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Alter paßt zur Jugend
Sich doch nimmermehr:
Jugend ist voll Freude,
Alter sorgenschwer;
Jugend: – ein Sommermorgen!
Alter: – ein Winter, kühl!
Jugend ist sommerlich Glühen,
Alter ein Schneegewühl.
Shakspeare.
Am Morgen des folgenden Tages ward der Alterthümler, der gewöhnlich ein Langschläfer war, eine volle Stunde früher als sonst von Caxon aus dem Bette gerufen.
»Was soll das heißen?« rief er gähnend und seine Hand nach der großen, goldenen Repetiruhr ausstreckend, welche, auf seinem ostindischen, seidnen Taschentuch ruhend, sicher neben seinem Bett lag. – »Was soll das heißen, Caxon? – es kann noch nicht acht Uhr sein.«
»Nein, Sir; aber Mylords Diener suchte mich auf, denn er hält mich für Ihren Valley-de-scham, – und das bin ich freilich, daran ist gar kein Zweifel, sowohl bei Ihnen, als bei dem Herrn Pfarrer – zum wenigsten haben Sie keinen andern, so viel ich weiß – auch bei Sir Arthur helf' ich mit, aber das geschieht doch mehr, wie es meine Kunst erfordert.«
»Gut, gut – mag das auf sich beruhen,« sagte der Alterthümler, »glücklich der, welcher sein eigner valley-de-scham sein kann, wie Sie es nennen – aber warum meine Morgenruhe stören?«
»Ach, Sir, der große Mann ist vor der Sonne aufgestanden und nach der Stadt gegangen, um einen Boten nach seinem Wagen zu schicken, der bald hier sein wird; und bevor er fortgeht, möcht' er Sie gern sehen.«
»Ei was!« rief Oldbuck, »diese großen Herrn brauchen eines Menschen Haus und Zeit, wie wenn beides ihr Eigenthum wäre. Nun gut, es ist einmal und nicht wieder. – Ist Jenny wieder bei Sinnen, Caxon?«
»Ja, Sir, aber nur so gewissermaßen,« erwiederte der Perückenmacher; »bei der Chocolade diesen Morgen war sie gar nicht recht bei sich, denn sie hätte sie beinahe in's Spülfaß geschüttet und in ihrer Verwirrung selber getrunken; aber mit Hilfe der Miß M'Intyre lief es noch glücklich ab.«
»Also sind all' meine Weibsleute auf den Beinen und munter, und ich darf mich meines ruhigen Bettes nicht länger freuen, wenn ich ein wohlgeordnetes Haus haben will. Geben Sie mir den Schlafrock. – Und was gibt's Neues in Fairport?«
»Ach, Sir, was könnt' es da anders geben, als die große Neuigkeit von Mylord?« antwortete der alte Mann; »der ist seit zwanzig Jahren, wie man mir sagt, nicht über die Schwelle gekommen – und nun die große Neuigkeit, daß er bei Ihnen zu Besuch ist!«
»So, so!« sagte Monkbarns, »und was sagt man dazu, Caxon?«
»Wirklich, Sir, die Meinungen sind verschieden. Erstlich die Democraben, wie man sie nennt, das heißt jene, die wider König und Gesetz, wider gepudertes Haar und Perücken sind, (sie sind richtige Diebsgesellen,) die sagen, er sei zu Ihnen gekommen, um mit Ihnen davon zu sprechen, daß er seine Leute aus den Bergen und die ganze Hochlandsmannschaft herunterführen wolle, um die Versammlungen der Volksfreunde aufzuheben. Und als ich dagegen sagte, Sie befaßten sich nie mit dergleichen Dinge, wobei es Streit und Blutvergießen geben könnte, da sagten sie mir, wenn Sie es nicht thäten, so thät' es Ihr Neffe; dieser sei ja als Königsmann bekannt und er werde Himmel und Hölle rege machen; aber Sie wären der Kopf und er wäre die Hand, während der Graf Leute und Geld brächte.«
»Nun gut,« sagte der Alterthümler lachend; »ich bin froh, daß mich der Krieg nichts kostet, als guten Rath.«
»Nein, nein,« sagte Caxon, »Niemand glaubt, daß Sie selber fechten, oder einen Pfennig Geld für eine der Parteien geben würden.«
»Hm! gut, das ist die Meinung der Democraben, wie Sie sie nennen – Was sagt denn das übrige Fairport?«
