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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

So gieng es meinem Vater schon;
Doch mir wird's schlimmer sein.
In's Elend folgte ihm sein Sohn;
Ich bin verbannt allein.

Waller.

 

Ich unternehme es nicht, die Mischung von Zorn und Reue zu beschreiben, womit Ravenswood den Sitz seiner Vorfahren verließ. Der Ton, in welchem das Billet der Lady Ashton gehalten war, machte es ihm unmöglich, wenn er seinen Stolz, von dem er vielleicht zu viel hatte, nicht entsagen wollte, einen Augenblick länger in dem Schlosse zu verweilen. Der Marquis, den die Beleidigung zum Theil mitbetraf, war nichts desto weniger geneigt, eine Versöhnung zu versuchen. Er ließ daher seinen Verwandten allein abreisen, nachdem ihm derselbe versprochen hatte, in der kleinen Schenke zum Fuchsbau, die, wie sich der Leser erinnert, zwischen Ravenswood Castle und Wolf's Crag, in einer Entfernung von etwa fünf schottischen Meilen von den beiden Orten lag, auf ihn warten zu wollen. Hier wollte der Marquis mit dem Herrn von Ravenswood diese Nacht oder den nächsten Morgen Zusammentreffen. Seinen eigenen Gefühlen nach würde er das Schloß sogleich verlassen haben; aber er wollte, wenigstens nicht ohne einen Versuch, die Vortheile nicht verscherzen, die er sich von einem Besuch bei dem Lord Keeper versprochen hatte, und der Herr von Ravenswood war selbst in der größten Hitze seines Zorns nicht geneigt, sich einer Versöhnung zu widersetzen, die das Wohlwollen Sir William Ashtons gegen ihn und die Vermittlung seines edlen Verwandten nicht unmöglich machte. Er selbst reiste ab ohne sich einen Augenblick länger zu verweilen, als es diese Verabredung nöthig machte.

Er spornte zuerst sein Pferd zu einem scharfen Lauf durch eine Allee des Parks, als wenn er durch diese heftige Bewegung die Gefühle hätte betäuben wollen, die sein Inneres durchstürmten. Doch als der Weg wilder und einsamer wurde, und als die Bäume die Thürme des Schlosses versteckt hatten, minderte er nach und nach seine Eile, als wollte er sich den peinlichen Gedanken, die er vergebens zu bekämpfen sich bestrebt hatte, überlassen. Der Pfad, auf dem er sich befand, führte zum Nixenbrunnen und zu Alicens Hütte, und der verhängnißvolle Einfluß, den der Aberglaube jenem Orte zuschrieb, sowie die Warnungen, die Alice vergebens an ihn gerichtet hatte, drängten sich seiner Erinnerung auf. »Alte Sagen sprechen Wahrheit,« sagte er zu sich selbst; »der Nixenbrunnen ist in der That von der letzten Unbesonnenheit des Erben von Ravenswood Zeuge gewesen – Alice hat wohl gesprochen,« fuhr er fort, »und ich bin in der Lage, die sie voraussagte – oder vielmehr in einer noch schmachvolleren – nicht der Genosse und Freund des Verwüsters von meines Vaters Haus, wie die alte Sibylle sagte, sondern der erniedrigte Tropf, der nach einem so niedrigen Verhältniß gestrebt hat, und mit Hohn abgewiesen worden ist.«

Wir sind verpflichtet, unsere Erzählung so zu geben, wie wir sie empfangen haben, und wenn wir die Entlegenheit der Zeit erwägen und den Wunderglauben derer, durch deren Mund diese Erzählung gegangen ist, so könnte man dieselbe keine schottische Geschichte nennen, wenn nicht ein Anstrich von schottischem Aberglauben daran bemerklich wäre. Als sich Ravenswood der einsamen Quelle näherte, soll ihm folgendes Abenteuer begegnet sein. Sein Pferd, das langsam vorwärts schritt, blieb plötzlich stehen, schnaubte, bäumte sich, und obgleich gespornt, wollte nicht vorwärts gehen, als wenn es einen plötzlichen Gegenstand des Schreckens gewahrte. Bei einem Blick nach dem Brunnen entdeckte Ravenswood eine weibliche Gestalt in weißer Kleidung, die auf dem nämlichen Platze saß, wo Lucie Ashton gesessen hatte, während sie auf die Liebeserklärung hörte. Sein alsbaldiger Gedanke war, daß sie den Weg, worauf er das Schloß verlassen würde, glücklich errathen hätte, und sie zu diesem bekannten und geheimen Plätzchen gekommen wäre, um eine Abschiedsunterredung, wo sie sich ihren Schmerz gegenseitig ausdrücken könnten, mit ihm zu haben. In diesem Glauben sprang er vom Pferde, und nachdem er den Zügel desselben an einen Baum befestigt hatte, ging er nach der Quelle, indem er mit Lebhaftigkeit, doch mit beklommenem Athem die Worte sprach: »Miß Ashton! – Lucie!«

