Arthur Schnitzler
Marionetten
Arthur Schnitzler

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Arthur Schnitzler

III.

Zum großen Wurstel

Burleske in einem Akt

Personen

Der Direktor
Der Dichter
Der Wohlwollende
Der Bissige
Der Naive
Ein Bürger
Seine Frau
Zweiter Bürger
Seine beiden Töchter
Erster Skandalmacher
Zweiter Skandalmacher
Der Graf von Charolais
Der Meister
Ein Ringkämpfer
Ein Herr im Parkett
Ein Unbekannter im blauen Mantel
Bürger, Soldaten, Kellner, Kinder etc.

Personen des Marionetten-Theaters

Der Herzog von Lawin
Die Herzogin von Lawin
Der Held dieses Stückes
Der traurige Freund
Der heitere Freund
Liesl
Der düstere Kanzlist, ihr Vater
Ein Vetter Brackenburgs, ihr Bräutigam
Der Räsoneur
Ein stummer Herr
Ein zweiter stummer Herr
Ein totes Mädchen
Ein Diener
Der Tod

Im Wurstelprater. – Abend. – Den erhöhten Hintergrund der Bühne nimmt ein großes Marionettentheater ein, dessen Vorhang heruntergelassen ist, und das die Aufschrift trägt: »Zum großen Wurstel«. Seitlich links, schief gestellt, ein schmales, hohes Wursteltheater alter Konstruktion. Weiter vorn links, in die Kulisse hinein, ein Ringelspiel. Seitlich rechts, schief von rückwärts nach vorn, ein Staketgitter, dahinter ein Gasthausgarten, dessen Fortsetzung rechts in der Kulisse gedacht ist; rechts vorn hinter dem Gitter ein erhöhtes Podium. Vor dem großen Wursteltheater ein Klavier. Die Bühne wird großenteils von Tischen und Sesseln eingenommen; doch ist die Mitte freigelassen, so daß eine ziemlich breite Straße vom Marionettentheater bis zum Souffleurkasten führt. – Wenn der Vorhang aufgeht, großer Lärm. In der Ferne eine Militärmusik. Vor dem kleinen Wursteltheater, in dem eben eine Vorstellung stattfindet (zwei kleine Figuren raufen sich, beide werden vom Teufel geholt usw.), Kinder mit ihren Begleitern. Eine dicke Frau sammelt mit einer Blechtasse von den Zuschauern Münzen ein. Das Ringelspiel in Bewegung, mit Kindern und Erwachsenen. Auf dem Podium rechts endet eine Chansonettensängerin eben ihr Couplet. Applaus. – Die Tische großenteils besetzt; die Leute essen und trinken. – Der Bürger und seine Frau, der zweite Bürger mit seinen zwei Töchterchen usw., Soldaten, Bürger, Mädchen. Andere kommen eben; darunter der Bissige und der Wohlwollende.

Der Wohlwollende. Nun, wie wär's, wenn man sich hier niederließe?

Der Bissige. Was gibt's denn da?

Der Wohlwollende. O, eine neue Bude . . . Ich kenn' sie wenigstens noch nicht.

Der Bissige. Bude? – Kann sein . . . Neu? Wird sich zeigen.

Der Naive kommt mit Freunden. Ah, schauts daher! Das ist ja was Neuchs? He, Kellner, . . . Bier!

Kellner. Bitte . . . bitte sehr . . .

Zwei halbwüchsige Burschen verteilen Theaterzettel an die Eintretenden. – Der Klavierspieler beginnt zu spielen; dann kommt der Direktor als Wiener Strizzi, stellt sich auf eine erhöhte Stufe vor dem Theater und spricht im Ausruferton (Wienerisch, zuweilen gezwungenes Hochdeutsch mit falschen Betonungen).

Direktor. Meine Herren! Hier ist zu sehn das preisgekrönte allerneueste Figurentheater oder auch Marionettentheater genannt – ein Theater, welches fürderhin jeglichen Theaterbesuch endgültig überflüssig zu machen geneigt und anvertraut ist. Denn eine Betrachtung oder selbst Besichtigung des Theaterzettels beweist, daß hier für jegliches dramatisches Bedürfnis des geehrten Publikums in vollem Maße gesorgt und vertreten ist. – Auf diesem Theater tritt auf kein geringerer als der Herzog von Lawin, eine hochfürstliche und elegant gekleidete Persönlichkeit sowie seine rechtmäßige Gemahlin, ein hochmodernes Weib in Sensationstoilette, und noch nicht genug, haben wir vorrätig den Helden dieses Stückes, alsdann denjenigen, dem die ganze Handlung passieren tut, sowie dessen Freunderln, von denen der eine traurig, hingegen der andere kreuzfidel zu sein die Ehre hat. Damit nicht genug, tritt Fräulein Liesl auf, ein süßes Mödchen, um die sich mancherlei dröhen und begeben dürfte, und noch nicht genug, erscheint ihr leiblicher Vater, ein düsterer Kanzelist, ihr Bräutigam, auch Verlobter genannt, und eine Figur von überlegenem Verstand und schwarzem Vollbart, Räsoneur betitelt. Noch nicht genug, beteiligen sich an der heutigen Vorstellung zwei Herren, welche das Mäul zu halten haben und daher vom Dichter als stumm benannt werden. Damit nicht genug, haben wir vorrätig einen Ringkämpfer mit Orden und Riesenkraft, ein totes Mödchen, einen livrierten Bedienten, welcher die Türen aufzustößen hat, und das Neueste, was wir erst kriegt haben, einen Tod als Wurstel oder Wurstel als Tod, wodurch das Schauerliche dieses Dramas getilgt werden möchte und dürfte. Ferner zu bemerken: alle diese Herrschaften reden in Versen, welche gereimt sind, wodurch das Banner der Poesie hochgehalten und keineswegs verleugnet wird. – – Herrreinspaziert, meine Herren und Damen! Sofort beginnt eine neue Vorstellung, welche sofort beginnt.

