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Zwölftes Kapitel.

Der Faden unsrer Erzählung führt uns nach dem Schlosse Lochleven zurück, und wir nehmen die Reihenfolge der Ereignisse mit dem merkwürdigen Tage wieder auf, an welchem Dryfesdale aus dem Schlosse geschickt wurde. Die Mittagszeit war vorüber, und zur Bewirtung der Königin, die sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, wo sie eifrig mit Schreiben beschäftigt war, schienen keinerlei Anstalten gemacht zu werden. Die Dienerschaft war im vordern Zimmer beisammen und erging sich in Betrachtungen über den Aufschub der Mahlzeit, die ihr um so näher lagen, als sie ja zufolge des seltsamen Vorgangs um ihr Frühstück gekommen war.

»Mir scheint,« meinte Roland, »da die Herrschaften mit ihrem Gifte kein Glück gehabt haben, wollen sie es nun mit einer Hungerkur probieren. Zuzutrauen wär's ihnen!«

Lady Fleming fühlte sich durch diese Andeutung beklommen, tröstete sich aber mit dem Gedanken, daß ja die Küchenesse den ganzen Tag über tüchtig geraucht habe.

»Na, da kommen sie ja mit den Schüsseln über den Hof,« rief Katharina Seyton, die ans Fenster getreten war, »und Lady Lochleven wird das Amt eines Seneschalls selbst verrichten; sie kommt in ihrer schönsten und geschmacklosesten Saloppe, mit Krausen und Schleifen von Flor und im Reifrock von rotem Samt, wie er Mode war zu ihrer Großmutter Zeit.«

»Meiner Treu,« erwiderte der Page, gleichfalls ans Fenster treten, »es ist der gleiche, den sie trug, als sie das Herz Königs Jakob gewann und unsrer armen Königin das teure Juwel eines Bruders bescherte.«

»Recht wohl möglich, Herr Roland,« erwiderte Lady Fleming, die für alles, was mit Mode zusammenhing, ein scharfes Gedächtnis hatte, »da ja der Reifrock erst nach der Schlacht bei Pinkie durch die Königin-Regentin aufgebracht wurde ...«

In dieser wichtigen Erörterung wurde sie jedoch gestört durch den Eintritt der Lady Lochleven, die den Dienern vorausging, die mit den Schüsseln kamen. Sie vollzog mit allem Zeremoniell die Obliegenheit eines Seneschalls, von jeder Schüssel besonders zu kosten. Lady Fleming sagte ein paar verbindliche Worte, daß die Lady sich solcherweise ihretwegen bemühen müsse. Darauf erwiderte die Lady, »daß es nach einem so seltsamen Vorfall die Ehre ihres Hauses und ihres Sohnes erheische, daß sie von allem künftighin mitgenieße, was dem unfreiwilligen Gaste ihres Hauses zur Nahrung geboten werde.« Dann bat sie, »Lady Maria in Kenntnis zu setzen, daß sie sich zu ihren Befehlen halte.«

»Ihre Majestät,« sagte die Fleming hierauf, indem sie auf den Titel besondern Nachdruck legte, »soll erfahren, daß Lady Lochleven um die Ehre bitten läßt, ihr aufzuwarten.«

Maria Stuart erschien sogleich und richtete das Wort mit einer Höflichkeit an die Lady, die nicht frei sogar von einer gewissen Herzlichkeit war. »Das ist sehr edel von Euch, denn wenn wir auch selbst unter Eurem Dache keine Gefahr für uns befürchten, so sind doch unsre Damen lebhaft durch den unliebsamen Vorfall beunruhigt worden. Durch Eure Gesellschaft wird unsre Mahlzeit ja um so angenehmer. Ich bitt Euch, Platz zu nehmen.«

