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Zwölftes Kapitel.

Als so die Gans (wie kund die Fabel thut,)
Auf ihren goldnen Eiern brütend ruht,
Schlich voll Zerstörungslust, mit ausgestreckter Hand
Der böse Knabe zu des Nestes Rand.
Ihr schöner Traum entflieht, sie kann allein
Nun bang' noch flattern nur und ängstlich schrein.

Die Liebe der Seegräser.

Seit der Zeit, wo Sir Arthur in Besitz des in Misticot's Grabe gefundenen Schatzes gekommen war, befand er sich in einem Gemüthszustande, der mehr eine Art Schwärmerei, als beständige Besonnenheit heißen konnte. Einmal war seine Tochter wirklich um seinen Verstand in Besorgniß gerathen; denn da er sich fest im Besitz des Geheimnisses glaubte, unermeßlichen Reichthum zu erlangen, so sprach und geberdete er sich ganz wie ein Mensch, der den Stein der Weisen gefunden hat. Er sprach vom Ankauf zusammenhängender Güter, die sich von einem Ende der Insel bis zum andern erstrecken sollten, als wär' er entschlossen, keinen Nachbar zu dulden, als die See. Er correspondirte mit einem berühmten Architekten über einen Plan, wie man das Schloß seiner Väter renoviren könnte; und dies sollte in einem so prächtigen Style umgebaut werden, daß es mit Windsor wetteifern könnte; auch sollte ein Park von angemessener Ausdehnung dazu kommen. Schaaren von Livreebedienten standen in den Sälen (im Geiste) bereits seines Winkes gewärtig, und (denn wozu berechtigt unbegränzter Reichthum nicht seinen Besitzer?) die Krone eines Marquis, vielleicht eines Herzogs, schimmerte schon vor seiner Einbildungskraft. Seine Tochter – auf welche Verbindung konnte sie nicht Anspruch machen? Selbst ein Gemahl vom königlichen Blute lag nicht außer der Sphäre seiner Hoffnungen. Seinen Sohn sah er schon als General – und sich selber in einer Stellung, wie sie der Ehrgeiz nur immer in seinen ausschweifendsten Phantasien erträumen kann.

Wollte ihn bei dieser Stimmung Jemand in die Regionen des gewöhnlichen Lebens zurückführen, so lauteten seine Antworten immer wie die des alten Pistol:

»Schweigt von der Welt und ihrem niedern Volke!
Von Afrika sprech' ich und goldnen Freuden!«

Der Leser kann sich das Staunen der Miß Wardour vorstellen, als sie, (statt ein Verhör wegen Lovel's Bewerbungen bestehen zu müssen, wie sie erwartet hatte, da sich ihr Vater an dem bedeutsamen Tage, wo man den Schatz fand, so lange mit Mr. Oldbuck unterhielt,) nun aus Sir Arthur's Gespräch nur erkannte, daß seine Einbildungskraft von der Hoffnung auf den Besitz ungeheurer Reichthümer erhitzt war. Aber ernstlich besorgt ward sie, als Dousterswivel auf's Schloß geholt ward, als sich ihr Vater mit ihm einschloß, sein Mißgeschick beklagte, seine Partei nahm und ihm seinen Verlust ersetzte. Aller Argwohn, den sie längst hinsichtlich dieses Mannes genährt hatte, ward vermehrt, als sie bemerkte, wie er sich Mühe gab, die goldnen Träume ihres Vaters in Gang zu erhalten und für sich selber so viel als möglich von dem Schatze zu sichern, der so seltsamer Weise Sir Arthur zu Theil geworden war.

