehle zu erteilen. Groot Willem redete ihn Kapitän an, aber der jüngere Jäger nannte ihn einmal – ja, wartet – richtig, er nannte ihn einmal de Lussan.«
»De Lussan?« fuhr Standish auf, als hätte ihn unversehens eine Natter gebissen. Seine Lippen zuckten, und seine Augen schossen Blitze unter den zusammengezogenen Brauen hervor.
»De Lussan?« fragte auch Eaton. »Ist das nicht der Name des Franzosen, welcher –«
»Vater Blackstone,« fiel ihm Standisch mit einer abwehrenden Gebärde ins Wort, »habt Ihr wirklich den Namen deutlich gehört?«
»So deutlich, wie gerade jetzt der meinige aus Eurem Munde ging. Aber noch einen weiteren Begleiter hatte die Dame, nämlich keinen anderen als den Häuptling der Naragansetter, den kühnen Kanonchet.«
Das Erstaunen der Zuhörer des Einsiedlers steigerte sich immer mehr.
»Die Lady,« fuhr Blackstone fort, »sprach mich um Gastfreundschaft an und rastete in meiner Hütte, während die Männer im Garten unter einem Baume flüsternd ein Gespräch führten. Nach einigen Stunden erschien ein ziemlich starker Indianertrupp am Eingange der Lichtung, auf der meine Siedelei steht. Ein Häuptling von stattlichem Aussehen sonderte sich von dem Haufen und kam auf die Hütte zu. Es war der Häuptling der Wampanogen, König Philipp. Der Naragansett ging ihm entgegen, und die beiden mächtigen Häuptlinge begrüßten sich mit würdevoller Freundlichkeit, worüber ich mich sehr verwunderte, denn die beiden Stämme haben sich ja seit alter Zeit gehaßt und befehdet. Nach der Begrüßung schritten sie nebeneinander dem Garten zu, und da hörte ich Metakom seinen Begleiter fragen: »Ist el Exterminador angekommen?« – »Ja,« erwiderte Kanonchet, »der Häuptling des Donnerschiffes erwartet meinen Bruder Metakom!«
»El Exterminador?« rief Standish aus. »Ihr erzählt uns Rätsel über Rätsel. Das ist ja der verwegene Flibustier, dem die Spanier, seine Todfeinde, jenen bezeichnenden Namen gegeben haben. Von seinen Piratenzügen in der westindischen und mexikanischen See weiß man in den Kolonien nicht genug zu erzählen. De Lussan und el Exterminador eine und dieselbe Person? Wunderbar, wunderbar! Und vernahmt Ihr den Namen der Lady?«
»Der Franzmann nannte sie Ih-nis-kin, Kristall.«
»Kristall? Vater Blackstone, von welcher Farbe waren die Haare und die Augen der Lady?«
»Ihre Augen hatten den dunkelbraunen Schmelz der Augen einer Hindin, ihr Haar aber war rabenschwarz.«
»Das trifft zu, das trifft zu,« murmelte Standish. »Sollte es wahr, sollte es möglich sein?«
»Was, Kapitän?«
»Nichts, Freund. Erzählt weiter!«
»Die Fremden hielten eine Beratung ab, der auch die Lady beiwohnte. Ich konnte jedoch nur soviel bemerken, daß die Verhandlung lange dauerte, daß die beiden Häuptlinge der einen, die übrigen einer anderen Meinung waren, daß der Franzmann und das Goldhaar lebhaft auf die beiden Häuptlinge einredeten. Die Lady ergriff endlich die Hände der Wilden und schien ihnen ein Versprechen abzunötigen, das sie zuletzt wohl auch gaben. Gegen Abend verließ die ganze Gesellschaft, nachdem sie ein Mahl eingenommen, wie ich es zu geben vermochte, meine Siedelei. Die Lady dankte mir mit holdseligen Worten, und der Franzmann warf beim Weggehen ein halb Dutzend goldener Louis auf den Tisch. Metakom winkte mich noch beiseite und riet mir nachdrücklich, von der Zusammenkunft zu schweigen, wenn es mir nicht ebenso gehen solle wie dem Sasamon. Dann eilte er den anderen nach. Mir ward ganz wirr in meinem alten Kopfe. Ich wußte mir nicht zu raten, noch zu helfen, aber der Gedanke ließ mir keine Ruhe, daß soeben für die Kolonien Unheil gebrütet war. Die Drohung Metakoms bestärkte mich noch in meiner Vermutung, und so sattelte ich am anderen Morgen in aller Frühe meinen Bukephalos und machte mich auf den Weg, zuerst nach Providence zu Roger Williams.«