»Meiner Treu,« sagte der aufrichtige Berichterstatter, »ich kann nicht sagen, daß es viel besser spräche. Capitain Coquet, von den Freiwilligen, (nämlich der, welcher jetzt Einnehmer werden soll,) und einige andre Herren vom blauen Clubb, sagen geradezu, es sei nicht Recht, Papisten, die so viele französische Freunde haben wie Graf Glenallan, frei im Lande herum gehen zu lassen, und – aber Sie werden am Ende böse?«
»Gar nicht, Caxon,« sagte Oldbuck, – »geben Sie Feuer, als wären Sie Capitain Coquet's ganzes Peloton, – ich kann es aushalten.«
»Nun gut, Sir; sie sagen, da Sie die neue Petition wegen des Friedens nicht unterstützten und auch nicht für eine Petition zu Gunsten der neuen Taxe stimmten, da Sie überdies von den Bürgern nicht den Pöbel zu Ruhe bringen lassen wollten, weil dies den Constabels zukäme – deßhalb, sagt man, wären Sie kein guter Freund der Regierung; wenn nun ein so mächtiger Mann, wie der Graf, und ein so kluger Mann, wie Sie, Zusammenkünfte hielten, da, sagen sie, sollte man wohl ein Auge auf Sie haben; einige sagen auch, man solle Sie Beide lieber auf's Schloß nach Edingburg setzen.«
»Auf mein Wort,« sagte der Alterthümler, »ich bin meinen Nachbarn für ihre gute Meinung unendlich verbunden! Also werde ich, der ich mich nie in ihre Händel mischte, außer um ruhige und gemäßigte Maßregeln zu empfehlen, also werde ich den beiden Parteien als ein Mann aufgegeben, der wahrscheinlich Hochverrath, sei es gegen König oder Volk, begeht? – Geben Sie mir den Rock, Caxon – geben Sie den Rock her – zum Glück lebe ich nicht von ihrer Meinung. – Haben Sie etwas von Taffril und seinem Fahrzeug gehört?«
Caxon machte ein langes Gesicht. – »Nein, Sir, und der Wind hat's arg getrieben – es ist dies eine furchtbare Küste, um bei Oststürmen da herumzukreuzen. Die Vorgebirge ragen so weit vor, daß ein Schiff in den Klippen sitzen kann, eh' ich mit einer Perücke fertig bin; auch ist kein Hafen und keine Stadt, wo man Zuflucht fände, an der Küste, lauter Klippen und Spitzen. Kommt ein Schiff an den Strand, so fliegt's aus einander wie der Puder, wenn ich meine Büchse schüttele – und die Stücke sammeln sich nicht so leicht wieder. – Das sage ich immer meiner Tochter, wenn sie ungeduldig wird, weil kein Brief von Taffril kommt – es ist das immer eine Entschuldigung für ihn. Du solltest ihn nicht tadeln, Kind, sag' ich, denn du weißt ja nicht, was passirt sein kann.«
»Ja, ja, Caxon, Sie sind als Tröster eben so gut, wie als valet-de-chambre. – Geben Sie die weiße Halsbinde her, Lieber, – meinen Sie, ich könnte mit einem Schnupftuch um den Hals hinuntergehen, wenn ich Gesellschaft habe?«
»O, Sir, der Capitain sagt, ein dreizipfeliges Halstuch sei die neueste Mode, Halsbinden aber gehörten für Sie und für mich, weil wir alte Leute wären. – Ich bitte, nehmen Sie's nicht übel, daß ich uns beide zusammen nannte, aber er sagte so.«
»Der Capitain ist ein Narr, und Sie ein Gimpel, Caxon.«
»Das kann wohl wahr sein,« erwiederte der widerspruchlose Perückenmacher, – »ich bin überzeugt, daß Sie es am Besten verstehn.«
Vor dem Frühstück ging Lord Glenallan, der schon weit besser gestimmt schien, als am vorigen Abend, einzeln die verschiedenen Beweisstücke durch, welche Oldbuck's Bemühung schon früher gesammelt hatte. Er deutete die Mittel an, welche er selber besaß, um den Beweis seiner Heirath vollkommen zu machen, und gab den Entschluß zu erkennen, sogleich sich dem peinlichen Geschäft zu unterziehn, und die Beweise für Eveline Neville's Geburt zu sammeln, von denen Elsbeth ausgesagt hatte, sie befänden sich im Besitz seiner Mutter.
