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Als der Brückenkopf erobert war, sandte der schwarze Ritter diese Nachricht an Locksley und ließ ihn gleichzeitig auffordern, das Schloß scharf im Auge zu behalten, daß sich die Verteidiger nicht etwa zu einem Ausfall vereinigen könnten, um das Außenwerk wieder an sich zu reißen. Der schwarze Ritter war darum so sehr bedacht darauf, dies zu verhindern, weil er sehr wohl wußte, daß die Mannschaft, die er anführte, zwar aus tapferen, aber unkundigen, ungeübten und schlecht bewaffneten Männern bestand, die bei einem heftigen Angriff der erprobten Normannen im Nachteil sein mußten. Der Ritter machte sich die kurze Waffenruhe zunutze und ließ ein Floß bauen, mit dem er und die Seinen trotz dem Widerstand des Feindes über den Graben setzen wollten. Die Anführer waren es zufrieden, daß dies geraume Zeit in Anspruch nahm, da inzwischen Ulrika Zeit gewinnen konnte, zu ihren Gunsten den Plan auszuführen, den Cedric mitgeteilt hatte. Als aber das Floß fertig war, sagte der schwarze Ritter:
»Es ist nicht ratsam, länger zu warten. Die Sonne sinkt, und meine Zeit erlaubt mir nicht, noch einen Tag länger hier zu verweilen. Es wäre auch ein Wunder, wenn uns die Räuber nicht von York her überfielen, sobald wir unser Unternehmen nicht zu schleunigem Ende führen. Locksley soll also einen Pfeilregen nach der andern Seite des Schlosse schicken und einen Scheinangriff dorthin unternehmen, und ihr, treue englische Herzen, steht zu mir, schafft das Floß in den Graben und folgt mir! Wir wollen uns den Zugang zum Hauptwall des Schlosses erzwingen. Wer unter euch nicht das Herz hat, daran teilzunehmen oder zu schlecht bewaffnet ist, der soll aufs Außenwerk steigen und dort den Bogen spannen und alles niederschießen, was sich auf den Wällen zeigt. Edler Cedric, wollt Ihr die Führung der Zurückgebliebenen übernehmen?«
»Nein, gewiß nicht!« versetzte der Sachse. »Ich verstehe das Anführen nicht, aber die Nachwelt soll mir noch im Grabe fluchen, wenn ich Euch nicht in den vordersten Reihen folge. Mich vor allen geht dieser Kampf an, und mir geziemt es, da zu sein, wo die Schlacht am heftigsten tobt.«
»Bedenkt, edler Sachse,« erwiderte der Ritter, »Ihr habt weder Brustharnisch, noch Kopfpanzer und nur den leichten Helm da und Schwert und Schild!«
»Um so leichter werde ich die Mauern erklettern können,« versetzte Cedric, »und vergebt mir die Prahlerei, Herr Ritter, aber Ihr sollt heute sehen, daß der Sachse mit nackter Brust ebenso kühn dem Sturme entgegengeht als der Normann mit seinem Panzer.«
»Denn also los in Gottes Namen!« rief der schwarze Ritter. »Stoßt die Tür auf und laßt die schwimmende Brücke nieder.«
Das Floß lag nun auf dem Wasser, den ganzen Raum zwischen dem Außenwerk und dem Schloß füllend. Es bot einen gefährlichen schlüpfrigen Übergang für zwei Mann nebeneinander. Der schwarze Ritter kannte den Vorteil, den ein rascher Überfall auf den Feind verschafft, und er stürzte über die Brücke, Cedric ihm zur Seite. Sie erreichten glücklich das Tor, das der Ritter sofort mit seiner Streitaxt zu bearbeiten begann. Aber zwei von den Nachstürmenden wurden auf der Stelle von Bolzen niedergestreckt, und zwei fielen in den Graben, die anderen zogen sich nach dem Außenwerk zurück. Der schwarze Ritter und Cedric waren nun in großer Gefahr. Zum Glück für sie schossen die Schützen auf den Brückenkopf unausgesetzt ihre Pfeile und nötigten so den Feind, die Verteidigung zu verteilen, so daß der Hagel von Schleudersteinen, der sie sonst überschüttet hätte, zu einem großen Teile von ihnen abgelenkt wurde. In diesem Augenblick wurden die Belagerer die rote Fahne gewahr, die von der Spitze des Turmes wehte, wie es Ulrika dem Sachsen versprochen hatte. Der wackere Yeoman Locksley war der erste, der sie entdeckte.