Die Gestalt wandte sich um, als er sie anredete, und zeigte seinem erstaunten Blick nicht das Gesicht von Lucie Ashton, sondern das der alten, blinden Alice. Der sonderbare Anzug, der eher einem Leichengewande, als der Kleidung eines lebenden Weibes glich, das Ansehen ihrer Gestalt, die ihm größer vorkam, als er sie sonst gesehen hatte, vor allem der Umstand, ein blindes und altersschwaches Weib allein und fern (ja sehr fern, wenn man die Gebrechen desselben erwägt,) von seiner Hütte zu finden, erfüllte ihn mit Staunen und fast mit Schrecken. Als er sich näherte, erhob sie sich langsam von ihrem Sitze, hob ihre verschrumpfte Hand auf, als wollte sie ihn verhindern, näher zu kommen, und ihre welken Lippen bewegten sich lebhaft, obwohl kein Laut von ihnen erschallte. Ravenswood stand still, und als er sich nach einer kurzen Pause wieder gegen sie bewegte, ging Alice oder ihr Ebenbild nach dem Dickicht, indem sie ihr Gesicht ihm immer zugekehrt hielt. Die Bäume versteckten sie bald gänzlich, und der Herr von Ravenswood, der zu glauben begann, daß das Wesen, welches er gesehen habe, dieser Welt nicht angehöre, blieb wie eingewurzelt auf dem Platze stehen, wo er gestanden hatte, als ihm die Gestalt verschwand. Endlich, nachdem er seinen Muth zusammengenommen hatte, ging er nach der Stelle, wo die Gestalt gesessen hatte, aber er fand weder zerdrücktes Gras, noch andere Spuren, wodurch er hätte veranlaßt werden können, das, was er gesehen hatte, für wirklich und körperlich zu halten.

Voll von jenen sonderbaren Vorstellungen und verworrenen Gefühlen, die in der Brust eines Mannes erwachen, der eine übernatürliche Erscheinung gehabt zu haben glaubt, ging der Herr von Ravenswood nach seinem Pferde zurück, indem er jedoch häufig zurücksah, als wenn er besorgte, die Gestalt möchte wieder erscheinen. Aber die Erscheinung, war sie eine übernatürliche oder eine eingebildete, kehrte nicht wieder, und er fand sein Pferd schwitzend und bebend, als wenn es von dem Schrecken erfüllt wäre, womit übernatürliche Erscheinungen, wie man glaubt, die Thiere ängstigen. Ravenswood stieg auf und ritt langsam vorwärts, indem er von Zeit zu Zeit sein Pferd streichelte, während dasselbe innerlich zu zittern und zu beben schien, als wenn es bei jeder lichten Stelle einen neuen Gegenstand des Schreckens zu erblicken fürchtete. Nach einiger Ueberlegung entschloß sich der Reiter, die Sache weiter zu untersuchen. »Können mich meine Augen getäuscht haben,« sagte er, »und mich eine so lange Weile getäuscht haben? – Oder sind die Gebrechen dieses Weibes erlogen, um Mitleid zu erregen? – Aber dann, ihre Bewegung glich nicht der einer lebenden Person. Muß ich der Volksmeinung glauben, daß dies unglückliche Geschöpf einen Bund mit den Mächten der Finsterniß geschlossen hat? – Ich will darüber Aufschluß haben. – Selbst meine eigenen Augen sollen mich nicht täuschen.«

