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Als ich einst bei meinem alten Freunde Kapitain Christian Brathering in Wustrow auf Fischland um die Abenddämmerung bei einem Glase steifen Groggs sass, und ein Wort das andere gab, stand dieser, da wir uns gerade über afrikanische Verhältnisse unterhielten, plötzlich auf, kramte unter allerlei Raritäten ein altes, sehr mitgenommenes Buch hervor und schenkte es mir zum Andenken, da ich am nächsten Tage abreisen wollte. Er meinte, da ich für allerlei Schriftwerk eine besondere Vorliebe hege, würde mich auch der Inhalt dieses Buches vielleicht anziehen, da es sehr pläsirlich zu lesen sei, und fügte zur Erläuterung bei, dass er es in früheren Jahren, da er noch als Kapitain des trefflichen Barkschiffes Maria Sophia weite Reisen unternommen, einst an der Westküste Afrika's gegen einen Handschuhknöpfer von einem Neger aus dem Innern eingetauscht habe. Da nun gleich darauf der alte Kapitain Johann Voss eintrat, und dadurch das Gespräch eine andere Wendung annahm, so steckte ich das Buch unbesehen in die Tasche. Am anderen Morgen gerieth es in der Eile auf gleiche Weise in meinen Koffer, und so geschah es, dass erst zu Hause in Berlin das fast vergessene Buch mir wieder in die Hände kam. Es war ein ziemlich grosses und dickes in Leder gebundenes Notizbuch und zeigte starke Spuren des Gebrauches und schlechter Behandlung. Im Innern war es von einer sorgfältigen und ziemlich deutlichen Handschrift bis auf 21 leere Blätter am Schluss angefüllt, jedoch da die Seiten Zahlen trugen, sah man bald, dass einige Blätter, wer weiss zu welchen profanen Zwecken, ausgerissen waren. Auf anderen Seiten dagegen war die Schrift bis zur Unkenntlichkeit verlöscht, so dass man nur einzelne Wörter noch zu entziffern vermochte. Bei näherer Prüfung dieses Schriftstückes gerieth ich nun aber in die höchste Aufregung, da ich merkte, dass ein unbezahlbarer Schatz in meine Hände gerathen war, denn schon nach kurzer Besichtigung wusste ich, dass das Reise-Tagebuch des vor langen Jahren in Afrika verschollenen Doctors Balthasar Strangmöppel vor mir lag, desselben, der vor etwa zehn Jahren Afrika nicht zu durchqueren, nein im Gegentheil zu durchlängsen versuchte. Ich muss wohl in der Freude meines Herzens allerlei tolles Zeug an den Tag gegeben haben, denn ich erinnere mich, dass ich der alten Frau Hirsewenzel, bei der ich wohne, um den Hals fiel, sie für das Ideal eines Weibes erklärte, ihr ein Atlaskleid versprach und dergleichen Unfug mehr verübte. Anstatt sich aber mit mir zu freuen, wurde Frau Hirsewenzel sehr bange und entfloh, so schnell sie es vermochte, und nach einer Weile trat ihr Hausarzt Herr Sanitätsrath Kosengiebel sehr vorsichtig bei mir ein, mit der besorgten Frage, wie es mir ginge, während meine gute Hauswirthin blass, zitternd und fluchtbereit in der geöffneten Thür verharrte. Nicht ohne Mühe gelang es mir dann endlich die Zweifel an der Gesundheit meines Geisteszustandes zu zerstreuen.
Ich bereite nun die Herausgabe dieses kostbaren Notizbuches vor, allein vorher möge mir es gestattet sein im Auszuge einige besonders merkwürdige Aufzeichnungen des berühmten Reisenden vorzuführen. Man wird daraus ersehen, wie lückenhaft noch immer trotz aller Anstrengungen der tapfersten Reisenden unsere Kenntniss innerafrikanischer Zustände beschaffen ist.
