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Anatol. Max. Else.
Anatols Zimmer. Beginn der Abenddämmerung. Das Zimmer ist eine Weile leer, dann treten Anatol und Max ein.
Max. So . . . nun bin ich richtig noch mit dir da heraufgegangen!
Max. Ich denke doch, daß ich dich störe?
Anatol. Ich bitte dich, bleibe! Ich habe gar keine Lust, allein zu sein – und wer weiß, ob sie überhaupt kommt!
Max. Ah!
Anatol. Siebenmal unter zehn warte ich vergebens!
Max. Das hielte ich nicht aus!
Anatol. Und manchmal muß man die Ausreden glauben – ach, sie sind sogar wahr.
Max. Alle siebenmal?
Anatol. Was weiß ich denn! . . . Ich sage dir, es gibt nichts Entsetzlicheres, als der Liebhaber einer verheirateten Frau zu sein!
Max. O doch . . . ihr Gatte wär' ich zum Beispiel weniger gern!
Anatol. Nun dauert das schon – wie lange nur –? – Zwei Jahre – ach was! – mehr! – Im Fasching waren es schon so viel – und das ist nun der dritte »Frühling unserer Liebe« . . .
Max. Was hast du denn!
Anatol (hat sich noch mit Überzieher und Stock in einen Fauteuil geworfen, der am Fenster steht). – Ach, ich bin müde – ich bin nervös, ich weiß nicht, was ich will . . .
Max. Reise ab!
Anatol. Warum?
Max. Um das Ende abzukürzen!
Anatol. Was heißt das – das Ende!?
Max. Ich habe dich schon manchmal so gesehen – das letzte Mal, weiß du noch, wie du dich so lange nicht entschließen konntest, einem gewissen dummen Ding den Abschied zu geben, das deine Schmerzen wahrhaftig nicht wert war.
Anatol. Du meinst, ich liebe sie nicht mehr . . .?
Max. Oh! Das wäre ja vortrefflich . . . in dem Stadium leidet man nicht mehr! . . . Jetzt machst du was viel Ärgeres durch als den Tod – das Tödliche.
Anatol. Du hast so eine Manier, einem angenehme Dinge zu sagen! – Aber du hast recht – es ist die Agonie!
Max. Sich darüber aussprechen, hat gewiß etwas Tröstliches. Und wir brauchen nicht einmal Philosophie dazu! – Wir brauchen gar nicht ins große Allgemeine zu gehen; – es genügt schon, das Besondere sehr tief bis in seine verborgensten Keime zu begreifen.
Anatol. Ein recht mäßiges Vergnügen, das du mir da vorschlägst.
Max. Ich meine nur so. – Aber ich habe dir's ja den ganzen Nachmittag angesehen, schon im Prater unten, wo du blaß und langweilig warst wie die Möglichkeit.
Anatol. Sie wollte heute hinunterfahren.
Max. Du warst aber froh, daß uns ihr Wagen nicht begegnete, weil du gewiß jenes Lächeln nicht mehr zur Verfügung hast, mit dem du sie vor zwei Jahren begrüßtest.
Anatol(steht auf). Wie kommt das nur! – Sag mir, wie kommt das nur –? – Also steht mir das wieder einmal bevor – dieses allmähliche, langsame, unsagbare traurige Verglimmen? – Du ahnst nicht, wie ich davor schaudere –!
Max. Drum sage ich ja: Reise ab! – Oder habe den Mut, ihr die ganze Wahrheit zu sagen.
Anatol. Was denn? Und wie?
Max. Nun, ganz einfach: Daß es aus ist.
Anatol. Auf diese Arten von Wahrheiten brauchen wir uns nicht viel zugute tun; das ist ja doch nur die brutale Aufrichtigkeit ermüdeter Lügner.