Lady Lochleven kam der Aufforderung nach, und Roland verrichtete, wie immer, seinen Dienst als Vorschneider und Vorleger der Speisen. Die Mahlzeit verlief aber, trotz der huldvollen Worte der Königin, steif und ungemütlich, es wurde kein Wort gewechselt, und alle Mühe der Königin, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, ging durch die gemessnen und kühlen Antworten der Lady Lochleven verloren. Endlich mußte die Königin sich hierdurch beleidigt fühlen, sie warf ihren Damen einen bezeichnenden Blick zu, zuckte leicht mit den Achseln und schwieg. Eine Pause folgte. Dann nahm Lady Douglas das Wort zu der Bemerkung, daß es ihr vorkomme, als störe sie die Gesellschaft, und sie bäte deshalb um Entschuldigung, wenn sie sich zurückzöge. ... »Ich bin Witwe, von meinem Enkel verlassen, von meinem Diener verraten, stehe allein einem unglückseligen Auftrag gegenüber, und bin kaum der Gnade wert, die Ihr mir dadurch erweist, daß Ihr mich auffordert, an Eurer Tafel Platz zu nehmen, von deren Gästen, wie ich bemerke, Witz und muntre Einfälle zur Kürzung von Zeit und Weile erwartet werden.«

»Wenn Lady Lochleven sich in ernster Stimmung fühlt,« sagte die Königin, »dann wundern wir uns, wie sie auf den Einfall kommen kann, unsre Mahlzeiten seien jetzt von Heiterkeit gewürzt. Lebt sie doch als Witwe geehrt und ohne Einschränkung und ist Herrin über den Haushalt ihres verstorbnen Gemahls. Ich aber weiß von einer Witwe, die es in so empfindlicher Weise erfahren hat, was es bedeutet, verlassen und verraten zu werden, daß es besser sein möchte, diese Worte in ihrer Gegenwart nicht auszusprechen.«

»Es war nicht meine Absicht, dadurch, daß ich von meinen Unfällen sprach, Euch die Eurigen in das Gedächtnis zu rufen,« sagte die Dame.

Dann trat wieder Totenstille ein, und endlich wendete sich Maria an Lady Fleming.

»Todsünden, meine Liebe, können wir hier nicht begehen, dazu sind wir zu gut bewacht und unter zu getreuer Aufsicht. Könnten wir es aber, dann möchte diese Kartäuserstille als Buße von Vorteil sein, und ist etwa Dir, liebe Fleming, das Versehen passiert, daß Du mir das Busentuch nicht recht gesteckt hast oder Katharinen, daß sie im Stickrahmen sich versehen, oder Roland, daß er eine Wildente im Fluge gefehlt und statt ihrer eine Glasscheibe im Turmfenster zerschossen hat, dann ist die Zeit jetzt da, Eurer Sünden zu gedenken und sie zu bereuen.«

»Ich spreche mit aller Ehrerbietung, gnädigste Frau,« sagte Lady Lochleven, »aber ich bin alt und darf auf das Vorrecht des Alters Anspruch erheben. Es möchten sich für Eure Dienerschaft wohl angemessenere Ursachen zur Reue finden, als solche Geringfügigkeiten, von denen Ihr sprecht. Ich bitte um Verzeihung, aber ich möchte es in meinem Hause doch lieber sehen, wenn mit Sünde und Reue kein Spott getrieben würde.«

»Ihr habt den Vorkoster unsrer Speisen gemacht, Lady Lochleven,« sagte die Königin, »Mir scheint, Ihr möchtet nun auch dazu übergehen, unsern Beichtvater abzugeben. Und da Ihr nun den Wunsch aussprecht, Wir möchten Uns in Unsrer Unterhaltung größeren Ernstes befleißigen, so möchte wohl die Frage Unsrerseits am Platze sein, warum das Versprechen des Regenten, für Unsern geistlichen Trost zu sorgen, bis jetzt noch immer keine Erfüllung gefunden hat?«