»Heiliger Georg!« rief er. »Heiliger Georg für England! – Greift zu, tapfere Yeomen! Heran, heran! Warum laßt ihr den guten Ritter und den edlen Cedric allein? Los toller Priester! zeige, daß du für deinen Rosenkranz streiten kannst! – Drauf und dran, Yeomen! – Das Schloß ist unser, wir haben Bundesgenossen darin! Seht, die Fahne dort ist das verabredete Zeichen. – Torquilstone ist unser! – Denkt, was für eine Ehre! Denkt, was für reiche Beute! – Nur noch ein letzter Kampf und das Schloß ist unser!« Mit diesen Rufen spannte er seinen braven Bogen und schoß einen Krieger mitten durch die Brust, der eben mit mehreren andern unter de Bracys Führung bemüht war, ein Stück Mauerwerk von der Zinne loszubrechen, um es dem Ritter und Cedric auf den Kopf zu stürzen. Ein zweiter Krieger nahm dem Sterbenden das Brecheisen aus der Hand und fuhr fort, das Gestein loszuschlagen. Ein zweiter Pfeil traf ihn, daß er tot in den Graben stürzte. Da wichen die andern zurück.
»Feige Buben!« rief de Bracy. »Mont joye Saint Denis! Mir das Brecheisen!« Er griff es und wütete von neuem gegen das Mauerstück, das wuchtig genug war, die beiden zu zermalmen und die schwimmende Brücke zu zertrümmern, auf der sie standen. Alle sahen die Gefahr, aber selbst die kühnsten, wie der mannhafte Mönch, wagten sich nicht auf die Brücke. Dreimal zielte Locksley auf de Bracy und dreimal sprang der Pfeil von der trefflichen Rüstung des Ritters ab. »Verflucht sei dein spanisches Panzerhemd!« rief Locksley. »Hätte es ein englischer Schmied gemacht, so wären diese Pfeile hindurch gegangen wie durch Seide oder Linnen.« Dann schrie er laut: »Kameraden, edler Cedric, tretet zurück und laßt die Trümmer herabfallen!«
Aber seine Warnung blieb ungehört, der Lärm, den der Ritter mit seinen Schlägen gegen das Tor machte, und die Klänge von zwanzig Kriegstrompeten übertönten sie. Der treue Gurth sprang auf das Floß, um Cedric zu warnen oder mit ihm zu sterben. Aber auch er wäre zu spät gekommen, denn schon bebte der gewaltige Block, und de Bracys Arbeit war fast ganz getan, da schlug die Stimme des Templers an sein Ohr: »Alles ist verloren, de Bracy, das Schloß brennt!«
»Seid Ihr von Sinnen?«
»Am Westende steht alles in hellen Flammen! Es ist unmöglich zu löschen!« In dem kalten finstern Tone, der eine Charaktereigentümlichkeit Brian de Bois-Guilberts war, wurde diese entsetzliche Nachricht mitgeteilt, aber von seinem Kameraden nicht mit der gleichen Fassung vernommen.
»Heilige des Paradieses! Was ist da zu tun?« rief de Bracy. »Ich gelobe dem heiligen Nikolas einen Leuchter von reinem Golde . . .«
»Spart Euch das Gelübde und hört mich an!« sprach der Templer. »Führt Eure Leute hinunter, als wolltet Ihr einen Ausfall machen und stoßt die Pforte auf. – Es stehen nur zwei Mann auf dem Floß, werft sie in den Graben und dringt in das Außenwerk! Ich will zum Haustor hinaus und von dieser Seite das Außenwelt gewinnen, so können wir uns verteidigen, bis uns Entsatz gebracht wird, oder wir bekommen gute Bedingungen zum Abzug.«
»Das ist ein kluger Plan,« antwortete de Bracy, »ich will meinen Teil daran übernehmen, wenn Ihr mich nicht im Stich lassen wollt, Herr Templer.«
»Meine Hand darauf!« versetzte der Templer. »Aber haltet Euch dazu um Himmels willen!« De Bracy zog schnell seine Leute zusammen und drang mit ihnen nach der Pforte, die er öffnen ließ. Kaum war das getan, so erzwang der schwarze Ritter in seiner gewaltigen Kraft den Eingang trotz de Bracys Leuten. Zwei der vorderen fielen, die andern ergriffen die Flucht. »Hunde!« rief de Bracy, »sollen uns zwei Feinde den einzigen Ausweg versperren?«
»Der Teufel ist gegen uns!« rief ein alter Soldat, vor den Axthieben des Schwarzen zurückweichend.
