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Wohl sahen wir, wie hoch der Schutzherr stand,
Wie er regiert das kaum bezwungne Land;
Aus ernstem Blick brach nie Gefühl hervor.
Er trieb die Glieder aus, verwahrt das Thor;
Doch hat er auch die Schurken ausgetrieben,
So ist dem Herrscher doch der Gram geblieben
Und unversehn wird sie der Seele Herr.
Freie Werbung von Crabbe.
Den Obersten Everard seinen Betrachtungen überlassend, folgen wir nun seinem Gefährten, dem munteren Cavalier, der, ehe er im St. Georgs-Gasthofe aufsaß, nicht versäumte, sich erst mit seinem Morgentrank von Eiern und Muskatellerwein zu laben, um dem Herbstwinde trotzen zu können.
Obwohl er sich der tollen Zügellosigkeit hingegeben hatte, die damals unter den Edelleuten gewöhnlich war, gleich als wollten sie in jeder Hinsicht ganz das Gegentheil von der Gewissenhaftigkeit ihrer Feinde in ihrem Benehmen zeigen, so ging doch jetzt Wildrake, der aus einer guten Familie abstammte, und wohlerzogen, dabei mit Talenten und einem Herzen begabt war, das selbst die Schwelgerei und das wilde Leben eines rohen Cavaliers nicht ganz hatte verderben können, seiner gegenwärtigen Sendung mit einem seltsamen Gemisch von Gefühlen entgegen, wie er sie vielleicht nie zuvor in Leben gehabt hatte.
Seinen Empfindungen nach, als Königlicher, verabscheute er Cromwell, und würde unter andern Umständen kaum gewünscht haben, ihn zu sehen, ausgenommen auf dem Schlachtfelde, wenn er das Vergnügen hätte haben können, sich auf Pistolen mit ihm zu messen. Immer siegreich, wo er nur focht, hatte der merkwürdige Mann, dem Wildrake sich jetzt näherte, jenen Einfluß über den Geist seiner Feinde erlangt, den beständiges Glück so leicht einflößt – sie fürchteten und haßten ihn – und außer diesen Empfindungen gesellte sich noch eine rastlose Neugier dazu, die einen besonderen Zug in Wildrake's Charakter mit ausmachte; denn da er lange wenig eigene Geschäfte gehabt hatte, und sich auch um diese wenigen nicht viel bekümmerte, so zog der Wunsch, alles Merkwürdige oder Interessante um sich her in Augenschein zu nehmen, ihn gar leicht an.
»Ich möchte bei dem Allen den alten Schurken doch gern sehen,« dachte er, »wär es auch nur, um zu sagen, daß ich ihn gesehen.«
Er erreichte Windsor am Nachmittag, und fühlte die stärkste Versuchung, an einem jener Orte abzusteigen, die ihm, als er in froheren Tagen die schöne Stadt besuchte, zum Aufenthalt gedient hatten. Doch widerstand er allen Versuchungen der Art, und ritt muthig in den ersten Gasthof, von dem sein altes Schild, das Hosenband, längst verschwunden war. Auch der Wirth, dessen Wildrake, wohlerfahren in der Kenntniß vom Gastwirthen und Gasthäusern, sich noch als einen überlauten Herrn Wirth aus Königin Elisabeths Schule erinnerte, war jetzt, den Zeiten gemäß, nüchterner geworden, schüttelte den Kopf, wenn er vom Parlamente sprach, handhabte seinen Zapfen mit dem Ernste eines Opferpriesters, wünschte England einen glücklichen Ausgang aus allen seinen Bedrängnissen, und rühmte sehr Se. Excellenz, den Herrn General. Wildrake bemerkte auch, daß sein Wein besser war, als es sonst der Fall gewesen; denn die Puritaner hatten ein herrliches Talent, jede Verfälschung in dieser Art zu entdecken. Sein Maaß war dabei kleiner, – und seine Rechnungen größer, Dinge, die er sich dadurch erklärte, daß der Herr Wirth gar viel von seinem Gewissen schwatzte.
Dieser wichtige Mann sagte ihm, der Herr General empfinge jede Art von Leuten ohne Umstände; er könne nächsten Morgen um acht Uhr Zutritt zu ihm erlangen, und brauche deshalb weiter nichts, als sich am Schloßthore zu zeigen, und sich als Ueberbringer von Depeschen an Sr. Excellenz anzugeben.
Zur bestimmten Stunde machte sich also der verkleidete Cavalier auf den Weg nach dem Schlosse. Der rothröckige Soldat, der mit strengen Blicken und der Muskete auf den Schultern, am äußeren Thore jenes ehrwürdigen Gebäudes Schildwach stand, ließ ihn ohne Umstände hinein. Wildrake ging über den unteren Hof, und blickte im Vorübergehen auf die schöne Kapelle, die erst kürzlich in dunkler Stille, und ohne alle Ehrenbezeigungen, die Ueberreste des gemordeten Königs von England aufgenommen hatte. So roh auch Wildrake war, so setzte ihn doch die Erinnerung an diesen Umstand in so heftige Bewegung, daß er fast voll Entsetzen umgekehrt wäre, um nur nicht dem düsteren unternehmenden Manne ins Antlitz zu schauen, dem unter allen in dieser Sache handelnden Personen, der tragische Ausgang derselben vorzüglich zuzuschreiben war. Aber er fühlte die Nothwendigkeit, alle Empfindungen dieser Art zu unterdrücken, und zwang sich, an die Ausführung eines Geschäftes zu gehen, welches ihm durch einen Mann übertragen worden war, dem er so viel verdankte. An der Treppe, die beim runden Thurm vorüberging, blickte er hinauf, wo sonst das Banner Englands zu wehen pflegte. Es war fort mit all seinen reichen Wappenbildern und glänzender Stickerei, und an seiner Stelle flatterte die Fahne der Republik, das Kreuz des heiligen Georg, mit seinen roth und blauen Farben, noch nicht durchschnitten durch das Diagonal-Kreuz von Schottland, welches bald darauf angenommen wurde, um Englands Sieg über seinen alten Feind anzudeuten. Diese Veränderung an der Fahne vermehrte noch die Reihenfolge düsterer Betrachtungen, in die er sich gegen seine Gewohnheit so verlor, daß das erste, was ihn wieder zu sich selbst brachte, der Anruf der Schildwache war, die zugleich so gewaltig mit dem Musketenkolben auf das Pflaster stieß, daß Wildrake zusammenfuhr.
»Wohin wollt Ihr, und wer seyd Ihr?«
»Ich bin der Ueberbringer eines Pakets,« sagte Wildrake, »an Se. Gnaden, den Herrn General.«
»Steht still, ich muß den wachthabenden Offizier rufen.«
Der Corporal erschien. Er zeichnete sich durch eine doppelte Menge Band um den Hals aus, einen doppelt so hohen spitzen Hut, einen weiteren Mantel, und dreimal größern Ernst im Gesicht. Auf diesem Gesichte las man, daß er einer jener furchtbaren Schwärmer war, denen Oliver seine Eroberungen verdankte, und deren religiöser Eifer sie weit über die feurigen Edelleute erhob, welche umsonst ihre Tapferkeit zur Vertheidigung ihres Fürsten und seiner Krone verschwendeten. Er sah Wildraken mit ernster Feierlichkeit an, als mache er ein Inventarium seiner Züge und seiner Kleidung, und nachdem er sie gehörig in Augenschein genommen, verlangte er sein Geschäft zu wissen.