»Gnädigste Frau,« erwiderte Lady Lochleven, »Graf Murray war freilich schwach genug, Euren religiösen Vorurteilen Rechnung zu tragen, insoweit daß ein papistischer Geistlicher hier erschien, aber in seinem Schlosse Lochleven ist Douglas Herr, und ein Douglas wird nicht dulden, daß seine Schwelle auch nur auf einen Moment verunreinigt werde durch einen Abgesandten des römischen Bischofs.«

»Dann möchte es wohl gut sein, der Prinzregent schickte mich irgend wohin, wo geringere Bedenken, aber größere Christenliebe heimisch ist,« versetzte Maria.

In diesem Augenblick trat Randal mit so bestürzter Miene ein, daß Fräulein Fleming aufschrie und die Königin erschrak, Lady Lochleven aber, zu stolz, ihre Unruhe zu verraten, hastig die Frage hervorstieß, was denn vorgefallen sei.

»Dryfesdale ist erstochen worden, gnädigste Frau,« lautete die Antwort, »der junge Seyton hat ihn ermordet, als er ans Land trat.«

Jetzt war die Reihe, zu erbleichen, an Katharina Seyton.

»Ist der Mörder des Dieners vom Hause Douglas entkommen?« fragte Lady Lochleven weiter.

»Es war niemand zur Stelle, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, bloß unser alter Kärrner Auchtermuchty, ein schwacher Greis, der es mit dem kecksten Jüngling in ganz Schottland, der gewiß auf Spießgesellen in der Nähe rechnen durfte, allerdings nicht aufnehmen konnte.«

Wieder trat eine Pause ein. Die Königin und Lady Lochleven maßen einander mit Blicken, als sinne jede von ihnen darauf, wie sie in dem ständigen Zwist, der zwischen ihnen herrschte, den Vorfall am vorteilhaftesten für sich ausnützen könne. Katharina Seyton hielt das Tuch vor die Augen und weinte.

»Da habt Ihr einen flagranten Beweis für die blutigen Lehren und Grundsätze irre geleiteter Papisten!« sagte Lady Lochleven.

»Bekennt lieber, meine Dame,« versetzte die Königin, »daß der Himmel ein gerechtes Strafgericht vollziehen ließ an einem kalvinistischen Giftmischer.«

»Dryfesdale war weder der Genfer noch der schottischen Kirche anhängig,« erwiderte hastig die Lady.

»Aber ein Ketzer war er doch,« erwiderte Maria, »es gibt bloß einen einzigen treuen Führer, welcher nimmer irrt, alle andern aber führen auf Irrwege.«

»Freilich gebe ich mich der Hoffnung hin, daß es Euch mit Eurer Einsamkeit aussöhnen werde, in diesem Verbrechen einen Beweis von der Gesinnung derjenigen zu erblicken, die Eure Freiheit wünschen. Blutdürstige Tyrannen und grausame Mörder sind es alle, vom Clan Ronald und Tosach im Norden bis zu Ferniherst und Buccleugh im Süden, den Mordgesellen Seyton im Osten, und –«

»Ihr vergeßt wohl, Lady Lochleven, daß ich eine Seyton bin?« sagte Katharina empört, indem sie das Tuch von ihrem Gesicht nahm.

»Hätt ich's vergessen, hätt Euer keckes Wesen, Fräulein, wohl daran erinnert?« erwiderte die Lady.