»Da waret Ihr auf dem unrechten Weg,« sagte Eaton streng, »daß Ihr zuerst einen Mann aufsuchtet, den der Bund der Gläubigen als Irrlehrer und Unruhstifter ausgestoßen hat.«
»Freund,« entgegnete der Einsiedler lebhaft, »ich will mit Euch über Euer Verfahren gegen Roger Williams nicht rechten. Aber ich halte meinem alten Freunde die Treue, und die Leute in den Ansiedlungen sollten ihn auch ehren und lieben, denn Williams ist auch jetzt noch mehr für ihr als für sein eigenes Wohl besorgt und hat diese Gesinnung bei jeder Gelegenheit durch die Tat erwiesen. Ich traf ihn krank und leidend. Wäre er das nicht gewesen, so würde er sich selber aufgemacht haben, um seine Brüder in den Ansiedlungen vor den drohenden Gefahren zu warnen. Auf Grund seiner Beobachtungen und gestützt auf sein hohes Ansehen bei allen Stämmen der Eingeborenen von Neu-England hatte er versucht, das drohende Unheil zu beschwören namentlich durch seinen sonst so bedeutenden Einfluß auf Kanonchet. Aber er fand diesen verschlossen und unzugänglich, obwohl er ihm persönlich noch immer sehr freundlich gesinnt scheint. Williams wurde sehr traurig, als ich ihm von der Zusammenkunft in meinem Gehöft erzählte und von dem anderen Abenteuer unterwegs.«
»Was war das?« fragte Standish.
»Ich kam am Mount Wallaston, dem Merry-Mount der Schlemmer, vorüber.«
»Mount Dagon sollte er heißen,« murmelte Eaton zornig.
»Ich mag mit Tom Morton und seiner tollen Bande nichts zu schaffen haben und wollte rasch vorüber. Aber er stand gerade unter der Tür und nötigte mich fast mit Gewalt zur Einkehr. Es herrschte ein heilloser Lärm in dem Fort. Trunkene Indianer und Mortons Spießgesellen hielten gerade wieder eine ihrer zügellosen Schlemmereien. Der stark angetrunkene Tom ließ nicht ab, bis ich, um nur wieder von ihm loszukommen, einen Becher angenommen. Dann führte er mich im Hause umher und zeigte mir drei oder vier Kisten voll neuer und, soviel ich davon verstehe, trefflich gearbeiteter Feuergewehre und sagte: ›Seht, alter Pfaffenbart, diese Dinger da sollen die näselnden Psalmenorgler aus Neu-England wegblasen, und dann wollen wir das lustige Leben von Alt-England überall einführen.‹ – ›Bah,‹ entgegnete ich, ›Feuergewehre bedürfen geschickter Hände.‹ – ›Oh,‹ sagte er, ›macht Euch keine Sorge drum: die Hände werden sich finden, rote und weiße. Habt Ihr schon einmal von el Exterminador gehört?‹ – ›Nein,‹ erwiderte ich unbefangen. – ›Nicht? Nun, Ihr werdet wohl bald von ihm hören und von Tom Morton und sonst noch von vielerlei Leuten.‹«
»Richter,« sagte der Kapitän, als Blackstone geendet, »nun ist kein Zweifel mehr, daß wir es mit einem Anschlag gefährlichster Art gegen die Kolonien zu tun haben, der vielleicht eher, als wir glauben, zum Ausbruche kommen wird.«
»Das ist auch die Meinung von Roger Williams,« bemerkte der Einsiedler. »Er hat daher ungesäumt Eilboten nach Konnektitut hinüber- und nach Massachusetts hinaufgeschickt; mich aber bat er, in die Niederlassungen von Plymouth herüberzugehen.«
»Ihr habt Euch,« sagte Eaton, »durch Euren Botenritt um die Gemeinde des Herrn verdient gemacht. Kapitän, was ist nun an unserer Stelle zunächst von uns zu tun?«
»Die waffenfähige Mannschaft von Swanzey und den kleineren, weiter gegen Osten und Süden zerstreuten Ansiedlungen, die zur Gemeinde gehören, schon morgen zusammenzurufen –«
»Morgen, Kapitän?« fiel der Richter dem Kriegsmann ins Wort, »morgen am Sonntag? Das wäre Sabbatschändung! Ich verkenne die Gefahr nicht, aber erst Gott die Ehre! Mögen eine Anzahl geeigneter Männer in die Nachbarschaft auf Kundschaft ausgehen. Wir aber wollen uns durch einen besonderen Gottesdienst morgen den Geist zum Streite bereiten.«
Standish wußte, daß gegen diesen Glaubenseiferer kein Widerspruch half und erklärte deshalb, schon den heutigen Tag nach Kräften ausnützen und morgen die Führung des Streifzuges übernehmen zu wollen.