»Mein Auftrag,« sagte Wildrake, so fest er nur konnte – denn der scharfe forschende Blick des Mannes hatte ihm einige unangenehme Empfindungen verursacht – »mein Auftrag lautet an Euren General.«
»An Se. Excellenz, den Herrn General, wolltest Du wohl sagen, erwiederte der Corporal. »Deine Rede, mein Freund, schmeckt zu wenig nach der Ehrerbietung, die Sr. Excellenz gebührt.«
»Hol der Teufel Se. Excellenz!« lag dem Cavalier auf der Zunge, aber die Klugheit hielt Wache, und erlaubte den beleidigenden Worten nicht, über die Gränze zu kommen. Er verneigte sich daher nur und schwieg.
»Folge mir,« sagte die steife Gestalt, an die er sich wandte, und Wildrake folgte ihm in das Wachthaus, das ein höchst charakteristisches Bild der Zeiten darbot, und ein ganz anderes, als jetzt in denselben der Fall zu seyn pflegt.
Am Feuer saßen zwei oder drei Musketiere, und hörten einem zu, der ihnen die Geheimnisse der Religion erklärte. Er fing nur mit halblauter Stimme, aber mit großer Geläufigkeit an, doch wurde der Ton, so wie er sich dem Schlusse nahete, lauter und eifernder, als fordere er augenblickliche Antwort oder schweigende Zustimmung. Die Zuhörer schienen mit unbeweglichen Zügen dem Sprecher zuzuhören, und antworteten nur mit Wolken von Tabaksdampf, die sie unter ihren dicken Knebelbärten hervorbliesen. Auf einer Bank lag ein Soldat auf dem Gesicht, ob im Schlaf oder in einer contemplativen Anwandlung, das ließ sich nicht bestimmen. Mitten in der Halle stand ein Offizier, wie die gestickten Epauletten und die Schärpe es andeuteten, übrigens aber ganz einfach gekleidet, beschäftigt, einen kürzlich erst angeworbenen, ziemlich derben Burschen auf damalige Weise exercieren zu lassen. Der Bewegungen und Commandoworte waren wenigstens zwanzig, und ehe sie zu Ende kamen, erlaubte der Corporal Wildraken nicht, weder sich niederzusetzen, noch über die Schwelle des Wachthauses zu gehen. So mußte er also hintereinander – die Musket gerade an – schultert das Gewehr – Gewehr an – Hahn auf, und manche andere, damals übliche Commandowerte mit anhören, bis endlich das: »Tretet ab!« dem Exercitium für das Mal ein Ende machte.
»Dein Name, Freund?« sagte der Offizier zu dem Rekruten, als das Exercitium zu Ende war.
»Ephraim,« antwortete der Mensch, indem er sich zum Näseln zwang.
»Wie weiter?«
»Ephraim Cobb, aus der gottseligen Stadt Glocester, wo ich sieben Jahr bei einem würdigen Schuhmacher in der Lehre stand.«
»Das ist ein gutes Handwerk,« antwortete der Offizier. »Da Du nun aber einmal Dein Heil bei uns versuchen willst, so kommst Du gewiß über Deine Pfriemen hinaus, und über Deinen Leisten noch obendrein.«
Ein grinsendes Lächeln des Sprechers begleitete diesen armseligen Witz, worauf er sich zu dem Corporal wandte, der zwei Schritte davon stand und aussah, als möcht er gern reden: »Nun, Corporal, was giebts?«
»Halten zu Gnaden, Ew. Excellenz,« sagte der Corporal, »hier ist einer mit einem Paket – wahrlich, mein Geist freut sich seiner nicht, denn ich halte ihn für einen Wolf in Schafskleidern.«
Diese Worte gaben Wildraken zu erkennen, daß er vor dem merkwürdigen Manne stand, an den sein Auftrag lautete, und er erwog schnell, auf welche Weise er ihn anreden solle.
Oliver Cromwell's äußere Gestalt war, wie allgemein bekannt ist, keineswegs einnehmend; er war von mittler Größe, von kräftiger, aber plumper Gestalt, mit scharfen und strengen Zügen, die jedoch viel natürlichen Scharfsinn und Tiefe des Denkens verriethen. Seine Augen waren grau und durchbohrend, seine Nase viel zu groß im Verhältniß zu seinem übrigen Gesicht.
Seine Art zu sprechen, wenn es seine Absicht war, sich klar und verständlich zu machen, war kräftig und nachdrücklich, obwohl er weder Anmuth noch Beredtsamkeit besaß. Niemand konnte bei solchen Gelegenheiten seine Meinung in wenigern und bestimmtern Worten ausdrücken; hatte er aber, wie sich das oft zutrug, Lust den Redner zu spielen, und den Ohren der Leute zu schmeicheln, ohne ihren Verstand zu erleuchten, so pflegte er wohl seine Meinung, oder das, was seine Meinung zu seyn schien, in einen solchen Nebel von Worten zu hüllen, und sie mit so vielen Ausnahmen zu verbrämen, und mit einem solchen Labyrinth von Parenthesen zu bekräftigen, daß er, obwohl einer der klügsten Männer in England, vielleicht der unverständlichste Sprecher war, der nur je Zuhörer in Verwirrung brachte. Ein Geschichtschreiber späterer Zeit hat geäußert, daß eine Sammlung der Reden des Protectors, mit wenigen Ausnahmen, das unsinnigste Buch in der Welt geben würde, aber er hätte auch hinzufügen können, daß nichts kräftiger, gedrängter und klarer seyn konnte, als das, was seiner Absicht nach wirklich verstanden werden sollte.
Man hat auch von Cromwell noch angeführt, daß, obwohl er väterlicher und mütterlicher Seits aus einer guten Familie war, und die gewöhnlichen Gelegenheiten zu einer guten Erziehung hatte, die mit einem solchen Vorzuge verbunden sind, doch der fanatische Demokraten-Beherrscher nie jene Höflichkeit erlangen konnte, die im Verkehr der höheren Stände unter einander gewöhnlich herrscht, oder daß er sie zu üben verschmähte. Sein äußeres Wesen war so täppisch, daß man es wohl zuweilen bäuerisch nennen konnte; doch lag in seiner Sprache und in seinem Wesen eine Kraft, ein Nachdruck, die seinem Charakter angemessen waren, und wenn auch nicht Ehrerbietung, doch wenigstens Furcht einflößten. Ja es gab sogar Zeiten, wo dieser düstere, listige Geist sich freundlich hingab, so daß er sich fast Liebe erwarb. Der Anstrich von Humor, der sich hie und da äußerte, hatte etwas Gemeines, Plattes und zuweilen Handgreifliches. Es lag in seiner Stimmung überhaupt Vieles, das seinen Landsleuten eigenthümlich ist, Verachtung der Thorheit, Haß jeder Ziererei, und Widerwillen gegen Ceremonien, welches, verbunden mit jenem hohen Grade von Verstand und Muth, der ihn auszeichnete, ihn in mehr als einer Hinsicht zu einem gar nicht unpassenden Repräsentanten der englischen Demokratie machte.