»Hat mein Bruder einen Elenden erstochen, der seine Fürstin und seine Schwester zu vergiften plante, so tut mir dabei bloß leid, daß er dem Henker vorgegriffen hat. Im übrigen war es für ihn eine Ehre, wie für den besten Douglas nicht minder, durch das Schwert eines Seyton zu fallen.«

»Mädchen Eures Schlages, mein keckes Mamsellchen,« sagte die Lady, »sehen Sausewinde und Raufbolde in Trab, und Burschen, die einer Dirne von solchem Temperament gefallen wollen, müssen natürlich drauf aus sein, gegen alle hergebrachte Sitte im Lande zu verstoßen,« Darauf machte sie der Königin eine Verbeugung und fuhr fort: »Auch Euch, gnädigste Frau, möchte ich mich empfehlen bis auf den Abend, wo ich Euch wieder beim Essen aufzuwarten gedenke, wenn auch vielleicht in zudringlicherer Weise, als Euch recht sein möchte.« Dann wandte sie sich zu Randal: »Komm, Randal, und erzähle mir mehr von dieser grausen Tat!«

»Ein seltsamer Vorfall,« sagte die Königin, als sich die Lady entfernt hatte, »aber ein so böses Subjekt der Hausmeier auch war, so hätt ich doch lieber gesehen, es war ihm Zeit geblieben zur Reue und Buße. Wir wollen Sorge dafür tragen, wenn Wir je wieder in den Besitz Unsrer Freiheit gelangen, daß ein paar Messen für sein Seelenheil gelesen werden ... Aber sprich, Katharina, besteht zwischen Dir und Deinem Bruder noch immer diese seltsame Aehnlichkeit?«

»Es soll noch immer beschränkte Menschen geben, gnädigste Frau,« erwiderte Katharina, »die uns kaum zu unterscheiden vermögen, besonders dann, wenn meinen Bruder die Laune anwandelt, sich als Mädchen zu maskieren.«

Bei diesen Worten heftete sie einen schelmischen Blick auf Roland, in dessen Herzen diese Worte einen Lichtstrahl entzündeten heller als je einer in den Kerker eines Gefangnen gedrungen sein mag durch den Spalt der zu seiner Befreiung sich öffnenden Tür.

»Es muß ein hübscher Rittersmann sein, Dein Bruder, wenn er Dir in so hohem Maße ähnelt,« versetzte Maria; »er hat die letzten Jahre wohl in Frankreich zugebracht, denn am Hofe zu Holyrood habe ich ihn nicht gesehen?«

»An seinem Aussehen ist wohl nie etwas zu tadeln gewesen, gnädigste Frau,« sagte Katharina, »bloß wünschte ich, es wäre ihm ein geringeres Maß Seytonscher Hitzigkeit überkommen, als der schlimme Zeitenlauf in unsern Junkern großgezogen hat .. Warum mußte er mit solchem alten Herrendiener Streit beginnen und seinen Namen durch solchen Hader, seine Hände mit solch gemeinem Blute beflecken?«

»Nicht doch, Katharina, beruhige Dich! Du darfst mir meinen wackern Ritter nicht schelten. Mit Heinrich Seyton als meinem Ritter und mit Roland Gräme als meinem Knappen komme ich mir vor wie eine Prinzessin im schönsten unsrer Ritterromane, die in kurzem den Verließen und Waffen aller bösen Zauberer Trotz bieten wird ... Aber mir schwirrt es im Kopfe von all den erschütternden Ereignissen dieses Tages. Komm, liebe Fleming, wir wollen einen kurzen Spaziergang durch den Garten machen.«

Sie winkte Katharina zurückzubleiben und war mit der ältern ihrer Zofen bald in ein Gespräch vertieft, das mit leiser Stimme geführt wurde, aber, wie die Chronisten zu melden wissen, nichts Ernsteres betroffen haben soll als eine Parallele zwischen dem Aussehen einer hohen und einer tiefen Halskrause. Roland mag sich aber hierum nicht sonderlich bekümmert haben, denn er hätte einfältiger sein müssen, als ein junger Verliebter wohl je war, wenn er solch günstige Gelegenheit hätte unbenutzt sein lassen.