Max. Natürlich! Lieber verbergt ihr es mit tausend Listen voreinander, daß ihr euch nicht mehr dieselben seid, die ihr wart, als mit einem raschen Entschluß auseinanderzugehen. Warum denn nur? –
Anatol. Weil wir es ja selbst nicht glauben. Weil es mitten in dieser unendlichen Ödigkeit der Agonie sonderbare täuschende Augenblicke gibt, in denen alles schöner ist als je zuvor . . .! Nie haben wir eine größere Sehnsucht nach Glück als in diesen letzten Tagen einer Liebe – und wenn da irgendeine Laune, irgendein Rausch, irgendein Nichts kommt, das sich als Glück verkleidet, so wollen wir nicht hinter die Maske sehen . . . Da kommen dann die Augenblicke, in denen man sich schämt, daß man alle die Süßigkeiten geendet glaubte – da bittet man einander so vieles ab, ohne es in Worten zu sagen. – Man ist so ermattet von der Angst des Sterbens – und nun ist plötzlich das Leben wieder da – heißer, glühender als je und trügerischer als je! –
Max. Vergiß nur eines nicht: Dieses Ende beginnt oft früher, als wir ahnen! – Es gibt manches Glück, das mit dem ersten Kuß zu sterben begann. – Weißt du nichts von den schwer Kranken, die sich für gesund halten bis zum letzten Augenblick –?
Anatol. Zu diesen Glücklichen gehöre ich nicht! – Das steht fest! – Ich bin stets ein Hypochonder der Liebe gewesen . . . Vielleicht waren meine Gefühle nicht einmal so krank, als ich sie glaubte – um so ärger! – Mir ist manchmal, als werde die Sage vom bösen Blick an mir wahr . . . Nur ist der meine nach innen gewandt, und meine besten Empfindungen siechen vor ihm hin.
Max. Dann muß man eben den Stolz seines bösen Blickes haben.
Anatol. Ach nein, ich beneide ja doch die andern! Weißt du – die Glücklichen, für die jedes Stück Leben ein neuer Sieg ist! – Ich muß mir immer vornehmen, mit etwas fertig zu werden; ich mache Haltestellen – ich überlege, ich raste, ich schleppe mit –! Jene andern überwinden spielend, im Erleben selbst; . . . es ist für sie ein und dasselbe.
Max. Beneide sie nicht, Anatol – sie überwinden nicht, sie gehen nur vorbei!
Anatol. Ist nicht auch das ein Glück –? – Sie haben wenigstens nicht dieses seltsame Gefühl der Schuld, welches ja das Geheimnis unserer Trennungsschmerzen ist.
Max. Welcher Schuld denn? –
Anatol. Hatten wir nicht die Verpflichtung, die Ewigkeit, die wir ihnen versprachen, in die paar Jahre oder Stunden hineinzulegen, in denen wir sie liebten? Und wir konnten es nie! nie! – Mit diesem Schuldbewußtsein scheiden wir von jeder – und unsere Melancholie bedeutet nichts als ein stilles Eingeständnis. Das ist eben unsere letzte Ehrlichkeit! –
Max. Zuweilen auch unsere erste . . .
Anatol. Und das tut alles so weh. –
Max. Mein Lieber, für dich sind diese lang dauernden Verhältnisse überhaupt nicht gut . . . Du hast eine zu feine Nase –
Anatol. Wie soll ich das verstehen?
Max. Deine Gegenwart schleppt immer eine ganze schwere Last von unverarbeiteter Vergangenheit mit sich . . . Und nun fangen die ersten Jahre deiner Liebe wieder einmal zu vermodern an, ohne daß deine Seele die wunderbare Kraft hätte, sie völlig auszustoßen. – Was ist nun die natürliche Folge –? – Daß auch um die gesundesten und blühendsten Stunden deines Jetzt ein Duft dieses Moders fließt – und die Atmosphäre deiner Gegenwart unrettbar vergiftet ist.
Anatol. Das mag wohl sein.
Max. Und darum ist ja ewig dieser Wirrwarr von Einst und Jetzt und Später in dir; es sind stete, unklare Übergänge! Das Gewesene wird für dich keine einfache starre Tatsache, indem es sich von den Stimmungen loslöst, in denen du es erfahren – nein, die Stimmungen bleiben schwer darüber liegen, sie werden nur blässer und welker – und sterben ab.
Anatol. Nun ja. Und aus diesem Dunstkreis kommen die schmerzlichen Düfte, die so oft über meine besten Augenblicke ziehen. – Vor denen möchte ich mich retten.
Max. Ich bemerke zu meinem größten Erstaunen, daß keiner davor sicher ist, einmal etwas Erstgradiges sagen zu müssen! . . . So hab ich jetzt etwas auf der Zunge: Sei stark, Anatol – werde gesund!