Seine Religion wird immer ein zweifelhafter Punkt bleiben, den er selbst wohl kaum hätte aufhellen können. Ohnstreitig hat es eine Zeit in seinem Leben gegeben, wo er es mit seiner Schwärmerei aufrichtig meinte, und wo seine, ein wenig zur Hypochondrie sich hinneigende Gemüthsstimmung, durch denselben Fanatismus, der auf so manche Personen jener Zeit Einfluß hatte, stark angeregt wurde. Andererseits gab es Perioden in seiner politischen Laufbahn, wo wir ihm gewiß nicht unrecht thun, wenn wir ihn einer heuchlerischen Verstellung beschuldigen. Wahrscheinlich werden wir sowohl ihn, als auch andere jener Zeit am allerrichtigsten beurtheilen, wenn wir annehmen, daß ihre religiösen Meinungen zum Theil in ihren eigenen Herzen entsprangen, theils nur um ihres Vortheils willen angenommen wurden. Und so sinnreich ist das menschliche Herz, sowohl sich als Andere zu täuschen, daß vermuthlich weder Cromwell selbst, noch auch diejenigen, die gleiche Ansprüche auf ausgezeichnete Frömmigkeit machten, den Punkt ausfinden konnten, wo ihre Schwärmerei aufhörte, und ihre Heuchelei begann; oder vielmehr, es war ein an sich selbst nicht bestimmter Punkt, der mit dem Gesundheits- und Glückszustande, oder auch der guten oder schlechten Laune hin und her schwankte.
Dies war der berühmte Mann, der, indem er sich zu Wildrake wandte, und sein Gesicht mit scharfem Späherblicke musterte, so wenig mit dem zufrieden schien, was er sah, daß er ganz instinktmäßig an seinem Degengurte zog, so daß der Griff seines langen Haudegens ihm in die Hand kam. Doch gleich darauf die Arme in den Mantel hüllend, als habe er sich eines Bessern bedacht, und den Verdacht bei Seite gelegt, oder halte die Vorsicht unter seiner Würde, fragte er den Cavalier, wer er sey, und woher er käme.
»Ein armer Edelmann, Herr! – Ew. Gnaden, wollt ich sagen,« antwortete Wildrake, »ich komme eben aus Woodstock.«
»Und was bringen Sie für Nachrichten, Herr Edelmann?« sagte Cromwell mit einem gewissen Nachdruck, »wahrlich, ich habe gar manche gesehen, die gern den Titel annahmen, sich aber trotz all ihres Adels nicht eben wie verständige und gute und wahre Männer benahmen. Doch war Edelmann ein guter Titel im alten England, als die Menschen noch daran dachten, was es damit auf sich habe.«
»Da haben Sie recht, Herr,« erwiederte Wildrake, der nur mit Mühe einige seiner wilden Ausrufungen zurückhielt, »früher fand man die Edelleute an ihrem rechten Platze, aber jetzt ist die Welt so verändert, daß der gestickte Degengurt mit dem unteren Sporenleder den Platz vertauscht hat.«
»Das sagst Du mir?« sagte der General; »nun wahrlich, Du bist ein dreister Bursche, daß Du so keck mit Worten um Dich wirfst. Du klingst mir ein wenig zu laut, um gutes Metall zu seyn. Noch einmal, was hast Du mir zu überbringen?«
»Dies Paket,« sagte Wildrake, »welches Oberst Markham Everard mir empfahl, Ihnen eigenhändig zu übergeben.«
»Ei! da muß ich Dich falsch verstanden haben,« antwortete Cromwell, ganz geschmeidig geworden bei Erwähnung eines Mannes, den er sehr auf seine Seite zu bringen wünschte; »vergieb uns, guter Freund, denn das bist Du ohne Zweifel; setz Dich, und unterhalte Dich, so gut Du kannst, bis wir den Inhalt Deines Pakets untersucht haben. Sorget für ihn, und gebt ihm, was er braucht.« Hiermit verließ der General das Wachthaus, wo Wildrake seinen Sitz in einem Winkel einnahm, und geduldig den Ausgang seiner Sendung erwartete.
Die Soldaten hielten sich nun für verbunden, ihn mit mehr Achtung zu behandeln, und boten ihm eine Pfeife Trinidad und einen schwarzen Krug voll Wein an. Aber Cromwell's Blick und die gefährliche Lage, worein ihn die geringste Möglichkeit einer Entdeckung versetzen könnte, vermochte Wildrake, die gastlichen Anerbietungen auszuschlagen, und indem er sich in seinen Stuhl zurücklehnte, und sich stellte, als wenn er schliefe, entging er ihrer Bemerkung oder einem Gespräch, bis eine Art von Adjudant oder Dienst thuender Offizier erschien, ihn vor Cromwell zu führen.
Dieser geleitete ihn durch ein Hinterpförtchen in das Hauptgebäude des Schlosses, wo er über manche geheime Gänge und Treppen endlich in ein kleines Kabinet oder Besuchzimmer gelangte, in welchem sich viel reicher Hausrath befand, woran mitunter noch der königliche Namenszug befindlich war; doch lag. Alles verwirrt und unordentlich umher, so wie auch einige Gemälde in massiven Rahmen, mit den Gesichtern nach der Mauer zu, dort standen, als habe man sie heruntergenommen, um sie wegzuschaffen.
In diesem unaufgeräumten Zimmer saß der siegreiche General der Republik in einem großen mit Damast überzogenen und reichgestickten Lehnstuhle, dessen Glanz mit seiner einfachen, ja sogar groben Tracht, einen seltsamen Kontrast bildete. Seinem Blick und seiner Gebehrde nach schien er jedoch zu fühlen, daß der Sitz, den früher ein Fürst eingenommen, für sein Glück und seinen Ehrgeiz nicht unpassend sey. Wildrake stand vor ihm; auch hieß er ihn nicht, sich niederzusetzen.
»Pearson,« sagte Cromwell zu dem Dienst thuenden Offizier, »warte in der Gallerie, aber so, daß ich Dich rufen kann.« Pearson verneigte sich, und wollte gehen, « Wer ist sonst noch in der Gallerie?«
»Der ehrwürdige Herr Gordon, der Kaplan, hielt eben jetzt dem Oberst Overton und vier Capitänen Ew. Excellenz einen Vortrag.«
»So wollten wir es haben,« sagte der General, »es soll kein Winkel in unsrer Wohnung seyn, wo die hungrige Seele nicht Manna finde. Sprach der gute Mann mit Begeisterung?«
»Gar sehr,« sagte Pearson, »und er berührte eben die rechtlichen Ansprüche, welche die Armee und besonders Ew. Excellenz dadurch erlangt haben, daß Sie Rüstzeuge im großen Werke wurden – nicht Werkzeuge, die zerbrochen und weggeworfen werden, wenn der Tag ihres Dienstes vorüber ist, sondern kostbare und werthgeschätzte, wegen ihrer kostbaren und treuen Arbeit, um derenwillen sie gekämpft haben, und beteten und fasteten, und marschierten, und Kälte und Kummer litten, indeß andere, die sie jetzt gern entlassen, und zerstreut und fortgeschickt sähen, von dem Fette essen, und das Beste trinken.«
»Ach, der liebe Mann!« sagte Cromwell, »und berührte er dies wirklich so gefühlvoll? Ich könnte wohl etwas sagen – aber jetzt nicht. Geh, Pearson, in die Gallerie. Laß unsre Freunde die Schwerter nicht bei Seite legen, sondern wachen und beten.«
Pearson entfernte sich, und der General, Everards Brief in der Hand haltend, sah Wildrake eine Zeitlang scharf an, als ob er bei sich zu Rathe ginge, wie er ihn anzureden habe.
Anfangs sprach er auf jene schon oben beschriebene zweideutige Weise, nach welcher es sehr schwierig war, seine Meinung zu verstehen, selbst den Fall angenommen, daß er sich selbst verstand. Wir wollen uns in so gedrängter Kürze fassen, als es unser Wunsch gestattet, die eigenen Worte eines so außerordentlichen Mannes mitzutheilen.