»Und doch, Mr. Oldbuck,« sagte er, »befinde ich mich wie ein Mensch, welcher wichtige Nachrichten empfängt, bevor er völlig wach ist, und noch in Zweifel schwebt, ob es Wirklichkeit ist, was er hört, oder ob nur die Fortsetzung seines Traumes. Dieses Weib, die Elsbeth, steht in so außerordentlich hohem Alter und ist in vieler Hinsicht kindisch. Bin ich nicht (es ist das freilich eine häßliche Frage,) aber bin ich nicht zu vorschnell gewesen, indem ich ihre gegenwärtige Aussage gelten ließ, mit welcher ihre früher gegebene doch im offenbaren Widerspruch steht?«
Mr. Oldbuck schwieg einen Augenblick und antwortete dann mit Festigkeit: »Nein, Mylord, ich glaube nicht, daß Sie mit Grund vermuthen können, ihre letzten Aussagen seien unwahr, da sie Ihnen dieselben doch aus keinem andern Antriebe, außer dem des Gewissens, gab. Ihr Bekenntniß war freiwillig, uneigennützig, bestimmt, voll Zusammenhang sowohl an sich selbst, als auch mit andern hieher gehörigen Umständen. Indeß dürfte doch keine Zeit zu verlieren sein, die übrigen Documente, auf die sie sich bezog, zu prüfen und zu ordnen, und ebenso scheint es mir nöthig, daß man ihr Bekenntniß womöglich in gehöriger Form zu Protokoll nimmt. Wir gedachten dies gemeinschaftlich zu thun. Aber es würde für Ew. Herrlichkeit eine Erleichterung sein, gäbe der Sache auch wohl ein unparteilicheres Ansehn, wenn ich das Verhör allein, kraft meiner Stellung als Friedensrichter, anstellte. Ich werde dies thun, zum wenigsten versuchen, sobald ich sie in einem Gemüthszustande finde, welcher ein Verhör gestattet.«
Lord Glenallan drückte des Alterthümlers Hand zum Zeichen dankbarer Anerkennung. »Ich kann es Ihnen nicht aussprechen, Mr. Oldbuck,« sagte er, »wie sehr Ihre Besonnenheit und Mitwirkung in diesem düstern und traurigen Geschäft mir Trost und Vertrauen gibt. Mir selbst kann ich nicht genug Beifall geben, daß ich dem plötzlichen Antriebe nachgab, welcher mir rieth, Sie in mein Vertrauen zu ziehen, welches sich auf die Charakterstärke gründete, die ich schon früher an ihnen kannte, sowohl in Ausübung Ihrer Obliegenheiten als Magistratsperson, wie auch in Ihrer freundschaftlichen Bemühung für das Andenken der Unglücklichen. Was auch der Erfolg dieser Angelegenheit sein mag, – und ich will gern hoffen, daß die Morgenröthe für das Glück meines Hauses anbricht, obwohl ich nicht leben werde, um sein volles Licht zu genießen, – aber was auch der Erfolg sein mag, Sie haben meine Familie und mich zum ewigen Danke verpflichtet.«
»Mylord,« antwortete der Antiquar, »ich muß nothwendig für Ew. Herrlichkeit Familie die größte Achtung hegen, denn ich weiß ja wohl, daß sie eine der ältesten in Schottland ist, indem sie sicherlich von Aymer de Geraldin abstammt, welcher im Parlamente zu Perth saß, unter der Regierung Alexanders II., und welcher, nach der minder verbürgten, aber doch glaubwürdigen Landessage, von Marmor von Clochnaben abstammen soll. – Doch, bei all meiner Ehrfurcht vor Ihrer alten Herkunft, muß ich bekennen, daß ich mich noch weit mehr verpflichtet fühle, Ew. Herrlichkeit allen möglichen Beistand zu leisten aus aufrichtiger Theilnahme an Ihrem Kummer und aus Abscheu vor dem Betrug, womit Sie so lange hintergangen wurden. – Aber, Mylord, das Frühstück ist, wie ich merke, jetzt fertig; erlauben Sie mir, Ew. Herrlichkeit den Weg durch die Irrgänge in meinem coenobitium zu zeigen, welches eher eine Zusammenstellung seltsamer und übereinandergehäufter Zellen, als ein regelmäßiges Haus ist. – Ich hoffe, Sie werden Ihren gestrigen Fasttag nun einigermaßen gut machen.«
Aber dies paßte nicht in Lord Glenallans System. Nachdem er die Gesellschaft mit der ernsten und melancholischen Höflichkeit, welche sein Benehmen charakterisirte, begrüßt hatte, setzte ihm sein Bedienter einen Schnitt geröstetes Brod, nebst einem Glas frischen Wassers vor, worin sein gewöhnliches Frühstück bestand. Bei dieser Mahlzeit langten indeß der junge Krieger und der alte Alterthümler eifriger, als der Gast zu, als man plötzlich einen Wagen herbeirollen hörte.