Der Wohlwollende. Das ist ein amüsanter Kerl.

Der Bissige. Ich kenn' ihn . . . früher war er Hutschenschleuderer . . . heutzutag wird schon jeder Theaterdirektor.

Der Wohlwollende. Aber ich bitt' Sie – ein Puppentheater!

Der Klavierspieler spielt weiter.

Der Dichter kommt mit dem Direktor nach vorn. Ja, um Gottes willen! . . .

Direktor. Was ist denn?

Der Dichter. Die Leut' essen ja! . . . Das geht ja nicht! Das ist ja störend: da passen sie ja nicht auf!

Direktor. Wenn sie hungrig wären, möchten sie erst recht nicht zuhören.

Der Dichter. Aber das ist ja gegen unsere Verabredung. Ich hätt' wahrhaftig Lust, mein Stück zurückzuziehen!

Der Vorhang des großen Wursteltheaters hellt sich. Eine Waldlandschaft. Im Hintergrund sind alle Figuren abgestellt; die Drähte, an denen sie gelenkt zu werden scheinen, sind sichtbar.

Der Naive. Die sind oben ang'hängt! Ah, das is aber gut! Zu den Freunden. Schauts!

Held
tritt vor und singt mit Klavierbegleitung folgenden Vers.

  Ich spiel' in dem Stück mit
Und die Hauptroll' ist mein,
Man heißt mich einen Helden,
Ich muß ja keiner sein.

Er tritt in die Reihe zurück. – In gleicher Weise verhalten sich die folgenden Figuren.

Liesl

        I bin halt no ledig,
Und in Wien spielt die G'schicht',
So heißen s' mich süßes Mädel,
Ob i süaß bin oder nicht.

Herzog

Ich wett' bei den Rennen
Und im Jockeyklub a,
Bin gebürtiger Herzog,
's waren solche schon da.
     

Herzogin

Mir ist einer zu wenig,
Ganz besonders mein Mann,
So sagen s', i bin dämonisch,
Hab noch keinem was 'tan.

Zweiter Bürger erhebt sich; zu seinen Töchtern. Kommts, Mädeln, das is nix für euch!

Erstes Mädel Aber Vatter, wir verstehn ja nicht, was das heißt.

Zweiter Bürger Alsdann, wann ihr nix verstehts, bleibn ma halt.

Die anderen Figuren
im Chor.

Wir spielen die Episoden,
Es tritt keiner hervor,
Drum unser Entreelied
Erweist sich als Chor.

Der Vorhang des großen Wursteltheaters fällt.

Der Naive. Das war der erste Akt.

Der Wohlwollende applaudiert.

Der Bissige. Sie haben's aber eilig.

Der Wohlwollende. Mit g'fallt's halt.

Der Bissige. Abwarten . . .

Der Naive. Habts ihr die Schnür g'sehn?

Der Dichter zum Direktor. Die Stimmung ist ganz gut, nicht wahr?

Direktor zuckt die Achseln.

Der Vorhang hebt sich wieder.

Szene: Modern eingerichtetes Zimmer. Schreibtisch links. Ein Fenster auf die Straße, Tür rechts ins Vorzimmer, links ins Schlafzimmer. – Der Held dieses Stückes sitzt am Schreibtisch. Liesl hüpft herein, hält ihm die Hand vor die Augen.

Liesl
        Jetzt rat aber g'schwind, wer kann das sein?
Held
Mein Schatz . . .!
Liesl
                            Schatz, weiß ich nicht, aber dein.
Held
Ja, laß es mich glauben.
Liesl
                                      Ich muß gleich fort.
Held
Bleib, nur ein Kuß, nur ein liebes Wort!
Liesl
No, was denn noch alls? Schau', was ich dir bring'.
    Sie streut Blumen umher.
Held
Nun, du bist wirklich ein süßes Ding!
Liesl
Und jetzt muß ich gehn.
Held
                                      So schnell?
Liesl
                                                          Ja freilich.
Ich muß ins Geschäft.
Held
                                  Nur einen Moment!
Liesl
Ja, einen Moment . . . dann geht's wie neulich,
Und die Küsserei nimmt überhaupt kein End'!
Held
Bist du mir drum bös'? Lange Umarmung.
Liesl
                                      Jetzt muß ich gehn.
Adieu! und am Sonntag auf Wiedersehn! Ab.

Der Bissige. Alte G'schicht'! . . .

Der Wohlwollende. Wieso denn?

Der Bissige. Na, das süße Mädl – wachst mir schon zum Hals heraus!

Held
allein.
    Auf Wiedersehn . . . Und schon ist sie fort
Und ahnt nicht, es war ihr Abschiedswort,
Und daß ich niemals mit ihr mehr, ach!
Nach Sievring fahr' und nach Weidling am Bach.

Der Wohlwollende. Reizend! Es wird einem ganz heimlich!

Der Bissige. Lokalkolorit!!! Da fallen Sie drauf hinein.

Der Naive lacht. Weidling am Bach! . . . Zu seinen Freunden. Könnts ihr euch erinnern? Da sind wir ja einmal draußen gewesen und haben Backhendl'n 'gessen.

Der Räsoneur tritt auf. Er ist schwarz gekleidet, hat einen schwarzen, langen Vollbart; gemessen und ernst. Er tritt nach vorn und verbeugt sich.

Der Bissige. Was hat denn der für eine Maske? . . . Den müßt' ich kennen! . . . Das ist aber eine arge Geschmacklosigkeit!