In dieser Ungewißheit ritt er nach dem kleinen Thürchen von Alicens Garten. Ihr Sitz unter der Hängbirke war leer, obgleich der Tag schön war, und die Sonne hoch stand. Er nahte sich der Hütte, und hörte darin das Stöhnen und Klagen eines Weibes. Man antwortete ihm nicht, als er anklopfte, so daß er nach einer kurzen Pause die Thüre öffnete, und in die Hütte trat. Es war in der That ein Haus der Einsamkeit und des Schmerzens. Auf einem elenden Bette lag der Leichnam der letzten Dienerin des Hauses von Ravenswood, der es vergönnt war, auf dem Stammgute dieser Familie zu bleiben. Das Leben hatte sie erst kürzlich verlassen und das kleine Mädchen, das sie in den letzten Augenblicken bedient hatte, rang die Hände und stöhnte vor Furcht und Schmerz über dem Leichnam seiner Herrin.

Der Herr von Ravenswood hatte einige Mühe, den Schrecken des armen Kindes zu besänftigen, das seine unerwartete Erscheinung zuerst mehr erschreckt, als ermuthigt hatte, und als ihm dies gelungen war, so war das erste, was das Mädchen äußerte, daß er zu spät gekommen wäre. Als er sich darnach erkundigte, wie er das verstehen solle, erfuhr er, daß die Verstorbene bei ihrem ersten Todeskampf einen Bauer nach dem Schlosse gesandt habe, um den Herrn von Ravenswood um eine Unterredung zu bitten, und daß sie die Rückkehr des Boten mit der größten Ungeduld erwartet habe. Aber die Boten des Armen sind langsam und nachlässig; der Kerl erreichte das Schloß, wie man später erfuhr, als Ravenswood es bereits verlassen hatte, und er fand dann zu viel Vergnügen bei der fremden Dienerschaft, als daß er sich beeilt hätte, nach Alicens Hütte zurückzukehren. Unterdessen schien ihre Seelenangst mit dem Todeskampf ihres Leibes zu wachsen, und die Worte von Babie, ihrer einzigen Wärterin, anzuführen: »sie betete inbrünstig, daß sie den Sohn ihres Herrn noch einmal sehen, und ihm die Warnung wiederholen möchte. Sie starb gerade, als die Glocke in dem fernen Dorfe Eins schlug«, und Ravenswood gedachte mit innerem Schauder, daß er den Ton der Glocke im Walde gehört, und daß er kurz darauf das gesehen habe, was er nun als das Gespenst der Verstorbenen zu betrachten geneigt war.

Sowohl die Achtung, die er der Verstorbenen schenkte, als auch das Menschengefühl, womit er die bestürzte Dienerin derselben betrachtete, machten es nöthig, daß er einige Maßregeln ergriff, um das Mädchen aus ihrer ängstlichen Lage zu ziehen. Die Verstorbene hatte, wie er vernahm, den Wunsch geäußert, auf einem abgelegenen Kirchhofe begraben zu werden, der in der Nähe der kleinen Schenke zum Fuchsbau lag, die Einsiedelei genannt wurde, und die Gräber von einigen Gliedern der Familie Ravenswood und von vielen ihrer Diener enthielt. Ravenswood hielt es für Pflicht, diesen Wunsch, der unter dem schottischen Bauernstande so häufig vorkommt, zu erfüllen, und er sandte Babie nach dem benachbarten Dorfe, um einige Weiber zum Beistand zu rufen, indem er ihr versprach, daß er selbst in der Zwischenzeit bei dem Leichnam bleiben wolle, den ohne Wache zu lassen man, wie im alten Thessalien, für höchst unanständig hält.

Eine Viertelstunde oder etwas darüber saß er also allein als Wächter bei der Leiche derjenigen, deren abgeschiedener Geist, wofern ihn seine Augen nicht wunderlich getäuscht hatten, ihm vor ganz kurzer Zeit erschienen war. Trotz seines angebornen Muthes war Ravenswood durch so viele außerordentliche Ereignisse sehr ergriffen. »Sie starb,« dachte er, »indem sie ihre Sehnsucht ausdrückte, mich zu sehen. Ist es nun möglich, daß heiße Wünsche, die man im letzten Kampfe hat, diesen Kampf überleben, die furchtbaren Gesetze der Geisterwelt überschreiten, und uns einen Abgeschiedenen in der Gestalt eines Lebendigen zeigen? – Und wie kommt es, daß sich das, was sich dem Auge zeigte, dem Ohre nicht zu offenbaren vermochte? – und warum diese Ausnahme im Gesetze der Natur, wenn die Absicht davon unbekannt bleibt? Vergebliche Fragen, die nur der Tod, wenn er mich dieser blassen und welken Gestalt gleich gemacht haben wird, auflösen wird.«