»Ich habe schon den ganzen Abend, schönste Katharina, Euch fragen wollen,« begann er, »wie albern und mißtrauisch ich Euch habe vorkommen müssen, da ich Euch mit Eurem Bruder habe verwechseln können!«

»Daß mein Benehmen so leicht mit dem eines Jünglings zu verwechseln ist, gereicht mir wohl kaum zu besondrer Ehre. Aber mit der Zeit werde doch auch ich verständiger, und so bin ich auch entschlossen, nicht an Eure eignen Torheiten zu denken, sondern mich der meinigen zu entledigen.«

»Diese Aufgabe ist gewiß nicht schwer,« antwortete Roland.

»Das ist mir doch nicht so recht wahrscheinlich,« meinte Katharina, »wenigstens kommt es mir vor, als seien wir beide ganz unverzeihlich albern gewesen!«

»Von Sinnen bin ich gewesen, von Sinnen, Katharina,« sagte Roland, »Ihr aber, schönste Katharina ...«

»Ich aber,« ergänzte Katharina in dem gleichen bedächtigen Tone, »ich habe Euch zu lange gegen mich einen solchen Tun erlaubt, und darf es Euch, wie ich fürchte, nicht länger mehr erlauben, mich so anzureden, denn es möchte Euch Verdruß schaffen, und ich hätte mir dann Vorwürfe zu machen.«

»Und was kann sich ereignet haben, das zu solch jäher Aenderung unsers bisherigen Verhältnisses Ursache geben konnte?« fragte Roland bestürzt.

»Ich kann es kaum sagen,« antwortete Katharina, »außer daß die Ereignisse des Tages mir diese Notwendigkeit nahegelegt haben. Ein Vorfall wie der, den wir heute erlebt haben, könnte meinen Bruder leicht von den geringfügigen Beziehungen unterrichten, die zwischen uns bestanden haben oder bestehen, und bei der Heftigkeit seines Charakters bin ich nicht frei von Sorgen darum, was daraus am Ende entstehen konnte!«

»Deshalb, schönste Katharina, brauchtet Ihr Euch wohl keiner Beunruhigung hinzugeben,« erwiderte der Page, »denn vor Gefahren solcher Art könnte ich mich wohl selbst schützen.«

»Das heißt, Ihr wolltet Euch in Schlägerei einlassen mit meinem Zwillingsbruder, um bei der Schwester Euch in Respekt zu setzen! Ich hab erst neulich aus dem Munde der Königin gehört, die Männer seien in Liebe und Haß die eigennützigsten Geschöpfe der Erde, und die Gleichgültigkeit, die Ihr in unserm Falle zeigt, kommt wohl auf ganz dasselbe hinaus. Doch schämt Euch hierüber nicht allzusehr! Ihr seid, wenn auch nicht besser, in dieser Hinsicht doch auch nicht schlechter als andre.«

»Ihr tut mir unrecht, Katharina, ich dachte nur, mir drohe ein Schwert, dachte aber nicht weiter, von welcher Seite es mir drohen könne; wäre Euer Zwillingsbruder, Euch in allem so zum Verwechseln ähnlich, mein Gegner, dann, glaubt mir, möchte er eher mein Blut vergießen, als daß ich mich versucht fühlen könnte, einem Angriffe von ihm Widerstand zu leisten.«

»Ach, Ihr gedenkt bloß der seltsamen Umstände, die uns zusammengeführt haben, nicht aber, daß sich zwischen uns ein unüberbrückbarer Abgrund auftun wird, sobald ich wieder in mein väterliches Haus den Fuß zurücktrete. Die einzige Verwandte von Euch ist eine schwärmerische Greisin, von wildem, seltsamem Wesen, aus einem feindseligen, versprengten Stamme, von Eurer andern Sippschaft ist nichts bekannt –, nie wird mein Vater, verzeiht mir diese Aufrichtigkeit, eine Verbindung zwischen uns gut heißen wollen!«

»Die Liebe, schönste Katharina, sieht verächtlich auf Stammbäume!«

»Die Liebe schon, nicht aber mein Vater, nicht der Lord Seyton!« wandte das Mädchen ein.

