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IV

35°   Cartesius und Swift liebten, es ist notorisch, das Schielen. Chapeau bas! (Immerhin ...)

 

36°   Die größte Sicherheit im Umgang projiziert, wer von der restlosen Unsicherheit aller sich überzeugt und darum die Nase voll hat. Die weiteste Bewußtheit (Patent Oil Urinoir) ist lediglich die letzte Unsicherheit, die der vorletzten aber als Sicherheit imponiert. Die letzte Unsicherheit, als solche durchaus erschmeckt: die Sicherheit (der scharfe Wupptich). Daher ist alles Verstellung, da alles unsicher ist (rastaquouèresk). Hinzu: wem war es noch nicht, wenn er weinte, als löge er, wenn er lächelte, als verbärge er sich, und wenn er seine Visage vergaß, als verriete er sich, he? Alle Mimik (das kleine Gelotter): – Verstellung... Die Kameele glauben an ihre Maske. Die, welche sie bemerken, entdecken, daß sie sich bereits verstellen, wenn sie bloß den Mund aufmachen. Wohlgemerkt: am besten verstellt man sich, wenn man den Mund hält und die Mimik (das große Gelotter) ... Natürlichkeit (tschuk tschuk prä prä) fällt leider in die holden Gefilde des Unbewußten: trotzdem ist sie ein Kriterium für die Oberlehrer geworden, die als Vorzug preisen, was allerdings natürlich ist; anders aber; ein Söhnchen ist heute natürlich, wenn es nicht merkt, daß sein Hersteller ein Kameel ist... Klapprand: die sogenannten Sicheren werden unweigerlich unsicher, wenn der Schein gegen sie ist; wenn nur jenes beschienen ist, was für den anderen spricht, das aber unbeschienen bleibt, was gegen den andern spräche und oft auch gegen das, was jetzt für den anderen spricht (shut up!). Da es aber weder Schein noch Sicherheit gibt, bleibt das einzig probate Mittel, nicht unsicher zu werden: gar nicht erst sicher sein zu wollen... Den Daumen auf der Schulter, fixiere man die Stelle der linken Brustwarze (etwa) seines Gegenüber, das Nasenbein oder die Achselgegend und gebe auch sonst nicht nach. Unter keinen Umständen. Das genügt.

 

37°   Ernst kann derart heftig hingelegt werden, daß das Opfer (Nichtwieher) außerstande ist, wahrzunehmen, wie der vis-à-vis befindliche Gauch sich längst innerlich zärtlich die Hände reibt. Das Bedürfnis, aus seinem gegenwärtigen Zustand (Platzangst   Silbenkoller) heraus- und in seinen richtigen (Piephahn gewissermaßen) hineinzuspringen, hat es in diesem Moment am feuchtesten. Dies beweist sehr hübsch, wie (tja) – hintendurch man bei sich selber gelangen kann, wenn man noch keine ergebnisvollen inneren Schwerst-Razzias abgehalten hat. Denn anfangs überschätzt sich jeder Flaneur und ein Schärferer (Wupptich) hält sich stets so lange für das Genie, als er noch nicht beschnalzt hat, daß es nur das Talent ist, berühmt zu werden. Hierauf aber débauchiert er rasch (raté), beschränkt seine Fixigkeit, aus An-Deutungen fruktifizierbaren Sums zu machen (Talent), auf seinen Privatbetrieb (Bryant 1098), wird, wenn er Pech hat, trotzdem berühmt und füllt seine Mußestunden damit aus, vor einem Handspiegelchen zu – wiehern... (Un oeil dit merde à l'autre.)