Der Wohlwollende. Wer soll's denn sein?

Der Bissige. Ich weiß noch nicht . . . Aber ich komm' schon drauf! . . .

Der Räsoneur
        Ich bin der Räsoneur des Stücks,
Red' entweder geistreich oder nix.
Held
ungehalten.
Und da Sie zur Handlung nicht gehören,
Versuchen Sie wenigstens, nicht zu stören.

Der Räsoneur geht nach hinten, lehnt sich in die Fensternische, bleibt dort stehen.

Der Bissige. Au! Jetzt wird's satirisch!

Der Räsoneur tritt im Verlaufe der weiteren Handlung nur gelegentlich nach vorwärts, wenn er etwas zu reden hat. Im übrigen bleibt er von den Vorgängen vollkommen unberührt. Er kümmert sich um niemanden, und die andern kümmern sich nicht am ihn.

Held
            So viel will ich von mir verraten:
Zu Stimmungen neig' ich, nicht zu Taten,
Und sage statt weitern langen Berichts:
Ich bin der Held dieses Stücks, sonst nichts.
Und hab' ich dieses Amt erledigt,
So werd' ich, möglichst unbeschädigt,
In eine Schachtel grün gelackt
Mit größter Sorgfalt eingepackt.
Nicht neidenswert ist dieses Los,
Doch hab' ich einen Trost in meiner Truhe:
Bin ich auch eine Marionette bloß –
Neu ist die Schachtel doch, in der ich ruhe.
Räsoneur
Jetzt aber frag' ich Sie aufs Gewissen,
Ob das nicht ich hätte sagen müssen.
Held
Ich bitt' Sie, wollen Sie sich nicht setzen?
Zuweilen dürfen auch Helden schwätzen.
Der Diener
tritt auf.
Gnädiger Herr, soeben erscheint
Der ernste und der heitere Freund. Ab.
Ernster Freund, lang, sehr korrekt, dunkel gekleidet;
Heiterer Freund, etwas korpulent, in bequemem Anzug,
treten auf.
Heiterer
hüpfend.
O überaus lustige Existenz!
Mich freut der neuerwachte Lenz!
Ernster
Mit düstrer Ahnung tret' ich ein –
Wozu mag ich geladen sein?
Räsoneur
So sind bereits mit den Eintrittsworten
Die beiden glücklich charakterisiert:
Der Wurstel freut sich allerorten,
Der ernste Mann ist stets gerührt.

Der Bissige. Das geht mir auf die Nerven!

Der Wohlwollende. Das soll er ja . . . das is ja eben der Witz!

Der Bissige. Ein schlechter Witz!

Der Dichter zum Direktor. Mir kommt vor, die Leut' langweilen sich.

Direktor. Ich hab' Ihnen g'sagt, Sie sollen die Figur hinausschmeißen. Noch heut vormittags hab' ich's Ihnen g'sagt.

Der Dichter. Könnt' man vielleicht nicht noch jetzt –? . . . Ich werd' g'schwind ein paar Verse streichen.

Direktor. Aber schnell – schnell – eh's zu spät ist.

Der Dichter eilt nach hinten, erscheint hinten am Fenster und sagt dem Räsoneur etwas ins Ohr.

Held
    Ich hab' euch beide zu mir gebeten,
Als Zeugen sollt ihr mich vertreten.
Ernster
Wie? . . . ein Duell? . . .
Held
                                      Auf Tod und Leben.
Heiterer
einen Fuß in der Luft.
Heißa! Es kann nichts Fideleres geben!
Ernster
Wann soll es stattfinden?
Held
                                        Ums Morgenrot.
Ernster
Nun, wenn wir frühstücken, bist du längst tot.

Der Dichter zum Direktor. Is schon g'schehn!

Räsoneur
vortretend.
    Es mag der Kaiser, mag der Bettler end'gen,
Des Lichtes freun sich weiter die Lebend'gen.

Der Dichter greift sich an den Kopf. Ich hab' ihm doch gesagt: er soll das Maul halten!

Held
zum Ernsten.
           Du weißt es gewiß?
Ernster
                                Ich sah dich heut nacht
Im Sarge liegen und umgebracht.
Held
Ein Traum!
Ernster
                    Die meinen erfüllen sich!
Held
zum Heiteren.
Und träumtest du auch so was Nettes? Sprich!
Heiterer
Erzählt' ich, was ich heut nacht geträumt,
Dies Stück verböte man ungesäumt.
Räsoneur
Hier wird ein Faun selbst durch Moral gebändigt,
Drum sind Billetts auch Jungfraun eingehändigt.
Held
Ein unerklärliches Verhängnis
Bringt mich in tödliche Bedrängnis.
Ernster
Erkläre dich!
Held
                      Bin nicht frei von Schuld,
Hab' Mädchen verführt und Ehen gebrochen,
Doch durch des Schicksals besondere Huld
Ward ich nie erschossen und nie erstochen –
Und jetzt für eine, die nichts mir gewährt,
Für eine, die ich niemals begehrt,
Für eine, die ich noch nie gesehn,
Soll ich, ihr Freunde, von hinnen gehn
Räsoneur
Des Schicksals Rache geht verborgenen Pfad,
Und keiner kennt die Folgen seiner Tat.
Ernster
Wer ist die rätselhafte Dame?
Held
Herzogin von Lawin, so ist ihr Name.
Ernster und Heiterer geraten in die größte Aufregung,
zucken hin und her.
Held
Was ist euch?
Ernster
                        Die Herzogin von Lawin?
Heiterer
beide Füße in der Luft.
Elendes Weib!
Ernster
                          Was kümmert das ihn?
Heiterer
Du kennst sie?
Ernster
                        Und du –?
Heiterer
                                          Wie ist das gemeint?
Ernster
Wir kennen sie beide –
Heiterer
                                      Gleich gut –?
Ernster
                                                            Es scheint!
Die Drähte werden lockerer, der heitere und der ernste
Freund scheinen ihren Halt zu verlieren.
Ernster und Heiterer
Ich will . . . ich soll . . . ich kann . . .
Sie drohen zusammenzusinken und können nicht weiterreden.
Räsoneur
                                                          Vorbei!
Wozu dies ganze Wehgeschrei?
Wenn ihr noch weiter Spektakel macht,
Legt man euch in die Schachtel und gute Nacht.
Ernster
mit langsam straffer werdenden Drähten.
Für diesmal haben wir kein Glück.
Heiterer
ebenso.
Getrost! es kommt ein anderes Stück!

