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23° Typischer Zug alles bourgeoisen Gesindels: der Gefahr, die seinem Selbstbewußtsein durch andere droht, die Größe zu nehmen, indem es verdächtigt. Minimalform: wer stolz, hochmütig, frech sei, der sei ... (sc.: offen selbstbewußt!); Maximalform: wer bescheiden sei, schüchtern, demütig, sei ... (sc.: versteckt selbstbewußt!)... Süße, süße Mar! ... In beiden Fällen: sie sind immer gegen das Selbstbewußtsein, da sie nur so sich beibringen können, die Nichtberechtigung dieser Eigenschaft in sich als Vorzug zu buchen. Der Ochse verdächtigt zu diesem Behufe. Der Ochse! Wüßte er wirklich niedlich zu verdächtigen: müßten ihm nicht die Hoden wieder wachsen? (Sie müßten!) ... Naturellement: es gibt gar kein Selbstbewußtsein. Das echte: keines zu haben. Die Tragödie par excellence (o la la): – die Groteske ... O vermöchte ich nur einmal drei leichte Viertelstunden lang die Dinge wie ein Sachse anzuspringen! Ich wollte zum Dank (nun, nun) – Psychologe werden und mit den Geyern aasen ... Kurz: man braucht endgültig keine Glasblicke mehr in die Historie zurückzubefördern. In die He-Ho-Hu-Ha- (aha) Hysterie aber seien zum Abrutsch etwaiger sachlich noch vindizierter Fähigkeiten etliche Speibische vorgehirzt (der Schluck um die Axe) ...
24° Süße, süße Mar! Du rhapsodiertest einst (Robe von schwarzem Barège) zwischen Evening Glory Fizz, mir und vier Uhr nachm. (schoooon) also: »Pah bereits allerlei geruckst, pah ist man höflich, läßt den Geld- oder sonstwie den boy gelten, schtrupps wird der Vogel arrogant, hat sogar recht, wenn er jeden, der vor ihm Respekt begeht, für saudumm hält, pah ist man hingegen, hingegen, hingegen nun – zugeknöpft, loblos (nett, pas?) oder auch nur nachsichtig, so dasselbe Resultat in ultramarin, diesmal aber, weil der boy mich für arrogant hält, dieweil mir doch, du weißt es ja, du Schuft, wahrhaftig nur der Fizz wichtig ist und manchmal deine unglaubliche Schulterhaltung usw. na ja, pah ich habe jedoch einen direkt engelhaften Spitzki ausgeknofelt, reüssiert orienthaft und ist überhaupt das Beste, was gegenwärtig auf diesem Gebiete, ich sage nämlich jedem genau dasselbe, was ich soeben dir sagte, und das von jetzt eben sage ich auch jedem und das auch und das auch, das auch, das auch, das auch, Blödsinn ... und jeder fast, aber immer wenigstens erschüttert, wird benützbar und banknotennettest, bitte ...« Süße, süße Mar! Elle a un savon à la place du coeur ... die apokalyptische Hure ... je me tais ...
25° kann man so ausdruckslos vor sich hinglotzen, daß es siegesgewiß wirkt. O, es ist schwer. Zur Skala: auf Mißtrauen springt Haß, auf Haß Mißtrauen, bis man es nicht länger aushält und sich einredet, einander zu lieben. Letzter psychischer Bauchaufschwung der (gewiß, gewiß) – Ohnmacht. Glotzt man aber ... Man müßte konstant mit einer Verbeugung im Blick (oder in der Stimme) arbeiten. Supponiert, daß es verkehrstechnisch ausführbar wäre, zöge es sicherlich am Ende eine Verbalinjurie nach sich (oder schädliche innere Sekretionen). O, es ist schwer ... (Theoretisch ist der Globale längst verboten; daß er praktisch noch grast, ist ebenso unerklärlich wie jenes Verbot.)
26° Als ich eines Tages auf dem Kottbuser Friedhof wahrnahm, daß Trauer nur das schmerzhaft-intensive Bestreben ist, sich zu verbergen, daß sie nicht vorhanden ist, beschloß ich:
nurmehr Postkarten zu schreiben,
für alle mir applizierten Leistungen Honorare einzuwatschen,
mich tunlichst oft (wie es so schön im Liede heißt) – zu erniedrigen,
außerdem stets, frischester Wäsche angetan, zu brillieren und
5. keine einzige Frage (da jede unweigerlich albern) und keine einzige Antwort (da jede schlechtweg dement) jemals wieder zu effektuieren.
Konsekutiv hätte ich beinahe geheiratet. Im letzten Augenblick aber gelang es mir, eine Postkarte zu vergessen. Sodaß Punkt 1 nunmehr lautet:
1. nur Postkarten geschrieben zu haben nicht einmal mehr behaupten.