Andere schlimme Symptome begannen sich in rascher Aufeinanderfolge zu zeigen. Jeder Posttag brachte Briefe, welche Sir Arthur, sobald er einen Blick auf die Adresse geworfen, in's Feuer warf, ohne sich die Mühe zu nehmen, sie zu öffnen. Miß Wardour konnte nicht umhin zu argwöhnen, daß diese Briefe, deren Inhalt ihrem Vater durch eine Art Vorahnung bekannt zu sein schien, von drängenden Gläubigern kamen. Inzwischen schwand die momentane Hilfe, die ihm der Schatz geliehen hatte, fast gänzlich hin. Aber den bei weitem größten Theil hatte die nothwendige Zahlung des Wechsels von sechshundert Pfund weggenommen, welcher Sir Arthur mit sofortiger Bedrängniß bedroht hatte. Vom Reste erhielt einen Theil der Adept, ein anderer wurde mit unnützen Ausgaben verschwendet, zu denen sich der arme Ritter bei seinen lachenden Hoffnungen völlig berechtigt glaubte; und ein dritter diente dazu, für einige Zeit solchen Gläubigern den Mund zu stopfen, welche, schöner Verheißungen müde, mit Harpagon die Meinung zu theilen begannen, man müsse etwas Reelles in die Hände bekommen. Endlich verkündigten die Umstände nur zu deutlich, daß bereits binnen wenigen Tagen nach der Entdeckung Alles ausgegeben war; aber auf neuen Zuschuß zeigte sich keine Aussicht. Sir Arthur, natürlich ungeduldig, machte Dousterswiveln auf's Neue Vorwürfe, daß er jene Versprechungen nicht erfülle, durch welche er alles Blei in Gold zu verwandeln gehofft hatte. Aber dieses würdigen Gentlemans Plan war schon in's Reine. Da er höflich genug war, den Untergang eines Hauses nicht mit ansehn zu wollen, welches er untergraben hatte, so gab er sich die Mühe, Sir Arthur mit einigen gelehrten Kunstausdrücken zu versorgen, damit sich derselbe wenigstens nicht vor der Zeit quälen möchte. Er nahm Abschied von ihm mit der Versicherung, am nächsten Morgen nach Knockwinnock zurückkehren zu wollen, und zwar mit einer Nachricht, die Sir Arthur sicherlich von allen Bekümmernissen befreien würde.

»Denn, so lang' ich mich mit dem Studium solcher Dinge beschäftigte,« sagte Mr. Hermann Dousterswivel, »kam ich dem arcanum, wie man das große Geheimniß nennt, noch nie so nahe, – der Panchresta nämlich, der Polychresta. Ich weiß jetzt so viel davon, wie Pelaso von Taranta oder Basilius – und entweder bring' ich Ihnen in wenigen Tagen die Kiste No. 3 von Mr. Mistigkoth, oder Sie sollen mich einen Schuft nennen und mich nie wieder eines Blickes würdigen.«

Dieses Versprechen gab der Adept, als er mit dem festen Entschlusse Abschied nahm, den letzten Theil seiner Voraussetzung wahr zu machen und sich nie wieder vor seinem beleidigten Patron sehen zu lassen. Sir Arthur blieb in zweifelvoller und besorgter Stimmung zurück. Die bestimmten Versicherungen des Adepten, sowie die gewichtigen Wörter Panchresta, Basilius u. s. w. wirkten einigermaßen auf sein Gemüth. Aber er war zu oft durch solches Kauderwälsch getäuscht worden, als daß es jetzt seine Zweifel gänzlich hätte beseitigen können; und daher zog er sich Abends in seine Bibliothek zurück, während er sich in dem fürchterlichen Zustande eines Menschen befand, der, über einem Abgrunde hangend und nicht im Stande, zurückzutreten, deutlich merkt, daß der Stein, auf dem er steht, sich allmählig vom übrigen Felsen losmacht und im Begriff ist, mit ihm hinabzustürzen.