Er legte, während er sprach, ein Tuch auf das leblose Gesicht, dessen Züge er nicht länger betrachten wollte. Darauf setzte er sich auf einen alten Stuhl von Eichenholz, der mit seinem Wappen verziert war, und den sich Alice zugeeignet hatte, als Gläubiger, Beamten, Hausgesinde und Gerichtsdiener das von seinem Vater verlassene Schloß Ravenswood plünderten. In dieser Lage verbannte er so viel wie möglich die abergläubischen Gedanken, die ihm der letzte Vorfall natürlich eingeflößt hatte. Seine Vorstellungen waren ohne den Zusatz übernatürlichen Schreckens düster genug, da er sich aus einem glücklichen Liebhaber von Lucie Ashton und aus einem geehrten und geachteten Freund ihres Vaters in einen traurigen und einsamen Wächter bei dem Leichnam einer armen Verlassenen verwandelt sah.

Er wurde jedoch früher seines traurigen Amtes überhoben, als er vernünftiger Weise hätte erwarten können, wenn er die Entfernung der Hütte von dem Dorf und das Alter und die Gebrechen dreier alter Weiber, die von dort kamen, um die Wache bei der Leiche abzulösen, in Erwägung zog. Bei jeder anderen Gelegenheit würde die Eile dieser ehrwürdigen Sibyllen weit mäßiger gewesen sein, denn die erste war über achtzig Jahre alt, die zweite war gliederlahm, und die dritte hatte ein hinkendes Bein. Aber die Pflichten, die man einem Verstorbenen erzeigt, gelten bei dem schottischen Landvolk beider Geschlechter für Liebesdienst. Ich weiß es nicht, ob es in dem Charakter des Volkes liege, der ernst und schwärmerisch ist, oder ob es ein Rest des alten Katholicismus sei, wenn die Leichenfeierlichkeiten immer als eine Festlichkeit für die Lebendigen betrachtet werden, doch Schmäuse und sogar Zechgelage waren und sind die gewöhnliche Begleitung altschottischer Begräbnisse. Was der Leichenschmaus oder dirgie, wie er genannt wird, für die Männer war, das war die Einsargung der Leiche für die Weiber. Den Leichnam auf einem zu diesem Behufe eigens bestimmten Tische auszustrecken, und ihn dann in reine Leinwand und in das wollene Todtengewand zu hüllen, das waren Geschäfte, die man immer den alten Weibern des Dorfes überließ, und die denselben ein sonderbares und schauriges Vergnügen machte.

Die alten Weiber grüßten Ravenswood mit einem widerlichen Lachen, das ihn an die Begegnung zwischen Macbeth und den Hexen auf der dürren Haide von Forres erinnerte. Er gab ihnen etwas Geld, und empfahl ihnen die Sorge des Leichnams, wozu sie sich willig schickten, indem sie ihm zu gleicher Zeit andeuteten, daß er die Hütte zu verlassen habe, damit sie ihr trauriges Geschäft beginnen konnten. Ravenswood war bereit gleich zu gehen, und er hielt sich nur so lange auf, um ihnen die schuldige Aufmerksamkeit für den Leichnam zu empfehlen, und sich zu erkundigen, wo er den Küster finden könne, der den Kirchhof der Einsiedelei besorge, woselbst sich die alte Alice ihre Ruhestätte ausersehen hatte.

»Das wird Euch ein Leichtes sein, den Johnie Mortsheugh zu finden,« sagte die ältere Sibylle, und immer noch zuckte auf ihrer welken Wange ein gräßliches Lachen, »er wohnt dicht beim Fuchsbau, einem Wirthshaus, wo schon manche Lustbarkeit vor sich ging – denn der Tod und der Trinkkrug sind gute Nachbarn zusammen.«