»Die Königin, unser beider Gebieterin, wird für uns sprechen bei Deinem Vater. O, schick mich nicht von Dir, Mädchen, nicht jetzt, wo ich mich glücklicher wähnte als je im Leben! ... Und sollte ich zu ihrer Befreiung behilflich sein, so sagtet Ihr doch selbst, wäre sie und wärest Du mir zu Dank verpflichtet, wäre sie und Du meine Schuldnerinnen.«

»Ganz Schottland wäre Dein Schuldner,« rief Katharina; »was aber die Beweise unsrer Dankbarkeit anbetrifft, so dürft Ihr nicht vergessen, daß ich in dieser Hinsicht abhängig bleibe von meinem Vater, während die Königin zunächst wohl abhängig bleiben wird von den Adelingen ihrer Partei.«

»Und wenn auch!« rief Roland, »durch meine Taten will ich alle Vorurteile ans der Welt schaffen. Die Welt ist in Gärung, und ich will mir meinen Anteil an dem Ruhme, der dabei zu gewinnen ist, sichern. Der Ritter von Avenel, jetzt ein so hochgestellter Herr, ist auch von niedriger Herkunft, gleichwie ich!«

»Das ist das rühmliche Wort des mannhaften Ritters, der sich Bahn zu der Geliebten seines Herzens brechen will durch Drachensaat und Feindeshaufen,« sagte schwärmerisch Katharina, und Roland fiel ihr ins Wort:

»Und kann ich der Prinzessin die freie Willensmeinung schaffen, auf wen wird ihre Wahl dann fallen?«

»Erlöset die Prinzessin aus der Haft, und sie wird es Euch sagen im Vertrauen!« antwortete Katharina. Dann brach sie die Unterhaltung rasch ab und gesellte sich zur Königin.

Kurz nachher erschien die Schloßherrin, und die Diener kamen mit dem Abendessen. Beharrlich dem gefaßten Entschlüsse, die Gegenwart dieser Dame mit Gleichmut und Standhaftigkeit zu ertragen, verhielt sich die Königin ruhig, wenn sie es auch vermied, ein Wort zu sprechen. Aber bald sollte eine neue Erscheinung, die bisher nicht zum Schloßzeremoniell gehört hatte, ihre Geduld auf eine harte Probe stellen. Als sich der eine Diener entfernt hatte, trat Randal herein mit den an einem Ringe befestigten Burgschlüsseln und behändigte sie der Lady mit der Meldung, die Wachen seien ausgestellt und sämtliche Tore verschlossen. Die Königin wechselte mit ihren Namen einen Blick der Ueberraschung und des Verdrusses. Dann sagte sie laut:

»Ueber die Beschränkung Unsers Hofstaats dürfen Wir Uns wahrlich nicht beklagen, wenn Wir wahrnehmen, daß Unsre holde Frau Wirtin selbst sich so vielen Obliegenheiten unterzieht. Nicht bloß mit den Aemtern eines Hofmarschalls und Großalmoseniers begnügt sie sich, jetzt versieht sie auch noch den Dienst eines Hauptmanns unsrer Leibwache.«

»Und wird das auch hinfort tun,« entgegnete Lady Lochleven mit hohem Ernst, »die Geschichte Schottlands lehrt uns ja, wie schlecht ein Geschäft betrieben werden kann, wenn es in die Hände eines Günstlings gelegt wird ...« »O, meine Liebe,« erwiderte die Königin, »mein königlicher Vater hatte wohl auch Günstlinge im Unterrock, sollte ich meinen.. zum Beispiel die Ladies Sandland und Olifaunt, und noch diese und jene andre, deren Namen sich freilich im Gedächtnis einer so vielbeschäftigten und würdigen Dame, wie der Lady Lochleven, nicht festsetzen können.«

Lady Lochleven warf einen Blick auf die Königin, als wolle sie sie zermalmen; aber sie beherrschte ihre Wut und entfernte sich, mit dem schweren Schlüsselbund in der Hand, aus dem Zimmer.