Der Naive. Habts ihr das verstanden? . . . In der nächsten Komödie spielen die die Hauptrollen.

Held
        Ich habe die Herzogin nie gesehn,
Doch will mir ihr Gatte ans Leben gehn.
Mich hält er, der ich's gewiß nicht bin,
Für den Geliebten der Herzogin.
Es schlug mir der Freche ins Gesicht,
Doch schwör' ich: die Herzogin kenn' ich nicht!
Ernster
Er schwört . . .
Heiterer
                          Ei was, ich schwüre auch!
's ist unter Ehrenmännern Brauch.
Held
Der Herzog wartet, es drängt die Zeit!
Pistolen – zehn Schritte – ich bin bereit!
Ernster und heiterer Freund ab.

Der Wohlwollende. Es ist eine beißende Satire auf das Duell.

Der Bissige. Mich beißt's vorläufig nicht.

Der Naive. Ich bin neugierig, ob das Duell vorkommen wird.

Die Frau zu ihrem Mann, dem ersten Bürger. Wenn g'schossen wird, bleib' ich nicht da.

Erster Bürger. Aber Schatzerl, reg' dich nicht auf . . .

Der Dichter. Diese Kunstpausen! . . . Zum Direktor. Ich hab's Ihnen g'sagt, dieser Idiot ruiniert mir das Ganze!

Der Bissige. Wenn jetzt wieder ein Monolog kommt, werd' ich unangenehm.

Der Wohlwollende. Das wird Ihnen nicht schwer werden.

Der Bissige. Was heißt denn das? . . . Sind Sie der Bissige oder ich! . . .

Held
Daß meine beiden Sekundanten
Sich als Rivalen jetzt erkannten –

Der Bissige schlägt auf den Tisch.

Held
            Bei dieser selben Herzogin,
Der ich ein gänzlich Fremder bin,
Und ich als Opfer fallen soll,
Das find' ich höchst geheimnisvoll.
Was aber fang' ich armer Mann
Mit meinen letzten Stunden an?
Räsoneur
tritt vor.
Den Frühling seh' ich lachen und winken,
Er will uns doch zu kurz bedünken –
Doch der, dem nur gehört ein Tag,
Weiß nicht, was er beginnen mag.

Direktor. Ja, warum haben S' ihm denn das nicht g'strichen?

Der Dichter. Das ist die schönste Stelle!

Direktor. Merken Sie nicht, wie die Leut' unruhig werden? . . . Jetzt stellen Sie sich nur vor, wenn die noch hungrig wären!

Der Dichter. Bestien!

Der Naive. Schauts, jetzt schreibt er . . . Ah, das ist gut!

Held
hat sich an den Schreibtisch gesetzt und geschrieben.
        All meine Habe, Geliebte, sei dein,
Doch, heute noch will ich dein Gatte sein.
    Ad spectatores.
Denn ließ ich sie ohne dieses erben,
Sie müßte durch ihren Vater sterben,
Da dieser ein düsterer Kanzelist
Aus einer sehr alten Schachtel ist,
Auf jenseits von Gut und Böse pfeift
Und sozusagen nichts begreift.
Es klingelt.
Der Diener
tritt ein.
Es klingelt, ich öffnete die Tür,
Und dieses dämonische Weib steht vor mir. Ab.
Die Herzogin von Lawin
tritt ein; mit großartigen Bewegungen.
Ich bin die Herzogin von Lawin,
Der Sensationen Sucherin.
Der Herzog erschießt Sie morgen – bum!
Sie sollen wenigstens wissen, warum.
Sie sperrt die Tür ab.

Der Naive. Jetzt sperrt s' gar ab! Gebts acht, Kinder, jetzt kann's gut werden!

Held
              Was tun Sie?
Herzogin
                      Sie weilen nicht lang mehr auf Erden,
So lassen Sie schleunigst uns schuldig werden;
Ich liebe die Streiche, die wilden, die tollen,
O, machen Sie doch aus mir, was Sie wollen!

Zweiter Bürger. Mädeln, gehn wir, das is nix für euch!

Zweites Mädel. Aber Vatter, wir verstehn ja nix!

Zweiter Bürger. Alsdann, wann ihr nix verstehts . . .

Held
        Tief ist die Dunkelheit dieses Falles!
O Herzogin, wie kommt dies alles?
Herzogin
Dich such' ich, seit ich suchen kann,
Nie liebt' ich einen andern Mann,
Zu Füßen lag mir das ganze Gelichter,
Reitknechte, Fürsten, Soldaten und Dichter,
Stets fand ich der andern Liebe nur,
Von meiner regte sich keine Spur.
Denn einen nur könnt' ich auf Erden lieben:
Dem ich die letzte wäre geblieben
Und der es weiß, daß an meiner Brust
Ihm brausend erblüht die letzte Lust.
Drum bist du der Schönste heut, der lebt,
Schön macht dich der Tod, der dich umschwebt,
Schön macht dich, daß du verloren bist
Und morgen alles zu Ende ist.
Was bist du so düster? Was bist du so still?
So mach' doch endlich aus mir, was ich will!
    Sie wirft sich in seine Arme.
Held
nach einer kleinen Pause, sich von ihr entfernend.
Nur eines vergessen Sie, Herzogin:
Daß ich etwa nicht in der Stimmung bin.

