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Der Verfasser der ›Jüdischen Merckwürdigkeiten‹, Schulmann, lutherischer Theologe und Orientalist, Johann Jakob Schudt, ist 1664 zu Frankfurt am Main geboren und ebenda als Rektor des Gymnasiums 1722 gestorben. In der Mehrzahl seiner Werke befaßte sich Schudt mit der Geschichte der Juden in älterer und neuerer Zeit und mit der hebräischen Sprache, die er zum Teil von jüdischen Gelehrten erlernt hatte. Seine Kenntnis des Materials ist nach Maßgabe der Zeit und der Umstände bedeutend, doch stellt er sie vielfach in den Dienst des Missionswerkes, das in Frankfurt durch Spener begründet und dann durch die Schriften von Diefenbach fortgesetzt und lebendig erhalten wurde. Seine Frömmigkeit im Geiste eines gemäßigten Pietismus liegt im steten Kampf mit dem Eifer des Bekehrers, der, im lutherischen Bekenntnis gründend, an dem jüdischen Widerstand auch gegen diese gereinigte Form der christlichen Lehre Ärgernis nimmt. So erscheint ihm das jüdische Schicksal als gottgewollte gerechte Strafe für die säkulare Verstocktheit, die wieder, weil schicksalhaft, doch ebenso als gottgewollt bewertet werden muß. Um so liebevoller nimmt er sich der jüdischen Proselyten an, deren Zeugnisse er sich in seiner oft heftigen Polemik gern und am meisten bedient.
Die Verhältnisse der Juden in neuerer Zeit behandelte Schudt in dem großen Werke ›Jüdische Merckwürdigkeiten‹ (drei Teile 1714, vierter Teil 1717), das ›eine ungemeine Fülle an Stoff enthält, aber ohne klare Ordnung und kritische Sichtung‹ (Deutsche Biographie). Es enthält unter anderem auch eine Geschichte der Juden in Frankfurt und eine Darstellung ihres damaligen Zustandes aus unmittelbarer Anschauung. Der vorliegende Auszug beschränkt sich auf eine Sichtung und genaue Wiedergabe alles Tatsächlichen und Beobachteten des damaligen jüdischen Lebens in Frankfurt, unter Fortlassung alles Tendenziösen und Polemischen, des überwuchernden barocken Rankenwerkes einer zeitbefangenen Gelehrsamkeit, die mehr auf die Vielheit und das Volumen der Zeugnisse hält, als auf ihre kritische Prüfung und die Zuverlässigkeit der Gewährsmänner.
Gleichwohl verdanken wir der Bemühung Schudts ein kräftig anschauliches Bild des jüdischen Wesens im Frankfurter Ghetto nach den Stürmen und Zerstörungen des dreißigjährigen Krieges, der auch für den kulturellen Zustand der deutschen Juden von tief einschneidender Bedeutung war. Es ist ein gedrücktes, von den Schlägen der jüngsten Vergangenheit erschüttertes und auf Abwehr bedachtes Wesen, das im Schatten des Ghettos und im Schutz der Tradition sein stets bedrohtes Sein wie ein flackerndes Licht mit zitternden Händen deckt, ein Leben, in dem jede kräftigere Äußerung draußen mit Argwohn, Mißtrauen und übler Ausdeutung aufgenommen wird, – und doch erweist es in der festen Geformtheit, die es erhalten, durch alle äußere Sonderbarkeit auch für den Fremden seinen innern Sinn, als echtes religiöses Element, an dem sich der Jude zu allen Zeiten in Leben und Tod zu bewähren hat und bewährt.