Dies das Geheimnis meiner so oft schon bestaunten Sicherheit im Umgang mit Kellnern, Witwen und Kommerzienräten.
27° Haben Sie schon einmal eine Wasserleiche gesehen? Noch nicht? Dann hüten Sie sich, schüchtern zu sein. Ihr Vis-à-Wüterich, der sich bekanntlich ebenfalls nicht auskennt, hielte sich augenblicks für durchaus maßgebend, ... wenn Sie noch keine Wasserleiche gesehen haben. Tja, Schüchternheit ist (wie jeder aufrichtige Zustand) leider unschulterbar, unverkeschbar. Der Kerl, der sich bei ihrem fortgesetzten Anblick schließlich bereits so heftig mit seinen Fingernägeln beschäftigt, daß man ihm die Maniküre ernstlich nicht mehr zu glauben beginnt, hält diesen Gipfel von (och!) – Selbstgenuß nicht mehr aus und bekommt plötzlich einen Anfall: ... aus der friedlichsten Kaffeehaus- oder Stubenaura faxt eine aberwitzige Frechheit, eine dolle Geste, ein fescher Tonfall. Wenn nun Sie nicht mit einem ähnlich gearbeiteten Anfall nachzufaxen den Schnellblick aufbrachten, dreht sich die ganze Chose: nun halten Sie sich für durchaus maßgebend, weil Sie noch keine Wasserleiche gesehen haben ... Bei einiger Gestuftheit der beiden Hirnparteien ist ein langes, sehr idiotisches Jeuchen zu prognostizieren ... Je nun: lernen Sie das hohe Idiom beherrschen! ...
28° Die letzte Enttäuschung? Wenn die Illusion, illusionsfrei zu sein, als solche sich herausstellt. (Schwülstes Eitelkeitsmanöver: sich dümmer und schlechter stellen, als man sein möchte, um der Eitelkeit zu fröhnen, nicht eitel zu sein. Mißlingt gräßlich.) ... Der Gipfel der Naivetät? Wenn jemand mit einem Schlag die (ogottogotto) – Wahrheit erfahren will. (Schließlich ist aber eine Ohrfeige doch nur ein verzweifelter Annäherungsversuch. Auch wirken unechte Tränen oft echter als – unechte.) ... Zwei Scherzfragen? Nicht doch. Zwei Bracelets.
29° Eine vorzügliche Zigarette durchaus erforderlich ... Sämtliche Symptome des schlechten Gewissens (bim!), der Schuld (bam!), wie tiefes Erröten, Erbleichen, Stottern, unsteter Blick, Zwang zum Sprechen von dem, was verrät, etc. pp. Quatsch treten, wenn die Sensibilität (Mangel an Beherrschung des hohen Idioms) einen sehr großen Grad erreicht, lediglich auf Grund dieser Sensibilität ein, welche sie zu den augenblicks erkannten Möglichkeiten so schnell antizipiert, daß sie sich ihrer faktisch nicht mehr zu erwehren vermag (oder dies gar nicht mehr mag: der Zustand ...) ... Dieses längere Satzgebilde dem ohnedies schon überstattlichen Bankrutt der Psychologie so leichthin noch nachgespien! (»Nachbarin, Euer Knie!«)
30° Fast alle, die schweigend sehr gefallen, erregen Ekel, wenn sie sprechen. Nichts habe ich darum ehemals in (sonderlich: in guter) Gesellschaft häufiger getan, als einen Päan auf alles Gelichter geprasselt. (Größeren Teils, um aufzufallen: der obige Ekel ersoff sehr rasch in wohligen Eitelkeitswogen.) ... Außerdem: der Umgang mit Staatsangehörigen ist ja doch nur eine sinnlose Anstrengung. Jede Annäherung ist an sich bereits blamabel (die energeile exkl.); jede Geselligkeit dto. Deren Extrakt: sich die (pst! pst!) – Bildung abhören und die Vorbehalte ablausen. O, was wäre eine Grand Hotel-Hall ohne Vorbehalte! Entsetzlich! Was ein Vorbehalt ohne Hall! Eine fixe Idee. Eine (amüsantenfalls) vergeblich fixe ... (fix! fix!) ... Wer die Gaya Afrania, die dem Prätor auf dem Forum den Hintern zeigte, jetzt noch nicht begreift, der ... ach was: der Schluck um die Axe!