 

38°   Halt, wie ist das mit der Dämonie? ... Gemach. Der wilde Mann steigt nämlich vom Mißtrauen gegen sich selber zur konstanten Belauerung seiner Sätze auf und endlich gewahrt er, daß er sich zu allem entschließen kann. Er muß sich nur dazu entschließen. Und schon ist der Bursche dämonisch. Was das wilde Weib betrifft, so – liegt es beiweitem gehrer: vergnügt-verwundert im Anfang über die genußreichen Hergaben des Körpers, baldhin entzückt von dessen enormen (raptisch) – Hochspannungen (biegt es sich gertenhaft zwischen Scheitel und Zehen ... es jauchzt!) und letztlich dieserhalb wild entschlossen, alles zu versuchen... Und schon ist die Kuh dämonisch. (Anmerkung für Zurückgebliebene: jeder wirkt in allem, was er tut, unvermeidlich aber ein wenig kokett; deshalb allein setzt nicht jeder Willensakt sofort in blechernstes Erstaunen. Aber an Dämonie zu glauben ist deshalb noch kein Anlaß vorhanden.)

 

39°   bin ich, seit ich weiß, daß es Graphologen gibt, insoferne zuversichtlicher geworden, als ich wieder ein klein wenig Vertrauen zu Brückengeländern gefaßt habe ... Effekt eines Briefes auf das kleine Gelotter: kindisch, lächerlich; auf das große: idiotisch, skurril. Die (sehr geehrte) Handschrift ist das unzutreffendste Zeichen, das ein Kauz von sich geben kann. (Und da es überhaupt keine zutreffenden gibt, so ... na!) ... Mit den primitiven Schlüssen (Barbara), die sie zuläßt, ist nichts geholt (alles nur Barbaraien!): Kinderhandschriften sind die gefährlichsten. Und was die gestuften Schlüsse betrifft (wienerwerkstätte-phantasmagorr): man fällt auf dem Umweg über die eigene schmeichelhafte Suggestion hinein. Hinein. Jede (ä!) – Handschrift ist für den, dem sie etwas sagt, eine gelungene Mystifikation... Am Ende fällt man stets hinein. Stets. Hinein.

 

40°   Und immer noch gibt es (krrr!) – Hälse, denen die nicht gerade schlechte Meinung vom Nebenhals gerade gut genug ist. Stümper! Ich habe laut stets die schlechteste, tatsächlich aber gar keine. Deshalb blüht mir alles zum Hals heraus... Jeder, jeder, jeder ist von stürmischer Leere! Warum durch eine Meinung etwas hineinstopfen, ihr Hoxschwipplinge von der Füllung? Sie gröhlen, sie hätten Fülle, wenn sie sich gefüllt haben. Füllung, bloß Füllung! Freilich: Chamäleons (Jobberkiele) sind die vorderste Hintertreppe; aber: so seid doch leer, so leer, wie ihr seid! Es ist überdies weitaus angenehmer: alles wird leichter, lockerer, voran der Herr selber... Wer weiß es noch nicht: je leichter, je lockerer einer ist, desto aufrichtiger ist er; da er sich noch nichts Fixes vorgemacht hat, ist es leicht, ihn aufzufüllen. Aber, ihr Hallunken, es kommt die Minute (zumindest), wo seine Hüften sich biegen. Dieses tibetanischen Gelächters Berstkraft: Vormacher, Unter-sich-macher, Leimsieder, die ihr euch auskennt, eure Haut platzt. Und siehe, sie war aufgeblasen ... Deshalb blüht mir längst alles zum Hals heraus!

 

41°   »Ich durchschaue Sie!« – Von diesem Augenblick an war mein Mißtrauen geschwunden: der Knabe langweilte mich ... Ach, welch eine Wohltat ist für manche, die es bereits verlernt haben, schlichte Konversationen wieder für die allein bedrohlichen zu halten, ein schlecht ausgejäteter Bowist! (Überdies, wenn er seine Lackschuhe liebkost.) Ist es ein Trost, zu wissen, daß es immerhin noch unnütze Mitglieder der menschlichen Gesellschaft gibt? Nein. Trotz allem. Denn auch sie blicken gelegentlich mit Genuß feucht. Auch sie leben zwischen butterweicher Erotik und Hirnquark so einher, daß die ausgewaschenste Dämonin streckenweise doch an ihrer Haltung irre wird. (Dieses das Verbrechen!) O, und ein Malheur ist so aufmunternd! Drum, man schätze den Bowist und liebkose und beirre jede Haltung so lange, bis die hergestellte, die von dem holden Umstand lebt, keine zu sein, nicht mehr zu beirren ist. Dessenungeachtet bewahre man den Satz Napoleons, den er äußerte, als man ihm seine ägyptische Proklamation wieder zu lesen gab (»Das ist ein bißchen marktschreierisch!« – eigene Worte des vortrefflichen Mannes), nicht vielleicht als geistigen Unterstand auf, da man erst, wenn es gelungen sein wird, mit seiner eigenen Prostata ins Gespräch zu kommen, irgendeiner deutlicheren Orientierung zuteil werden dürfte. Bis dahin bleibt die einzig wahrhaft würdige Lage des Menschen, in effigie, aber konstant auf seinem komischesten Körperteil zu liegen und dadurch gegenüber dem darüber befindlichen Sternhimmel weitaus erschütternder zu wirken.