Zweiter Bürger. Mädeln, gehn wir . . .

Mädeln. Aber Vatter, wir verstehn ja nix!

Zweiter Bürger. Aber ich schenier' mich für euch! . . . Gehn wir . . .

Herzogin
sieht den Helden zuerst groß an, dann lacht sie auf,
wild und hysterisch; plötzlich horcht sie.
        Der Herzog! Wohin, daß er mich nicht erblickt?
    Sie flüchtet sich ins Schlafzimmer.
Held
In was für Schicksal bin ich verstrickt!

Dichter zum Direktor. Jetzt geht's gut! Die Szene hat gewirkt!

Direktor. Zu spät! Alles Frühere hätt' heraus müssen!

Der Dichter. Da hätt' man ja absolut nichts verstanden!

Direktor. Aber unterhalten hätten sich die Leut'!

Der Diener
tritt ein.
        Der Herzog von Lawin tritt ein,
Doch ist er keineswegs allein.
Er öffnet die Tür und läßt den Herzog und seine Begleiter
eintreten. Dann verschwindet er wieder.

Die Mädeln. Ah! . . .

Der Herzog, mit einer fabelhaften Eleganz gekleidet, und zwei sehr korrekte Herren treten ein. Verbeugungen.

Herzog
      Sehr sonderbar ist dieser Schritt,
Drum bring ich mir zwei Herren mit.
Alle nehmen Platz.
Herzog
Bin Herzog von Lawin genannt,
Bin glühend, stark und intressant.
In mir rinnt alter Helden Saft,
Ich übersprudle von Lebenskraft.
    Er wendet sich zu den stummen Herren,
    die zustimmend nicken.

Und was ich sage, kann ich beweisen –
Ich zerbreche eine Stange von Eisen!
    Der eine Herr nimmt eine Eisenstange aus
    seiner Brusttasche, reicht sie dem Herzog,
    der sie entzweibricht und die Stücke auf
    den Boden wirft.

Und käme der stärkste aller Ringer,
Ich werf ihn nieder, bin sein Bezwinger!

Durch das Publikum auf der Bühne bahnt sich der Ringkämpfer den Weg; er ist nach Athletenart gekleidet, mit Pantherfell, zahlreichen Medaillen. Er geht auf die Marionetten-Bühne hinauf. Bewegung im Zuschauerraum.

Der Bissige. Da hört sich schon alles auf!

Der Naive. Der g'fallt mir! Bravo, bravissimo! Jetzt werden s' raufen! Applaus.

Der Dichter. Das ist halt ihr G'schmack! Bestien!

Herzog ringt mit dem Ringkämpfer und wirft ihn nach kurzem Kampfe von der Bühne unter das Publikum hinab. Der Klavierspieler fällt vom Sessel. Gelächter.

Der Dichter. Ja, um Gottes willen, was ist denn das!

Direktor. Sein S' froh! Das kann Ihre ganze Komödie retten.

Der Ringkämpfer erhebt sich, wirft dem Publikum Kußhändchen zu, geht ab.

Herzog
        Und wenn ich lache, fallen sofort
Die Bilder herunter von jedem Ort.
    Er lacht in zwei kurzen Stößen; die
    Bilder fallen von den Wänden.

Aus jeder Karte schieß' ich das Aß!
    Der erste stumme Herr geht in die andere
    Zimmerecke, hält eine Karte in die Luft,
    der zweite stumme Herr reicht dem Herzog
    eine Pistole. Der Herzog schießt und trifft
    das Aß. Der eine stumme Herr zeigt die
    Karte dem Helden.

Wo ich hintrete, da wächst kein Gras . . .
    Er tritt vor sich hin; die beiden stummen
    Herren treten in seine Nähe und bestätigen,
    daß tatsächlich kein Gras dort wächst.

Und niemals vergeht ein Tag, daß sich
Nicht irgendein Weiblein tötet für mich.
Ein Schuß fällt. Ein Herr tritt zum Fenster,
winkt hinunter; man reicht ihm ein totes
Mädchen zum Fenster herein. Er legt sie auf
den Divan; sie trägt einen Zettel in der
Hand; der Herr reicht dem Herzog den Zettel;
der Herzog reicht ihn, ohne ihn zu lesen,
dem Helden.
Held
liest.
Ich liebte den Herzog von Lawin,
Er liebte mich nicht – ich sterbe für ihn!
Auf einen Wink des Herzogs werfen die Herren die
Leiche zum Fenster hinaus.
Herzog
Doch wie ich stark und glühend bin,
So edel und gerecht von Sinn,
Und tat ich Unrecht einem Mann,
Erkenn' ich's ohne Zögern an.
In diesem Falle bin ich heut
Und tu', was mir mein Herz gebeut.
Daher ich zum Versöhnungszwecke
Hier meine Hand entgegenstrecke.
Liesl
tritt ein.

Der Naive. Das ist die, die gleich im Anfang vorgekommen ist.

Der Bissige. Wie kommt denn die jetzt herein!?