»Ew. Herrlichkeit Wagen, glaub' ich,« sagte der Antiquar, zum Fenster tretend. »Auf mein Wort, eine hübsche Quadriga, denn dies war, nach dem besten scholium, die vox signata der Römer für einen Wagen, welcher, gleich dem Ew. Herrlichkeit, von vier Pferden gezogen wurde.«
»Und ich wage zu behaupten,« rief Hektor, welcher begierig hinunter schaute, »daß vier herrlichere Braune noch nie angeschirrt waren – welch' herrliche Renner würden das sein! Darf ich fragen, ob sie aus Ew. Herrlichkeit Gestüte sind?«
»Ich – ich glaube wohl,« sagte Lord Glenallan; »aber ich habe meine häuslichen Angelegenheiten so sehr vernachlässigt, daß ich mich zu meiner Schande wirklich an Calvert wenden muß,« (dabei sah er sich nach dem Bedienten um).
»Sie sind vom Gestüte Ew. Herrlichkeit,« sagte Calvert; »sie stammen vom Mad Tom und von der Jemina und der Yariko, den Zuchtstuten Ew. Herrlichkeit.«
»Sind noch mehr von der Zucht vorhanden?« fragte Lord Glenallan.
»Zwei, Mylord, – eines vier, das andere fünf Zoll höher, beide sehr schön.«
»Dann soll sie Dawkins morgen nach Monkbarns bringen,« sagte der Graf. »Ich hoffe, Capitain M'Intyre wird sie annehmen, wenn er sie tauglich zum Dienst findet.«
Capitain M'Intyre's Augen leuchteten und er wußte nicht genug Worte des Dankes zu finden, während Oldbuck auf der andern Seite den Grafen am Aermel zupfte, weil er einem Geschenke vorzubeugen wünschte, welches seinem Korn- und Heuboden nichts Gutes weissagte.
»Mylord – Mylord – sehr verbunden – sehr verbunden – aber Hektor ist Infanterist, und besteigt in der Schlacht nie ein Pferd. Er ist auch ein hochländischer Soldat, und eignet sich nicht gut zum Reiterdienst. Selbst Macpherson läßt seine Vorfahren nie zu Pferde sitzen, obwohl er die Unverschämtheit hat, von ihren Streitwagen zu schwatzen. Das ist es nur, Mylord, was dem Hektor im Kopfe liegt – zum Wagen, nicht zum Reiterdienst, hat er Lust. –
Sunt quos curriculo pulverem Olympicum
Collegisse juvat.
Er ist nur begierig, in einem Wagen zu fahren, den zu kaufen er kein Geld, zu lenken kein Geschick hat; und ich gebe Ew. Herrlichkeit die Versicherung, daß der Besitz zwei solcher Vierfüßler bei ihm mehr Unheil anrichten würde, als all' seine Duelle, mag er sie mit einem menschlichen Feinde, oder mit meiner Freundin, der phoca, bestehen.«
»Sie haben gegenwärtig uns Allen zu befehlen, Mr. Oldbuck,« sagte der Graf höflich, »aber ich hoffe, Sie werden mir nicht hinderlich sein, meinem jungen Freunde auf eine Weise, die ihm Freude macht, gefällig zu sein?«
»Jedes nützliche Ding, Mylord,« sagte Oldbuck, »nur kein curriculum – ich glaube, er wäre wahrhaftig im Stande, eine Quadriga zu halten. Und, lupus in fabula, was kommt die alte Postchaise von Fairport da heran gewackelt? – ich habe sie nicht bestellt.«
»Ich that es, Sir,« sagte Hektor ziemlich mürrisch, denn er war nicht sehr erfreut über seines Oheims Bemühung, des Grafen großmüthiges Geschenk zurückzuweisen; eben so unerfreulich war ihm die Herabsetzung seines Geschickes im Fahren, so wie die kränkende Anspielung auf den schlechten Ausgang des Duells mit dem Seehunde.