42°   ist eine Anspielung (definitorisch beäugt) eine heimtückisch herangeschobene Vermutung, die niederträchtig (aber doch unverwendbar oft) wehrlos macht; es sei denn ... Geht man auf sie nicht ein, gilt man als dumm, oder bestätigt sie eben durch das Ignorieren; geht man auf sie ein, gilt man gleichfalls als dumm, weil man sie durch das Daraufeingehen bestätigte, oder man erhält sie ebendeshalb lächelnd zurück, da ja doch gar keine Anspielung erfolgt, man vielmehr überfeinhörig sei ... Es sei denn, man beschuldigt den Anspieler augenblicklich eines sträflichen Verhältnisses mit einem angewärmten Rindslendenstück. Fabelhafter Erfolg.

 

43°   A-a-a-aber die Liebe? Der Sentimentale (Mousta-Schale) macht aus einer Gans einen Schwan. (Das ist die Liebe.) Und dies, dieweil er doch nur sich am deutlichsten empfindet. Der andere (der Kontemplatte) bekommt (hastenichjesehn) – Gedanken und schreibt sie seiner Ida zu ... Erotik? Sexualersatz. Der Instinkt ist heiß, das Knie ist kalt. Das Hirn erbarmt sich und macht den müden Nerven Vorstellungen. Bestes Theater... Die Geistportiers, welche derzeit in Mitteleuropa mit der Stiltrompete grassieren, geben tonschwer von sich, man habe spätestens mit Dreißig mit seiner Erotik fertig zu sein. Was restiert? Der Jeist, he? Hallunken! Aber man besehe sich ihre Damen! ... Mimikri ... Auch diejenigen mit dem strahlenden Blick erreichen ihn nur dadurch, daß sie die komische Geduld aufbringen, sich unentwegt zu bemühen, ihm (hopp!) – Tiefe abzugewinnen. Zwar macht ohnehin jede Frau sich über den Gestalter (Mimikrist), der sie ehelichte, lu-lustig; aber auch die, welche den strahlenden Blick ins Bett bekam, läuft nicht unblamiert gelegentlich allein herum: »Es ist doch ganz gleichgültig, wie oft ein Mann...« (Madame rötet sich!) »... das sagt auch mein Mann, ja.« Nur er sagt es, ma pauvre; denn keine Frau sagt, was sie denkt, sondern nur, was ihr einfällt, und das ist von ihrem Mann (wie?)... Wie leicht ist es doch, eine Frau davon zu (hm) – überzeugen, daß die Sexualität das einzig Sichere ist! Und wie schwierig, sie ihr verächtlich zu machen! Daß dies dennoch, auch heute, geschieht: die Männchen sind genötigt, sich etwas Geist anzuschaffen, damit die Zeit vergeht, (die so eigentlich zum Verzweifeln ist!) ... Weniges ist wohl amüsanter als dieses Gequassel (Stiltrompete), das Madame den Leo begehrenswerter machen soll. Aber es gelingt nur so so. Es schläft sich eben doch nicht besser mit einem Denkerich.