»Gott sei Dank, daß er dieses Weib in der Jugend nicht schärfer gehütet hat!« sagte die Königin, »denn hätte sie nicht diese verwundbare Stelle, so verschwendete ich doch all meine Worte umsonst an sie! ... Aber dieser Fleck ist das unmittelbare Widerspiel eines Hexenmales ... Hier läßt sich Empfindung wecken, so unempfindlich dieses Geschöpf auch sonst ist ... Aber, Mädchen! hier stehen wir vor einer neuen Schwierigkeit! Wie ist den Schlüsseln beizukommen? Dieser Heiduk ist doch nicht bestechlich und auch nicht zu hintergehen.«

»Darf ich fragen,« nahm der Page das Wort, »ob Eure Gnaden außerhalb der Schloßmauern über Mittel und Wege verfügen, über den See nach dem Lande hinüber zu gelangen, und dort auch Schutz finden werden?«

»Gewiß, Roland, das überlaß nur uns!« erwiderte die Königin.

»In diesem Falle dürfte ich Euer Gnaden von Nutzen sein können,« erwiderte der Page.

»Und wie, mein Sohn? Sage ohne Furcht, was Du im Sinne hast!« ermutigte ihn die Königin.

»Der Ritter von Avenel hielt darauf, seine Pagen auch im Schmieden der Waffen zu unterrichten, und Fräulein Seyton ist es ja bekannt, daß ich in diesem Handwerk Uebung besitze, denn ich habe ihr ja in der Zeit unsers Beisammenseins auf dieser Burg eine silberne Arbeitsnadel geschmiedet.«

»Schön, aber Ihr solltet dabei nicht unbemerkt lassen, daß die Nadel so schlecht war, daß sie schon am andern Tage zerbrach,« bemerkte Katharina Seyton.

»Es hat ihr bitterleid getan, daß sie so ungeschickt war,« sagte die Königin, »und sie hat die Stücke im Busen geborgen... Aber was unsre Sache angeht, sollte es Dir möglich sein, mein Sohn, eine neue Garnitur Schlüssel zu schmieden?«

»Das nicht, gnädigste Frau, weil mir die Bärte nicht in einem Wachsabdruck vorliegen. Aber daß ich ein Bündel Schlüssel machen könnte, das ungefähr so aussieht wie dieses verhaßte Schlüsselbund, und daß man ihn dann dagegen vertauschen könnte, das glaube ich bestimmt.«

»Hierbei würde es von Vorteil sein, daß Lady Lochleven stark kurzsichtig ist. Aber wie sieht's mit der Schmiede aus?... und wie willst Du unbemerkt arbeiten können?«

»Die Schmiede ist im runden Gewölbe am untern Turm. Ich habe dort schon dann und wann mit dem Schmied gearbeitet. Weil er im Verdacht stand, es zu viel mit Georg Douglas zu halten, ist er zusammen mit dem Turmwart aus dem Dienste entlassen worden. Es wird nicht auffallen, wenn man mich dort arbeiten sieht, und um einen Vorwand, Blasebalg und Amboß zu brauchen, werde ich kaum in Verlegenheit sein.«

»Nun, so mach Dich ohne Zaudern an die Arbeit; doch achte, daß Du nicht entdeckt wirst,« sagte die Königin.

»Ich werde mich vor zufälligen Besuchern dadurch schützen, daß ich den Riegel vorschiebe, so daß mir Zeit bleibt, meine Arbeit beiseite zu tun, bevor ich aufmache.«

»Nun, so wollen wir für die Nacht scheiden,« sagte die Königin, »Gott segne Euch, meine Kinder! und erhebt sich Marias Haupt je über die Fluten, dann sollt Ihr Euch erheben mit ihr!«


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