. . . . . . . schon 5 Tage durch die Wüste Tumbi. Zu Hause in Berlin macht man sich einen ganz falschen Begriff von einer afrikanischen Wüste. Man denkt sich so ohngefähr das Wilmersdorfer Unland etwa bis auf den Umfang des Russischen Reiches vergrössert, aber das ist ganz falsch, die Wüste ist viel sandiger. Wenn man, mit einer üppigen Phantasie ausgerüstet, sich so viel Sand vorstellt, als nur möglich ist, so kann man überzeugt sein, dass dies nicht der zehnte Theil des Sandes ist, der sich in einer solchen Wüste befindet.
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Unsere Wasservorräthe gehen zu Ende und wir sind sehr sparsam damit, die Rationen werden mit dem Tropfenzähler ausgetheilt. Abends um die Bierzeit ist mein Durst ein feuriges Ungeheuer, und Nachts träume ich ausschliesslich von Getränken. Gestern schwamm ich im Traum in einem See von Weissbier und ringsum an den Ufern standen mit freundlichem Lächeln sämmtliche Berliner Weissbierwirthe und freuten sich über meinen Durst, indem sie fortwährend neue Kruken in den See entleerten. Heute hatten wir eine Fata morgana. Am Horizont erschien der Tempelhofer Bock, aber seltsamer Weise von Palmen beschattet. Möge mir der Himmel die furchtbaren Flüche verzeihen, die sich meinen Lippen entrangen, als mir in grässlichem Hohne die trügerische Luftspiegelung fröhlich zechender Menschen vorgezaubert ward. Später entstand sichtlich eine Keilerei, das Bild gerieth in's Schwanken und löste sich zitternd in Dunst auf.
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Die Löwen und alle Thiere in dieser Gegend waren furchtbar ausgehungert und schwach, denn in der Wüste war Misswachs gewesen, und was dies zu bedeuten hat in einer Region, wo schon in guten Jahren nichts wächst, kann man sich leicht vorstellen. Schon die Anstrengung einen, wenn auch nur unbedeutenden Schatten zu werfen, ermüdete die Thiere so, dass sie sich stundenlang davon ausruhen mussten.
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Endlich bekamen wir die Oase Aniba in Sicht, die Kameele unserer Karawane hatten schon längst durch vergnügtes Schnuppern angedeutet, dass sie Witterung davon hatten. Unser Muth belebte sich, und am Abend zogen wir jauchzend in den Gasthof »Zum Wüstenschiff« ein. Im Wirthsgarten herrschte reges Leben, die eingeborenen Neger sassen beim Abendschoppen, und um zwei lange Tische reihte sich eine grosse Anzahl schwarzer Studenten aus Balindu, die mit ihren Professoren auf einer Studienreise begriffen waren und sich deshalb, ganz wie bei uns, vorzugsweise mit der Erforschung fremder Biere beschäftigten. Nachdem ich, einsam an einem Tische sitzend, in harter dreistündiger Arbeit meinen monumentalen Wüstendurst durch das vortreffliche Palmbier soweit gebändigt hatte, dass ich der Sprache wieder mächtig war, stellte ich mich meinen schwarzen wissenschaftlichen Collegen vor und fand recht nette Leute in ihnen. Der eine trug über Sklavenhandelsrecht, der andere über Elephantenzahnkunde vor, bekanntlich die beiden wichtigsten Wissenschaften in Innerafrika, und kaum hatten sie meinen Namen gehört, als auch schon Silentium geboten wurde und sofort ein Salamander stieg auf den berühmten Reisenden Dr. Strangmöppel, worauf ich mir die Freiheit nahm auf die Universität Balindu als einen Hort der Wissenschaft einen zweiten zu kommandiren. Es ward konstatirt, dass auch hier in Innerafrika die Füchse nachklappen. Unter den Studenten waren auch Mitglieder der zwei Corps Saharia und Kaffria. Die Saharen tragen Knallroth, Eiergelb und Donnergrün, während die Farben der Kaffern Blitzblau, Semmelblond und Kaffeebraun sind. Später kam es zu einigen Reibereien zwischen den Mitgliedern der beiden Corps und zu verschiedenen Contrahagen. Die leichteren Forderungen lauteten auf glatte Speere mit Schilden und 25 Schritt Distanz, die schwereren auf Speere mit drei Widerhaken, ohne Schilde, 20 Schritt, bis zur Abfuhr.