 

44°   Sachliches in die Rippen! Sehr Sachliches!!! ... Die Betrachtung der riesigen alten Ritterrüstungen; daß Kerle wie Casanova und Henri IV. mit ihrer Lues sehr gut fertig wurden: eine Promenade durch europäische Städte assoziiert Ritter von der (wie bitte?) – traurigen Gestalt... Es ist gegenwärtig in jeder Hinsicht empfehlenswert, auszusterben. Man weiß heute nicht mehr, was man mit ihr après anfangen soll (o die öden Pausen!) Es war einmal eine Zeit, allwo es kein Après gab, meine Herren Lyriker. (Die Indianer sind noch heute spirochätenvirulent, aber gesund!) O daß die alten Instinkte geblieben, die ihnen entsprechenden Vitalitäten jedoch abgegangen sind! Jene waren ehemals perpetuierlich beschäftigt; man hatte gar keine Zeit, sich zu langweilen (zu trompeten): man atmete bis in die Lungenspitzen, koitierte, jagte, fraß, raufte, soff, koitierte, schwamm, grunzte, koitierte, schlief und der Tag war hold zu Ende. Nunmehr vazieren die Instinkte von den vierundzwanzig Stunden vierzehn, die dem (still!) – Berufsleben dienen oder der (ffft!) – Kontemplation, welche die sonnige Aufgabe hat, dem Herrn die Instinkte so fein auszureden, daß er sich zu glauben vermag, er sei zwar ein toller Kerl, aber so gescheit, sich zu unterlassen. Affen! Entartete Affen!! Miserable Affen!!!

45°   »Was tuen wohl die Engelein, so sie nicht singen?« Lieber Jakob Böhme, sie beächzen sich sicherlich, so sie nicht... (Kein Geringerer als der Schafskopf Dante ...)

 

46°   Nun aber möchte das Zwischendeck gerne wissen, was man mit seiner (immerhin noch vorhandenen) Gesundheit vornehmen soll. Da man sie nur bemerkt, indem man sie tunlichst verliert, wäre der Vorschlag eines Schalks sehr diskutabel: »Geben Sie sich in einem Zuge auf!« (Capisco?) Imposant! ... Nichts, da! Frigidität ist nur ein sehr kleiner Grad von (na) – béguin. Ein absolut frigider Mensch ist – tot. Glattweg tot. Schließlich aber ist man immer von sich enttäuscht und es ist, als nähme man einen Kleiderständer und stellte ihn auf denselben Platz. Mit Zwanzig hat man das Monokel auszuspucken, mit Dreißig die Zigarette hinterm Ohr zu entfernen und ein für allemal zu wissen, daß man Madame nur los wird, indem man plötzlich anfängt, sie zu – lieben (eifersüchtig zu sein, wenn schwieriger ...)

 

47°   Letztspurig ... wird man aus Langeweile boshaft. Dann langweilt es, boshaft zu sein. Und endlich beginnt man, Schokoladebildchen zu sammeln. Idealisme noch ist sträflicher Realisme. Ein sanft gebliebener Bocher ist doch ein wenig schauriger (da Idealist) als ein wild gewordener Imaginist (da Realist). Wer mag nur die Ampulle »Seele« erfunden haben! Vielleicht der einigermaßen enttäuschende Anblick des Nackten ... Diese Enttäuschung aber: man nehme sich am Ohr, entwickle Mut und gestehe sich ein, daß man, da Gelegenheiten nicht mehr einbringen, was andere ehemals der Gefahr abjagten, – eine heimliche Bewunderung für seine eigenen Beine hat ... Ja, man geht so weit, seine tabula rasta fast zur Gänze vorzutäuschen, um mit dem scheinbar unscheinbaren Rest des »Fast« seinen niederschmetterndsten Schlag zu führen. Der freilich auch das eigene Fleisch trifft: ... letztes Lüstchen ... letztes Wütchen ...

 

48°   Venusblicke sind das einzig Sichere. Dämonie ist ein Rindslendenstück. Bettgeisttrompeten sind Barbaraien. Die Seele ist kein Brückengeländer. Die Liebe eine Schwanerei.


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