»Und wenn es der Teufel selber ist,« schrie de Bracy, »wollt ihr vor ihm in den Rachen der Hölle fliehen? Das Schloß brennt hinter uns! Vielleicht flößt euch die Verzweiflung den nötigen Mut ein. Laßt mich voran, daß ich es mit dem gewaltigen Streiter aufnehme.« Und brav und ritterlich hielt diesmal de Bracy den Ruhm aufrecht, den er sich in den Bürgerkriegen dieser furchtbaren Zeit errungen hatte. Der Gang, der nach der Pforte führte, hallte wider von den Streichen der beiden mächtigen Krieger, die nun miteinander im Handgemenge waren. De Bracy focht mit seinem Schwert, der schwarze Ritter mit seiner Streitaxt. Endlich erhielt der Normann einen Schlag, der ihn in seiner vollen Länge zu Boden streckte.
»Ergebt Euch, de Bracy!« rief der schwarze Ritter, indem er sich niederbeugte und ihm den Dolch gegen das Visier hielt. »Ergebt Euch, Moritz de Bracy, auf Gnade und Ungnade, oder Ihr seid des Todes!«
»Ich ergebe mich nicht einem Sieger, den ich nicht kenne,« versetzte der Normann. »Nennt Euern Namen oder macht mit mir, was Ihr wollt. Man soll nicht sagen, de Bracy sei der Gefangene eines namenlosen Abenteurers gewesen.« Der schwarze Ritter flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Ich ergebe mich Euch auf Gnade und Ungnade,« sagte darauf de Bracy, nunmehr im Tone tiefster Unterwürfigkeit.
»Geht nach dem Brückenkopf,« befahl der Sieger in gebieterischem Tone. »Dort harrt meiner weitern Befehle!«
»Erst laßt mich Euch noch etwas sagen,« sprach de Bracy: »Wilfried von Ivanhoe ist im Schlosse, verwundet und gefangen, wenn ihm nicht schleunige Hilfe gebracht wird, kommt er im Brande um!«
»Wilfried von Ivanhoe!« rief der schwarze Ritter. »Verbrennen, umkommen! Das Leben jedes Mannes im Schlosse soll mir dafür haften, daß ihm nicht ein Haar auf dem Haupte versengt wird. Wo liegt er?«
»Geht die Wendeltreppe dort hinauf, so kommt Ihr hin! Soll ich Euch führen?«
»Nein! Ihr geht zum Außenwerk und wartet meine Befehle ab! Ich traue Euch nicht, de Bracy.«
Während dieses Gefecht und das darauf folgende Zwiegespräch stattfand, eilte Cedric an der Spitze eines Haufens in das Schloß. Der Mönch war der vorderste, der über die Brücke hinüberdrang, sobald das Tor geöffnet war. De Bracys Soldaten gaben den Kampf auf und wichen zurück. Einige baten um Pardon, andere leisteten noch vergebens Widerstand, die Mehrzahl ergriff die Flucht. De Bracy erhob sich vom Boden, sah seinem Sieger betrübt nach und sagte zu sich selber:
»Er traut mir nicht, aber habe ich denn auch sein Vertrauen verdient?«
Dann öffnete er das Visier zum Zeichen der Unterwerfung, hob sein Schwert auf und ging nach dem Außenwerk. Unterwegs begegnete er Locksley, dem er sein Schwert übergab. Das Feuer griff indessen schneller um sich, und bald drang es auch nach dem Raume, wo Ivanhoe von der Jüdin gepflegt wurde. Das Kampfgetöse erweckte ihn aus einem kurzen Schlummer, seine Pflegerin war seinen Bitten zufolge wieder an das Fenster getreten und hatte ihm alle Wendungen des Kampfes mitgeteilt. Darüber merkten sie eine Zeitlang nicht die erstickenden Dünste, die rings aufzusteigen begannen. Endlich drangen dicke Rauchwolken ins Zimmer, und an dem Geschrei nach Wasser, das sie durch das Getöse deutlich vernahmen, erkannten sie, wie groß diese neue Gefahr war.