Liesl
        Der Herzog!
Held
                      Liesl, hört' ich recht?
Du kennst den Herzog!
Liesl
                                    Mir wird schlecht!
    Sie sinkt nieder.
Herzog
will gehen.
Held
Nicht einen Schritt aus dieser Tür!
Herzog! Sie kennen diese hier?
Herzog
Zur Antwort bin ich nicht verpflichtet.
Held
Sprich, Liesl, du! – Sie liegt vernichtet!
Ha! ahn' ich den Zusammenhang –
Für meine Liebe das der Dank!
Herzog
Da Sie Ihr Schicksal nun verstehn,
Sei mir gestattet abzugehn.
Held
Verzeihung, Herzog, nicht so schnell!
Jetzt fordre ich Sie zum Duell!
Herzog
Es schlägt sich für seine Herzogin,
Doch nicht für ein Mädel der von Lawin!
    Ab mit den zwei stummen Herren.
Held
Hier liegt sie, wie vom Traum umnachtet,
In einer Ohnmacht hingeschmachtet,
Sieht aus, als könnt' sie bis fünf nicht zählen,
Und weiß doch so gut zu verraten, zu quälen!
Was tu' ich nur?
    Es klopft innen von der Schlafzimmertür.
                          Die Herzogin!
Ha! ich vergaß – sie ist noch drin!
Nun fügt sich alles wunderfein,
Es wird ein seltnes Abenteuer, –
Nein, Liesl, ich bin auch nicht treuer,
Und nachher darf ich dir verzeihn.
Er gebt nur Schlafzimmertür; die Herzogin
kommt heraus.
Held
Nun wollen wir kosen, küssen, tollen,
Jetzt machen Sie aus mir, was Sie wollen!
Herzogin
Ich bitte, den Weg mir freizugeben!
Held
O, Herzogin, Sie liebten mich eben!
Herzogin
Wer sind Sie?
Held
                        Ich bin des Stückes Held!
Herzogin
Ich liebe nur einen, der morgen fällt! Ab.

Der Naive. Warum denn? . . . warum geht sie denn fort? . . . Jetzt könnt' sie ja auf ihre Kosten kommen!

Der Dichter. Das scheinen die Leute nicht zu begreifen!

Direktor. Ich hab's Ihnen ja g'sagt. Es geht schief.

Der Dichter. Und jetzt kommt noch der gefährliche Monolog!

Direktor. Ihr ganzes Stück ist gefährlich. Mit dem Ringkämpfer hätt's schließen müssen.

Der Dichter. Wie können Sie das sagen! Der Ringkämpfer ist uns doch im letzten Moment eingefallen; der gehört doch gar nicht dazu.

Direktor. An Ihrem Stück ist überhaupt nur das gut, was nicht dazu g'hört!

Held
    Fort ist sie! War's nicht wie ein Traum?
Blieb' nicht ihr Duft, so glaubt' ich's kaum.
Und Liesl schlummert hier in Ruh'.
Ich frage nun: was sagt man da dazu?
Indem ich nämlich alles versteh',
Fühl' ich nicht Groll, nur leises Weh.
Liesl
schlägt die Augen auf.
Wo bin ich?
Held
                    Bei mir.
Liesl
                                  Und der Herzog?
Held
                                                              Ist fort.
Liesl
Und ich tat dir weh –
Held
                                    Das ist das Wort.
Jetzt aber sag' mir: wie konntest du nur –?
Liesl
Es war halt so schön! – Es ist meine Natur.

Der Naive. Haha! es ist ihre Natur! Das ist eine!

Held
            O, rührendes Kind, wenn das Herz auch bricht,
Man kann dir nicht zürnen: du faßt es ja nicht!
Und daß du dem Herzog gehörtest, auch das
Nähm' ich gern als Symbol, – aber sag' mir, für was?
Liesl
Du redst so gescheit, du bist ja so gut!
    Sie sinkt ihm an die Brust.

Der Naive. Hat ihm schon! Er heirat' sie doch noch!

Der Bissige. Es ist einfach irrsinnig!

Der Wohlwollende. Ich weiß nicht . . . ich weiß nicht . . . es steckt was drin . . .

Held
          Ha! – Liesl, hast du zu sterben Mut?
Liesl
Warum denn?
Held
                      Auf diese Weise allein
Kannst du mir wieder zu eigen sein,
Um also an des Geliebten Seiten
Entsühnt in den Weltenraum zu gleiten.
Liesl
Nein, lieber nicht.
Held
                              Wie süß! Wie dumm!
Liesl
Nein! fällt mir nicht ein – ich bring' mich nicht um!
Held
So weiche von hinnen – mich ekelt sehr!
Liesl
Wie? ist es möglich – du magst mich nicht mehr?
Der düstere Kanzelist tritt auf.
Liesl
Mein Vater!
Kanzelist
                    Ha! find' ich dich, trauriger Held!
Wir haben nichts, und ihr habt das Geld!
Wir schuften für euch, und ihr beutet uns aus,
Verführt unsre Töchter – wir warten zu Haus!
Held
Du alter Mann – wie klingen deine Worte
So schal und sinnlos an des Jenseits Pforte.
Kanzelist
An diesen Taugenichts sich fortzuschmeißen!
Held
Es braucht nicht Schimpf, von hier sie fortzureißen.
Liesls Bräutigam tritt ein.
Held
Schon wieder wer!
Liesl
                                Mein Bräutigam!
Held
                                                            Alle Wetter!
Wer sind Sie denn?
Bräutigam
                                Von Brackenburg ein Vetter.
Liesl
O Jugendfreund, geduldiger, bist du es?
Verzeih und heirat' mich!
Bräutigam
                                        Gewiß, ich tu' es,
Seit Jahren steh' ich nur dazu bereit.
Hast du der Liebe Laufbahn nun beendet?
Liesl
O lieber Franz, ich glaub', jetzt ist es Zeit!
    Zu Vater und Bräutigam.
Zu euch gehör' ich, war bisher verblendet.
Alle drei ab.
Räsoneur
Zum Alltag wieder, zum Geschäft, ins Amt,
Ein jeder kehrt zurück, woher er stammt.
Held
Mich dünkt, ich büßte vieles ein –
Betrogen bin ich allseits und allein.
Nicht lebenswürdig scheint mir dieses Leben,
Zur ew'gen Ruhe will ich mich begeben.