»Diesen Brief,« sagte er, »habt Ihr uns von Eurem Herrn oder Patron, Markham Everard, gebracht, wahrlich ein vortrefflicher und achtbarer Edelmann, wie nur irgend einer je ein Schwert um seine Lendengürtete, und einer, der sich stets in dem großen Werke ausgezeichnet, diese drei armen, unglücklichen Nationen zu befreien – antworte mir nicht: ich weiß, was Du sagen willst. – und diesen Brief hat er mir durch Dich, seinen Schreiber oder Secretär, geschickt, zu dem er Vertrauen hat, und zu welchem er mich bittet, auch Zutrauen zu haben, damit er von mir, und ich von ihm sichere Nachricht erhalte. Und endlich hat er Dich zu mir gesandt – antworte mir nicht – ich weiß was Du sagen willst – zu mir, der, obwohl ich von so geringer Bedeutung bin, daß es zu viel Ehre für mich wäre, auch nur eine Hellebarde in dieser großen siegreichen Armee Englands zu tragen, doch demungeachtet zu dem Rang erhoben worden bin, daß ich die Leitung und den Commandostab führe – antworte nicht, Freund – ich weiß, was Du sagen willst. – Bei dieser unserer Verhandlung nun, umfaßt unser Gespräch hinsichtlich dessen, was ich gesagt habe, einen dreifachen Satz oder eine dreifache Abtheilung: erstens, insofern es Deinen Herrn betrifft; zweitens, insofern es uns und unser Amt angeht; drittens und letztens endlich, insofern es Dich berührt. Was nun diesen guten und würdigen Herrn, den Obersten Markham Everard betrifft, so hat er wahrlich vom Anfang dieser unglücklichen Fehdezeit an, sich allenthalben als Mann gezeigt, sich weder zur Rechten noch zur Linken gewandt, sondern immer das Ziel, nach dem er strebte, vor Augen gehabt. Ja, wahrlich, ein treuer, ehrenwerther Mann, der mich wohl seinen Freund nennen kann; und wahrlich, es freut mich der Gedanke, daß er das thut. Demohngeachtet müssen wir in diesem Thränenthale uns weniger durch Privatrücksichten und Partheilichkeiten leiten lassen, als durch jene höheren Grundsätze und Pflichten, nach denen der gute Oberst Markham Everard immer sein Vorhaben eingerichtet, wie ich wahrlich mich bemüht habe, auch das meine darnach zu formen, auf daß wir Alle handeln, wie es guten Engländern und würdigen Patrioten geziemt. Was nun Woodstock betrifft, so ist es eine große Sache, die der Oberste verlangt, daß es von der Beute der Gottseligen genommen werden, und den Männern Moabs überlassen werden sollte, besonders dem übelgesinnten Heinrich Lee, dessen Hand immer gegen uns gewesen ist, wo er nur Raum finden konnte, sie zu erheben. Ich sage, er hat etwas Großes gefordert, sowohl in Hinsicht seiner als meiner; denn wir, von dieser armen, aber gottseligen Armee von England, sind denen vom Parlamente verbunden als Männer, die ihnen die Beute übergeben, nicht aber sie unter sich theilen sollen, gleich wie der Rehbock, den die Hunde zu Boden reißen, keinen Theil ihrer Nahrung ausmacht, sondern sie werden mit Peitschen davon weggetrieben, gleich solchen, die Strafe für ihren Vorwitz, nicht Lohn für ihre Dienste zu erwarten haben. Doch sage ich dies nicht sowohl in Hinsicht auf diese Abtretung von Woodstock, sintemal vielleicht die hochweisen Rathsherren, so wie der Ausschuß dieses Parlaments gnädigst meinen könnten, daß sie mir dadurch einen Antheil an der Sache gegeben, weil meinem Verwandten Desborough ein Antheil gestattet worden ist, welchen Antheil es mir nicht anstehen würde (sintemal er ihn für seine treuen und redlichen Dienste in diesen unglücklichen Preis gegebenen Ländern wohl verdient hat), zu seinem Schaden zu vermindern, es müßte denn wegen großer und allgemeiner Rücksichten seyn. So siehst Du nun, wie es mit mir steht, mein ehrlicher Freund, und welcher Meinung ich in Hinsicht dieser Bitte Deines Herrn an mich bin, von der ich bis jetzt noch nicht sage, daß ich sie ganz oder unbedingt gewähren oder ausschlagen, sondern nur meine einfältigen Gedanken darüber äußern kann. Du verstehst mich doch wohl?«
Nun hatte Roger Wildrake, bei aller Aufmerksamkeit, die er der Rede des Herrn Generals geschenkt, sich so in den verschiedenen Klauseln der Anrede verwickelt, daß ihm der Kopf ganz verdreht war, gleich einem Bauerjungen, der sich unter eine Menge Kutschen verloren hat, und nun keinen Schritt thun kann, um der einen aus dem Wege zu kommen, ohne daß ihn nicht die andern mit dem Ueberfahren bedrohen.
Der General sah seinen bestürzten Blick, und fing eine neue Rede an, desselben Inhalts, wie die vorige; – er sprach von seiner Liebe zu seinem gütigen Freunde, dem Obersten – seiner Achtung für seinen frommen und gottseligen Verwandten Herrn Desborough – die große Wichtigkeit des Parkes und Palastes von Woodstock – dem Beschluß des Parlaments, daß alles eingezogen werden, und der Ertrag in die Staatskassen fließen solle – von seiner eigenen tiefen Verehrung für das Ansehen des Parlaments, und seinem nicht minder tiefen Gefühl des der Armee angethanen Unrechts – wie es sein Wunsch und Wille sey, daß Alles in Liebe und Güte, ohne Selbstsucht, Zank oder Streit zwischen denen abgemacht werden solle, welche in dieser großen Nationalsache die Hand zur That hergegeben, und denen, welche durch ihren Kopf das Ganze geleitet hätten – wie er geneigt, wahrhaft geneigt sey, dadurch zu diesem Werke beizutragen, daß er nicht blos sein Amt niederlege, sondern auch sein Leben hergebe, wenn es von ihm gefordert würde, oder wenn er es mit Sicherheit für die armen Soldaten gewähren könne, den armen einfältigen Männern, an die er wie ein Vater gebunden sey, da er sähe, daß sie ihm mit kindlicher Liebe und kindlichem Gehorsam gefolgt wären.
Und hier erfolgte nun eine abermalige tiefe Stille, indeß Wildrake ebenso ungewiß als zuvor war, ob es seine Absicht sey oder nicht, dem Obersten Everard die Vollmacht zu gewähren, die er sich ausgebeten hatte, um Woodstock gegen die Commissäre des Parlaments zu schützen. Schon fing er innerlich an, Hoffnungen zu hegen, daß die Gerechtigkeit des Himmels, oder auch die Gewissensbisse den Verstand des Königsmörders verwirrt hätten. Aber nein – er sah nichts als Scharfsinn in dem festen strengen Auge, das, während die Zunge seine weit umschriebenen Redensarten so verschwenderisch ergoß, streng forschend, die Wirkung zu erspähen schien, die seine Rede auf den Hörenden machte.
