Friedrich Schiller
Wallenstein
Friedrich Schiller

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Vierter Auftritt.

Wallenstein. Gordon. Dann der Kammerdiener.

Wallenstein.
Ist's ruhig in der Stadt?

Gordon.                               Die Stadt ist ruhig.

Wallenstein.
Ich höre rauschende Musik, das Schloß ist
Von Lichtern hell. Wer sind die Fröhlichen?

Gordon.
Dem Grafen Terzky und dem Feldmarschall
Wird ein Bankett gegeben auf dem Schloß.

Wallenstein (vor sich).
Es ist des Sieges wegen – Dies Geschlecht
Kann sich nicht anders freuen, als bei Tisch.
    (Klingelt. Kammerdiener tritt ein.)
Entkleide mich, ich will mich schlafen legen.
    (Er nimmt die Schlüssel zu sich.)
So sind wir denn vor jedem Feind bewahrt
Und mit den sichern Freunden eingeschlossen;
Denn Alles müßt mich trügen, oder ein
Gesicht wie dies   (auf Gordon schauend),
                          ist keines Heuchlers Larve.

(Kammerdiener hat ihm den Mantel, Ringkragen und
die Feldbinde abgenommen.)

Gib Acht! Was fällt da?

Kammerdiener.
Die goldne Kette ist entzwei gesprungen.

Wallenstein.
Nun, sie hat lang genug gehalten. Gib!
    (Indem er die Kette betrachtet.)
Das war des Kaisers erste Gunst. Er hing sie
Als Erzherzog mir um, im Krieg von Friaul,
Und aus Gewohnheit trug ich sie bis heut.
– Aus Aberglauben, wenn Ihr wollt. Sie sollte
Ein Talisman mir sein, so lang ich sie
An meinem Halse glaubig würde tragen,
Das flücht'ge Glück, deß erste Gunst sie war,
Mir auf Zeitlebens binden – Nun, es sei!
Mir muß fortan ein neues Glück beginnen,
Denn dieses Bannes Kraft ist aus.

(Kammerdiener entfernt sich mit den Kleidern. Wallenstein
steht auf, macht einen Gang durch den Saal und bleibt zuletzt
nachdenkend vor Gordon stehen.)

Wie doch die alte Zeit mir näher kommt.
Ich seh' mich wieder an dem Hof zu Burgau,
Wo wir zusammen Edelknaben waren.
Wir hatten öfters Streit, du meintest's gut
Und pflegtest gern den Sittenprediger
Zu machen, schaltest mich, daß ich nach hohen Dingen
Unmäßig strebte, kühnen Träumen glaubend,
Und priesest mir den goldnen Mittelweg.
– Ei, deine Weisheit hat sich schlecht bewährt,
Sie hat dich früh zum abgelebten Manne
Gemacht, und würde dich, wenn ich mit meinen
Großmüth'gen Sternen nicht dazwischen träte,
Im schlechten Winkel still verlöschen lassen.

Gordon.
Mein Fürst! Mit leichtem Muthe knüpft der arme Fischer
Den kleinen Nachen an im sichern Port,
Sieht er im Sturm das große Meerschiff stranden.

Wallenstein.
So bist du schon im Hafen, alter Mann?
Ich nicht. Es treibt der ungeschwächte Muth
Noch frisch und herrlich auf der Lebenswoge,
Die Hoffnung nenn' ich meine Göttin noch,
Ein Jüngling ist der Geist, und seh' ich mich
Dir gegenüber, ja, so möcht' ich rühmend sagen,
Daß über meinem braunen Scheitelhaar
Die schnellen Jahre machtlos hingegangen.
    (Er geht mit großen Schritten durchs Zimmer und bleibt
    auf der entgegengesetzten Seite, Gordon gegenüber, stehen.)

