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Vier Stimmen darüber.
Das Mausoleum zukünftigen Andenkens steht schon leibhaftig vor mir: – ein leidlich hoher Quader, eine Lyra darauf mit Geburts- und Sterbejahr, darüber der Himmel und daneben einige Bäume.
Ein griechischer Bildhauer, angegangen um einen Plan zu einem Denkmal für Alexander, schlug vor, den Berg Athos zu seiner Statue auszuhauen, die in der einen Hand eine Stadt in die Luft hinaushielte; der Mann ward für toll erklärt, wahrhaftig! er ist es weniger, als diese deutschen Pfennigsubscriptionen. – Glücklicher Imperator Napoleon, der du weit da draußen im Ocean schläfst, daß wir Deutschen für die Schlachten, die du uns abgenommen und mit uns gewonnen, dich nicht mit einem Denkmal verfolgen können; auch würdest du aus dem Grabe steigen mit der strahlenden Rolle »Marengo, Paris, Alpenübergang, Simplon«, und das Mausoleum bräche ja zwergig zusammen! Deine D moll-Symphonie aber, Beethoven, und alle deine hohen Lieder des Schmerzes und der Freude dünken uns noch nicht groß genug, dir kein Denkmal zu setzen, und du entgehst unsrer Anerkennung keineswegs!
Seh' ich es dir doch an, Euseb, wie dich meine Worte ärgern, und wie du dich vor lauter Seelengüte zu einer Statue in einem Carlsbader »Sprudel« versteinern ließest, wäre damit dem Comité gedient. Trag' ich denn nicht auch den Schmerz in mir, Beethoven nie gesehen, die brennende Stirn nie in seine Hand gedrückt zu haben, und eine große Spanne meines Lebens wollte ich darum hingeben ... Ich gehe langsam zum Schwarzspanierhause Nr. 200, die Treppen hinauf: athemlos ist alles um mich: ich trete in sein Zimmer: er richtet sich auf, ein Löwe, die Krone auf dem Haupt, einen Splitter in der Tatze. Er spricht von seinen Leiden. In derselben Minute wandeln tausend Entzückte unter den Tempelsäulen seiner C moll-Symphonie. – Aber die Wände möchten auseinander fallen; es verlangt ihn hinaus: er klagt, wie man ihn so allein ließe, sich wenig um ihn bekümmere. – In diesem Moment ruhen die Bässe auf jenem tiefsten Ton im Scherzo der Symphonie: kein Odemzug: an einem Haarseil über einer unergründlichen Tiefe hängen die tausend Herzen und nun reißt es, und die Herrlichkeit der höchsten Dinge baut sich Regenbogen über Regenbogen an einander auf. – Wir aber rennen durch die Straßen: Niemand, der ihn kennte, der ihn grüßte. – Die letzten Accorde der Symphonie dröhnen: das Publicum reibt sich in die Hände, der Philister ruft begeistert: »das ist wahre Musik«. – Also feiertet ihr ihn im Leben; kein Begleiter, keine Begleiterin bot sich ihm an: in einem schmerzlicheren Sinn starb er, wie Napoleon, ohne ein Kind am Herzen zu haben, in der Einöde einer großen Stadt. Setzt ihm denn ein Denkmal, – vielleicht verdient er's; dann aber möchten eines Tags auf eurem umgeworfenen Quader jene Goethe'schen Verse geschrieben stehen:
So lange der Tüchtige lebt und thut,
Möchten sie ihn gern steinigen.
Ist er hinterher aber todt,
Gleich sammeln sie große Spenden
Zu Ehren seiner Lebensnoth
Ein Denkmal zu vollenden.
Doch ihren Vortheil sollte dann
Die Menge wohl ermessen,
Gescheuter wär's, den guten Mann
Auf immerdar vergessen.
Florestan.
Sollte aber durchaus Jemand der Vergessenheit entzogen werden, so mache man doch lieber den Recensenten Beethoven's einige Unsterblichkeit, namentlich Jenem, der in der allgem. mus. Zeitung 1799, S. 151 voraussagt: »Wenn Hr. van Beethoven sich nicht mehr selbst verleugnen wollte und den Gang der Natur einschlagen, so könnte er bei seinem Talent und Fleiß uns sicher recht viel Gutes für ein Instrument liefern, welches u. s. w.« Ja wohl, im Gang der Natur liegt's und in der Natur der Dinge. Siebenunddreißig Jahre vergingen einstweilen: wie eine Himmelssonnenblume hat sich der Name Beethoven entfaltet, während der Recensent in einem Dachstübchen zur stumpfen Nessel zusammengeschrumpft. Aber kennen möcht' ich den Schelm dennoch und eine Subscription für ihn und gegen etwaigen Hungertod eröffnen.