»Ja, das muß sein, Gevatterin,« sagte die hinkende Hexe, indem sie sich auf eine Krücke stützte, welche der Kürze ihres linken Beins zu Hülfe kam, »denn mir gedenkts, als der Vater von dem Herrn von Ravenswood, der da vor uns steht, den jungen Blackhall mit einem Jagdmesser erstach wegen eines Worts, das beim Wein oder Branntwein oder was sonst gesprochen worden war. – Er ging hinein flink wie eine Lerche, und er kam heraus die Füße voran. Ich war dabei, als man seine Leiche einkleidete, und als das Blut abgewaschen war, war er ein recht hübsches Mannsbild.«

Man kann es leicht glauben, daß diese unzeitige Anekdote die Eile Ravenswoods spornte, eine so unheimliche und widrige Gesellschaft zu verlassen. Doch während er nach dem Baum ging, wo sein Pferd angebunden war, und während er den Sattelgurt in Ordnung brachte, konnte er es nicht verhüten, durch die Hecke des Gärtchens ein ihn betreffendes Gespräch zwischen dem hinkenden und dem achtzigjährigen Weibe anzuhören. Das Paar war in den Garten gehumpelt, um Rosmarin, Stabwurz, Raute und andere Pflanzen zu sammeln, die man auf den Leichnam streuen, oder zur Räucherung in dem Kamin der Hütte verbrennen wollte. Das gliederlahme Weib, das vom Wege fast erschöpft war, war als Wache bei der Leiche zurückgelassen worden, damit Hexen und Dämone nicht ihr Spiel mit ihr trieben.

Das folgende leise und heisere Gespräch wurde von dem Herrn von Ravenswood natürlich abgehört.

»Das ist ein frischer und ausgewachsener Schierlingstiel, Annie Winnie – manche Gevatterin hätte sich keinen besseren Gaul gewünscht, um hoch über Berg und Hügel, durch Nebel und Mondschein zu fliegen, und im Keller vom König von Frankreich abzusteigen.«

»Ja, Gevatterin! aber der Teufel selbst ist heute so hartherzig, wie der Lord Keeper, und die Großen haben Herzen von Stein. Sie zwicken uns, sie stechen uns und sie foltern uns als Hexen, und wenn ich zehnmal mein Gebet rückwärts bete, so will mich doch der Satan nicht von ihnen erlösen.«

»Habt Ihr den bösen Feind gesehen?« fragte die Nachbarin.

»Das nicht,« versetzte die andere, »aber ich weiß, daß ich oft von ihm geträumt habe, und ich denke, daß sie mich dafür einmal verbrennen werden. – Doch aus dem Kopf damit, Gevatterin! wir haben einen Thaler von dem Herrn von Ravenswood, und wir wollen dafür Brod und Bier und Tabak und Branntwein zu verbrennen und ein wenig Zucker holen lassen – und mag der Teufel dabei sein, oder nicht, Mensch, so wollen wir doch eine lustige Nacht zusammen haben.«

Hierbei ließen ihre ledernen Kinnbacken ein langes, garstiges Lachen erschallen, das gewissermaßen dem Schrei einer Nachteule glich.

»Es ist ein freier Mann und ein freigebiger Mann, der Herr von Ravenswood,« sagte Annie Winnie, »und ein hübsches Mannsbild – breit von Brust und schmal von Hüften – das müßte ein schöner Leichnam sein – ich wollte, daß ich ihn zu strecken und einzuwickeln hätte.«

»Es steht ihm an der Stirne, Annie Winnie,« sagte ihre achtzigjährige Gesellschafterin, »daß weder Manns- nach Weibshand ihn strecken wird – er wird nie auf Tannenholz liegen – Ihr könnt Euch das bemerken, denn ich hab's von guter Hand.«

»So wird er auf dem Schlachtfeld sterben, Ailsie Gourlay? – Wird er durch ein Schwert oder durch eine Kugel fallen, wie viele seiner Vorfahren vor ihm gefallen sind?«

»Fragt mich nicht weiter darüber – so gut wird's ihm nicht gehen,« antwortete die weise Frau.

»Ich weiß, Ihr versteht mehr als Andere, Ailsie Gourlay. – Doch wie könnt Ihr das sagen?«

»Macht Euch kein böses Geblüt darüber, Annie Winnie« antwortete die Sibylle, »ich hab' es von einer guten Hand.«

»Und doch sagt Ihr, Ihr hättet den bösen Feind nie gesehen,« versetzte ihre Gefährtin.