Die Träume der Hoffnung schwanden, während in gleichem Verhältnisse die fieberische Angst eines bangen Vorgefühls wuchs, womit ein vornehm erzogener Mann, der einst Reichthum besaß, überdies Erbe eines alten Namens und Vater zweier vielversprechender Kinder, die Stunde kommen sah, die ihn all' des Glanzes berauben sollte, den ihm die Zeit zur Gewohnheit und zum Bedürfniß gemacht hat, während er nun in die Welt gestoßen werden soll, um mit Armuth, Habsucht und Hohn zu kämpfen. Unter diesen düstern Vorgefühlen wurde seine Stimmung, ohnehin durch die getäuschte Hoffnung angegriffen und erschöpft, auch noch mürrisch und streitsüchtig, und seine Worte und Handlungen drückten manchmal eine rücksichtslose Verzweiflung aus, wodurch Miß Wardour in außerordentliche Unruhe versetzt wurde. Wir haben bei einer frühern Gelegenheit gesehn, daß Sir Arthur ein hitziger, leidenschaftlicher Mann war; wenigstens im Verhältniß zur Schwäche seines Charakters in anderer Hinsicht; er konnte keinen Widerspruch ertragen, und wenn er bisher im Allgemeinen gutmüthig und heiter gewesen war, so war die Ursache davon wahrscheinlich nur, daß ihm sein gewöhnliches Leben selten Gelegenheit bot, seine natürliche Reizbarkeit sichtbar werden zu lassen.

Am dritten Morgen nach Dousterswivel's Abschied legte der Diener, wie gewöhnlich, die Zeitungen und angekommenen Briefe auf den Frühstückstisch. Miß Wardour nahm die erstern zur Hand, um der fortwährenden übeln Laune ihres Vaters zu entgehen, die eben erst in heftigen Unmuth ausgebrochen war, weil er das Brod zu stark geröstet fand.

»Ich merke gar wohl, wie die Sachen stehn,« sagte er endlich in Bezug auf diesen interessanten Gegenstand, – »meine Diener, die ihr Theil an meinem Glücke gehabt haben, fangen nun an zu denken, es sei in Zukunft nicht viel mehr bei mir zu gewinnen. Aber so lang' ich noch Herr dieser Schufte bin, will ich auch als Herr gelten und keine Nachlässigkeit dulden – nein, auch nicht die mindeste Abnahme von Respekt dulden, den ich zu fordern habe.«

»Ich bin bereit, sogleich Ew. Herrlichkeit Dienst zu verlassen,« sagte der Bediente, dem der Fehler zur Last gelegt wurde, »sobald Sie mir meinen Lohn auszahlen lassen.«

Sir Arthur, den dies wie der Stich einer Schlange traf, griff in die Tasche und nahm das Geld heraus, welches sie enthielt; es deckte jedoch die Forderung des Menschen nicht. – »Wie viel Geld hast du bei dir, Miß Wardour?« sagte er mit erkünstelter Ruhe, die aber nur die heftige Aufregung verhehlte.

Miß Wardour gab ihm ihre Börse; er versuchte die Banknoten, die sie enthielt, zusammenzurechnen, vermochte aber nicht damit zu Stande zu kommen. Nachdem er sich zweimal verrechnet hatte, warf er das Ganze seiner Tochter hin und sagte mit heftiger Stimme: »Bezahle den Schuft, und heiß' ihn sogleich aus dem Hause gehen!« Mit diesen Worten ging er aus dem Zimmer.

Die junge Dame und der Diener standen beide gleich erstaunt da über die Aufregung und Heftigkeit Sir Arthur's.

»Wirklich, Miß Wardour, wenn ich mich schuldig geglaubt hätte, so würd' ich nicht geantwortet haben, als mich Sir Arthur so heftig anredete. – Ich bin lang in seinem Dienste gewesen und er war immer ein freundlicher Herr, wie Sie eine freundliche Gebieterin, und ich wünschte nicht, daß Sie glaubten, ich ginge wegen eines heftigen Wortes fort. Es war freilich unrecht von mir, gegen Se. Herrlichkeit des Lohnes zu erwähnen, da er vielleicht jetzt in einiger Verlegenheit ist. Ich hätte nie geglaubt, daß ich dies Haus auf solche Weise verlassen würde.«

»Geh' hinunter, Robert,« sagte Miß Wardour – »es muß etwas vorgefallen sein, was meinen Vater mürrisch macht. Geh' hinunter, und laß Alick aufwarten, wenn er klingelt.«

Als der Diener hinausgegangen war, kam Sir Arthur zurück, als hätte er nur auf Jenes Weggehen gewartet. »Was soll das bedeuten?« rief er hastig, als er das Geld noch auf dem Tische liegen sah. »Ist er nicht gegangen? Gehorcht man weder dem Herrn noch dem Vater?«