»Du thatest es, Sir?« erwiederte der Antiquar im Einklange mit jener kurzen Auskunft. »Und was hast du mit dem Postwagen zu thun? – Soll diese splendide Equipage, diese biga, wie ich sie nennen möchte, nur als Vorspiel zu einer Quadriga oder einem curriculum gelten?«
»Nun, Sir,« erwiederte der junge Krieger,« wenn es nothwendig ist, Ihnen eine so genaue Erklärung zu geben, so wissen Sie, daß ich eines kleinen Geschäfts wegen nach Fairport gehe.«
»Wirst du mir erlauben, nach der Art dieses Geschäfts zu fragen, Hektor?« sagte der Oheim, welcher gern ein kleine Autorität bei seinem Verwandten geltend machte. »Ich sollte denken, alle Regimentsangelegenheiten würden von deinem würdigen Deputirten, dem Sergeanten, abgemacht, – er ist ein wackerer Mann, und so freundlich, Monkbarns ganz als sein eignes Haus zu betrachten, so lang' er bei uns ist, – ich sollte, sag' ich, denken, daß er all' deine Geschäfte besorgen könnte, ohne daß du einen ganzen Tag lang zwei schlechte Mähren und eine solche Combination von wurmstichigem Holz, zerbrochnem Glas und altem Leder bezahltest – solch' ein Skelett von einer Postchaise, wie die da unten am Thor.«
»Es ist kein Regimentsgeschäft, Sir, was mich in Anspruch nimmt; und da Sie darauf bestehn, es zu wissen, so muß ich Ihnen sagen, daß Caxon diesen Morgen erzählte, der alte Ochiltree, der Bettler, solle heut' in's Verhör gebracht werden, woraus sich ergeben solle, ob ihm der Prozeß zu machen sei; ich will nun nur hingehn, um darauf zu sehn, daß dem armen Manne kein Unrecht geschieht. Das ist Alles.«
»Wirklich? – ich hörte etwas davon, konnte jedoch nicht glauben, daß es Ernst sei. Und sag' mir, Capitain Hektor, der du stets so bereit bist, dich in Händel zu mischen, mögen sie unter Bürgern oder Soldaten stattfinden, zu Land oder zu Wasser oder am Strande – warum bekümmerst du dich so besonders um den alten Ochiltree?«
»Er war Soldat in meines Vaters Compagnie, Sir,« erwiederte Hektor; »und als ich eines Tages im Begriff war, eine sehr thörichte Handlung zu begehen, suchte er mich daran zu verhindern und gab mir fast so guten Rath, als Sie selbst es vermocht hätten.«
»Und mit demselben guten Erfolg, darauf kann ich wohl schwören – nicht wahr, Hektor? Gesteh' es nur, er sprach in den Wind.«
»Allerdings, Sir; aber ich sehe nicht ein, warum meine Thorheit mich minder dankbar für seine gute Absicht machen sollte.«
»Bravo, Hektor! Das ist das beste Wort, was ich je von dir hörte – aber sage mir nur immer deine Pläne ohne Rückhalt. Ich werde selbst mit dir gehen, Freund. Ich bin überzeugt, der alte Mann ist nicht schuldig, und ich werde ihm in einer solchen Verlegenheit wirksamer beistehen können, als du es vermagst. Ueberdies werd' ich dir eine halbe Guinee ersparen, Freund, und ich bitte dich herzlich, diesen Punkt häufiger vor Augen zu haben.«
Lord Glenallan war aus Höflichkeit zurückgetreten, um mit den Damen zu sprechen, als der Streit zwischen Oheim und Neffen heftiger zu werden schien, als für das Ohr eines Fremden gut war; er mischte sich aber wieder in die Unterhaltung, als der friedliche Ton des Alterthümlers Einigkeit verkündigte. Nachdem er eine kurze Nachricht über den Bettler und die gegen ihn gerichtete Anklage (die Oldbuck ohne Bedenken der Bosheit Dousterswivel's zuschrieb,) gehört hatte, fragte Lord Glenallan, ob die fragliche Person früher Soldat gewesen sei? – Dies ward bejahend beantwortet.
»Trug er nicht,« fuhr der Graf fort, »einen groben, blauen Kittel und ein zinnernes Schild? – War er nicht ein großer, rüstiger alter Mann, mit grauem Bart und Haar, der den Köper auffallend gerade trug und mit einem offenen und ungezwungenen Wesen sprach, wie es mit seinem Gewerbe sonst gar nicht vereint ist?«
»Ganz das Gemälde des Mannes,« erwiederte Oldbuck.