»Das Schloß brennt!« rief Rebekka. »Was können wir tun, uns zu retten?«
»Flieh, Rebekka, und rette dein Leben!« sagte Ivanhoe. »Mir kann doch kein Mensch mehr helfen!«
»Ich fliehe nicht,« versetzte sie. »Entweder wir werden zusammen gerettet oder wir sterben zusammen. Und doch! mein Vater! großer Gott, was wird aus ihm!«
In diesem Augenblick sprang die Tür des Gemaches auf, und der Templer kam herein. – Eine furchtbare Gestalt. Seine zerbrochene Rüstung war mit Blut befleckt, der Helmbusch war halb zerfetzt, halb versengt.
»So habe ich dich gefunden,« sagte er zu Rebekka. »Du sollst sehen, daß ich Wort halte und Weh und Wohl mit dir teilen werde. Hier gibt es nur noch einen Weg, in Sicherheit zu kommen. Durch hundert Gefahren habe ich ihn mir bis zu dir her gebahnt. Komm und folge mir augenblicklich!«
»Ich folge dir nicht allein,« antwortete sie. »So du vom Weibe geboren bist, so ein Funken Barmherzigkeit in dir schlummert, so dein Herz nicht gefühllos ist wie dein Panzer, so rette meinen alten Vater und diesen verwundeten Ritter.«
»Ein Ritter,« erwiderte der Templer, »muß wissen, seinem Schicksal zu begegnen, ob es ihm in Schwertern naht oder in Flammen. Und wer kümmerte sich darum, wie einen Juden das Schicksal ereilt?«
»Unmenschlicher Krieger!« rief Rebekka. »Lieber komme ich in den Flammen um, als daß ich dir Rettung verdanke!«
»Du hast keine Wahl, Rebekka. Einmal hast du mich gemeistert, ein zweitesmal aber ist es noch keinem Sterblichen gelungen.« Mit diesen Worten ergriff er die entsetzte Jungfrau und trug sie trotz ihrem Sträuben von hinnen, ohne der Drohungen zu achten, die ihm Ivanhoe nachschrie: »Du Hund des Tempels! Du Schandfleck deines Ordens! Laß die Jungfrau frei – Verräter! Bois-Guilbert! Ivanhoe ist es, der dich ruft! Bösewicht, dein Herzblut will ich haben!«
»Ich hätte dich nicht gefunden, Wilfried,« sagte der schwarze Ritter, der eben hereintrat, »hätte ich dein Rufen nicht gehört.«
»So du ein echter Ritter bist,« sagte Ivanhoe, »so denke nicht an mich – verfolge den Räuber dort – rette die Lady Rowena – sieh nach dem edeln Cedricl«
»Einer nach dem andern,« war die Antwort, »du aber bist der erste.« Er ergriff Ivanhoe und trug ihn hinweg, eilte mit ihm zur Pforte und gab seine Bürde zweien von den Yeomen, dann eilte er wieder ins Schloß, um andere zu retten.