Wer nennt das Glück noch falsch? Mir war es treu,
Hob aus der Menschen Reihen mich heraus
Mit Liebe, durch des Lebens Stufen mich
Mit kraftvoll leichten Götterarmen tragend.
Nichts ist gemein in meines Schicksals Wegen,
Noch in den Furchen meiner Hand. Wer möchte
Mein Leben mir nach Menschenweise deuten?
Zwar jetzo schein' ich tief herabgestürzt;
Doch werd' ich wieder steigen, hohe Fluth
Wird bald auf diese Ebbe schwellend folgen –

Gordon.
Und doch erinnr' ich an den alten Spruch:
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.
Nicht Hoffnung möcht' ich schöpfen aus dem langen Glück,
Dem Unglück ist die Hoffnung zugesendet.
Furcht soll das Haupt des Glücklichen umschweben,
Denn ewig wanket des Geschickes Wage.

Wallenstein (lächelnd).
Den alten Gordon hör' ich wieder sprechen.
– Wohl weiß ich, daß die ird'schen Dinge wechseln,
Die bösen Götter fordern ihren Zoll.
Das wußten schon die alten Heidenvölker,
Drum wählten sie sich selbst freiwill'ger Unheil,
Die eifersücht'ge Gottheit zu versöhnen,
Und Menschenopfer bluteten dem Typhon.
    (Nach einer Pause ernst und stiller.)
Auch ich hab' ihm geopfert – Denn mir fiel
Der liebste Freund, und fiel durch meine Schuld.
So kann mich keines Glückes Gunst mehr freuen,
Als dieser Schlag mich hat geschmerzt – Der Neid
Des Schicksals ist gesättigt, es nimmt Leben
Für Leben an, und abgeleitet ist
Auf das geliebte reine Haupt der Blitz,
Der mich zerschmetternd sollte niederschlagen.

Fünfter Auftritt.

Vorige. Seni.

Wallenstein.
Kommt da nicht Seni? Und wie außer sich!
Was führt dich noch so spät hieher, Baptist?

Seni.
Furcht deinetwegen, Hoheit.

Wallenstein.                               Sag', was gibt's?

Seni.
Flieh, Hoheit, eh der Tag anbricht! Vertraue dich
Den Schwedischen nicht an!

Wallenstein.                               Was fällt dir ein?

Seni (mit steigendem Ton).
Vertrau' dich diesen Schweden nicht!

Wallenstein.                                             Was ist's denn?

Seni.
Erwarte nicht die Ankunft dieser Schweden!
Von falschen Freunden droht dir nahes Unheil,
Die Zeichen stehen grausenhaft, nah', nahe
Umgeben dich die Netze des Verderbens.

Wallenstein.
Du träumst, Baptist, die Furcht bethöret dich.

Seni.
O glaube nicht, daß leere Furcht mich täusche.
Komm, lies es selbst in dem Planetenstand,
Daß Unglück dir von falschen Freunden droht.

Wallenstein.
Von falschen Freunden stammt mein ganzes Unglück,
Die Weisung hätte früher kommen sollen,
Jetzt brauch' ich keine Sterne mehr dazu.

Seni.
O, komm und flieh! Glaub' deinen eignen Augen.
Ein gräulich Zeichen steht im Haus des Lebens,
Ein naher Feind, ein Unhold lauert hinter
Den Strahlen deines Sterns – O, laß dich warnen!
Nicht diesen Heiden überliefre dich,
Die Krieg mit unsrer heil'gen Kirche führen.

Wallenstein (lächelnd).
Schallt das Orakel daher? – Ja, ja! Nun
Besinn' ich mich – Dies schwed'sche Bündniß hat
Dir nie gefallen wollen – Leg' dich schlafen,
Baptista! Solche Zeichen fürcht' ich nicht.

Gordon (der durch diese Reden heftig erschüttert worden,
    wendet sich zu Wallenstein).

Mein fürstlicher Gebieter! Darf ich reden?
Oft kommt ein nützlich Wort aus schlechtem Munde.

Wallenstein.
Sprich frei!

Gordon.
Mein Fürst! Wenn's doch kein leeres Furchtbild wäre,
Wenn Gottes Vorsehung sich dieses Mannes
Zu Ihrer Rettung wunderbar bediente?

