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Diese Darbietung vertrat bei der ersten anonymen Ausgabe der Monologe im Jahre 1800 die Vorrede. Das Auffallendste an ihr ist der Styl; er streift an das Gesuchte und Affektirte; die Wortfolge in den Perioden ist unnatürlich verstellt, und ungewöhnliche Ausdrücke werden herbeigeholt. Dies setzt sich auch in den Monologen fort. Der Leser wird es entschuldigen, wenn er erwägt, dass zur Zeit der Abfassung dieser Monologe die Sturm- und Drangperiode in der deutschen Literatur kaum überstanden war, und dass Schl. damals in innigem Verkehr mit Fr. Schlegel und anderen Häuptern der romantischen Schule stand.
Die Einleitung lässt Mittheilungen nach Art der Confessions von Rousseau erwarten; Schl. bietet auch wie Rousseau seine innersten Gedanken; allein während die Geständnisse Rousseau's durch die anschauliche Schilderung der Personen und Situationen alle Reize einer Dichtung in sich vereinen, verblassen die Geständnisse Schl.'s durch die Allgemeinheit ihrer Gedanken und durch die Verhüllung des Thatsächlichen zu Betrachtungen, welche das Gemüth kalt lassen, ohne doch dafür den Geist durch Erweiterung der Erkenntniss zu entschädigen.
Indem in diesem Monologe alles Thatsächliche in Nebel zerfliesst, verlangt man um so mehr nach Bestimmtheit und Schärfe in dem Allgemeinen, was Schl. dafür bietet. Der Leser von heute wird sich hier bitter enttäuscht fühlen, und schwerer Tadel wäre gegen Schl. sicher begründet, wenn man diese Monologe als eine feste, abgeschlossene Lehre nehmen wollte, die Schl. seinen Lesern böte. Allein dem ist nicht so; Schl. selbst ist in ihnen noch im Kampfe begriffen, noch hat er nicht die Klarheit erreicht; die Monologe sind Versuche, sie zu gewinnen; sie sind ein Reinigungsprozess für Schl. selbst; die Resultate liegen ausserhalb ihrer und treten erst in den späteren Werken Schl.'s zu Tage.
Man halte sich ausserdem gegenwärtig, dass jene Zeit (1800) dies Spielen mit Gedanken, dies Rütteln am Hergebrachten, dies Haschen nach Originalität liebte und dabei doch vor dem Ernst strengerer Untersuchung zurückwich. Das Genie sollte Alles vollendet in Gedankenblitzen aufsprühen. Schl. musste auch hierin seiner Zeit ihren Tribut zahlen.
Die Begriffe von Nothwendigkeit und Freiheit, von Zeitlichkeit und Ewigkeit, um welche dieser Monolog sich fortgesetzt bewegt, sind aus Spinoza entlehnt; aber der Gegensatz vom Aeusseren und Inneren, der daneben festgehalten wird, widerspricht durchaus dem Geiste Spinoza's. So fehlt hier die klare und feste Consequenz, welche bei Spinoza versöhnt, und die Selbstbetrachtung, auf die der Leser als das Höchste schliesslich verwiesen wird, verliert sich durch diesen Dualismus in das Nebelhafte und in ein beschauliches Gedankenspiel schöner Seelen, wovon Goethe eine weit anziehendere Darstellung in seinem Wilhelm Meister gegeben hat.
Schl. vertheidigt sich hier gegen die mancherlei Vorwürfe, welche seine Freunde gegen ihn erhoben hatten. Er entschuldigt sich mit der Eigenthümlichkeit seines Wesens und fordert Freiheit für seine Entwicklung. Um die Darstellung voll zu verstehen, wäre eine genaue Kenntniss der damaligen Lebensverhältnisse Schl.'s nöthig. Er war Prediger in Berlin; er hatte aber mit dem exzentrischen Fr. Schlegel innige Freundschaft geschlossen; er verkehrte alltäglich in dem Kreise der Jüdin Henriette Herz und war in heftiger Liebe zu der Eleonore Grunow, der Frau eines dortigen Predigers, entbrannt. Dabei war er im Kampfe mit der geltenden Theologie und Philosophie, voll glänzender geistiger Gaben, und doch hatte er bis dahin in Wissenschaft oder Kunst noch nichts geschaffen; denn die »Reden über die Religion« waren erst damals und beinahe gleichzeitig mit den Monologen entstanden. So war Stoff genug zu Vorwürfen vorhanden, und Schl. verhehlte sich dies nicht.