»Nun,« fuhr Lord Glenallan fort, »wenn ich auch fürchten muß, ihm in seiner gegenwärtigen Lage nichts nützen zu können, so bin ich ihm doch zu Danke verpflichtet, weil er der Erste war, der mir Nachrichten von höchster Wichtigkeit brachte. Gern würd' ich ihm eine ruhige Zuflucht anbieten, sobald er aus seiner gegenwärtigen Lage befreit ist.«
»Ich fürchte, Mylord,« sagte Oldbuck, »es würde Schwierigkeit haben, sein Landstreichergemüth zur Annahme Ihrer Wohlthat zu vermögen; wenigstens weiß ich, daß dergleichen schon vergebens bei ihm versucht worden ist. Vom Publikum im Allgemeinen zu betteln hält er für Freiheit im Verhältniß zu einer Lage, wo er von einer einzigen Person seinen ganzen Unterhalt erhielte. Er ist so weit ein ächter Philosoph, als er alle gewöhnlichen Regeln nach Zeit und Stunde verachtet. Wenn er hungrig ist, ißt er, wenn er dürstet, trinkt er; er schläft, sobald er müde ist; und dabei ist er so gleichgiltig hinsichtlich der Mittel, um Alles dies zu thun, wobei wir viel Umstände machen, daß ich glaube, er hat noch nie in seinem Leben schlecht gespeist oder schlecht gewohnt. Dann ist er auch gewissermaßen das Orakel des ganzen Gebietes, welches er durchstreicht, er ist da der Genealog, der Neuigkeitsträger, der Anordner von Spielen, der Hundearzt und Prediger. Gewiß, er hat zu viele Obliegenheiten und ist viel zu eifrig, denselben zu genügen, als daß man ihn leicht bewegen könnte, seinem Berufe zu entsagen. Aber es sollte mich wirklich dauern, wenn man den armen, fröhlichen alten Mann wochenlang in's Gefängniß legte. Ich bin überzeugt, die Einsperrung würde sein Herz brechen.«
So endete die Unterhaltung. Nachdem Lord Glenallan sich den Damen empfohlen hatte, wiederholte er gegen den Capitain M'Intyre, daß dieser volle Freiheit haben solle, auf seinem Gebiete zu jagen, und dies Anerbieten ward mit Freuden angenommen.
»Ich kann nur noch hinzusetzen,« sagte er, »daß Ihnen Schloß Glenallan zu jeder Zeit offen steht, wofern Ihrem heitern Geist eine düstere Gesellschaft nicht nachtheilig ist. An zwei Tagen in der Woche, Freitags und Sonnabends, halte ich mich auf meinem Zimmer, was aber für Sie ein Trost sein wird, denn Sie bleiben dann der Gesellschaft meines Kaplans, Mr. Gladsmoor's, überlassen, der ein Gelehrter und ein Mann von Welt ist.«
Hektor, dessen Herz bei dem Gedanken jubelte, die Reviere von Glenallan und die reich versorgten Moore von Clochnaben durchstreifen zu dürfen, ja, Freude über Freude, selbst den Forst von Strathbonnel, sprach von der ihm angethanen Ehre und seiner Dankbarkeit. Mr. Oldbuck empfand gleichfalls die Aufmerksamkeit, die der Graf seinem Neffen erwies, mit Wohlgefallen; Miß M'Intyre freute sich, weil ihr Bruder erfreut war; und Miß Griselda Oldbuck sah auch fröhlich der Menge von Geflügel und Schwarzwild entgegen, wovon Mr. Blattergowl anerkannt ein Liebhaber war. Wie immer, wenn ein Mann von Stand eine eingeschränkte Familie verläßt, wo er sich verbindlich zu zeigen suchte, waren Alle bereit, sich im Lobe des Grafen zu erschöpfen, sobald dieser Abschied genommen hatte und in seinem Wagen mit den vier bewunderten Braunen hinweggefahren war. Aber die Lobreden wurden bald abgebrochen, weil sich Oldbuck und sein Neffe in das Fairporter Fuhrwerk begaben, welches, während ein Pferd trabte und das andere im Schritt ging, nach der berühmten Hafenstadt auf eine Weise hinrumpelte, die sehr verschieden von der schnellen und doch sanften Bewegung war, mit welcher Lord Glenallan's Equipage vor ihren Augen gleichsam zu verschwinden schien.