»Sapperment!« dachte der Cavalier bei sich selbst, der nun ein wenig vertraut mit seiner Lage und ungeduldig über ein Gespräch wurde, das zu keinem sichtbaren Schlusse führte, »wäre Oliver auch der Teufel selbst, so wie er des Teufels Liebling ist, so will ich mich doch nicht so von ihm bei der Nase herumführen lassen. Ich muß die Sache ein Bischen treiben, wenn er es so fortspielt, und zusehen, ob ich ihn dahin bringen kann, verständlicher zu sprechen.«
In diesem kühnen Vorsatze, doch nicht ganz ohne Besorgniß, wie er ihn ausführen solle, lauerte Wildrake auf eine Gelegenheit, den Versuch zu machen, indeß Cromwell offenbar unfähig war, seine eigene Meinung auszudrücken. Schon begann er eine dritte Lobrede auf den Obersten Everard mit mancherlei Aeußerungen seines Wunsches, sich ihm gefällig zu erweisen, als Wildrake, während der General eine seiner rednerischen Pausen machte, diese Gelegenheit ergriff, um plötzlich einzufallen.
»Mit Erlaubniß,« sagte er ohne Umstände, »Ew. Gnaden haben nun schon zwei Gegenstände Ihrer Rede berührt, Ew. Gnaden selbst nämlich, und meinen Herrn, den Obersten Everard. Um mich aber nun in Stand zu setzen, meine Botschaft zu verrichten, wird es wohl nöthig seyn, auch dem dritten Theil einige Worte zu widmen,«
»Dem dritten?« sagte Cromwell.
»Ja,« sagte Wildrake, »und dies betraf, nach Ew. Gnaden Unterabtheilung der Rede, meine Wenigkeit. Was habe ich zu thun? – Was ist aber mein Antheil bei diesem Geschäft?«
Auf einmal ging Oliver aus dem Tone, in dem er bisher geredet hatte, und der ungefähr dem Schnurren einer Hauskatze glich, in das Brummen des Tigers über, der eben auf seine Beute zuspringen will. »Dein Antheil, Galgenvogel?« rief er aus, »der Galgen – Du sollst so hoch hängen, wie Hamann, wenn Du zum Verräther wirst. – Aber,« fügte er mit milderer Stimme hinzu, »bewahre das Geheimniß wie ein treuer Mann, so wird meine Gunst Dir nicht entgehen. Komm – Du bist ein kühner Mensch, wie ich sehe, obwohl etwas vorlaut. Du hast zu den Uebelgesinnten gehört – so schreibt mir mein würdiger Freund, der Oberste Everard; aber Du hast nun jene sinkende Sache aufgegeben. Ich sage Dir, Freund, alles was das Parlament oder die Armee thun konnten, würde die Stuarts nicht von ihrem hohen Standorte heruntergerissen haben, hätte der Himmel nicht gegen sie gestritten. Nun wohl, es ist etwas Erfreuliches und Anständiges, sich für des Himmels Sache die Rüstung umzuschnallen, sonst hätten wahrlich, meinetwegen, diese Menschen bis auf diesen Tag auf dem Throne sitzen bleiben können. Auch tadle ich Niemanden, der ihnen beistand, bis diese aufeinander folgenden großen Gerichte sie und ihr Haus zu Boden gestürzt haben. Ich bin kein blutdürstiger Mann, ich habe wohl in mir Gefühl für menschliche Gebrechen; aber Freund, wer seine Hand an den Pflug legt, bei den großen Dingen, die jetzt unter diesen Nationen verrichtet werden, der mag sich lieber hüten, hinter sich zu schauen; denn verlaß Dich auf mein einfaches Wort, erweisest Du Dich als untreu, so erspare ich Dir nicht einen Fuß lang an Hamanns Galgen. Laß mich daher mit einem Worte wissen, ob der Sauerteig Deines bösen Willens Dir ganz ausgetrieben ist, oder nicht?«
»Ew. Gnaden,« sagte der Cavalier mit Achselzucken, »haben das bei den Meisten durch wiederholtes Schlagen schon glücklich zu Stande gebracht.«
»Meinst Du?« sagte der General mit grinzendem Lächeln, welches anzudeuten schien, daß er für Schmeichelei nicht ganz unzugänglich sey; »ja wahrlich, darin lügst Du nicht – wir sind ein Werkzeug gewesen. Auch sind wir, wie ich es vorhin schon andeutete, nicht so streng gegen diejenigen gesinnt, die als Uebelwollende gegen uns gekämpft haben, als Andere es seyn mögen. Die Männer des Parlaments wissen am besten, was ihnen vortheilhaft und genehm ist; aber meinen unmaßgeblichen Gedanken nach, ist es hohe Zeit, diesen Streitigkeiten ein Ende zu machen, und Menschen aller Art Mittel an die Hand zu geben, ihrem Vaterlande zu dienen; und wir glauben, es wird Deine Schuld seyn, wenn Du nicht zu einem guten Zwecke für den Staat und für Dich selbst gebraucht wirst, unter der Bedingung, daß Du den alten Menschen ganz von Dir thust, und dem, was ich Dir zu sagen habe, ernstliche Aufmerksamkeit widmest.«
»An meiner Aufmerksamkeit brauchen Ew. Gnaden nicht zu zweifeln,« sagte der Cavalier.
Nach einer abermaligen Pause fuhr hierauf der republikanische General, wie einer, der sein Vertrauen nicht auf einmal hergiebt, fort, seine Absicht mit einer Bestimmtheit zu erklären, wie er selten zu thun pflegte; doch nicht ohne hie und da wieder in seine gewöhnliche Weitschweifigkeit zu verfallen, die er nicht leicht ablegte, außer im Schlachtfelde.
»Du siehst, mein Freund,« sagte er, »wie es mit mir steht. Das Parlament, ich mache mir nichts daraus, wenn es Andere wissen, liebt mich nicht – der Staatsrath, durch den jenes die executive Regierung des Königreichs verwaltet, liebt mich noch weniger. Warum sie Verdacht gegen mich hegen, kann ich nicht sagen, es müßte denn seyn, weil ich nicht diese arme, unschuldige Armee entlassen will, die mir in so manches Gefecht folgte, um nun auseinander gerissen, stückweis zerbrochen und zertrümmert zu werden, so daß die, welche den Staat auf Kosten ihres Blutes beschützt haben, vielleicht nicht einmal Mittel finden werden, sich durch ihre Arbeit zu nähren, welches, wie mich dünkt, doch eine harte Maßregel wäre, denn es hieße Esaun sein Erstgeburtsrecht nehmen, ohne ihm nur ein armseliges Linsengericht dafür zu geben.«
»Esau wird schon zulangen, denke ich,« erwiederte Wildrake.