»Er ging nur, um sich mit der Haushälterin zu berechnen, Vater, – ich dachte, es wäre nicht so eilig.«

»Es ist eilig, Miß Wardour,« unterbrach sie der Vater; – »was ich hinfort im Hause meiner Väter anordne, muß gleich, oder gar nicht geschehen.«

Darauf setzte er sich nieder und ergriff mit zitternder Hand die für ihn eingeschenkte Theetasse, die er aber sehr langsam trank, als wolle er so lang' als möglich die Nothwendigkeit umgehn, die vor ihm liegenden Briefe zu öffnen, auf die er von Zeit zu Zeit einen Blick warf, wie wenn sie ein Nest voll Nattern gewesen wären, welche jeden Augenblick lebendig werden und auf ihn losspringen könnten.

»Es wird dich freuen, zu hören,« sagte Miß Wardour, die ihn gern von den düstern Gedanken ablenken wollte, in die er vertieft schien, »es wird dich freuen, zu hören, Vater, daß Leutnant Taffril's Brigg glücklich vor Leith Anker geworfen hat. Wie ich höre, war man um seine Sicherheit besorgt. Ich bin froh, daß wir nichts davon hörten, als nachdem das schlimme Gerücht schon widerlegt war.«

»Und was geht mich Taffril und seine Brigg an?«

»Vater!« rief Miß Wardour erstaunt, denn in seiner gewöhnlichen Stimmung nahm Sir Arthur an allen Neuigkeiten des Tages und des Landes lebhaften Antheil.

»Ich sage,« wiederholte er noch lauter und heftiger, »was kümmert es mich, wer gerettet oder untergegangen ist? – Mich geht das doch wohl nichts an?«

»Ich wußte nicht, daß du beschäftigt warst, Vater; und da Mr. Taffril ein tapfrer Soldat und unser Landsmann ist, so dacht' ich, die Nachricht würde dich freuen« –

»O, ich freue mich – ich freue mich nach Kräften – und um auch dir eine Freude zu machen, sollst du auch etwas von meinen guten Neuigkeiten hören.« Er ergriff einen Brief. »Es kommt nichts darauf an, welchen ich zuerst öffne – es herrscht in allen derselbe Ton.«

Hastig brach er das Siegel, durchlief den Brief und warf ihn dann seiner Tochter hin. »Ja, größere Freude konnte ich nicht empfinden! – Dies setzt der Sache die Krone auf.«

Miß Wardour hob, in stummem Schrecken, den Brief auf. »Lies ihn – lies ihn laut!« sagte der Vater; »er kann nicht oft genug gelesen werden; er wird dich gleich auf andre gute Neuigkeiten ähnlicher Art vorbereiten.«

Sie begann mit zitternder Stimme zu lesen: – »Werther Sir.«

»Er nennt mich auch noch werth, wie du siehst – Dieser unverschämte Tintenkleckser, den ich vor einem Jahr noch nicht an meinem Bediententische geduldet hätte. Ich werde nach und nach wohl noch sein »Werther Ritter« werden.«

»Werther Sir,« begann Miß Wardour wieder; aber sich selbst unterbrechend sagte sie, »wie ich sehe ist der Inhalt unangenehm, Vater – es wird dich nur kränken, wenn ich ihn laut lese.«

»Wenn du nichts dagegen hast, daß ich erfahre, was mir erfreulich ist, Miß Wardour, so ersuche ich dich dringend, fortzufahren. Wenn es unnöthig wäre, so würde ich dich doch nicht erst bemühen.«