Börne sagt: »wir würden am Ende noch dem lieben Gott ein Denkmal setzen«: ich sage, schon ein Denkmal ist eine vorwärts gedrehte Ruine (wie diese ein rückwärts gedrehtes Monument), und bedenklich, geschweige zwei, ja drei. Denn gesetzt, die Wiener fühlten Eifersucht auf die Bonner und bestünden auch auf eins, welcher Spaß, wie man sich dann fragen würde: welches nun eigentlich das rechte? Beide haben ein Recht, er steht in beider Kirchenbüchern; der Rhein nennt sich die Wiege, die Donau (der Ruhm ist freilich traurig) seinen Sarg. Poetische ziehen vielleicht letztere vor, weil sie allein nach Osten und in das große dunkle Meer ausfließt; andre pochen aber auf die seligen Rheinufer und auf die Majestät der Nordsee. Am Ende kömmt aber auch noch Leipzig dazu, als Mittelhafen deutscher Bildung, mit dem besondern Verdienste, was ihm auch Himmlisches die Fülle herabgebracht, sich für Beethoven'sche Composition am ersten interessirt zu haben. Ich hoffe daher auf drei ...
Eines Abends ging ich nach dem Leipziger Kirchhof, die Ruhestätte eines Großen aufzusuchen: viele Stunden lang forschte ich kreuz und quer, – ich fand kein »J. S. Bach« ... und als ich den Todtengräber darum fragte, schüttelte er über die Obscurität des Mannes den Kopf und meinte: »Bach's gäb's viele«. Auf dem Heimweg nun sagte ich zu mir: wie dichterisch waltet hier der Zufall! Damit wir des vergänglichen Staubes nicht denken sollen, damit kein Bild des gemeinen Todes aufkomme, hat er die Asche nach allen Gegenden verweht, und so will ich mir ihn denn auch immer aufrecht an seiner Orgel sitzend denken im vornehmsten Staat und unter ihm brauset das Werk und die Gemeinde sieht andächtig hinauf und vielleicht auch die Engel herunter. – – Da spieltest du, Felix Meritis, Mensch von gleich hoher Stirn wie Brust, kurz darauf einen seiner variirten Choräle vor: der Text hieß »schmücke dich o meine Seele«, um den Cantus firmus hingen vergoldete Blättergewinde und eine Seligkeit war darein gegossen, daß du mir selbst gestandest: »wenn das Leben dir Hoffnung und Glauben genommen, so würde dir dieser einzige Choral Alles von Neuem bringen«. Ich schwieg dazu und ging wiederum, beinahe mechanisch, auf den Gottesacker und da fühlte ich einen stechenden Schmerz, daß ich keine Blume auf seine Urne legen konnte, und die Leipziger von 1750 fielen in meiner Achtung. Erlaßt es mir, überein Denkmal für Beethoven meine Wünsche auszusprechen.
Jonathan.
In der Kirche soll man auf den Fußspitzen gehen, – du aber, Florestan, beleidigst mich durch dein heftiges Auftreten. Im Augenblicke hören mir viele hundert Menschen zu; die Frage ist eine deutsche; Deutschlands erhabenster Künstler, der oberste Vertreter deutschen Wortes und Sinnes, nicht einmal Jean Paul ausgenommen, soll gefeiert werden; er gehört unsrer Kunst an; am Schiller'schen Denkmal arbeitet man mühsam seit vielen Jahren, am Guttenberg'schen steht man noch am Anfang. Ihr verdientet alle Verspottungen französischer Janins, alle Grobheiten eines Börne, alle Fußtritte einer übermüthigen Lord Byron'schen Poesie, wenn ihr die Sache sinken ließet oder saumselig betriebet!