Der Tod in schauerlicher Maske, dunkel verhüllt, tritt auf.
Die Bürgersfrau fällt in Ohnmacht.

Erster Bürger. So beruhig' dich doch!

Unruhe. Er führt seine Frau ab.

Der Dichter zum Direktor. Das hat grad noch gefehlt!

Held
        Wer bist du?
Tod
                      Sieh mir ins Angesicht!
Held
Hinweg! Mir graut!

Erster Skandalmacher der bisher ruhig dagesessen. Mir auch!

Einige lachen.

Andere rufen. Pst!

Tod
                                              Riefst du mich nicht?

Zweiter Skandalmacher. Wer hat ihn denn gerufen?

Einige. Pst!

Andere. Recht hat er!

Der Dichter. Verdammt!

Tod
        Ich bin der Tod –
Held
                              Was willst du hier?

Erster Skandalmacher. Haha!

Zweiter Skandalmacher pfeift.

Der Naive. Kinder, jetzt wird's lustig.

Der Wohlwollende. Die Leute haben doch keine Ahnung.

Der Bissige. Wer hat keine Ahnung? . . . Recht haben sie . . . Man muß sich nicht alles bieten lassen! Wenn ich nicht so gebildet wäre, möcht' ich auch pfeifen!

Einige. Ruhe! . . . Ruhe! Weiterspielen!

Direktor auf den Stufen. Ich bitte um Ruhe, meine Herrschaften!

Einige. Bravo! Bravo!

Tod
Ich bin der Tod –                          

Zweiter Skandalmacher. Das hat er ja schon g'sagt! Gelächter.

Der Dichter. Jetzt lachen sie gar!

Direktor. Jetzt stellen Sie sich vor, man hätt' den Leuten nichts zu essen gegeben . . . da hätt' man Sie schon längst erschlagen.

Held
                                          Was willst du hier? . . .
Wie ich schon einmal die Ehre hatte, Sie zu fragen.

Gelächter.

Der Dichter. Was ist das! . . . Dieser Haderlump! Jetzt macht er sich über mich lustig.

Viele. Pst! Pst!

Tod
überschreit alle.
        Der dort ist unsterblich – ich komm' zu dir!
Es wird still.
Laß meine Tracht dich nicht erstaunen,
Mein Garderobier hat seltsame Launen.
Seitdem die Lebend'gen nicht mannigfaltig,
Erscheint der Tod höchst vielgestaltig.

Einige gehen. – Die Unruhe wird ärger. – Dir Bissige pfeift.

Der Wohlwollende. Und Sie wollen ein gebildeter Mensch sein?!

Der Bissige. Was geht das Sie an? . . .

Einige. Ruhe! . . . Ruhe!

Der Dichter. Jetzt gehn die Leut' gar fort!

Direktor. Die, die fortgehen, können wenigstens nicht pfeifen.

Der Wohlwollende zum Bissigen. Warum gehn Sie denn nicht, wenn's Ihnen nicht gefällt?

Der Bissige. Halten Sie Ihr Maul!

Sie stehen auf.

Einige. Hinaus! Ruhe!

Der Wohlwollende und der Bissige setzen sich wieder.

Direktor. Ich hab's Ihnen g'sagt: Wenn der Schluß ernst wird, hilft's Ihnen nicht mehr, daß der Anfang ein Blödsinn war.

Der Dichter. So schaffen Sie doch Ordnung . . . Was soll denn das heißen? . . . So eine Schmiere!

Direktor. Jetzt werden Sie gar noch frech?

Marionetten schauen hinter den Kulissen hervor.

Der Naive. Ah, schauts da her!

Der Dichter. Ihre Puppen haben keine Disziplin, schaffen Sie Ordnung! Oder ich zünd' Ihnen Ihre Bude persönlich an!

Direktor. Meine Herren!

Einige. Ruhe! Hört!

Direktor auf den Stufen. Meine Herren! Alsdann, wenn sich das Wesen der Aufklärung im Hintergrund des Säkulums abspiegelt und die Kunst ihre Früchte trägt, bitte ich ergebenst ins Auge zu fassen, daß die Bühne das Abbild des Erdentreibens, auch Spiegel der Welt genannt, das Traurige nicht minder als das Lustige in ihr Bereich zu ziehen vorgibt, wohin auch unser Dichter, poeta vates, hinauszusegeln die Belustigung hat.

Viele. Bravo! Bravo!

Andere. Weiterspielen!

Tod
schreiend.
        Lacht sich heut im eignen Haus
Publikum und Dichter aus,
Mag sich zum Beschluß im Reigen
Ehrlich auch der Tod erzeigen.

Er steht mit einem Male als Wurstel da.

Der Graf von Charolais und der Meister treten auf.

Meister
So, lieber Graf, da war' grad noch ein Platz für uns zwei.
Graf
Bitte – nach Ihnen.
Meister
Bitte sehr, ich weiß, was sich gehört. Sie kommen aus einem fünfaktigen Trauerspiel – ich nur aus einer dreiaktigen Komödie – also nach Ihnen. Setzen sich.

Dichter. Ja – um Gottes willen, was ist denn das! Zum Direktor. Schaun S' doch her.

Direktor. Was sind denn das für Leut'?

Graf
Zwei große Herrn! Wer sie erkennt, der grüßt!