Seine Vertheidigung leidet durch die schwankende Mittelstellung, welche er auch in diesen Monologen nicht aufgeben mag. Schl. bietet weder eine umständliche Darstellung des Einzelnen, noch dringt die allgemeine Betrachtung in den Grund der aufgeworfenen Fragen, und so fehlt das klare und sichere Resultat. Schl.'s Zeitgenossen haben diese Mängel wahrscheinlich weniger empfunden; der heutige Leser aber leidet darunter.
Die Betonung der Eigenthümlichkeit des Einzelnen, des Werthes und Rechtes derselben gegenüber den allgemeinen, die Individualität austilgenden Regeln des Sittlichen trifft einen Punkt der Ethik von hoher Wichtigkeit; allein auch hier bleibt die tiefere Untersuchung aus. Schl. begnügt sich, das Recht solchen eigenthümlichen Verhaltens ohne weiteres als unzweifelhaft hinzustellen, und, gleich dem eigensinnigen Kinde, seinen Freunden gegenüber mit Hartnäckigkeit darauf zu bestehen.
So kommt der Leser an das Ende und hat weder eine Bereicherung seiner Erkenntniss gewonnen, noch ist er durch den idealen Genuss eines dichterisch Schönen dafür entschädigt.
Die Klagen und Vorwürfe gegen die Wirklichkeit, gegen die vorhandenen Gestaltungen in Staat, Familie und Gesellschaft, die vagen Träume von einer Zukunft, welche das erhabene Reich der Bildung und Sittlichkeit bringen soll, die Sehnsucht nach einem inneren Leben, nach einer innigen Gemeinschaft der Geister, wovon dieser Monolog erfüllt ist, sind der heutigen Zeit kaum noch verständlich. Nachdem das deutsche Volk in diesem Jahrhundert, wenn auch langsam, eine thätige Theilnahme an dem öffentlichen und staatlichen Leben wieder genommen hat, ist auch das Verständniss für das Wirkliche wieder bei ihm eingekehrt. Die Gegensätze von einem höheren inneren Leben gegenüber den äusseren Gestaltungen und Thätigkeiten in Staat und Gesellschaft, von denen dieser Monolog überfliesst, sind verschwunden, und man hat Mühe, sich in die Empfindungsweise zu finden, welche diese Klagen diktirt hat. Sie erklärt sich nur aus der Absperrung des deutschen Volkes von aller öffentlichen Thätigkeit, wie sie bis zu dem Beginn des Jahrhunderts bestanden hatte; bei Schleiermacher kam seine Neigung zur Mystik und Romantik und sein intimer Umgang mit Fr. Schlegel hinzu; daher diese Sprödigkeit gegen alles Wirkliche, dieses scheue und doch vornehme Zurückziehen in eine angeblich höhere innere Welt der Geister. Zu seinem Glück war Schl. besser, als er selbst sich hier schildert. Es ist nicht wahr, wenn er hier von sich sagt: »Ich bin dem jetzigen Geschlecht ein Fremdling; gleichgültig lässt mich, was die Welt, die jetzige, thut oder leidet.« Als die Zeit der Noth mit 1806 über das Vaterland einbrach, gehörte Schl. zu den muthigsten Vorkämpfern für die Wiederaufrichtung des Vaterlandes, und als nach 1815 die Reaktion die Früchte des Sieges nicht zur Entwicklung kommen liess, hat sich Schl. bis an sein Ende ausdauernd und praktisch mit Opfern und Gefahren an allen Kämpfen für geistige und religiöse Freiheit betheiligt. Da ist in seinem Denken und Handeln von den nebelhaften Idealen nichts zu spüren, welche in diesen Monologen mit so viel Prätension sich geltend machen. Aber freilich war das, was dieser Monolog ausspricht, 1800 die herrschende Gesinnung der Gebildeten. Diesem Monolog gegenüber lernt man den Werth des Ausspruches schätzen, mit dem Hegel bald darauf dieser süsslichen Selbstvergötterung entgegentrat und ihnen zurief: »Alles Vernünftige ist wirklich und alles Wirkliche ist vernünftig«.