Anatol. Du lachst ja selbst, während du's aussprichst! . . . Es ist ja möglich, daß ich die Fähigkeit dazu hätte! – Mir fehlt aber das weit Wichtigere – das Bedürfnis! – Ich fühle, wie viel mir verlorenginge, wenn ich mich eines schönen Tages »stark« fände! . . . Es gibt so viele Krankheiten und nur eine Gesundheit –! . . . Man muß immer genau so gesund wie die andern – man kann aber ganz anders krank sein wie jeder andere!
Max. Ist das nur Eitelkeit?
Anatol. Und wenn? – Du weißt schon wieder ganz genau, daß Eitelkeit ein Fehler ist, nicht –? . . .
Max. Ich entnehme aus alledem einfach, daß du nicht abreisen willst.
Anatol. Vielleicht werde ich abreisen – ja, gut! – Aber ich muß mich damit überraschen – es darf kein Vorsatz dabei sein, – der Vorsatz verdirbt alles! – Das ist ja das Entsetzliche bei diesen Dingen, daß man – den Koffer packen, einen Wagen holen lassen – ihm sagen muß – zum Bahnhof!
Max. Das besorge ich dir alles! (Da Anatol rasch zum Fenster gegangen und hinausgesehen hat.) – Was hast du denn? –
Anatol. Nichts . . .
Max. Ach ja . . . ich vergaß ganz. – Ich gehe schon.
Anatol. . . . Siehst du – in diesem Momente ist mir wieder –?
Max. . . .
Anatol. Als betete ich sie an!
Max. Dafür gibt es eine sehr einfache Erklärung, die nämlich: Daß du sie wirklich anbetest – in diesem Augenblick!
Anatol. Leb wohl, also – den Wagen bestelle noch nicht!
Max. Sei nicht gar so übermütig! – Der Triester Schnellzug geht erst in vier Stunden ab – und das Gepäck läßt sich nachschicken –
Anatol. Danke bestens!
Max (an der Türe). Ich kann unmöglich ohne Aphorisma abgehen!
Anatol. Bitte?
Max. Das Weib ist ein Rätsel!
Anatol. Oh!!!
Max. Aber ausreden lassen! Das Weib ist ein Rätsel: – So sagt man! Was für ein Rätsel wären wir erst für das Weib, wenn es vernünftig genug wäre, über uns nachzudenken?
Anatol. Bravo, bravo!
Max (verbeugt sich und geht ab).
Anatol (eine Weile allein, geht im Zimmer hin und her; dann setzt er sich wieder zum Fenster, raucht eine Zigarette. Die Töne einer Geige klingen aus dem oberen Stockwerk herab – Pause – dann hört man Schritte im Korridor . . . Anatol wird aufmerksam, steht auf, legt die Zigarette in einen Aschenbecher und geht der eben eintretenden, tief verschleierten Else entgegen).
Anatol. Endlich! –
Else. Es ist schon spät . . . ja, ja! (Sie legt Hut und Schleier ab.) – Ich konnte nicht früher – unmöglich! –
Anatol. Hättest du mich nicht verständigen können? – Das Warten macht mich so nervös! – Aber – du bleibst –?
Else. Nicht lange, Engel – mein Mann –
Anatol (wendet sich verdrossen ab).
Else. Schau – wie du wieder bist! – Ich kann doch nichts dafür!
Anatol. Nun ja – du hast ja recht! – Es ist schon einmal so – und man muß sich fügen . . . Komm mein Schatz – hierher! . . . (Sie treten zum Fenster.)
Else. Man könnte mich sehen! –
Anatol. Es ist ja dunkel – und der Vorhang hier verbirgt uns! Es ist so ärgerlich, daß du nicht lange bleiben kannst! – Ich habe dich schon zwei Tage nicht gesehen! – Und auch das letztemal waren es nur ein paar Minuten!
Else. Liebst du mich denn –?
Anatol. Ach, du weißt es ja – du bist alles, alles für mich! . . . Immer mit dir zu sein –
Else. Ich bin auch so gerne bei dir! –
Anatol. Komm . . . (Zieht sie neben sich auf den Fauteuil.) – Deine Hand! (Führt sie an die Lippen.) . . . Hörst du den Alten da oben spielen? – Schön – nicht wahr –?
Else. Mein Schatz!