Auf ihrer Rückkehr ins Dorf wollten die Männer auf den Vorschlag Eatons noch bei dem Prediger vorsprechen. Sie gingen deshalb eine Strecke am Ufer des Baches entlang, um ihn an passender Stelle zu überschreiten. Da sahen sie plötzlich über die am jenseitigen Ufer sich ausdehnende Wiese einen Reiter in vollem Lauf daherkommen. Er galoppierte in gerader Richtung bis auf hundert Schritt auf den Bach zu, wandte plötzlich seinen stattlichen Rappen, beschrieb einen Kreis auf der Wiese und jagte dann, die Lanze über dem Kopfe schwingend, linkshin gegen das Dorf hinauf. Als er wieder über die Wiese jagte und kaum dreißig Schritte vom Bache hielt, erkannte ihn Standish und schrie:
»Der teuflische Annawon, der Mörder Sasamons! Der Schurke ist vogelfrei!« Der Kapitän riß zugleich eines seiner Faustrohre aus dem Gurt, spannte den Hahn, zielte und feuerte. Eine plötzliche, heftige Bewegung des roten Kriegers verriet, daß die Kugel ihr Ziel nicht verfehlt hatte. Aber der Wampanog warf sein Roß herum, jagte in die Wiese hinein, kehrte wieder um, sprengte am Ufer des Baches hin und stieß im herausforderndsten, fast höhnischen Tone das Kriegsgeschrei seines Stammes aus.
»Steh, Heide, steh, wenn du ein Mann bist!« schrie der Kapitän und stürzte mit gezücktem Schwerte durch den Bach auf das andere Ufer.
Der Wilde jagte auf ihn zu. Standish erwartete ihn festen Fußes. Allein der Indianer machte plötzlich wieder kehrt, zügelte sein Roß, nahm die Büchse vom Rücken und schoß sie auf den gegen ihn anrennenden Kapitän los. Die Kugel riß ihm den Hut vom Kopfe und schleuderte ihn weithin auf den Rasen. Standish schoß sein zweites Pistol auf den Gegner. Der Indianer verhöhnte die geringe Tragweite der Feuerwaffe mit gellendem Gelächter, sprengte dann aber mit seinem wilden Kriegsruf schnell wie der Wind die Wiese nach rechts hinab und verschwand am Rande des Tales im Schatten des Urwaldes.
Standish murmelte einen herzhaften Fluch zwischen den Zähnen, während er sein Schwert in die Scheide steckte, seinen durchlöcherten Hut aufhob und zu seinen Freunden zurückkehrte, die inzwischen den Bach überschritten hatten.
»Hätte ich doch meinen Grauschimmel zur Stelle gehabt statt Eures Ochsen da, Blackstone,« sagte er mißmutig, »der rote Schuft hätte nicht so ungestraft mit mir sein Spiel treiben dürfen.«
»Ihr habt ihm aber doch einen Denkzettel gegeben,« sagte Blackstone. »Seht, hier, wo der Heide zuerst hielt, Blutstropfen an den Grasspitzen.«
»Hm,« versetzte der Kapitän, die Stelle betrachtend, »doch nur von einem Streifschuß, und der schadet dem Gewürm nicht mehr als 'ne Ohrfeige. Aber was sollte die Erscheinung des Kerls bedeuten. Der Bursche, der sicher weiß, daß er von dem Plymouther Gericht geächtet ist, legte es ja ordentlich darauf an, angegriffen zu werden.«
»Das scheint mir,« bemerkte Eaton, »ein Fingerzeig für die Erklärung seines rätselhaften Benehmens. Seit dem Pequodkriege geht unter den roten Heiden eine Weissagung um, daß im nächsten Kampfe der Indianer mit den Weißen die Partei zuletzt den Sieg davontrüge, welche von der anderen zuerst angegriffen und verwundet würde. Diesem götzendienerischen Wahn scheint die Erscheinung des roten Mörders zugrunde zu liegen.«
»Allerdings,« bestätigte Standish. »Doch kommt, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir müssen sofort die Wälder nach der Spur dieses Burschen absuchen und sehen, ob die Nachbarschaft nicht noch mehr solcher Besucher birgt.«
So schritt er den beiden anderen rasch voran dem Dorfe zu.