Die Bemerkungen Schl.'s über die Sprache am Schlusse dieses Monologs leiden an derselben Unbestimmtheit und Gefühlsseligkeit, wie das Frühere; die sonderbaren und gewaltsamen Redewendungen der Monologe sind aus solchen Ansichten hervorgegangen und sollen als das Zeichen von Schl.'s Geiste gelten. Auch hier hat später das thätige Leben diese Sonderbarkeiten zurückgedrängt; Schl.'s Styl ist in seinen späteren Werken, namentlich in der Glaubenslehre, wieder natürlich und fliessend.
Dieser Monolog ist anziehender und inhaltreicher als die vorhergehenden; man begegnet hier bestimmten Gedanken und sieht mit Wohlbehagen den romantischen Nebel der Ueberschwenglichkeit sich hier und da lüften. Indess dringt die volle Klarheit auch hier nicht hindurch. Schl. bespricht die Sorge um die Zukunft und rühmt seine Freiheit und seine Macht über das Geschick, möge es ihm bringen, was es wolle. Man erkennt den Einfluss Spinoza's, der mit seiner »intellektuellen Liebe zu Gott« seiner Seligkeit sicher war. Indess hat die Romantik bei Schl. die Gedanken Spinoza's in einen weichen Nebel eingehüllt, und die mystische Richtung in Schl.'s Wesen drängt sich hervor. Es ist wahr, der Mensch kann sich von Allem zurückziehen, sein Interesse, sein Gefühl selbst aus dem herausnehmen, was die Sitte und die Wissenschaft als das Höchste hinstellt; er kann sich damit dem Schicksal als unverwundbar gegenüberstellen; er kann mit Schl. ausrufen: »Was kümmert mich glücklich sein! Ich trotze dem, was Tausende gebeugt!« Allein was bietet Schl. dafür? Das »tiefere Eindringen in das eigene Wesen«, das »Bewusstsein der Freiheit«, »innere Bildung«, »Wachsthum der Eigentümlichkeit«, »inneres Leben« u. s. w. Vergeblich sieht man nach einer bestimmten Gestaltung und Entwicklung dieser Phrasen, denn mehr sind sie ohnedem nicht. Hier rächt sich der Gegensatz zwischen Innerem und Aeusserem, von dem Schl. auch in diesem Monologe nicht loskommen kann. Wozu dieser Stolz, mit dem hier Schl. gleich dem Weisen der Stoiker, sich für unverwundbar erklärt? Weshalb soll der Mensch nicht den Schmerz fürchten? weshalb mit einer Erhebung prahlen, die, wenn das Unglück wirklich hereinbricht, doch nicht Stand hält? Ist es denn so nöthig, dass die Philosophie den Menschen über alle Schmerzen erhebe?