Anatol. Ach ja – so mit dir am Comosee . . . oder in Venedig –
Else. Da war ich auf meiner Hochzeitsreise –
Anatol (mit verbissenem Ärger). Mußtest du das jetzt sagen?
Else. Aber ich liebe ja nur dich! Habe nur dich geliebt! Nie einen andern – und gar meinen Mann –
Anatol (die Hände faltend). Ich bitte dich! – Kannst du dich denn nicht wenigstens sekundenlang unverheiratet denken? – Schlürfe doch den Reiz dieser Minute – denke doch, wir zwei sind allein auf der Welt . . . (Glockenschläge.)
Else. Wie spät –?
Anatol. Else, Else – frage nicht! – Vergiß, daß es andere gibt – du bist ja bei mir!
Else (zärtlich). Hab ich nicht genug für dich vergessen? –
Anatol. Mein Schatz – (ihr die Hand küssend).
Anatol (weich). Was denn schon wieder, Else –?
Else (deutet durch eine Handbewegung und lächelnd an, daß sie gehen muß).
Anatol. Du meinst?
Else. Ich muß fort!
Anatol. Du mußt?
Else. Ja.
Anatol. Mußt –? Jetzt – jetzt: –? – So geh! (Entfernt sich von ihr.)
Else. Man kann mit dir nicht reden –
Anatol. Man kann mit mir nicht reden! (Im Zimmer hin und her.) – Und du begreifst nicht, daß mich dieses Leben rasend machen muß? –
Else. Das ist mein Dank!
Anatol. Dank, Dank! – Wofür Dank? – Hab ich dir nicht ebensoviel geschenkt wie du mir? – Lieb ich dich weniger als du mich? – Mache ich dich weniger glücklich als du mich? – Liebe – Wahnsinn – Schmerz –! Aber Dankbarkeit? – Wie kommt das dumme Wort her? –
Else. Also gar keinen – kein bißchen Dank verdiene ich von dir? – Ich, die dir alles geopfert?
Anatol. Geopfert? – Ich will kein Opfer – und war es eines, so hast du mich nie geliebt.
Else. Auch das noch? . . . Ich liebe ihn nicht – ich, die den Mann für ihn verrät – ich, ich – liebe ihn nicht!
Anatol. Das hab ich doch nicht gesagt!
Else. Oh, was hab ich getan!
Anatol (vor ihr stehenbleibend). Oh, was hab ich getan! – Diese herrliche Bemerkung hat eben noch gefehlt! – Was du getan hast? Ich will es dir sagen . . . du warst ein dummer Backfisch vor sieben Jahren – dann hast du einen Mann geheiratet, weil man eben heiraten muß. – Du hast deine Hochzeitsreise gemacht . . . du warst glücklich . . . in Venedig –
Else. Niemals! –
Anatol. Glücklich – in Venedig – am Comosee – es war jedoch auch Liebe – in gewissen Momenten wenigstens.
Else. Niemals!
Anatol. Wie? – Hat er dich nicht geküßt – nicht umarmt? – Warst du nicht sein Weib? – Dann kamt ihr zurück – und es wurde dir langweilig – selbstverständlich – denn du bist schön – elegant – und eine Frau –! Und er ist ganz einfach ein Dummkopf! – Nun kamen die Jahre der Koketterie . . . ich nehme an, der Koketterie allein! – Geliebt hast du noch keinen vor mir, sagst du. Nun, beweisen läßt sich das nicht – aber ich nehme es an; weil mir das Gegenteil unangenehm wäre.
Else. Anatol! Koketterie! Ich! –
Anatol. Ja . . . Koketterie! Und was das heißt, kokett sein? Lüstern und verlogen zugleich!
Else. Das war ich? –
Anatol. Ja . . . du! – Dann kamen die Jahre des Kampfes – du schwanktest! – Soll ich niemals meinen Roman erleben? – Du wurdest immer schöner – dein Mann immer langweiliger, dümmer und häßlicher . . .! Schließlich mußte es kommen – und du nahmst dir einen Liebhaber. Dieser Liebhaber bin zufällig ich!
Else. Zufällig . . . du!