»Da ich,« (fuhr Miß Wardour, den Brief lesend, fort,) »von Mr. Gilbert Greenhorn, Sohn ihres verstorbenen Correspondenten und Geschäftsführers, Girnigo Greenhorn, Esq. und Sr. Majestät Sekretär, dessen Geschäfte als Schreiber im Parlamente ich mehrere Jahre hindurch besorgte, seit kurzem zum Compagnon aufgenommen worden bin, und unsre Geschäfte in Zukunft unter der Firma Greenhorn und Grinderson fortgehen werden, (welches ich Sie, der richtigen Adresse wegen, bei ihren künftigen Briefen, zu bemerken bitte,) und da ich Ihr letztes werthes Schreiben, gerichtet an meinen erwähnten Compagnon, Gilbert Greenhorn, in Folge von dessen Reise zum Wettrennen nach Lamberton, empfangen habe, so gebe ich mir hierdurch die Ehre, besagtes Schreiben ergebenst zu erwiedern« –

»Du siehst, mein Freund hat Methode, und fängt damit an, daß er die Ursachen erklärt, welche mir einen so bescheidenen und artigen Correspondenten verschaffen. Fahr' fort. Ich kann es ertragen.«

Er ließ dabei jenes bittere Lachen hören, welches vielleicht der fürchterlichste Ausdruck innerer Qual ist. Bang vor der Fortsetzung und gleichwohl den Ungehorsam scheuend, fuhr Miß Wardour fort zu lesen: »Es thut mir und meinem Compagnon Leid, daß wir mit den von Ihnen erwähnten Summen nicht länger Nachsicht haben, auch keinen Aufschub hinsichtlich der Forderungen Goldiebird's bewirken können, welches letztere um so weniger thunlich wäre, da wir im Auftrage des genannten Goldiebird's als dessen Anwalt handeln, in welcher Eigenschaft wir auch gegen Sie mit einer Aufforderung aufgetreten sind, wie Ihnen aus der Zufertigung derselben durch den Amtsboten bekannt sein muß, die Summe viertausend siebenhundert und sechsundfünfzig Pfund, fünf Schilling und sechs und ein Viertelpence betreffend, welche, wie wir erwarten, nebst Zinsen und Kosten, um fernere Unannehmlichkeiten zu umgehen, von Ihnen sofort an uns gezahlt werden wird. Zu gleicher Zeit sehe ich mich in die Nothwendigkeit versetzt, unsre eigne Rechnung in Erinnerung zu bringen, welche siebenhundert neunundsechzig Pfund, zehn Schilling und sechs Pence beträgt, und deren Berichtigung uns angenehm sein würde. Da wir indeß all' Ihre Papiere, Güter und Urkunden als Unterpfand besitzen, so sind wir bereit, Ihnen eine billige Nachsicht zu geben, nämlich bis zum nächsten Zahltage. Ich muß jedoch noch für mich selbst, wie für meinen Compagnon hinzufügen, daß unsre Instructionen von Seiten Mr. Goldiebird's dahin lauten, peremptorie und sine mora zu Werke zu gehen; ich habe daher das Vergnügen, Sie hiervon, um künftige Verlegenheiten zu vermeiden und indem wir uns selbst das Zweckdienliche vorbehalten, zu benachrichtigen. Ich bin, für mich und für meinen Compagnon, werther Sir, Ihr ganz ergebenster Gabriel Grinderson, Firma: Greenhorn und Grinderson.«

»Undankbarer Schurke!« rief Miß Wardour.

»Nun, das nicht; es ist ja Alles so die übliche Ordnung, denk' ich; eine andre Hand hätte den Schlag nicht so vollkommen führen können. Es ist Alles, wie es sein soll,« sagte der arme Baronet, während seine bebenden Lippen und rollenden Augen die erkünstelte Ruhe Lügen straften. »Aber hier ist eine Nachschrift, die ich nicht bemerkte. Nun, lies die Epistel zu Ende.«

»Ich muß noch hinzufügen, (nicht für mich, sondern nur für meinen Compagnon,) daß Mr. Greenhorn gern Ihr Silbergeschirr und Ihre Braunen, wofern diese noch fehlerfrei sind, in Rechnung nehmen will.«

»Gott verdamm' ihn!« sagte Sir Arthur, der bei diesem erniedrigenden Vorschlage alle Selbstbeherrschung verlor; »sein Großvater beschlug meines Vaters Pferde, und dieser Abkömmling eines schuftigen Grobschmieds schlägt mir vor, ihm die meinigen zu geben! Aber ich will ihm eine passende Antwort schreiben.«