Wallenstein.
Ihr sprecht im Fieber, Einer wie der Andre.
Wie kann mir Unglück kommen von den Schweden?
Sie suchten meinen Bund, er ist ihr Vortheil.

Gordon.
Wenn dennoch eben dieser Schweden Ankunft –
Gerade die es wär', die das Verderben
Beflügelte auf Ihr so sichres Haupt –
    (vor ihm niederstürzend)
O noch ist's Zeit, mein Fürst –

Seni (kniet nieder).                               O, hör' ihn! hör' ihn!

Wallenstein.
Zeit, und wozu? Steht auf – Ich will's, steht auf.

Gordon (steht auf).
Der Rheingraf ist noch fern. Gebieten Sie,
Und diese Festung soll sich ihm verschließen.
Will er uns dann belagern, er versuch's.
Doch sag' ich dies: Verderben wird er eher
Mit seinem ganzen Volk vor diesen Wällen,
Als unsres Muthes Tapferkeit ermüden.
Erfahren soll er, was ein Heldenhaufe
Vermag, beseelt von einem Heldenführer,
Dem's Ernst ist, seinen Fehler gut zu machen.
Das wird den Kaiser rühren und versöhnen,
Denn gern zur Milde wendet sich sein Herz,
Und Friedland, der bereuend wiederkehrt,
Wird höher stehn in seines Kaisers Gnade,
Als je der Niegefallne hat gestanden.

Wallenstein (betrachtet ihn mit Befremdung und Erstaunen und
    schweigt eine Zeit lang, eine starke innere Bewegung zeigend).

Gordon – des Eifers Wärme führt Euch weit,
Es darf der Jugendfreund sich was erlauben.
– Blut ist geflossen, Gordon. Nimmer kann
Der Kaiser mir vergeben. Könnt' er's, ich,
Ich könnte nimmer mir vergeben lassen.
Hätt' ich vorher gewußt, was nun geschehn,
Daß es den liebsten Freund mir würde kosten,
Und hätte mir das Herz, wie jetzt, gesprochen –
Kann sein, ich hätte mich bedacht – kann sein,
Auch nicht – Doch was nun schonen noch? Zu ernsthaft
Hat's angefangen, um in nichts zu enden.
Hab' es denn seinen Lauf!   (Indem er ans Fenster tritt.)
Sieh, es ist Nacht geworden, auf dem Schloß
Ist's auch schon stille – Leuchte, Kämmerling.

(Kammerdiener, der unterdessen still eingetreten und mit
sichtbarem Antheil in der Ferne gestanden, tritt hervor,
heftig bewegt, und stürzt sich zu des Herzogs Füßen.)

Du auch noch? Doch ich weiß es ja, warum
Du meinen Frieden wünschest mit dem Kaiser.
Der arme Mensch! Er hat im Kärnthnerland
Ein kleines Gut und sorgt, sie nehmen's ihm,
Weil er bei mir ist. Bin ich denn so arm,
Daß ich den Dienern nicht ersetzen kann?
Nun! Ich will Niemand zwingen. Wenn du meinst,
Daß mich das Glück geflohen, so verlaß mich.
Heut magst du mich zum letzten Mal entkleiden
Und dann zu deinem Kaiser übergehn –
Gut' Nacht, Gordon!
Ich denke einen langen Schlaf zu thun,
Denn dieser letzten Tage Qual war groß,
Sorgt, daß sie nicht zu zeitig mich erwecken.

(Er geht ab. Kammerdiener leuchtet. Seni folgt. Gordon bleibt
in der Dunkelheit stehen, dem Herzog mit den Augen folgend,
bis er in den äußersten Gang verschwunden ist; dann drückt
er durch Geberden seinen Schmerz aus und lehnt sich
gramvoll an eine Säule.

Sechster Auftritt.

Gordon. Buttler anfangs hinter der Scene.

Buttler.
Hier stehet still, bis ich das Zeichen gebe.

Gordon (fährt auf).
Er ist's, er bringt die Mörder schon.

Buttler.                                                   Die Lichter
Sind aus. In tiefem Schlafe liegt schon Alles.