Anatol. Ja, zufällig ich – denn, wäre ich nicht – so wäre eben ein anderer da gewesen! – Du hast dich in deiner Ehe unglücklich gefühlt oder nicht glücklich genug – und wolltest geliebt sein. Du hast ein bißchen mit mir geflirtet, hast von der grande passion gefaselt – und eines schönen Tages, als du eine deiner Freundinnen betrachtetest, die im Wagen an dir vorbeifuhr, oder vielleicht eine Kokette, die in einer Loge neben euch saß, da hast du dir eben gedacht: Warum soll ich nicht auch mein Vergnügen haben! – Und so bist du meine Geliebte geworden! – – Das hast du getan! – Das ist alles – und ich sehe nicht ein, warum du große Phrasen brauchst für dieses kleine Abenteuer.
Else. Anatol – Anatol! – Abenteuer?! –
Anatol. Ja!
Else. Nimm zurück, was du gesagt – ich beschwöre dich! –
Anatol. Was hab ich denn da zurückzunehmen – was ist's denn anderes für dich –?
Else. Du glaubst das wirklich –?
Anatol. Ja!
Else. Nun – so muß ich gehen!
Anatol. Geh – ich halte dich nicht. (Pause.)
Else. Du schickst mich weg? –
Anatol. Ich – schicke dich weg – Vor zwei Minuten sagtest du ja – »Ich muß fort!«
Else. Anatol – ich muß es ja –! Siehst du's denn nicht ein –
Anatol (entschlossen). Else!
Else. Was denn?
Anatol. Else – du liebst mich –? So sagst du –
Else. Ich sage es – um Himmels willen – was für Beweise verlangst du denn eigentlich von mir –?
Anatol. Willst du es wissen –? Gut! – Vielleicht werde ich dir glauben können, daß du mich liebst . . .
Else. Vielleicht? – Das sagst du heute!
Anatol. Du liebst mich –?
Else. Ich bete dich an –
Anatol. So – bleibe bei mir!
Else. Wie? –
Anatol. Fliehe mit mir – Ja? – mit mir – in eine andere Stadt – in eine andere Welt – ich will mit dir allein sein!
Else. Was fällt dir denn ein –?
Anatol. Was mir »einfällt« –? Das einzig Natürliche – ja! – Wie kann ich dich denn nur fortgehen lassen – zu ihm – wie habe ich es nur jemals können? – Ja – wie bringst du es denn eigentlich über dich – du! die mich »anbetet«! – Wie? Aus meinen Armen weg, von meinen Küssen versengt, kommst du in jenes Haus zurück, das dir ja fremd geworden, seit du mir gehörst? – Nein – nein – wir haben uns so darein gefunden – wir haben nicht daran gedacht, wie ungeheuerlich es ist! Es ist ja unmöglich, daß wir so weiterleben können – Else, Else, du kommst mit mir! – Nun . . . du schweigst – Else! – Nach Sizilien . . . wohin du willst – übers Meer meinetwegen – Else!
Else. – Was redest du nur?
Anatol. Niemand mehr zwischen dir und mir – übers Meer, Else! – und wir werden allein sein –
Else. Übers Meer –?
Anatol. Wohin du willst! . . .
Else. Mein liebes, teures . . . Kind . . .
Else. Schau, Liebster – wozu brauchen wir denn das eigentlich –?
Anatol. Was?
Else. Das Wegreisen – es ist ja gar nicht nötig . . . Wir können uns doch auch in Wien beinahe so oft sehen, als wir wollen –
Anatol. Beinahe so oft, als wir wollen. – Ja ja . . . wir . . . haben's gar nicht nötig . . .
Else. Das sind Phantastereien . . .
Anatol. . . . Du hast recht . . . (Pause.)
Else. . . . Bös –? (Glockenschläge.)
Anatol. Du mußt gehen!
Else. . . . Um Himmels willen – so spät ist es geworden . . .!
Anatol. Nun – so geh doch . . .
Else. Auf morgen – ich werde schon um sechs Uhr bei dir sein!
Anatol. . . . Wie du willst!
Else. Du küssest mich nicht –?
Anatol. O ja . . .
Else. Ich werde dich schon wieder gut machen . . . morgen! –
Anatol (begleitet sie zur Tür). Adieu!
Else (bei der Türe). Noch einen Kuß!
Anatol. Warum nicht – da! (Er küßt sie; sie geht.)
Anatol (wieder zurück ins Zimmer). Nun habe ich sie mit diesem Kuß zu dem gemacht, was sie zu sein verdient . . . zu einer mehr! (Er schüttelt sich.) Dumm, dumm . . .!
(Vorhang.)