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XIII

Fec hatte eine tötliche Stirnwunde erhalten und war in das Hospital Lariboisière transportiert worden.

Bichette, welcher der Schuß gegolten hatte, saß an seinem Bett. Sie schluchzte ohne Unterlaß.

Ralix hatte das Pech gehabt, über ein kleines Mädchen zu stolpern und hinzufallen. Er war sofort verhaftet worden. Und zwar von dem langen Georges, dem Flic, der wie immer an der Ecke der Rue Blanche gestanden und, sei es aus Vorsicht, sei es darum ersucht, Bichette und Fec gefolgt war.

Gaby, der Schwester Madelon erzählt hatte, wer eingeliefert worden sei, erreichte es durch herzzerreißendes Weinen, daß sie ihr versprach, sie nach Mitternacht heimlich zu dem Schwerverletzten zu tragen.

Als Schwester Madelon, die ihre Voreiligkeit längst sehr bedauerte, mit Gaby auf den Armen in der Tür erschien, starb Fec, ohne das Bewußtsein auch nur für ein paar Sekunden wiedererlangt zu haben.

Pimpi drückte ihm die Augen zu, die scheußlich verdreht zur Decke glotzten.

Als sie unsichtbar waren, sagte Bichette, welche bleich und tränenlos vor dem Bett stand: »Sein Gesicht hat jeden Ausdruck.«

Pimpi, der zustimmend nicken wollte, gewahrte in diesem Moment Schwester Madelon. Sein Kopf blieb überrascht in einer komischen Haltung stehen. Endlich erkannte er Gaby, die mit einem Ausdruck unsäglicher Gespanntheit Fecs Gesicht fixierte.

Als sie sah, daß Fec tot war, begann sie Bichette in unglaublich gemeiner Weise zu beschimpfen.

Schwester Madelon schrie Pimpi zu, ihr den Mund mit einem Taschentuch zu stopfen. Er mußte es wohl oder übel tun ...

Als Bichette hinter Pimpi die breite Treppe des Hospitals hinunterging, sagte sie leise vor sich hin: »Ob ich ihn geliebt habe? Ob er mich geliebt hat? O Gott, wenn ich das nur wüßte! Ich glaube, ich werde noch wahnsinnig.«

*

Sie wurde es nicht, sondern berühmt. Sämtliche Zeitungen sprachen von ihr. Der ›Matin‹ brachte sogar auf der ersten Seite ihr Bild und einen langen Artikel, betitelt ›Bichette – la tigresse‹, in dem, boulevardmäßig aufgeputzt, ihre Biographie zu lesen war; und das ›Journal‹ ein ganzes Feuilleton mit der leuchtenden Manschette ›Die Geliebte des ermordeten Hochstaplers Henri Rilcer‹. Andere Blätter verglichen sie mit La Goulue, der großen Kokotte, oder mit Grille d'Egout, mit denen sie in keiner Hinsicht eine Ähnlichkeit aufwies, oder nannten sie, schon zutreffender, die ›Jeanne d'Avril der Gosse‹.

Kurz, sie war über Nacht eine Berühmtheit geworden und nahm, weniger stolz, aber höhnischer noch als je, diese Gelegenheit in Gestalt einer ihr von einem südrussischen Getreidemagnaten flugs gemachten Offerte beim Schopf. Buchstäblich. Sie wurde seine Maitresse, schlug ihm nach drei Wochen mit einem eisernen Schirmständer den Schädel ein, vermochte aber mit Pimpis Hilfe zu flüchten.

*

Nachdem die erste Aufregung in den Montmartre-Cafés über dieses neuerliche blutige Ereignis sich gelegt hatte, begannen die sachlichen Debatten. Die kühnsten Hypothesen schwirrten über die Tische hin: Fec wäre gar nicht mit Henri Rilcer identisch, Bichette von armenischen Konkurrenten gedungen, Pimpi der Anstifter und japanischer Agent etc. etc. Aber man einigte sich auch diesmal nicht. Nur in einem Punkte herrschte Einmütigkeit: nämlich darin, daß Fec eben doch nur ein Trottel gewesen wäre.

 

Geschrieben 1921.


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