Gordon.
Was soll ich thun? Versuch' ich's, ihn zu retten?
Bring' ich das Haus, die Wachen in Bewegung?

Buttler (erscheint hinten).
Vom Korridor her schimmert Licht. Das führt
Zum Schlafgemach des Fürsten.

Gordon.                                             Aber brech' ich
Nicht meinen Eid dem Kaiser? Und entkommt er,
Des Feindes Macht verstärkend, lad' ich nicht
Auf mein Haupt alle fürchterlichen Folgen?

Buttler (etwas näher kommend).
Still! Horch! Wer spricht da?

Gordon.                                       Ach, es ist doch besser,
Ich stell's dem Himmel heim. Denn was bin ich,
Daß ich so große That mich unterfinge?
Ich hab' ihn nicht ermordet, wenn er umkommt,
Doch seine Rettung wäre meine That,
Und jede schwere Folge müßt' ich tragen.

Buttler (herzutretend).
Diese Stimme kenn' ich.

Gordon.                                 Buttler!

Buttler.                                               Es ist Gordon.
Was sucht Ihr hier? Entließ der Herzog Euch
So spät.

Gordon.       Ihr tragt die Hand in einer Binde?

Buttler.
Sie ist verwundet. Dieser Illo focht
Wie ein Verzweifelter, bis wir ihn endlich
Zu Boden streckten –

Gordon (schaudert zusammen). Sie sind todt!

Buttler.                                                     Es ist geschehn.
– Ist er zu Bett?

Gordon.                   Ach, Buttler!

Buttler.                                         Ist er? Sprecht!
Nicht lange kann die That verborgen bleiben.

Gordon.
Er soll nicht sterben. Nicht durch Euch! Der Himmel
Will Euren Arm nicht. Seht, er ist verwundet.

Buttler.
Nicht meines Armes braucht's.

Gordon.                                         Die Schuldigen
Sind todt; genug ist der Gerechtigkeit
Geschehn! Laßt dieses Opfer sie versöhnen!

(Kammerdiener kommt den Gang her, mit dem Finger auf
dem Mund Stillschweigen gebietend.)

Er schläft! O, mordet nicht den heil'gen Schlaf!

Buttler.
Nein, er soll wachend sterben.   (Will gehen.)

Gordon.                                         Ach, sein Herz ist noch
Den ird'schen Dingen zugewendet, nicht
Gefaßt ist er, vor seinen Gott zu treten.

Buttler.
Gott ist barmherzig.   (Will gehen.)

Gordon (hält ihn).             Nur die Nacht noch gönnt ihm.

Buttler.
Der nächste Augenblick kann uns verrathen.
    (Will fort.)

Gordon (hält ihn).
Nur eine Stunde!

Buttler.                       Laßt mich los! Was kann
Die kurze Frist ihm helfen?

Gordon.                                   O, die Zeit ist
Ein wunderthät'ger Gott. In einer Stunde rinnen
Viel tausend Körner Sandes, schnell, wie sie,
Bewegen sich im Menschen die Gedanken.
Nur eine Stunde! Euer Herz kann sich,
Das seinige sich wenden – eine Nachricht
Kann kommen – ein beglückendes Ereigniß
Entscheidend, rettend, schnell vom Himmel fallen –
O, was vermag nicht eine Stunde!

Buttler.                                               Ihr erinnert mich,
Wie kostbar die Minuten sind.
    (Er stampft auf den Boden.)

Siebenter Auftritt.

Macdonald. Deveroux mit Hellebardieren treten hervor. Dann Kammerdiener. Vorige.

Gordon (sich zwischen ihn und jene werfend). Nein, Unmensch!
Erst über meinen Leichnam sollst du hingehn,
Denn nicht will ich das Gräßliche erleben.

Buttler (ihn wegdrängend).
Schwachsinn'ger Alter!

(Man hört Trompeten in der Ferne.)

Macdonald und Deveroux. Schwedische Trompeten!
Die Schweden stehn vor Eger! Laßt uns eilen!

Gordon.
Gott! Gott!

