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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierzehn Tage waren Lother und die übrigen zusammen zu Rom gewesen, als ein Bote ankam, der dem Kaiser Lother einen Brief brachte. Lother gab den Brief seinem Schreiber, daß er ihn ihm vorlesen möchte, und als dieser ihn geöffnet, und anfing zu lesen, da weinte er gar bitterlich. Was ist Euch, Schreiber? Weswegen weint Ihr? – Herr, sprach der Schreiber, König Orschier und Euer Schwager melden Euch, Eure Gemahlin, Frau Zormerin, sei tot; sie ist von einem Kinde entbunden worden, das so groß war, daß man es von ihr schneiden mußte, davon ist sie gestorben, und man fürchtet sehr, das Kind möchte auch nicht leben bleiben. – Da fiel Lother vor Schrecken ohnmächtig zur Erde nieder, und blieb so lang, daß man meinte, er sei gestorben. Da er endlich wieder zu sich kam, da zerraufte er sein Haar, und war in großes Leid versenkt um seine schöne Gemahlin; König Ludwig lief hinzu, und versuchte, ihn zu trösten. Aber Lother hörte nicht auf die Worte, die man zu ihm redete. – Ach du schöne, du getreue Zormerin! so klagte er immerfort; ach meine geliebte Frau, nie kann ich dich vergessen, und deine große Liebe, die du zu mir trugst! Ach Tod! warum hast du uns getrennt, warum hast du der Welt genommen die Schönste und die Huldreichste, die Frömmste und Tugendsamste, die je auf sie gekommen? Ach Tod, mich, mich hättest du nehmen sollen viel eher als sie! – Ihr solltet Euch in Gott ergeben, sprach König Ludwig, denn was Gott will, das muß geschehen. – Ach Bruder, ich bin zum Unglück geboren, nun habe ich die verloren, die ich so einzig habe geliebt. O Erde, tu dich auf, verschlinge mich in deinem Abgrund. – Und nun raufte er wieder sein Haar, und rang die Hände; nie ist wohl eines Mannes Herz so hart geboren, hätte er den Jammer gesehen, und Lothers Klage gehört, es hätte ihn erbarmen müssen. Zwei Tage und zwei Nächte klagte er so, daß niemand ihn zu trösten wagte. Am dritten Tage ward er etwas stiller. Nie ist ein Leid so groß, daß wir es nicht doch vergessen; das können wir auf Erden wohl täglich schauen, an Männern ebenso wie an guten Frauen.

Der Papst schickte nach den beiden Brüdern, Lother und Ludwig, und nach den andern Fürsten, die mußten sich alle bei ihm versammeln. Liebe Söhne, fing der Papst an in der Versammlung zu reden: Ihr seid beide Kaiser Karls von Frankreich Söhne. Die Franzosen haben Ludwig zu ihrem Herrn und König erkoren, Lother aber hat von seinem ganzen väterlichen Erbe nicht eines Sporns wert. Doch ist er Kaiser Karls leiblicher Sohn, und kein Bastard, wir halten ihn nicht dafür. Nun, ihr lieben Herren und Freunde, was meint Ihr dazu? Sagt mir Eure Meinung; mir scheint es billig: Ludwig bleibe König in Frankreich, und ließe Lother Kaiser in Rom sein. – Heiliger Vater, fing König Ludwig an, Euer Rat scheint mir gut, und ich will ihn befolgen. – So dachte der Papst die beiden Brüder zu vereinigen, aber um dieser Vereinigung willen wurden in der Folge mehr als zweimal hunderttausend Menschen erschlagen. – Es waren viele schlechte und boshafte Menschen unter den Räten König Ludwigs, die noch zu Lothers alten Feinden gehörten, diese erschraken sehr, daß Ludwig dem Papst so folgsam war, und daß er dem Lother das Kaisertum so willig abgetreten hatte, und hieraus entstand großes Unglück und der blutigste Krieg, der jemals geführt worden ist.

Lother ward auf den päpstlichen Stuhl gehoben, ihm die Kaiserkrone auf das Haupt gesetzt, und in die eine Hand das Schwert, in die andere der Reichsapfel gegeben. Da geschah dem Lother große Ehre, denn er ward zum römischen Kaiser mit vieler Festlichkeit und großem Pomp gekrönt, aber er war dennoch nicht vergnügt, und da jedermann fröhliches Herzens war, da war er es nicht, um seiner Gattin willen, die er Nacht und Tag nicht aus dem Sinne verlor, und im Herzen tief betrauerte.

Nicht lange hernach nahm König Ludwig Urlaub vom Papst, um wieder nach Frankreich zu reisen. Er ging auch zu Maller und nahm von ihm Abschied, denn Maller lag an seinen Wunden krank im Bett, er hatte in der letzten Schlacht wohl an dreißig Wunden erhalten, die alle gefährlich waren. Zuletzt kam König Ludwig auch zu seinem Bruder, dem Kaiser, um sich von ihm zu beurlauben. Er umarmte ihn und küßte ihn gar zärtlich, dann sprach er: Lieber Bruder, nehmt keine andre Ehefrau, ohne meinen Rat einzuholen, darum bitte ich Euch sehr. – Mein Bruder, antwortete Lother, das täte ich nicht, um viele Tonnen Goldes, denn hättet Ihr mich gefragt, ehe Ihr Eure Gemahlin freitet, ich würde Euch wahrscheinlich nicht dazu geraten haben. – Hierauf antwortete König Ludwig nicht, sondern er beurlaubte sich beim Kaiser, und ritt nach Frankreich zurück.

Jene falsche Verräter, die Feinde Lothers, sprachen nun zu Ludwig: O Herr, wie töricht habt Ihr gehandelt, daß Ihr das Kaisertum von der französischen Krone getrennt habt. Ihr habt ihr die größte Herrlichkeit geraubt, und werdet nun doch niemals Freundschaft und Vertrauen mit Euerm Bruder haben können, und Eure Erben werden es in Jahrhunderten entgelten müssen. Das Kaisertum wird sich nun über die französische Krone weit erheben, und diese wird sich gar nicht mehr frei bewegen können. Nein, nie hat ein König schmählicher gehandelt; Kinder, die jetzt noch ungeboren sind, die werden Eure Seele deswegen noch verfluchen. – Solche Reden führten die Verräter so oft gegen den König, und er mußte so viel davon reden hören, daß er endlich anfing, seinen Bruder Lother im Herzen zu hassen. – Da sie ihm nun rieten, Lothern zu verraten, und mit Krieg zu überziehen, sprach Ludwig: Ihr seid meine geheimen Räte und vertraute Freunde, aber davon Ihr redet, das will ich gar nicht wissen, sprecht mir also nicht mehr davon, ich gebe es nicht zu.

Die Verräter waren mit diesem Bescheid übel zufrieden; sie hätten dem Lother gerne ein Leid getan, sie konnten es nicht vergessen, daß er ehedem bei ihren Weibern und Töchtern gefunden ward. Dem Könige sagten sie diesesmal nichts mehr, aber sie beschlossen unter sich, daß sie des Königs Gemahlin, Weisblume, auf ihre Seite ziehen wollten, damit diese den König, ihren Gemahl, dazu bringe, daß er seine Einwilligung gäbe. Wenn eine Frau einen Mann hat, der sie von Herzen liebt, die bringt ihn, wozu sie will; je weiser der Mann ist, zu desto größerer Torheit kann sie ihn verleiten.

 


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