»Ja wahrlich, Du sprichst verständig,« erwiederte der General; »ein bewaffneter Mann wird nicht leicht verhungern, wenn er nur die Hand nach der Nahrung ausstrecken kann. – Jedoch fern sey es von mir, Empörung zu unterstützen, oder Mangel an gehöriger Subordination gegen diese unsre Beherrscher zu zeigen. Ich wollte nur auf eine gehörige und passende, sanfte und einträchtige Weise bitten, daß sie auf unsere Bedingungen hören, und unsre Bedürfnisse erwägen möchten. Aber da sie mich für so gering ansehen und achten, wie sie es thun, müßt Ihr doch zugeben, es hieße von meiner Seite den Staatsrath sowohl, als das Parlament reizen, wenn, blos um Eurem würdigen Herrn einen Gefallen zu erweisen, ich gegen ihre Zwecke handelte, oder die Commission, die ihre Befehle vollzieht, da Beide doch bis jetzt noch die höchste Gewalt im Staate haben – und es auch meinetwegen lange behalten können – hindern wollte, in der beabsichtigten Sequestration weiter, zu schreiten, Und würde es nicht auch heißen, ich gäbe mich dem Interesse der Uebelgesinnten hin, wenn ich gestattete, daß diese Höhle der üppigen und blutdürstigen Tyrannen von ehemals in diesen unsern Tagen ein Zufluchtsort für den alten hartnäckigen Amalekiten, Sir Heinrich Lee, würde und im Besitz des Ortes bliebe, in welchem er so lange stolzirt hat? Wahrlich, das würde eine gefährliche Sache seyn.«
»Soll ich denn also berichten,« sagte Wildrake, »daß Sie den Obersten Everard in dieser Sache nicht unterstützen können?«
»Ohne Bedingungen, ja – doch bedingungsweise genommen, mag die Antwort wohl anders ausfallen« – antwortete Cromwell. »Ich sehe, Du bist nicht im Stande, meinen Vorsatz zu ergründen, daher will ich ihn zum Theil Dir enthüllen. – Aber merke wohl, daß wenn Deine Zunge mich verräth, ausgenommen insofern, als sie es Deinem Herrn zu hinterbringen hat, bei allem Blute, das in diesen wilden Zeiten vergossen worden ist, so sollst Du eines tausendfachen Todes sterben.«
»Von mir fürchten Sie nichts, Herr,« sagte Wildrake, dessen natürliche Kühnheit und Sorglosigkeit für den Augenblick niedergedrückt war, wie der Falke in Gegenwart des Adlers.
»So höre mich denn,« sagte Cromwell, »und daß keine Silbe Dir entgehe. Kennst Du nicht den jungen Lee, den sie Albert nennen, ein Uebelgesinnter wie sein Vater, und einer, der mit dem jungen Manne in den letzten Kampf zog, den wir mit ihm bei Worcester hatten? – Möchten wir doch nie den Dank für den Sieg vergessen!«
»Ich weiß, daß es einen jungen Mann giebt, der Albert Lee genannt wird.«
»Und weißt Du nicht – ich sage das nicht, um des guten Obersten Geheimnissen nachzuspüren, sondern nur insofern es mir zukommt, etwas von der Sache zu wissen, damit ich am besten beurtheilen kann, wie ich ihm zu dienen habe – weißt Du nicht, daß Dein Herr, Markham Everard, sich um die Schwester dieses nämlichen Uebelgesinnten, eine Tochter des alten Aufsehers, Sir Heinrich Lee genannt, bewirbt?«
»Das Alles habe ich gehört,« sagte Wildrake, »auch kann ich nicht läugnen, daß ich daran glaube.«
»Gut dann, weiter. – Als der junge Mann, Karl Stuart, vom Schlachtfelde bei Worcester floh, und hart gejagt und verfolgt, genöthigt wurde, sich von seinen Begleitern zu trennen, so weiß ich durch sichere Nachricht, daß dieser Albert Lee einer der letzten war, die bei ihm blieben, wo nicht gar der allerletzte.«
»Das sieht ihm verteufelt gleich,« sagte der Cavalier, ohne seine Ausdrücke gehörig zu erwägen, oder zu bedenken, in wessen Gegenwart er sie aussprach – »und ich will es mit meinem Degen behaupten, daß er ein ächter Sohn seines Vaters ist.«
»Ha! Du fluchst?« sagte der General, »Ist das Deine Besserung?«
»Ich fluche nie, mit Ihrer Erlaubniß,« erwiederte Wildrake, der sich besann, »ausgenommen, wenn in meiner Gegenwart von Uebelgesinnten und Cavaliers die Rede ist, dann kehrt die alte Gewohnheit zurück, und ich fluche wie einer von Goring's Reitern.«
»Pfui über Dich!« sagte der General; »was kann es Dir nützen, eine so schreckliche Entweihung für die Ohren Anderer zu üben, die dem, der sich ihrer bedient, keinen Vortheil bringt.«
»Es giebt freilich einträglichere Sünden in der Welt, als das Fluchen,« war die Antwort, die dem Cavalier auf der Zunge saß, doch vertauschte er sie gegen eine Aeußerung des Bedauerns, gefehlt zu haben. Das Wahre an der Sache war, daß das Gespräch anfing, eine Wendung zu nehmen, welche es mehr als je interessant für Wildraken machte, der daher beschloß, keine Gelegenheit zu verlieren, um im Besitz des Geheimnisses zu kommen, das auf Cromwells Lippen zu schweben schien, und das konnte er nur dadurch, wenn er seine Zunge sorgfältiger hütete.
»Was für eine Art von Haus ist Woodstock?« fragte der General auf einmal.
»Ein altes Herrenhaus,« entgegnete Wildrake, »und so weit ich es nach einem einzigen Nachtquartier beurtheilen kann, mit einer Menge Hintertreppen, unterirdischen Gängen und andern heimlichen Verbindungen unter der Erde, welche in dergleichen alten Rabennestern gewöhnlich sind.«
»Und unstreitig auch Plätzen, um Priester zu verbergen,« sagte Cromwell. »Selten fehlt es solchen alten Häusern an geheimen Stellen, um diese Bethelkälber hineinzusperren.«
»Darauf können Ew. Excellenz schwören,« sagte Wildrake.
»Ich schwöre gar nicht« – erwiederte der General trocken, – »Aber was meinst Du, guter Freund? – Ich will einmal eine gerade Frage an Dich stellen – wo werden wohl diese beiden Flüchtlinge aus Worcester, von denen Du weißt, wahrscheinlicher Weise ein Obdach suchen – und daß sie irgendwo untergebracht werden müssen, weiß ich gar wohl – als in dem nämlichen alten Schlosse, mit dessen Versteckwinkeln der junge Albert von frühester Kindheit an bekannt worden ist?«
»Allerdings,« sagte Wildrake, indem er sich bemühte, die Frage mit scheinbarer Gleichgültigkeit zu beantworten, indeß die Möglichkeit eines solchen Ereignisses mit allen seinen Folgen ihm auf eine fürchterliche Art in die Augen sprang. – »Allerdings würde ich der Meinung Ew. Gnaden beistimmen; nur dünkt mich, die Gesellschaft, die im Auftrage des Parlaments Woodstock eingenommen hat, wird sie wahrscheinlich von da fort scheuchen, wie eine Katze die Tauben vom Taubenhause. Die Nachbarschaft der Generale Desborough und Harrison, mit Ehren zu melden, würde für Flüchtlinge vom Schlachtfelde bei Worcester nicht eben passend seyn.«
»Das dacht ich auch schon, und so erwartete ich es in der That,« antwortete der General. »Lange noch möge unser Name unsern Feinden ein Schrecken seyn. In dieser Sache aber, könntest Du, meine ich, wenn Du thätig für Deines Herrn Vortheil seyn willst, etwas bewirken, das seinem gegenwärtigen Zwecke günstig wäre.«
»Mein Kopf ist zu schwach, um die Tiefe der Absichten Ew. Gnaden zu ergründen.«