Buttler.               An Euren Posten, Kommendant!

(Gordon stürzt hinaus.)

Kammerdiener (eilt herein).
Wer darf hier lärmen? Still, der Herzog schläft!

Deveroux (mit lauter, fürchterlicher Stimme).
Freund! Jetzt ist's Zeit, zu lärmen!

Kammerdiener (Geschrei erhebend).         Hilfe! Mörder!

Buttler.
Nieder mit ihm!

Kammerdiener (von Deveroux durchbohrt, stürzt am Eingang
    der Galerie).
    Jesus Maria!

Buttler.                                         Sprengt die Thüren!

(Sie schreiten über den Leichnam weg den Gang hin. Man
hört in der Ferne zwei Thüren nacheinander stürzen. –
Dumpfe Stimmen – Waffengetöse – dann plötzlich tiefe Stille.)

Achter Auftritt.

Gräfin Terzky mit einem Lichte.

Ihr Schlafgemach ist leer, und sie ist nirgends
Zu finden; auch die Neubrunn wird vermißt,
Die bei ihr wachte – Wäre sie entflohn?
Wo kann sie hingeflohen sein? Man muß
Nacheilen, Alles in Bewegung setzen!
Wie wird der Herzog diese Schreckenspost
Aufnehmen! – Wäre nur mein Mann zurück
Vom Gastmahl! Ob der Herzog wohl noch wach ist?
Mir war's, als hört' ich Stimmen hier und Tritte,
Ich will doch hingehn, an der Thüre lauschen.
Horch! Wer ist das? Es eilt die Trepp' herauf.

Neunter Auftritt.

Gräfin. Gordon. Dann Buttler.

Gordon (eilfertig, athemlos hereinstürzend).
Es ist ein Irrthum – es sind nicht die Schweden.
Ihr sollt nicht weiter gehen – Buttler – Gott!
Wo ist er?   (Indem er die Gräfin bemerkt.)
                  Gräfin, sagen Sie –

Gräfin.
Sie kommen von der Burg? Wo ist mein Mann?

Gordon (entsetzt).
Ihr Mann! – O fragen Sie nicht! Gehen Sie
Hinein – (Will fort.)

Gräfin (hält ihn). Nicht eher, bis Sie mir entdecken –

Gordon (heftig dringend).
An diesem Augenblicke hängt die Welt!
Um Gotteswillen, gehen Sie – Indem
Wir sprechen – Gott im Himmel!   (Laut schreiend.)
                                                    Buttler! Buttler!

Gräfin.
Der ist ja auf dem Schloß mit meinem Mann.

(Buttler kommt aus der Galerie.)

Gordon (der ihn erblickt).
Es war in Irrthum – Es sind nicht die Schweden –
Die Kaiserlichen sind's, die eingedrungen –
Der Generalleutnant schickt mich her, er wird
Gleich selbst hier sein – Ihr soll nicht weiter gehn –

Buttler.
Er kommt zu spät.

Gordon (stürzt an die Mauer). Gott der Barmherzigkeit!

Gräfin (ahnungsvoll).
Was ist zu spät? Wer wird gleich selbst hier sein?
Octavio in Eger eingedrungen?
Verrätherei! Verrätherei! Wo ist
Der Herzog?   (Eilt dem Gange zu.)

Zehnter Auftritt.

Vorige. Seni. Dann Bürgermeister. Page. Kammerfrau. Bediente rennen schreckensvoll über die Scene.

Seni (der mit allen Zeichen des Schreckens aus der Galerie kommt).
O blutige, entsetzensvolle That!

Gräfin                                             Was ist
Geschehen, Seni?

Page (herauskommend).   O erbarmungswürd'ger Anblick!

(Bediente mit Fackeln.)

Gräfin.
Was ist's? Um Gotteswillen!

Seni.                                           Fragt Ihr noch?
Drinn liegt der Fürst ermordet, Euer Mann ist
Erstochen auf der Burg!   (Gräfin bleibt erstarrt stehen.)