Indessen stand schon ein Turm in hellen Flammen, die aus Fenstern und Schießscharten hervorschlugen. An der andern Seite aber leisteten die dicken Mauern noch Widerstand, und dort tobte auch noch die Wut der Menschen kaum minder furchtbar als das verderbende Element. Die Belagerer verfolgten die Schloßmannschaft von Gemach zu Gemach und stillten mit Blut den Rachedurst, den sie schon so lange gegen die grausamen Soldaten des Front-de-Boeuf gehegt hatten. Die Mehrzahl leistete erbitterten Widerstand, wenige baten um Pardon, keinem wurde er gewährt. Die Luft erzitterte von Stöhnen und Waffenklirren, der Boden war schlüpfrig vom Blute der Sterbenden. Durch diesen Wirrwarr hindurch suchte Cedric Rowena, der treue Gurth folgte ihm, sein selbst nicht achtend, um alle Streiche aufzufangen, die gegen seinen Herrn geführt wurden. Der edle Sachse hatte das Glück, sein Mündel zu finden, das eben alle Hoffnung aufgegeben hatte, das Bild des Erlösers ans Herz drückte und den Tod erwartete. Er gab sie Gurth, der sie zum Außenwerk führte, denn der Weg dorthin war jetzt von Feinden frei. Dann eilte der treue Cedric weiter, um seinen Freund Athelstane zu suchen, denn lieber wäre er selber umgekommen, ehe er diesen letzten Sprößling des sächsischen Königtums hätte umkommen lassen. Aber ehe Cedric die Halle erreichte, in der er selber gefangen gewesen war, hatte schon Wambas erfinderischer Geist sich und seinem Leidensgefährten die Freiheit verschafft. Als nämlich das Getöse des Kampfes am stärksten war, hatte Wamba mit der äußersten Kraft seiner Lungen geschrien: »Heiliger Georg und der Drache! Lustiger heiliger Georg für lustig England! Das Schloß ist erobert!« Und um den Eindruck dieser Worte noch zu erhöhen, hatte er ein paar von den alten Waffen, die in der Halle umherlagen, gegeneinander geschlagen. Die Wache, die auf dem Korridor postiert war, schwebte so schon in tausend Ängsten und entsetzte sich nun über Wambas Geschrei, so daß sie dem Templer meldete, die Feinde wären bereits in die alte Halle eingedrungen. Inzwischen war es den Gefangenen ein leichtes, durch den Korridor zu entkommen, und von da aus gelangten sie in den Schloßhof, wo sich eben der letzte Kampf abspielte.
Hier saß der stolze Templer zu Roß und hatte den Rest der Besatzung um sich her versammelt, um einen letzten Versuch zum Durchbruch zu machen. Auf seinen Befehl war die Zugbrücke herabgelassen worden, aber sie wurde sofort von den Bogenschützen besetzt. Von der andern Seite drangen nun auch die Belagerer in den Hof, so daß nunmehr das spärliche Häuflein von zwei Seiten angegriffen war. Aber die Verzweiflung beseelte die Krieger und das Beispiel ihres Anführers verlieh ihnen Mut: sie fochten mit größter Tapferkeit, und mehrmals gelang es ihnen, die Angreifenden zurückzuwerfen. Rebekka saß auf einem Pferde vor einem der Sarazenensklaven des Templers, und obwohl in dem Wirrwarr alles drunter und drüber ging, ließ der Templer doch nichts außer acht, was für ihre Sicherheit geboten war. Immer wieder kam er zurück, deckte sie mit seinem großen dreieckigen Schild vor den Pfeilen, sprengte dann wieder, seinen Kriegsruf ausstoßend, davon, schlug den kühnsten der Angreifenden zu Boden und war im selben Augenblick wieder bei Rebekka. Athelstane, der wohl träge war, aber keine Feigheit kannte, sah die weibliche Gestalt, die der Templer so bedachtsam beschützte, und glaubte bestimmt, es sei Rowena, die der Ritter trotz ihrem Widerstande entführe. »Bei der Seele des Heiligen Eduard!« rief er, »ich will sie dem stolzen Ritter entreißen, und er soll von meiner Hand sterben!«
»Bedenkt, was Ihr tut,« sagte Wamba. »Wer vorschnell ins Wasser langt, fängt 'n Frosch und keinen Fisch. Bei meiner Narrenkappe, das ist nicht Lady Rowena. Seht nur, was sie für lange schwarze Locken hat! Nein, wenn Ihr nicht Weiß von Schwarz unterscheiden könnt, so mögt Ihr getrost der Anführer sein, aber 's fällt mir nicht ein, Euch zu folgen. Ich will mir die Knochen nicht zerbrechen lassen, ehe ich nicht weiß für wen. – Ihr habt keine Rüstung an, und 'ne seidene Mütze hält keine Stahlklinge ab! Na, wer gern ins Wasser geht, der mag ersaufen! Deus vobiscum, edler Athelstane!« Und er ließ den Sachsen los, den er bisher am Gewand festgehalten hatte.