Er setzte sich hin und schrieb sehr heftig; dann hielt er inne und las laut: »Mr. Gilbert Greenhorn, in Erwiederung meiner beiden letzten Briefe empfing ich ein Schreiben von einer Person, die sich Grinderson nennt und für Ihren Compagnon ausgibt. Wenn ich an Jemand schreibe, so erwarte ich nicht, von einem Stellvertreter Antwort zu erhalten. Ich dächte, ich wäre Ihrem Vater förderlich gewesen, sowie freundlich und artig gegen Sie, und daher muß ich nun staunen – Gleichwohl,« sagte er, innehaltend, »warum sollte ich darüber oder über sonst etwas staunen? Oder warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, an solch einen Schuft zu schreiben? Ich werde, denk' ich, nicht immer im Gefängniß sitzen, und diesem Kerle die Knochen zu zerbrechen, soll, sobald ich heraus bin, mein erstes Geschäft sein.«

»Im Gefängniß, Vater?« rief Miß Wardour erbleichend.

»Ja, ganz gewiß, im Gefängniß. Fragst du mich darum noch? – Ei, der schöne Brief des Mr. So und So, für sich und seinen Compagnon, scheint dir ganz entfallen zu sein, oder du hast vielleicht viertausend und so und so viel hundert Pfund nebst der gehörigen Portion von Schilling, Pence und halben Pence in Bereitschaft, um die vorbesagte Forderung, wie er's nennt, zu bezahlen.«

»Ich, Vater? – O, wenn ich die Mittel hätte! – Aber wo ist mein Bruder? – Warum kommt er nicht, da er schon so lang' in Schottland ist? Er könnte vielleicht etwas für uns thun.«

»Wer, Reginald? – Ich denke, er wird mit Mr. Gilbert Greenhorn oder einer andern achtbaren Person, zum Wettrennen nach Lamberton gegangen sein. Ich erwartete ihn in vergangener Woche; aber es kann mich nicht wundern, wenn mich meine Kinder so gut vernachlässigen, wie jede andre Person. Aber nein, dich muß ich um Verzeihung bitten, gutes Kind, du hast mich niemals gekränkt oder vernachlässigt.«

Und während er ihre Wange küßte und sie die Arme um seinen Nacken schlang, fühlte er jenen Trost, den ein Vater empfindet, wenn er sich, auch in dem bedrängtesten Zustande, überzeugt, daß er die Liebe eines Kindes besitzt.

Miß Wardour benutzte den Vortheil dieser Stimmung und bemühte sich, sein Gemüth in ruhigere Fassung zu bringen. Sie erinnerte ihn, daß er viele Freunde habe.

»Ich hatte einst viele,« sagte Sir Arthur: »aber bei einigen hab' ich den guten Willen durch meine ausschweifenden Pläne erschöpft – andere sind unfähig mir zu helfen – andere wollen nicht helfen – ja es ist Alles mit mir vorbei. Ich hoffe nur, daß sich Reginald ein Beispiel an meiner Thorheit nehmen wird.«

»Soll ich nicht nach Monkbarns schicken, Vater?« sagte die Tochter.

»Und wozu? Eine solche Summe kann er mir nicht leihen, und würd' es nicht wollen, wenn er auch könnte, denn er weiß, daß ich außerdem tief in Schulden stecke; er würde mich bloß mit kopfhängerischen Phrasen und lateinischen Brocken abspeisen.«

»Aber er ist klug und gefühlvoll; er ward zum Rechtsgelehrten erzogen, und ich bin überzeugt, daß er's mit unserm Hause immer gut meinte.«

»Ja; das glaub' ich schon – es ist gar weit mit uns gekommen, wenn die Zuneigung eines Oldbuck für einen Wardour wichtig sein kann! – Aber wenn es einmal zum Aeußersten kommt, wie es jetzt der Fall sein wird – nun, dann kann man eben so gut zu ihm schicken. – Und nun mache deinen Spaziergang, mein Kind. Ich fühle mich jetzt ruhiger, als bevor ich dir diese verfluchte Mittheilung gemacht hatte. – Du kennst nun das Aergste und kannst es täglich oder stündlich erwarten. Mache deinen Spaziergang – ich möchte gern ein Wenig allein sein.«

Sowie Miß Wardour aus dem Zimmer war, benutzte sie vor Allem die halbe Erlaubniß ihres Vaters und fertigte den Boten nach Monkbarns ab, der, wie wir bereits gesehen haben, den Alterthümler und dessen Neffen am Strande fand.