Kammerfrau (eilt herein).
Hilf'! Hilf' der Herzogin!

Bürgermeister (kommt schreckensvoll). Was für ein Ruf
Des Jammers weckt die Schläfer dieses Hauses?

Gordon.
Verflucht ist Euer Haus auf ew'ge Tage!
In eurem Hause liegt der Fürst ermordet.

Bürgermeister.
Das wolle Gott nicht!   (Stürzt hinaus.)

Erster Bedienter.             Flieht! Fliegt! Sie ermorden
Uns alle!

Zweiter Bedienter (Silbergeräth tragend).
                Da hinaus! Die untern Gänge sind besetzt.

Hinter der Scene (wird gerufen).
Platz! Platz dem Generalleutnant!

(Bei diesen Worten richtet sich die Gräfin aus ihrer Erstarrung
auf, faßt sich und geht schnell ab.)

Hinter der Scene.
Besetzt das Thor! Das Volk zurückgehalten!

Eilfter Auftritt.

Vorige ohne die Gräfin. Octavio Piccolomini tritt herein mit Gefolge. Deveroux und Macdonald kommen zugleich aus dem Hintergrund mit Hellebardieren. Wallensteins Leichnam wird in einem rothen Teppich hinten über die Scene getragen.

Octavio (rasch eintretend).
Es darf nicht sein! Es ist nicht möglich! Buttler!
Gordon! Ich will's nicht glauben. Saget Nein.

Gordon (ohne zu antworten, weist mit der Hand nach hinten.
    Octavio sieht hin und steht von Entsetzen ergriffen.)

Deveroux (zu Buttler).
Hier ist das goldne Vließ, des Fürsten Degen.

Macdonald.
Befehlt Ihr, daß man die Kanzlei –

Buttler (auf Octavio zeigend).                   Hier steht er,
Der jetzt allein Befehle hat zu geben.

(Deveroux und Macdonald treten ehrerbietig zurück;
Alles verliert sich still, daß nur allein Buttler, Octavio
und Gordon auf der Scene bleiben.)

Octavio (zu Buttlern gewendet).
War das die Meinung, Buttler, als wir schieden?
Gott der Gerechtigkeit! Ich hebe meine Hand auf!
Ich bin an dieser ungeheuren That
Nicht schuldig.

Buttler.                   Eure Hand ist rein. Ihr habt
Die meinige dazu gebraucht.

Octavio.                                     Ruchloser!
So mußtest du des Herrn Befehl mißbrauchen
Und blutig grauenvollen Meuchelmord
Auf deines Kaisers heil'gen Namen wälzen?

Buttler (gelassen).
Ich hab' des Kaisers Urthel nur vollstreckt.

Octavio.
O Fluch der Könige, der ihren Worten
Das fürchterliche Leben gibt, dem schnell
Vergänglichen Gedanken gleich die That,
Die fest unwiderrufliche, ankettet!
Mußt' es so rasch gehorcht sein? Konntest du
Dem Gnädigen nicht Zeit zur Gnade gönnen?
Des Menschen Engel ist die Zeit – die rasche
Vollstreckung an das Urtheil anzuheften,
Ziemt nur dem unveränderlichen Gott.

Buttler.
Was scheltet Ihr mich? Was ist mein Verbrechen?
Ich habe eine gute That gethan,
Ich hab' das Reich von einem furchtbarn Feinde
Befreit und mache Anspruch auf Belohnung.
Der einz'ge Unterschied ist zwischen Eurem
Und meinem Thun: Ihr habt den Pfeil geschärft
Ich hab' ihn abgedrückt. Ihr sätet Blut
Und steht bestürzt, daß Blut ist aufgegangen.
Ich wußte immer, was ich that, und so
Erschreckt und überrascht mich kein Erfolg.
Habt Ihr sonst einen Auftrag mir zu geben?
Denn stehnden Fußes reis' ich ab nach Wien,
Mein blutend Schwert vor meines Kaisers Thron
Zu legen und den Beifall mir zu holen,
Den der geschwinde, pünktliche Gehorsam
Von dem gerechten Richter fordern darf.
    (Geht ab.)

