Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III.

Der tote Soldat.

The most precious tears are those, with which
Heaven bedews the unburied head of a soldier.   
O. Goldsmith.            

                Auf ferner fremder Aue
Da liegt ein toter Soldat,
Ein ungezählter, vergessner,
Wie brav er gekämpft auch hat.

Es reiten viel Generale
Mit Kreuzen an ihm vorbei;
Denkt keiner, daß, der da lieget,
Auch wert eines Kreuzleins sei.

Es ist um manchen Gefallnen
Viel Frag' und Jammer dort,
Doch für den armen Soldaten
Gibt's weder Träne noch Wort. –

Doch ferne, wo er zu Hause,
Da sitzt, beim Abendrot,
Ein Vater voll banger Ahnung
Und sagt: »Gewiß, er ist tot!«

Da sitzt eine weinende Mutter,
Und schluchzet laut: »Gott helf!
Er hat sich angemeldet:
Die Uhr blieb stehn um elf!«

Da starrt ein blasses Mädchen
Hinaus ins Dämmerlicht:
»Und ist er dahin und gestorben,
Meinem Herzen stirbt er nicht!« –

Drei Augenpaare schicken,
So heiß es ein Herz nur kann,
Für den armen, toten Soldaten
Ihre Tränen zum Himmel hinan.

Und der Himmel nimmt die Tränen
In einem Wölkchen auf,
Und trägt es zur fernen Aue
Hinüber im raschen Lauf;

Und gießt aus der Wolke die Tränen
Aufs Haupt des Toten als Tau,
Daß er unbeweint nicht liege
Auf ferner, fremder Au.

 
Hagelschlag.

              Vor dem Felde steht der Landmann
Mit gekreuzten Armen da:
»Ach wie schön noch heute morgens,
Reicher Segen, fern und nah;

Grün und fett die jungen Halme,
Hoffnungsreich, ein Augentrost,
Bis der Mittag kam, der schwüle,
Bis der Hagelschlag getost!

All' die Halme nun erschlagen,
All' die Hoffnungen nun Staub,
Und ein ganzes Jahr voll Sorgen
Einer Viertelstunde Raub!

Und da soll der Mensch nicht hadern,
Soll nicht weinend stehn, wie ich?
Soll nicht Schweiß und Fleiß verschwören,
Schicksal, grollen nicht auf dich?!« –

– Und zum Landmann trat ein Pilger,
Der ihn also hört' und sah:
»Sprich, du, dessen Saat zerschlagen,
Sprich, wie meinst du, steh' ich da? –

Tausend Saaten, wie die deinen,
Lang' erwarteter Ertrag,
Freilich nur gesät im Herzen,
Traf mir schon der Hagelschlag.

Saat ist Pflicht, doch Glück ist Ernte;
Tausend Saaten ohne Glück!
Armer, auf den ärmren richte
Deinen tränenfeuchten Blick!« –

Und der Landmann hört den Pilger,
Zieht ein lächelnd Spottgesicht;
Weil er nicht die Saat kann sehen,
Glaubt er an den Hagel nicht.


 << zurück weiter >>