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Fünfzehntes Kapitel

Als Kaiser Karl merkte, daß er sterben müsse, schickte er in seinem ganzen Reich nach allen Herren und seiner ganzen Ritterschaft, bezahlte ihnen alles, was er ihnen schuldig war, dann ging er in die St. Kilianskirche, hier legte er Beichte ab und ließ eine herrliche Messe singen. Wie die Geschichte sagt, fand der Priester einen Brief auf dem Altar, darin stand eine Sünde aufgeschrieben, welche der Kaiser Karl begangen, aber zu beichten unterlassen hatte. Der Priester zeigte den Brief dem Kaiser, der bekannte und beichtete auch alsobald dieselbe Sünde, und dankte Gott von ganzem Herzen für diese Gnade.

Kaiser Karl starb bald, und sein Sohn Ludwig ward zum Kaiser erwählt und gekrönt, nachdem er Blancheflure, die Tochter des Grafen von Narbonne, zur Gemahlin genommen hatte. – König Ludwig war noch nicht lange zu Paris, als Zormerin und Maller auch daselbst ankamen. Maller ging sogleich an den Hof vor König Ludwig, der von den Großen und Mächtigen des Reichs umgeben war, unter denen die Brüder seiner Gemahlin waren, denen er große Güter gegeben, wodurch sie sehr mächtig geworden waren. Maller hatte einen ganz zerlumpten Rock an, und sein ganzer Aufzug war sehr armselig; darum wollte ihn niemand von seinen ehemaligen Bekannten wiedererkennen, und alle verschmähten und verstießen ihn. Verflucht sei der böse Reichtum, sprach Maller in sich, weil einem reichen Schalk große Ehre angetan wird, während der Fromme, wenn er arm ist, verachtet wird. Ewiger Gott, wie ist es doch so gar verkehrt auf Erden! –

Maller fiel dem König Ludwig zu Füßen, der eben nicht viel auf ihn achtete, da er ihn in so ärmlichem Aufzuge sah. Herr, fing Maller an, mir scheint, Ihr wollt mich nicht erkennen, obgleich Ihr mich ehedem sehr wohl kanntet, und ich auch noch sehr viel Verwandte an Euerem Hof habe, nun aber so arm bin, erkennt mich niemand. Ich heiße Maller, König Galyens Sohn, bin an Euerm Hof erzogen; mit Eurem Bruder Lother ritt ich hinweg, da sein Vater ihn verbannte. – Lieber Maller, antwortete König Ludwig, ja wohl kenne ich dich nun; willst du bei mir am Hofe bleiben, so will ich dir Gutes tun, und du sollst wie die andern Diener gehalten sein. – Herr, erwiderte Maller, es wäre wunderlich, wenn ich Euch dienen wollte, da ich selber eines Königs Sohn bin! – Und indem er in seinem Herzen dachte, welch ein Bruder ist dies, daß er mich nicht einmal nach seinem Bruder fragt, von dem ich ihm gesprochen, nicht einmal fragt, ob er noch lebt, oder ob er tot ist; hätte ich einen solchen Bruder, fürwahr ich schickte ihn hin, wo er sonst in tausend Jahren nicht hinkäme; so sagte er: Edler König, wie habt Ihr doch gegen Euern Bruder einen ehernen Sinn! Mich dünkt wohl, Ihr habt gar wenig Liebe zu Eurem leiblichen Bruder, der in Unglück und Elend geraten ist, und bei Euerm verräterischen Vetter in Fesseln schmachtet, während Ihr hier in Ruhe und Frieden Kaiser und König seid. Darauf erzählte er dem König Ludwig, wie alles sich mit Lother zugetragen seit seiner Verbannung, und bat ihn, nachdem er alles umständlich vorgetragen, um Hilfe, daß er den Lother aus der Gefangenschaft rette, und sich an dem ungetreuen Otto räche. –

König Ludwig hätte seinen Bruder gern gerettet und ihm Hilfe geschickt, aber es lebten an seinem Hofe alle die falschen Verräter, die stets Lothers Feinde gewesen waren, diese zogen den König Ludwig beiseite. Herr, sprachen sie, laßt Euern Bruder fahren, er tut doch nie Gutes. Eure hohe Ritterschaft hat er alle, um der Frauen willen, gegen sich aufgebracht, weswegen Euer Vater ihn auch, wie Ihr Euch noch erinnern möget, auf sieben Jahre lang verbannte; empfangt Ihr ihn nun wieder an Euerm Hof, so habt Ihr niemals Ruh und Frieden mit diesen Herren. Bedenkt dann auch, daß Ihr das väterliche Erbe mit ihm teilen müßt; kömmt er wieder, so will er sicher entweder König oder Kaiser sein. – Bei meiner Treu, sprach der König, Ihr sprecht die Wahrheit; Otto wird ihn auch wohl wegen irgendeiner Untugend gefangengenommen haben. Maller, fuhr er fort, sich zu diesem wendend, meine Freunde raten mir, keinen Krieg ins Land zu ziehen um meines Bruders willen. Lother wollte immer nach seinem eignen Sinn leben, er wollte auch meinem Vater nie folgen; darum, hat er nun meinen Vetter Otto beleidigt, so ist es billig, daß dieser ihn dafür bestraft; obgleich er ihn gefangen hat, so gibt er ihm doch genug zu leben. Ich werde also nimmermehr einen Harnisch anlegen, um ihm aus dem Gefängnis zu helfen, wo er recht gut ist; meinen Räten will ich hierin folgen. – Das sind lauter Verräter, rief Maller, die Euch solchen Rat gaben. Jammer ist es, daß Ihr Euerm leiblichen Bruder nicht wollt zu Hilfe kommen; Otto hat ihn verräterisch gefangen! – Damit kehrte Maller sich um und ging hinaus. König Ludwig rief ihm nach, ob er nicht mit ihm frühstücken wollte? Nimmermehr! rief Maller, eher will ich fastend schlafen gehn, ehe ich mit Verrätern essen will! – Das sprach Maller gar kühnlich; er hätte sich um König Ludwigs willen nicht herumgedreht, denn er war eines ebensogroßen Königs Sohn, als Ludwig.

Er ging zurück in seine Herberge zu Zormerin. Frau, rief er voller Zorn, an Ludwig fand ich den ungetreuesten Mann, der da lebt. Er läßt seinen Bruder in der Not, und folgt dem Rat falscher Verräter; möge Gott ihn verdammen dafür! Ach Gott, ich fürchte sehr, Lother kommt wohl nimmer wieder los. – Zormerin weinte. Ach ich Unglückliche! rief sie, litt jemals eine Frau, was ich leiden muß? Verflucht sei die Stunde, in der ich geboren ward! – Werte Frau, fing Maller wieder an, laßt uns wieder nach Konstantinopel zu Euerm Vater gehen. Ich will ihn bitten, daß er der großen Treue gedenke, die Lother ihm geleistet; daß er dem zu Hilfe komme, der ihn in seiner Not gegen die Heiden doch auch nie verließ. Ich will dann sehen, ob noch Treue auf Erden zu finden ist.

 


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