31° Its a long way to Tipperary. Sicherlich. Denn genau bedacht: Psychologie ist ein Handicap. Jede Regel hat ihre Ausnahme, zweifellos. Also regelmäßig. Deshalb höchste Vorsicht: jede Regel ist als Ausnahme zu setzen, denn die Regel ist die Ausnahme. (Wichtige Regel!) ... Es gibt nur relative Feststellungen von relativen Zusammenhängen. Und auch die gibt es nicht. Psychiater und Untersuchungsrichter sind au fond unterbliebene Billetteure (Wanderzirkus), da jedes (o la la!) – psychologische Urteil eine von dem Beurteilten bestellte Arbeit ist, die nur deshalb so selten gefällt, weil infolge der Unkenntnis des Beurteilten von sich selbst der Auftrag ungenau aufgegeben wurde. Die besten Urteile werden erwiesenermaßen am schlechtesten aufgegeben, die schlechten am besten. (Die kernlosen Früchtchen sind die süßesten. O die lieben erwerblosen Visagen!) Erwiesenermaßen: die geradezu rasante Verschiedenartigkeit der Urteile über (ha!) – schlechte Menschen. (Die über gute sind immer richtig.) Unterbeweis: die Urteile interessieren die Jungens erst, wenn sie sie hören; die Edelknaben jedoch bereits, wenn noch gar nichts (kusch!) – aufgegeben wurde ... Jeder Rat ist ja nun eine schlankweg letale Angelegenheit; aber so nebenhin: schlechte Urteile über sich zu verabfolgen, die immerhin aufrichtigste Art, den guten, die auch falsch sind, aus dem Weg zu gehen. Tant de bruit pour une – occasion perdue? ... Manchmal hilft jedoch gar nichts: weder das Kontra- noch das Mitgrinsen. Sie trauen einem doch. Ach, wo ist das Publikum für ganz schwere Jungens? Ich bin so eng geworden und sprottig ...
32° Mö- Möglichkeiten des Umgangs. Mann und Weib (Dame): bestenfalls coitus; minderenfalls Beischlafähnliches; schlimmstenfalls erotisches Hokuspokus (Konversatorisches!), dem das Adjektiv »pausal« (gebrechens; oder: siehe St. G. B.) angeschmissen werden muß. Mann (Herr) und Mann: bestenfalls schätzt man den gegenüber befindlichen Lippenschwung und schweigt (oder hochidiomt) matt an den Wangen vorbei; minderenfalls setzt es eine stahldünne Rauferei, nach welchem zweifelhaften Zeitvertreib jeder geübt die Achseln senkt und Sieg oder Niederlage und sich und den anderen und alles ablehnt und kurz und gut (nicht gut!); schlimmstenfalls produziert man Bügelfalten auf der Stirn und überhaupt Wichtiges und Formvollendetes, kurz, man tratscht (lieber Sotades!) ... Der Schluck um die Axe! ... In der französischen Provinz Haute Garonne, an der spanischen Grenze, ist die Fabrikation von Mißgeburten noch heute die einheimische Industrie (das Stück Krüppel zu 50 bis 60 Frs.). Dieser Erwerbszweig würde straks verschwinden, wenn infolge der soeben erwähnten schlimmsten Fälle, welche leider durchweg dominieren, das Mitleid nicht eingeführt worden wäre ... Aber die echten Krüppel? Nun, man interessiere sich, wenn man schon durchaus, ... wieder für Hegel, den Pazifismus und die eventuelle Vernichtung mißlungener Babys ... Ich ziehe Damen vor!!!
33° Es gibt Tage, wo jeder ein dummes Gesicht macht. Und Nächte, wo das dümmste noch zu bedeutend aussieht. Und es gibt Wochen und Monate und Jahre und ... Durchblasenste Vokabeln, lockerste Pausen, die herausgestreckte Zunge, die lange Nase u. a. sind darum sehr erleichternde Verkehrsgriffe; um so mehr, als ja doch jede Situation in jeder Hinsicht unhaltbar ist. Man lasse diese lieben Gesten zart ins Irre hinüberspielen ( dies das hohe Idiom!) und man wird erstaunt sein, wie vortrefflich sich alles abwickelt... Und da man, lediglich leidenschaftlich (sozusagen) drauflosredend, alle Beziehungen zwischen Personen sprengen kann (sie sind immer Konstruktionen!), bietet es zudem ein gesundes Palliativ. Apropos: untereinander lebt man bekanntlich (sofern man nicht...) stets in einem meist selbst und oft sehr fein gesponnenen Netz (konjugale Paranoia; Juan Suvarin und seine Narva); allein in einem noch weitaus feineren (sofern man nicht...)... Man beginne doch endlich, gegen sich selber aufzutreten! Man beginne!! Man...!!! (Ich spucke schon längst in stillen Stunden mir selbst aufs Haupt... Ach, ich pfeife auf... – ... Ja, worauf...?)
34° Damen sind besinnungslos vorzuziehen. Jede Regel ist eine Ausnahme. Psychologie ein Handicap. Der Schluck um die Axe: der Pfiff aufs Ganze.