Ich will euch ein Beispiel vor die Augen rücken. Spiegelt euch daran! – Vier arme Schwestern aus Böhmen kamen vor langer Zeit in unsre Stadt; sie spielten Harfe und sangen. Talent besaßen sie viel, von Schule aber wußten sie nichts. Da nahm ein in der Kunst geübter Mann Der Cantor der Thomasschule Hiller. sich ihrer an, unterrichtete sie und sie wurden durch ihn vornehme und glückliche Frauen. Der Mann war lange hinüber und nur seine Nächsten erinnerten sich seiner. Da kam vielleicht nach zwanzig Jahren ein Schreiben der die Schwestern aus fernen Landen und wies genug Mittel an, davon ihrem Lehrer ein Denkmal aufgestellt werden konnte. Es steht unter J. S. Bach's Fenstern und erkundigen sich die Nachkommen nach Bach, so fällt ihnen auch das einfache Bildwerk auf, und dem Wohlthäter wie der Dankbarkeit ist ein rührend Andenken gesichert. Und eine ganze Nation einem Beethoven gegenüber, der ihr Großsinn und Vaterlandsstolz auf jedem Blatte lehrt, sollte ihm nicht ein tausendfach größeres errichten können? Wär' ich ein Fürst, einen Tempel im Palladiostyl würde ich ihm bauen: darin stehen zehn Statuen; Thorwaldsen und Dannecker könnten sie nicht alle schaffen, aber sie unter ihren Augen arbeiten lassen; unter neun der Statuen meine ich, wie die Zahl der Musen, so die seiner Symphonieen: Klio sei die heroische, Thalia die vierte, Euterpe die Pastorale und so fort, er selbst der göttliche Musaget. Dort müßte von Zeit zu Zeit das deutsche Gesangesvolk zusammenkommen, dort müßten Wettkämpfe, Feste gehalten, dort seine Werke in letzter Vollendung dargestellt werden. Oder anders: nehmet hundert hundertjährige Eichen und schreibt mit solcher Gigantenschrift seinen Namen auf eine Fläche Landes. Oder bildet ihn in riesenhafter Form, wie den heiligen Borromäus am Lago Maggiore, damit, wie er schon im Leben that, er über Berg und Berg schauen könne, – und wenn die Rheinschiffe vorbeifliegen und die Fremdlinge fragen: was der Riese bedeute, so kann jedes Kind antworten: Beethoven ist das, – und sie werden meinen, es sei ein deutscher Kaiser. Oder wollt ihr für's Leben nützen, so erbaut ihm zur Ehre eine Akademie: »Akademie der deutschen Musik« geheißen, in der vor allem sein Wort gelehrt werde, das Wort, nach dem die Musik nicht von Jedem zu treiben sei, wie ein gemein Handwerk, sondern von Priestern wie ein Wunderreich den Auserwähltesten erschlossen werde, – eine Schule der Dichter, noch mehr eine Schule der Musik in der griechischen Bedeutung. Mit einem Worte: erhebt euch einmal, laßt ab von eurem Phlegma und bedenkt, daß das Denkmal euer eignes sein wird!
Eusebius.
Euren Ideen fehlt der Henkel: Florestan zertrümmert und Eusebius läßt fallen. Gewiß ist, daß es höchstes Ehrenzeugniß wie echter Dankbarkeitbeweis für große geliebte Todte, wenn wir in ihrem Sinne fortwirken: du aber, Florestan, gib auch zu, daß wir unsre Verehrung auf irgend eine Weise nach Außen hin zeigen müssen, und daß, wenn nicht einmal der Anfang gemacht wird, sich eine Generation auf die Trägheit der andern berufen wird. Unter den kecken Mantel, den du, Florestan, über die Sache wirfst, möchte sich überdies auch hier und da gemeiner Sinn und Geiz flüchten, sowie die Furcht, beim Wort gehalten zu werden, wenn man Denkmale etwa zu unvorsichtig lobe. Vereinigt euch also!
In allen deutschen Landen möchten aber Sammlungen von Hand zu Hand, Akademieen, Concerte, Operndarstellungen, Kirchenaufführungen veranstaltet werden; auch scheint es nicht unpassend, bei größern Musik- und Gesangfesten um eine Gabe anzusprechen. Ries in Frankfurt, Chélard in Augsburg, L. Schuberth in Königsberg haben bereits rühmlichst angefangen. Spontini in Berlin, Spohr in Cassel, Hummel in Weimar, Mendelssohn in Leipzig, Reissiger in Dresden, Schneider in Dessau, Marschner in Hannover, Lindpaintner in Stuttgart, Seyfried in Wien, Lachner in München, D. Weber in Prag, Elsner in Warschau, Löwe in Stettin, Kalliwoda in Donaueschingen, Weyse in Copenhagen, Mosevius in Breslau, Riem in Bremen, Guhr in Frankfurt, Strauß in Carlsruhe, Dorn in Riga – – seht da, welche Reihe würdiger Künstler ich vor euch ausbreite und welche Städte, Mittel und Kräfte noch übrig bleiben. Und so möge dann ein hoher Obelisk oder eine pyramidalische Masse den Nachkommen verkünden: daß die Zeitgenossen eines großen Mannes, wie sie seine Geisteswerke über Alles ehren, dies durch ein außerordentliches Zeichen zu beweisen bemüht waren.
Raro.
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