»So höre denn, und möge es von Nutzen seyn,« antwortete Cromwell. »Allerdings war der Sieg bei Worcester eine große, alles überwiegende Gnade, doch würden wir gar lässig in unserer Dankbarkeit dafür scheinen, wenn wir nicht alles thäten, was an uns liegt, zur Beförderung und Vollendung jenes großen Werks, das so gedeihlich in unsern Händen ward, indem wir in reiner Demuth und Einfalt des Herzens bekennen, daß wir auf keine Weise verlangen, es solle unsrer als eines Werkzeugs gedacht werden, sondern vielmehr bitten und ersuchen möchten, daß man lieber unsern Namen und unser Glück vergäße, als daß das große Werk an sich selbst unvollständig bliebe. Bei dem Allen geht es wahrlich so, wie wir nun einmal stehen, uns näher an als Andere, wenn nämlich so arme Geschöpfe überhaupt von sich so sprechen können, als ständen sie mehr oder weniger mit jenen Veränderungen in Verbindung, die rings umher geschehen, nicht, wie ich schon sagte, durch uns selbst oder unsre eigne Macht, sondern durch das Geschick, zu dem wir berufen sind, dasselbe mit Milde und Demuth erfüllend – ich sage, es betrifft uns mehr, daß Alles in Uebereinstimmung mit dem großen Werke geschehe, das in diesen Ländern verrichtet worden ist, und noch verrichtet werden wird. Das ist meine klare und einfache Meinung. Bei dem Allen steht sehr zu wünschen, daß der junge Mann, dieser König der Schotten, wie er sich nennt – dieser Karl Stuart – nicht der Nation entschlüpfe, bei der seine Ankunft so viel Unruhe und Blutvergießen erregt hat.«
»Ich zweifle nicht,« sagte der Cavalier, die Augen niederschlagend, »daß Ew. Gnaden Weisheit schon Alles so angeordnet hat, wie es am besten vollendet werden kann, und ich will beten, daß Ihre Mühe Ihnen vergolten werde, wie sie es verdient.«
»Ich danke Dir, Freund,« sagte Cromwell mit vieler Demuth, »ohnstreitig werden wir unsre Belohnung finden, da wir in den Händen eines guten Zahlmeisters sind, der nie den Samstag Abend vorüberläßt. Aber versteh mich, Freund, ich wünsche nichts mehr als meinen eigenen Antheil an dem guten Werke. Herzlich gern möchte ich Deinem würdigen Herrn jede geringe Gefälligkeit erweisen, die ich vermag, ja selbst Dir auf Deine Weise. – Denn solche Leute, wie ich, verkehren nicht mit gewöhnlichen Menschen, auf daß unsre Gegenwart vergessen werde, wie ein alltägliches Ereigniß. Wir sprechen mit Menschen, wie Du, zu ihrer Belohnung oder ihrer Strafe, und ich rechne darauf, es wird erstere seyn, die Du in Deinem Amte von mir verdienen wirst.«
»Ew. Gnaden,« sagte Wildrake, »sprechen wie einer, der des Befehlens gewohnt ist.«
»Wohl wahr; die Seelen der Menschen werden denen meiner Art durch Furcht und Ehrerbietung gleich,« sagte der General – »aber genug davon, da ich keine andere Abhängigkeit von mir persönlich verlange, als die, die wir Alle gegen das, was über uns ist, haben müssen. Aber ich möchte gern Deinem Herrn diese goldne Kugel zuwerfen. Er hat gegen diesen Karl Stuart und seinem Vater gedient, aber er ist ein naher Verwandter des alten Ritters Lee, und steht gut mit seiner Tochter. Du auch mußt Wache halten, mein Freund – Dein herumschweifender Blick wird Dir das Vertrauen jedes Uebelgesinnten erwerben, und die Beute kann sich jenem Dickigt nicht nahen, um sich wie ein Kaninchen in den Felsen zu bergen, ohne daß Du ihre Gegenwart merken solltest.«
»Ich bestrebe mich, Ew. Excellenz zu verstehen,« sagte der Cavalier, »und ich danke Ihnen sehr für die gute Meinung, die Sie von mir haben, und will beten, daß sich mir eine gute Gelegenheit darbieten möge, sie zu verdienen, auf daß der Ausgang meine Dankbarkeit zeige. Aber doch, wenn Ew. Excellenz erlauben wollten, dünkt mir Ihr Plan nicht wahrscheinlich, so lange Woodstock im Besitz der Sequestratoren bleibt. Sowohl der alte Ritter als sein Sohn, geschweige denn ein Flüchtling, wie Ew. Gnaden ihn andeuteten, werden sich gewiß sehr hüten, ihm nahe zu kommen, bis diese weg sind.«
»Deshalb habe ich ja eben so lange mit Dir gesprochen,« sagte der General – »ich sagte Dir, daß ich um einer geringen Ursach willen, nicht ganz geneigt sey, die Sequestratoren auf meine eigne Hand zu verdrängen, obwohl ich vielleicht hinreichendes Ansehen im Staate hätte, nicht blos um dies zu thun, sondern auch zugleich das Murren derer, die mich tadeln, zu verachten. Mit kurzen Worten, ich möchte nicht gern ohne Noth mit meinen Privilegien spielen und Experimente anstellen, ob sie oder die von andern ertheilte commissarische Gewalt stärker sind, wenn ich nicht wenigstens Aussicht auf großen Gewinn habe. Will also Dein Oberster, aus Liebe zur Republik, es übernehmen, Mittel ausfindig zu machen, der schlimmsten und nächsten Gefahr zuvorzukommen, welche nothwendig eintritt, wenn dieser junge Mann entschlüpft, und will er sein Möglichstes thun, ihn fest zu halten, im Fall seine Flucht ihn nach Woodstock leiten sollte, was mir sehr wahrscheinlich vorkommt, so will ich Dir einen Befehl an diese Sequestratoren geben, das Schloß sogleich zu räumen, und an die nächste Abtheilung meines Regiments, das in Oxford liegt, sie beim Arm hinauszuführen, wenn sie sich weigern – ja sogar des Beispiels halber, mögen sie Desborough zuerst hinausschleppen, wenn er gleich mit meiner Schwester verheirathet ist.«
»Mit Ihrer Erlaubniß, Herr,« sagte Wildrake, »und mit Ihrem mächtigen Befehl getraute ich mir wohl die Commissarien auch ohne Ihre tapfern Soldaten herauszudrängen.«
»Das macht mir die geringste Sorge,« erwiederte der General, »ich wollte dem Besten nicht rathen, still zu sitzen, wenn ich ihm zugenickt hätte, zu gehen – immer jedoch mit Ausnahme des verehrten Parlaments, in dessen Namen unsre Commissarien ausgeschickt worden sind, die aber, wie Einige meinen, mit der Politik nichts mehr zu thun haben werden, bis die Zeit der neuen Wahl herannaht. Mir ist es daher jetzt Hauptsache, zu wissen, ob Dein Herr einen Handel über sich nehmen will, der ihm so schönen Gewinn verspricht. Ich bin gar sehr der Meinung, daß mit einem solchen Spion, wie Du, der in den Cavaliersquartieren bewandert ist, und, wie ich vermuthe, seine spitzbübischen Gesundheitstrinker-Manieren wieder annehmen kann, wenn es ihm beliebt, daß dieser entdecken muß, wo dieser Stuart sich verborgen hält. Entweder wird der junge Lee den Alten selbst besuchen, oder ihm schreiben, oder sonst durch Briefe mit ihm verkehren. In jedem Fall müssen Markham Everard und Du ein Auge in jedem Haar auf Eurem Kopfe haben.« Während er so sprach, flog eine Röthe über sein Gesicht, er stand auf, und schritt mit großer Bewegung im Zimmer umher. »Wehe Euch, wenn Ihr mir den jungen Abentheurer entschlüpfen laßt! – Es wäre Euch besser, in dem tiefsten Kerker in Europa zu liegen, als Englands Luft zu athmen, wenn Ihr nur davon träumt, mich zu überlisten. Ich habe frei heraus gegen Dich gesprochen, Mensch – freier, als ich wohl pflege – die Zeit erforderte es. Aber Theil an meinem Vertrauen haben, heißt Wache halten über ein Pulvermagazin, der kleinste, unbedeutendste Funken sprengt Dich in die Luft. Sage Deinem Herrn wieder, was ich gesagt – aber nicht, wie ich es gesagt – pfui, daß ich mich so von der Leidenschaft hinreißen ließ! – Geh, pack Dich. Pearson soll Dir die versiegelte Ordre bringen. – Doch halt – Du hast noch etwas zu fragen?«
»Ich wünschte zu wissen,« sagte Wildrake, dem die sichtbare Unruhe des Generals einiges Zutrauen gab, »wie der junge Mensch aussieht, im Fall ich ihn finden sollte.«
»Er soll zu einem langen, dürren, schwarzbraunen Burschen aufgeschossen seyn. Hier ist sein Bild; es ist erst vor kurzem, von guter Hand gemalt, hier angekommen.« Er drehte eins der Bilder herum, die umgekehrt, gegen die Mauer gelehnt, da standen, aber es war nicht das Karls II., sondern das seines unglücklichen Vaters.