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Um Mitternacht erwartete man die Kameelpost aus Balindu, und richtig, als die grosse Normal-Wüstensanduhr fünf Minuten vor zwölf zeigte, ertönte die Pauke des Postillions in einiger Entfernung und kündigte den aus 30 Kameelen bestehenden Postzug an. Kurze Zeit darauf stürzte ein sehr dicker, europäisch gekleideter Mann in den Garten, lief auf mich zu und umarmte mich unter den heftigsten Freudenbezeugungen. Ich erkannte meinen alten Schulkameraden Emil Kantapfel, der, nachdem er in dreijähriger Anstrengung die Schranken von Obertertia nicht zu durchbrechen vermocht hatte, in die weite Welt gegangen war. Durch wundersame Schicksale schliesslich nach Balindu verschlagen, hatte er hier sein Glück gemacht, indem er den König des Landes bewogen hatte, ihm die Mittel zur Errichtung einer grossartigen Palmbier-Brauerei zu gewähren. Nachdem er nun so das Fundament jeder wahren Kultur, ein anständiges Nationalgetränk geschaffen hatte, nahm die allgemeine Bildung im Lande einen reissenden Fortschritt. Da durch den vortrefflichen Stoff die Grundbedingungen alles studentischen Lebens gegeben war, so folgte natürlich die Errichtung einer Universität auf dem Fusse, und andere segensreiche Einrichtungen schlossen sich an.
Mein Freund genoss in Folge dessen ein grosses Ansehen und war vor Kurzem vom König zum Minister der geistigen Getränke und Kulturangelegenheiten ernannt worden. Jetzt befand er sich auf einer grösseren Bierreise zur Inspektion seiner Filialen. Mit einem gewissen Stolze überreichte er mir seine Erstlingsschrift, zugleich das erste Werk, das aus der Königlichen Hof- und Staatsdruckerei in Balindu hervorgegangen war: »Ueber die Bierverhältnisse von Innerafrika und ihre Bedeutung für die Kultur der Gegenwart«.
Bevor ich meinen Weg weiter in das Innere fortsetzte . . . . . . . . . .
(Anmerkung des Herausgebers: Hier findet sich eine jener grösseren durch fehlende Blätter veranlassten Lücken.)
. . . . . . . . als ich plötzlich einer grossen Elephantenheerde ansichtig wurde. In Folge meiner genauen Kenntniss von den Eigenschaften der afrikanischen Elephanten hatte ich mir in Berlin eine furchtbare Büchse bauen lassen, die der »Elephantenpüster« getauft war und eine halbpfündige Dynamitgranate schoss. Von diesem Gewehr versprach ich mir grosse Erfolge, nur hatte es den einen Fehler, dass sein Rückschlag ungemein stark war und selbst den kräftigsten Schützen veranlasste, nach dem Abfeuern mindestens sieben Mal rückwärts Kobold zu schiessen, was für diesen gerade nicht angenehm war, den Zuschauern jedoch immerhin einen erheiternden Anblick darbot. Es gelang mir, mit dieser Büchse mich an einen alten Elephantenbullen heranzuschleichen, der gedankenvoll in einer Lichtung stand und einen Brodbaum frühstückte. Meine Träger warteten in weiter Entfernung lüstern auf Elephantenbraten, den sie sehr lieben, besonders die Koteletten wegen ihrer ungemeinen Grösse, allein diesmal hatten sie sich umsonst gefreut, denn die Sache kam anders. Als ich nach dem Abfeuern meiner vortrefflichen Büchse ohngefähr bei dem dritten Purzelbaum war, hörte ich mit Befriedigung einen zweiten noch viel gewaltigeren Knall, der durch das Explodiren der Dynamitgranate hervorgebracht wurde, und als ich endlich nach dem achten Saltomortale wieder festen Fuss gefasst hatte, sah ich mich begierig nach der Wirkung meines Schusses um. Jedoch der Elephant war fort. War er in die Erde versunken? Vorsichtig ging ich näher, allein ich fand an dem Orte, wo er gestanden hatte, nur ein wenig Blut und einige Fleischfetzen, im Uebrigen war das riesige Thier durch die ungeheure Gewalt meiner Dynamitgranate vollständig in die Luft zerstreut worden. Eine halbe Stunde weiter fanden wir einen seiner gewaltigen Stosszälme metertief in einen Eisenholzbaum gerammelt, und meine Leute erzählten mir mit kummervollen Mienen, sie hätten den Rüssel und das Filet über sich hinweg in einen fernen Sumpf sausen sehen.