Dichter. Sie sollen doch wenigsten dafür sorgen, daß sich keine Figuren aus anderen Stücken in Ihr Wirtshaus setzen, während meines aufgeführt wird.

Ein Herr, der im wirklichen Parkett hinten sitzt, steht auf und ruft laut: Das ist ein Schwindel! – Die Leute auf der Bühne sehen alle hin, die Marionetten werden unruhig und schauen zum Teil über den Rand des Theaters hinaus.

Der Herr im Parkett. Ein Schwindel! Darauf fall' ich nicht hinein! . . . Das ist eines ernsten Theaters unwürdig! . . .

Der Direktor vor dem Souffleurkasten. Mein Herr!

Der Dichter auch ganz vorn, ringt die Hände.

Der Herr weiter nach vorn gehend. Ich lasse mich nicht um den Schluß betrügen! . . . Zum Parkett. Es ist ja evident, dem Dichter ist kein Schluß eingefallen – der Skandal ist arrangiert!

Der Dichter. Ich verbitte mir das!

Der Herr. Wer redt denn zu Ihnen! . . .

Der Dichter. Ich bin der Dichter!

Der Herr. Ach was! . . . Sie! . . . Sie kommen ja auch nur vor!

Der Dichter. Oho!

Der Herr. Natürlich! Sie wissen schon, wen ich meine!

Direktor. Und Sie? . . . He! . . . Sie! . . . Wollen Sie mir einreden, daß Sie ein wirklicher Theaterbesucher sind?

Der Herr. Ich bitte!

Direktor. Sie gehören da derauf . . . Vorwärts! rasch! Er hilft dem Herrn auf die Bühne hinauf.

Der Bissige. Das ist ja der reine Zirkus! Er geht ins Parkett hinunter.

Der Wohlwollende. Ich weiß nicht – es steckt was drin!

Held
        Narrenkappe, Pritsche in der Hand . . .
Weh! ist dies dein recht Gewand!
Gepfeife, Getrampel.
Der Graf
Wie wird mir –? Hab' ich mich zerstreuterweise
In ein gefehltes Säkulum verirrt?
Doch nein –! Nicht ich! Es trieb mich hier herein –
Nun treibt's mich fort – wo werd' ich morgen sein?
    Ab.
Die Marionetten treten alle nach vorn.
Marionetten.
Nicht uns Arme laßt entgelten,
Schenkt uns weiter eure Huld –
Nur den Dichter dürft ihr schelten,
Nur der Dichter hier ist schuld!

Der Naive. Gehört das dazu?

Der Dichter
auf den Stufen.
        Das Spiel ist aus! Was für ein toller Spuk!
Wer schützt mich vor den eignen Scheingestalten?
Hinweg mit euch! es ist genug!
Wagt nicht, selbständig hier im Raum zu walten!
Und wenn ich so viel Seel' euch eingeblasen,
Daß ihr nun euer eignes Dasein führt,
Ist dies höchst frech und unvernünft'ge Rasen
Der Dank, der meiner Schöpferkraft gebührt?

Meister zupft ihn um Ohr. Wurstel! Ab.

Die Marionetten
Ei, nun tun wir, was wir wollen!
Reden, singen, tanzen, tollen!
Publikum ist uns egal –
Alles geht nach unsrer Wahl!
Ist der Dichter ganz von Sinnen,
Laßt uns unser Spiel beginnen!

In diesem Augenblick tritt ein Mann auf, in einen blauen Mantel gehüllt, langes blasses Antlitz, schwarze Lockenhaare. Er trägt ein langes bloßes Schwert in der Hand. Er schreitet bis zu den Stufen hin und trennt mit einem Hieb alle Drähte. Die Marionetten stürzen zusammen und liegen auf dem Boden. Ringsum Staunen.

Der Dichter
        Wer bist du? Eh' du mir entschwindest, sprich!
Mein Rächer bist du – doch wie nenn' ich dich?
Der Unbekannte
Du fragst zu viel. Was ich bedeuten mag –
Ich weiß es nicht. Seit manchem Erdentag
Bin ich verdammt, ein Rätsel mir und andern,
Die Welt nach allen Winden zu durchwandern.
Dies Schwert hier aber macht es offenbar,
Wer eine Puppe, wer ein Mensch nur war.
Auch unsichtbaren Draht trennt diese Schneide
Zu manches stolzen Puppenspielers Leide!
Er fährt mit dem Schwert über die ganze Bühne;
alle Lichter verlöschen, und alle Menschen außer ihm selbst
sinken zusammen.
Auch ihr? . . .
Da der Dichter sinkt.
Auch du? . . . Mir graut vor meiner Macht!
Ist's Wahrheit, die ich bringe, oder Nacht?
Folg' ich der Himmlischen . . . der Hölle Ruf?
Ist es Gesetz – ist's Willkür, die mich schuf?
Bin ich ein Gott? . . ein Narr? . . bin euresgleichen?
Bin ich ich selber – oder nur ein Zeichen?
Er tritt ganz nach vorn.
Ja, wenn mein Schwert in loserm Arme hinge,
Weiß ich, wie's manchen, die in Leid und Lüsten
Höchst fragevoller Wirklichkeit sich brüsten, –
Zum Parkett gewendet.
Wie's zum Exempel euch da unten ginge?

Er geht mit einem stolzen Blicke ab.

Sobald er fort ist, wird es licht, die Menschen erheben sich wieder; auch die Marionetten. Militärmusik ertönt wieder, der Dichter rennt aufgeregt auf und ab, der Direktor tritt wieder auf die Stufen und beginnt

Meine Herren, hier ist zu sehen . . . . usw.

Unter ungeheurem Lärm fällt der Vorhang.


 << zurück