Cromwell's erste Bewegung deutete die Absicht an, das Bild schnell wieder hinzustellen, und es schien, als ob er einer Anstrengung bedürfe, seine Abneigung, es anzusehen, zu unterdrücken. Aber er unterdrückte sie, lehnte das Bild gegen die Wand, und ging dann ernst und langsam rückwärts, als sey er, seinen eigenen Empfindungen zum Trotz, entschlossen, es im gehörigen Lichte zu betrachten. Es war ein Glück für Wildraken, daß der gefährliche Mann, in dessen Gegenwart er stand, kein Auge auf ihn wandte; denn auch sein Blut kochte, als er das Bild seines Gebieters in den Händen des Haupturhebers seines Todes sah. Als ein heftiger und verzweifelter Mensch konnte er nur mit großer Mühe seiner Leidenschaft Herr werden, und wäre er in der ersten Aufwallung mit einer gehörigen Waffe versehen gewesen, so ist es leicht möglich, daß Cromwell in seinem kühnen Streben nach der Obergewalt nicht hätte weiter schreiten können.
Aber diese natürliche und plötzliche Aufwallung, welche die Adern eines gewöhnlichen Menschen, wie Wildrake war, anschwoll, ward sogleich unterdrückt, sobald sie der heftigen, aber halb erstickten Bewegung gegenüber stand, die sich in einem so gewaltigen Charakter, wie Cromwell äußerte. So wie der Cavalier auf jenes düstere und verwegene Gesicht blickte, das durch innere unbeschreibliche Gefühle bewegt wurde, verschwand seine eigene Heftigkeit ganz und gar, und verlor sich in Furcht und Verwunderung. So wahr ist es, daß, so wie größere Lichter die geringeren in sich saugen und verlöschen, so auch überwältigen große fähige Herrschergemüther bei gesteigerter Leidenschaft den schwächeren Willen, und die Leidenschaften Anderer; wie, wenn ein Fluß einen Bach aufnimmt, der heftigere Strom den kleinern seitwärts drängt.
Wildrake stand als schweigender, unthätiger, und fast ganz eingeschüchterter Zuschauer da, indeß Cromwell mit fester Strenge im Auge und im Wesen, wie Einer, der sich zwingt, das anzuschauen, was ihm ein starkes inneres Gefühl schmerzlich und widerlich macht, in kurzen unterbrochenen Worten, aber mit fester Stimme anfing, einen Commentar über das Bild des ehemaligen Königs zu machen. Seine Worte schienen weniger an Wildrake gerichtet, als ein freiwilliger Erguß seines eigenen, unter den Erinnerungen des Vergangenen und einer Ahnung des Künftigen aufgeregten Busens zu seyn.
»Was der niederländische Maler,« sagte er – »der Antonio Vandyk – für eine Gewalt hat! Stahl kann verstümmeln, Krieger können verheeren und zerstören – immer steht der König da, unangefochten durch die Zeit, und unsre Enkel mögen, wenn sie seine Geschichte lesen, sein Bild anschauen, und die melancholischen Züge mit der traurigen Geschichte vergleichen. – Es war eine strenge Nothwendigkeit – es war eine schauervolle That! Der ruhige Stolz jenes Auges hätte ganze Welten kriechender Franzosen oder listiger Italiener, oder förmlicher Spanier beherrschen können; aber seine Blicke regten nur den angebornen Muth des ernsten Engländers auf. – Lege es nicht dem armen sündigen Menschen zur Last, deß Odem aus seiner Nase wehet, daß er hinsinkt, wenn der Himmel seinen Nerven nicht Kraft gab, zu stehen! Der schwache Reiter wird von seinem unbändigen Pferde herabgeworfen und todt getreten – der stärkere Mann, der bessere Reiter springt in den leeren Sattel, braucht Gebiß und Sporn, bis das feurige Roß seinen Herrn erkennt. Wer tadelt den, der hinauf gestiegen, triumphirend unter dem Volke dahin reitet, daß es ihm da gelang, wo der Unfähige und Schwache fiel und umkam? Wahrlich, er hat seinen Lohn dahin. Worin geht nun das Stück gemalte Leinewand mich näher an, als Andere? Nein, er zeige Andern die Vorwürfe dieses kalten, ruhigen Gesichts, dieses stolzen, klagenden Auges: die nach höheren Rücksichten gehandelt haben, brauchen nicht vor gemalten Schatten zusammenzufahren. Nicht Reichthum noch Macht zog mich aus meiner Dunkelheit. Das unterdrückte Gewissen, die verletzten Freiheiten Englands, diese waren das Banner, dem ich folgte.«
Er erhob seine Stimme so laut, als führe er seine Vertheidigung vor irgend einem Richterstuhl, so daß Pearson, der Dienst thuende Offizier, ins Zimmer trat; da er aber seinen Herrn mit funkelnden Augen, ausgestrecktem Arme und vorgeschrittenem Fuße, wie einen General, der an der Spitze seiner Armee mit lauter Stimme commandirt, da stehen sah, ging er sogleich wieder hinaus.
»Nicht selbstsüchtige Rücksichten zogen mich hervor zur That,« fuhr Cromwell fort, »und ich fordre die Welt auf – ja, lebend oder todt fordre ich sie auf – zu behaupten, daß ich mich waffnete, um einer Privatursach willen, oder um mein Vermögen zu vergrößern. Auch war kein Reiter im Regiment, der mit weniger Haß gegen jenen unglücklichen« –
In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür des Zimmers, und ein weibliches Wesen trat ein, die man, aus der Aehnlichkeit mit dem General, leicht für dessen Tochter erkennen mußte, nur daß ihre Züge sanft und weiblich waren. Sie ging auf Cromwell zu, faßte ihn sanft, aber mit fester Gebehrde beim Arm, und sagte in überredendem Tone: »Vater, das ist nicht recht – Sie versprachen mir, das sollte nicht geschehen.«
Der General senkte das Haupt, wie Einer, der sich der Leidenschaft, der er sich hingegeben, schämt, oder auch des Einflusses, der über ihn ausgeübt wird. Er gab jedoch dem zärtlichen Antriebe nach, und verließ das Zimmer, ohne sich wieder nach dem umzusehen, das ihn so sehr aufgeregt hatte.