Gleichgiltig, ja fast unbewußt, wohin sie ging, führte sie der Zufall auf ihrem Spaziergange nach der sogenannten Brierybank hinab. Ein Bach, der ehemals den Schloßgraben mit Wasser versehen hatte, floß durch ein enges Thal hin und Miß Wardour's Geschmack hatte hier einen Pfad anlegen lassen, der zierlich und bequem war, ohne daß man bemerkte, er sei absichtlich angelegt und unterhalten. Er paßte sich sehr gut zu dem kleinen Thale, welches von Gebüsch und Dickicht, besonders Haselgesträuch und Nadelholz, beschattet ward, untermischt mit Brombeerstauden und ähnlichen Gewächsen. Auf diesem Pfade hatte jene Erklärung stattgefunden, welche zwischen ihr und Lovel vorfiel und von Edie Ochiltree belauscht wurde. Mit einem Herzen, welches von den Leiden ihrer Familie sanfter gestimmt wurde, erinnerte sich jetzt Miß Wardour an jedes Wort, jeden Grund, womit Lovel seine Bewerbung unterstützte. Sie mußte sich selbst gestehen, daß sie viele Ursache habe, stolz darauf zu sein, daß sie einem jungen Manne von solchen Talenten eine so heftige und uneigennützige Leidenschaft eingeflößt habe. Daß er eine Laufbahn verlassen hatte, in welcher er, wie man sagte, schnell Fortschritte machen konnte, um sich in einem so unerfreulichen Orte wie Fairport zu vergraben und einer unerwiederten Liebe nachzuhängen, dieß mochte von Andern als Schwärmerei verlacht werden; aber natürlich ward diese überspannte Zuneigung von ihr verziehen, welche der Gegenstand seiner Liebe war. Wäre er unabhängig, im Besitz eines, wenn auch noch so geringen, Vermögens gewesen, hätte er klar und unbestreitbar den Rang in der Gesellschaft darthun können, zu welchem er so sehr berechtigt schien, so hätte es jetzt in ihren Kräften gestanden, dem Vater in seiner bedrängten Lage ein Asyl in ihrem eigenen Hause zu bieten. Diese, dem abwesenden Geliebten so günstigen Gedanken drängten sich, einer nach dem andern, mit einer so deutlichen Erinnerung seiner Worte, Blicke und Bewegungen, in ihrer Seele, daß sich deutlich ergab, sie habe ihn mehr aus Pflichtgefühl, denn aus Abneigung zurückgewiesen. Isabelle sann noch wechselsweise über diesen Gegenstand und über ihres Vaters Mißgeschick nach, als ihr plötzlich, wo sich der Pfad um einen kleinen mit Gebüsch überwachsenen Hügel wand, der Blaukittel begegnete.

Mit einer Miene, als habe er etwas wichtiges und geheimnißvolles mitzutheilen, zog er seine Mütze, und nahm den vorsichtigen Schritt und die leise Stimme eines Menschen an, der nicht belauscht sein will. »Ich habe sehr gewünscht, Sie zu treffen, Mylady – denn Sie wissen, daß ich Dousterswivel's wegen nicht auf's Schloß kommen darf.«

»Ich habe wohl gehört,« sagte Miß Wardour, indem sie ihm ein Almosen in die Mütze warf, »daß du dich recht thöricht betragen hast, um nicht zu sagen schlecht, Edie, und ich bin besorgt deßhalb gewesen.«