So weit die Proben aus den eigenen Aufzeichnungen des Doctor Strangmöppel; das Uebrige möge man in dem nächstens erscheinenden Werke selbst nachlesen. Besonders interessant ist der Moment geschildert, wo dem Reisenden die Gegend anfängt so merkwürdig vorzukommen; wie er seine astronomischen Beobachtungen macht und nun bemerkt, dass, wo er sich befindet, auf der Karte Alles weiss ist, worauf er in den jauchzenden Ruf ausbricht: »Hurrah, nun geht das Entdecken los!« Eine aufregende Scene ist es auch, wie er später den grössten aller beobachteten Schmetterlinge, den Papilio Gigas Strangmöppeli, auffindet. Er ist beim Botanisiren eingeschlafen und wacht auf durch ein Kribbeln an der Nase, höchst verwundert, sein Gesicht von einem Etwas, gleich einem farbigen Sonnenschirm, beschattet zu sehen. Endlich überzeugt er sich, dass ein ungeheurer Schmetterling von etwa einem Meter Flügelspannweite auf ihm sitzt und mit dem Rüssel seine Westentaschen untersucht, in denen sich etwas Zucker für die mitgeführten Affen befindet. Unerschrocken packt er ihn mit beiden Händen um die Brust und bewältigt ihn nach langem Kampfe, obgleich er ein paar Mal hoch in die Luft emporgehoben wird.
Am merkwürdigsten ist aber wohl sein Besuch beim König Mumbo Dumbo in dem noch nie von eines Europäers Fuss betretenen Reiche der Bombi. Dieser Fürst hat ein Heer, das ebenso wohl organisirt ist als das preussische, und veranstaltet zu Ehren des fremden Reisenden eine grosse Parade. Nicht genug kann dieser die ausgezeichneten Leistungen der auf Nilpferden berittenen schweren Wasserkavallerie rühmen. In diesem Reiche giebt es vorzügliche Gaukler und von einem dieser sieht der Reisende das schon in der Bibel erwähnte Kunststück, Kameele durch ein Nadelöhr gehen zu lassen.
Auf einer der am meisten verwischten Seiten des Notizbuches war nur ein einziges Wort erhalten, jedenfalls der Name einer neuentdeckten Dachsart. Es stand dort:
. . . Cementpappdachs . . . .
Ueber diesen besonderen Namen haben sich die Zoologen sehr die Köpfe zerbrochen und konnten nicht zu einer Klarheit gelangen, weshalb Strangmöppel wohl diese Bezeichnung gewählt haben könne. Ein Ingenieur, dem ich diese Stelle zeigte, brach in ein banausisches Hohngelächter aus und sagte, dies wäre gar kein Dachs, sondern nur der Genetiv von Cementpappdach. Es ist doch betrübend, dass Leute, die eine gewisse Bildung genossen und eine technische Hochschule besucht haben, so wenig wissenschaftlichen Sinn besitzen, dass sie es wagen, bei solchen ernsthaften Fragen mit einem Kalauer sich abzufinden.
Ueber die Art, wie dieser verdienstvolle Forscher zu Grunde gegangen ist, enthält das Notizbuch keinerlei Andeutung; nur auf der letzten Seite befindet sich der Abdruck eines blutigen Negerdaumens.