Athelstane raffte einen Streitkolben vom Boden auf, der eben der Hand eines Sterbenden entfallen war und stürzte, rechts und links um sich schlagend, auf den Haufen des Templers ein. Mit jedem Schlage schmetterte er einen Gegner nieder, und im Nu stand er vor dem Templer, den er mit lauter Stimme herausforderte: »Hierher, falscher Templer! Laß sie frei – du bist nicht wert, sie anzurühren! Dreh dich um, du Spießgesell einer Bande räuberischer Mörder!«
»Hund!« knirschte der Templer. »Ich will dich lehren, den heiligen Orden Zions zu lästern!« Und er wandte sich um und hob sich im Bügel und führte einen furchtbaren Schlag gegen das Haupt des Sachsen. Und wohl hatte Wamba recht, daß eine seidene Mütze keine Stahlklinge abhält. Das Schwert Bois-Guilberts war so scharf, daß es den mit Eisen beschlagenen Streitkolben wie eine Weidenrute zerschnitt und, auf Athelstanens Haupt herniedersausend, ihn zu Boden streckte. »Beauséant!« schrie der Templer. »So möge es allen Widersachern der Tempelritter ergehen!«
Den Schrecken sich zu nutze machend, den Athelstanes Fall verursachte, rief er laut: »Wer sich retten will, folge mir!«
Und die Bogenschützen auseinander jagend, stürmte er über die Brücke. Hinter ihm sprengten die Sarazenen einher und ein halbes Dutzend Berittener. Der Rückzug war gefährlich, aber er galoppierte um den Brückenkopf herum, den er, seinem Plan gemäß, in de Bracys Besitz glaubte. »De Bracy, de Bracy!« rief er. »Bist du hier?«
»Ich bin hier,« war die Antwort, »aber als Gefangener.«
»Kann ich dich befreien?«
»Nein! Ich habe mich auf Gnade und Ungnade ergeben und will ein ehrlicher Gefangener sein. Rette dich! Bring das Meer zwischen dich und England. Falken sind los! Mehr darf ich nicht sagen.«
»Gut,« antwortete der Templer, »du bleibst also hier, bedenke, daß ich mein Wort gelöst habe. Die Falken mögen sein, welche sie wollen, so denke ich, die Mauern des Präzeptoriums von Tempelstowe werden mir ein hinlänglicher Schutz sein, und dorthin will ich, wie der Reiher in sein Nest, fliehen.«
Nachdem er dies gesagt hatte, eilte er im vollen Rosseslauf mit den Seinen davon.
Indessen kämpften von der Schloßmannschaft alle, die noch nicht zu Pferde hatten kommen können, wie die Wilden, nachdem der Templer verschwunden war. Aber mehr, weil sie keinen Pardon zu erwarten hatten, als weil sie noch Hoffnung gehegt hätten, zu entkommen. Zudem hatte das Feuer inzwischen alle Teile des Schlosses ergriffen, und nun erschien Ulrika, die es angelegt hatte, auf einem Turme, einer Furie vergleichbar. Sie stimmte einen alten sächsischen Schlachtgesang an. Ihr langes graues Haar wehte im Winde. Ihr Auge glühte von dem trunkenen Entzücken gestillter Rache, und wie eine riesige Feuersäule stiegen die auflodernden Flammen gegen den Abendhimmel empor, weithin sichtbar. Turm auf Turm brach zusammen, Dächer und Balken barsten. Wer von den Besiegten mit dem Leben davongekommen war, hatte sich in den Wald geflüchtet. Die Sieger standen in großen Gruppen da und starrten in die Glut.
Lange war die gräßliche Erscheinung der wahnsinnigen Sächsin Ulrika zu sehen, sie reckte die Arme hoch empor und sah aus wie eine Gebieterin des Brandes, den sie angelegt hatte. Endlich stürzte der Turm mit Gekrach ein, und sie kam in den Trümmern um. Eine Pause schreckensvollen Schweigens herrschte, und kaum war leises Murmeln zu hören. Wenn sich einer rührte, so war es, um das Zeichen des Kreuzes zu machen. Endlich erhob Locksley seine Stimme und rief: »Jauchzt, Yeomen! – Die Höhle des Tyrannen ist nicht mehr. – Jeder bringe seine Beute auf unsern Sammelplatz, zum Gerichtsbaum in Harthilwalk. Dort wollen wir bei Tagesanbruch jedem der unsern und unsern edeln Verbündeten in dieser großen Rachetat seinen gebührenden Anteil geben.«