»Ich hab's von guter Hand,« sagte Ailsie, »und von denen, die sein Schicksal verkündigt haben, ehe ein Hemd über seinen Kopf gekommen ist.«

»Horcht! ich höre den Hufschlag seines Pferdes,« sagte die Andere, »das lautet nicht, als wenn Glück dabei sei.«

»Macht hurtig, Weiber!« schrie die gliederlahme Alte aus der Hütte, »laßt uns das Nothwendige thun und sagen, denn wenn der todte Körper nicht gestreckt wird, so wird er sich winden und drehen, und das wird uns alle ängstigen.«

Ravenswood konnte dies nicht mehr hören. Er verachtete die meisten der gewöhnlichen Vorurtheile von Zauberei, Vorbedeutungen und Weissagungen, an welchen sein Volk und Zeitalter noch so sehr hing, daß der geringste Zweifel daran für ein eben so großes Verbrechen gehalten wurde, als der Unglaube der Juden und Saracenen. Er wußte es auch, daß der herrschende Hexenglaube durch den Einfluß, den er auf die Gemüther alter, schwacher und armer Personen hatte, unter Todesfurcht und den fürchterlichsten Qualen einer grausamen Folter oft die Geständnisse erpreßt hatte, welche die Criminalacten von Schottland während des siebenzehnten Jahrhunderts anfüllen und schänden. Doch die Erscheinung am Vormittage, war sie eine wirkliche oder eine eingebildete, hatte sein Inneres mit abergläubischen Gefühlen erfüllt, die er vergebens zu verscheuchen suchte. Das Geschäft, das er bei dem kleinen Wirthshause zum Fuchsbau, wo er bald ankam, zu verrichten hatte, war nicht von der Art, seinen Geist zu zerstreuen.

Es war nothwendig, daß er Mortsheugh, den Küster des alten Kirchhofs bei der Einsiedelei, besuchte, um Alicens Begräbniß zu bestellen, und da der Mann nahe bei dem Kirchhof wohnte, so ging Ravenswood, nachdem er eine Erfrischung genommen hatte, dem Orte zu, wo Alice beigesetzt werden sollte. Er war in einem Winkel gelegen, den ein Arm des aus den benachbarten Hügeln hervorstürzenden Stromes bildete. Eine rohe Höhle in dem nahen Felsen, die im Innern die Gestalt eines Kreuzes hatte, war die Einsiedelei, wo irgend ein sächsischer Heiliger in alten Zeiten Buße gethan, und dem Orte den Namen gegeben hatte. Die reiche Abtei von Coldinghann hatte später eine Kapelle in der Nachbarschaft errichtet, von der keine Spur mehr sichtbar war, obgleich der Kirchhof, der sie umgeben hatte, immer noch wie bei der jetzigen Gelegenheit Privatpersonen zum Begräbnißplatze diente. Einige alte Eibenbäume wuchsen noch innerhalb der Mauern des einst heiligen Bodens. Krieger und Barone waren vor Alters hier begraben worden, aber ihre Namen waren vergessen, und ihre Denkmale zerfallen. Die einzigen Grabmale, die noch blieben, waren die aufrechtstehenden Gedächtnißsteine von Personen niedrigen Standes. Die Wohnung des Küsters bestand aus einer einzigen Hütte, die sich an die zerfallene Kirchhofsmauer lehnte und so niedrig war, daß sie mit ihrem Dache, das fast bis zur Erde reichte, und dicht mit Gras und Hauslauch bedeckt war, einem überwachsenen Grabe glich. Auf seine Erkundigung jedoch erfuhr Ravenswood, daß der Mann der letzten Schaufel auf eine Hochzeit gegangen sei, denn er diente den Nachbarn als Geiger und als Todtengräber. Er kehrte darum nach der kleinen Schenke zurück, nachdem er den Auftrag hinterlassen hatte, daß er den nächsten Morgen frühe wieder nach dem Manne fragen würde, dessen doppeltes Handwerk ihn mit dem Hause der Trauer und der Freude verband.

Ein Vorreiter des Marquis kam bald darauf im Fuchsbau an mit der Meldung, daß sein Herr den Herrn von Ravenswood den folgenden Morgen in dieser Schenke treffen wolle, und Ravenswood, der sich sonst nach seiner alten Wohnung zu Wolf's Crag zurückgezogen haben würde, blieb folglich an dem Orte, der für das Zusammentreffen bezeichnet war.

 


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