Gegen das Ende des Monologes wird der Gedankengang immer phantastischer. Die »Götterkraft der Phantasie« wird über Alles gestellt; in ihr lebt Schl. ein freies Leben, selbst wenn die äussere Darstellung seiner Gedanken und Entschlüsse ihm unmöglich gemacht wird; hier handelt er innerlich, hier lebt er innerlich mit seinen Freunden, hier verkehrt er bereits mit seiner Gattin, die dereinst das Schicksal ihm bescheiden wird; sie kennen sich bereits, und »in dem schöneren Leben, das sie führen werden, ist er bereits eingewohnt!«
Die Betrachtungen über den Tod am Schluss dieses Monologes sind glänzend und geistreich, wie sie jene Zeit liebte. Schi, glaubte nicht an persönliche Unsterblichkeit und hat dieses Dogma selbst in seiner christlichen Glaubenslehre im Zweifel gelassen; allein, statt bescheiden anzuerkennen, dass die Scheu vor dem Tode und dem Nichtsein der menschlichen Natur angeboren und untrennbar von ihr ist, wird lieber der Begriff des Todes in geistreicher Weise verdreht und damit ein Verlangen nach dem Tode erkünstelt, dessen Sophistik so durchsichtig ist, dass die Furcht vor dem Tode überall hindurch leuchtet. Der einfache Mann bedarf dieser Kunststücke nicht; er scheut den Tod und schämt sich dessen nicht, aber in seinem thätigen Leben ist er bereits genügend davor geschützt, dass diese Furcht sein Handeln hemmen und den Genuss seines Daseins ihm stören könnte.
Dieser letzte Monolog ist eine Hymne auf die Jugend. Wer wollte diesem Lobgesang mit Verstandesgründen entgegentreten und seine Blössen aufdecken, die sofort hervortreten, wenn der Rausch der Begeisterung nachlässt! Die grossen Helden, welche die erste französische Revolution geboren, hatten damals bereits so Unglaubliches vollbracht, dass es zum Dogma jener Zeit geworden war: »Der Mensch kann Alles, was er will.« Man darf es deshalb Schl. nicht übel deuten, wenn er hier den Gesetzen der Natur mit seinem Willen, jung zu bleiben, so dreist entgegentritt; es sind noch Reste aus der Sturm- und Drangperiode.
Schl. will die Schärfe der Wahrnehmung, die Lebendigkeit der Erinnerung, manches Wohlgefallen, manche Lust Preis geben, wenn ihm nur die »Kraft und Fülle der grossen heiligen Gedanken, die aus sich selbst der Geist erzeugt,« erhalten bleiben. Wer denkt dabei nicht an die » aeternae veritates« von Spinoza; aber wer erkennt nicht auch das Hohle dieser Wendungen, wenn er weiss, dass selbst diese höchsten Begriffe des Seienden nur aus der Wahrnehmung stammen und dass, wenn diese sammt der Erinnerung sich verliert, auch von jenem nichts bleiben kann.
Zum Schluss dieses Monologs kehrt auch hier jene schon gerügte falsche Trennung zwischen äusserem und innerem Leben wieder. »Der Welt,« ruft Schl., »lass ich ihr Recht; nach Ordnung und Weisheit, nach Besonnenheit und Maass strebe ich im äusseren Thun; aber kein Gesetz soll mir das innere Leben beschränken. Lass dir nicht gebieten von der Welt, wenn und was du leisten sollst für sie; lass dir keine Grenzen setzen in deiner Liebe; nicht Maas, nicht Art, nicht Dauer. Schäme dich der falschen Scham. Lass dich nicht stören von dem, was äusserlich geschehe, in des inneren Lebens Fülle und Freude.«
Wir sehen hier einen zweiten Werther erstehen und können nur danken, dass Schl. nicht, wie Goethe, die Macht besass, durch eine vollendete Dichtung, die verführerische Kraft solcher Lehren bis zu dem Ansteckenden zu steigern. Die späteren Handlungen und Werke Schl.'s zeigen, zur Beruhigung aller Verehrer dieses bedeutenden Mannes, dass er mit diesen Monologen einen gleichen Befreiungsprozess an sich selbst vollzogen hat, wie es Goethe mit seinem Werther gethan hat, obgleich Schl. selbst in der Vorrede zur zweiten Auflage dies nicht eingestehen will. Wenn der Leser dieser Auffassung beitritt, so wird es nunmehr keiner weiteren Erläuterungen dieser Monologe für ihn bedürfen.