»Ach, meine schöne Lady, thöricht? Alle Leute sind Thoren, und warum sollte der alte Edie Ochiltree allein weise sein? Und was das Schlechte betrifft, so fragen Sie nur Jeden, der mit Dousterswivel zu thun hat, ob er einen Schlag mehr bekommen hat, als er verdient.«

»Das mag wahr sein, Edie,« sagte Miß Wardour, »aber du hast dennoch Unrecht gethan.«

»Nun gut, wir wollen darüber weiter nicht streiten; in Bezug auf Sie selber wollt' ich gern etwas sprechen. Wissen Sie wohl, was dem Hause Knockwinnock droht?«

»Großes Unglück, fürcht' ich, Edie,« antwortete Miß Wardour; »aber ich staune, daß dies bereits so öffentlich ist.«

»Oeffentlich! – Fegerein, der Gerichtsbote, wird noch heute mit seiner ganzen Genossenschaft hier sein. Ich weiß es von einem seiner Collegen, wie man sie nennt, welcher Auftrag bekommen hat, sich zu ihm zu gesellen. Und sie werden bald Hand an's Werk legen – wo sie scheren, braucht man keinen Kamm mehr, sie schneiden kahl ab.«

»Weißt du gewiß, Edie, daß diese schlimme Stunde so nah ist? – ach, daß sie kommen wird, weiß ich.«

»Genau, wie ich sagte, Lady! aber sein Sie nicht niedergeschlagen – noch ist hier so gut ein Himmel über Ihrem Haupte, als in der schrecklichen Nacht zwischen Ballyburghneß und dem Halketfelsen. Meinen Sie, Er, der den Wassern gebot, könne Sie nicht vor dem Zorne der Menschen schützen, wären sie auch mit weltlicher Macht gerüstet?«

»Wir dürfen allerdings Alle auf ihn hoffen.«

»Wissen Sie nicht, wissen Sie denn nicht: – wenn die Nacht am schwärzesten, ist das Morgenroth am nächsten? Hätt' ich ein gutes Pferd, oder könnt' ich es reiten, wenn ich's hätte, so wüßt' ich wohl noch Hilfe zu finden. Ich hoffte ein Stück mit der Postkutsche fortzukommen, aber sie ist dort drüben umgeworfen. Auf dem Bocke war ein junger Herr, der durchaus fahren wollte, und Tam Sang, der mehr Verstand haben sollte, ließ es ihm auch zu; aber der einfältige Herr konnte der Ecke auf der Brücke nicht ausweichen, und sieh da? er fuhr gegen den Eckstein und warf um, wie ich eine leere Flasche umwerfe. Es war ein Glück, daß ich noch nicht darauf saß. So bin ich nun zwischen Hoffen und Bangen hieher gelaufen, um zu sehn, ob Sie mich schicken wollen.«

»Und, Edie – wohin wolltest du gehn?« sagte die junge Dame.

»Nach Tannonburgh, Mylady,« (dies war die erste Station von Fairport aus, aber näher nach Knockwinnock zu gelegen,) »und zwar ohne Verzug – es ist Alles Ihrer selbst willen.«

»Unsertwillen, Edie? Ach! ich habe alles Zutrauen zu deinem guten Willen – aber« –

»Nur keine Aber, Miß Wardour, denn gehen muß ich,« sagte der beharrliche Blaukittel.

»Aber wozu willst du nach Tannonburgh gehn? – oder was kann dein Gehen meinem Vater nützen?«

»Wirklich, meine süße Lady,« sagte der Bettelmann, »Sie müssen schon einmal das Geheimniß Edie's altem grauen Kopfe überlassen und nicht weiter darnach fragen – Wenn ich in jener Nacht mein Leben für Sie wagte, so hab' ich doch gewiß keinen Grund, Ihnen heute, am Tage der Trübsal, einen bösen Streich zu spielen.«

»Gut, Edie, so folge mir,« sagte Miß Wardour; »ich will versuchen, dich nach Tannonburgh zu senden.«

»Dann machen Sie schnell, meine hübsche Miß Wardour, schnell, um's Himmels willen!« – und so fuhr er fort, sie zur Eile zu ermahnen, bis sie das Schloß erreichten.


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