Zwölfter Auftritt.

Vorige ohne Buttler. Gräfin Terzky tritt auf, bleich und entstellt. Ihre Sprache ist schwach und langsam, ohne Leidenschaft.

Octavio (ihr entgegen).
O Gräfin Terzky, mußt' es dahin kommen?
Das sind die Folgen unglücksel'ger Thaten.

Gräfin.
Es sind die Früchte Ihres Thuns – Der Herzog
Ist todt, mein Mann ist todt, die Herzogin
Ringt mit dem Tode, meine Nichte ist verschwunden.
Dies Haus des Glanzes und der Herrlichkeit
Steht nun verödet, und durch alle Pforten
Stürzt das erschreckte Hofgesinde fort.
Ich bin die Letzte drinn, ich schloß es ab
Und liefre hier die Schlüssel aus.

Octavio (mit tiefem Schmerz).                 O Gräfin,
Auch mein Haus ist verödet!

Gräfin.                                         Wer soll noch
Umkommen? Wer soll noch mißhandelt werden?
Der Fürst ist todt, des Kaisers Rache kann
Befriedigt sein. Verschonen Sie die alten Diener,
Daß den Getreuen ihre Lieb' und Treu'
Nicht auch zum Frevel angerechnet werde!
Das Schicksal überraschte meinen Bruder
Zu schnell, er konnte nicht mehr an sie denken.

Octavio.
Nichts von Mißhandlung! Nichts von Rache, Gräfin!
Die schwere Schuld ist schwer gebüßt, der Kaiser
Versöhnt, nichts geht vom Vater auf die Tochter
Hinüber, als sein Ruhm und sein Verdienst.
Die Kaiserin ehrt Ihr Unglück, öffnet Ihnen
Theilnehmend ihre mütterlichen Arme.
Drum keine Furcht mehr! Fassen Sie Vertrauen
Und übergeben Sie sich hoffnungsvoll
Der kaiserlichen Gnade.

Gräfin (mit einem Blick zum Himmel).
                                    Ich vertraue mich
Der Gnade eines größern Herrn – Wo soll
Der fürstliche Leichnam seine Ruhstatt finden?
In der Karthause, die er selbst gestiftet,
Zu Gitschin ruht die Gräfin Wallenstein;
An ihrer Seite, die sein erstes Glück
Gegründet, wünscht' er, dankbar, einst zu schlummern.
O, lassen Sie ihn dort begraben sein!
Auch für die Reste meines Mannes bitt' ich
Um gleiche Gunst. Der Kaiser ist Besitzer
Von unsern Schlössern, gönne man uns nur
Ein Grab noch bei den Gräbern unsrer Ahnen.

Octavio.
Sie zittern, Gräfin – Sie verbleichen – Gott!
Und welche Deutung geb' ich Ihren Reden?

Gräfin (sammelt ihre letzte Kraft und spricht mit Lebhaftigkeit
    und Adel).

Sie denken würdiger von mir, als daß Sie glaubten,
Ich überlebte meines Hauses Fall.
Wir fühlten uns nicht zu gering, die Hand
Nach einer Königskrone zu erheben –
Es sollte nicht sein – doch wir denken königlich
Und achten einen freien, muth'gen Tod
Anständiger als ein entehrtes Leben.
– Ich habe Gift . . . . .

Octavio.                             O rettet! Helft!

Gräfin.                                                       Es ist zu spät.
In wenig Augenblicken ist mein Schicksal
Erfüllt.   (Sie geht ab.)

Gordon.     O Haus des Mordes und Entsetzens!

(Ein Kurier kommt und bringt einen Brief.)

Gordon (tritt ihm entgegen).
Was gibt's? Das ist das kaiserliche Siegel.
    (Er hat die Aufschrift gelesen und übergibt den Brief
    dem Octavio mit einem Blick des Vorwurfs.)

Dem Fürsten Piccolomini.

(Octavio erschrickt und blickt schmerzvoll zum Himmel.)

(Der Vorhang fällt.)

 

 


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