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Rom, im Hause des Marcius
Volumnia und Virgilia sitzen und nähen
Volumnia.
Ich bitte dich, Tochter, sing, oder sprich wenigstens trostreicher; wenn mein Sohn mein Gemahl wäre, ich würde mich lieber seiner Abwesenheit erfreuen, durch die er Ehre erwirbt, als der Umarmungen seines Bettes, in denen ich seine Liebe erkennte. Da er noch ein zarter Knabe war und das einzige Kind meines Schoßes, da Jugend und Anmut gewaltsam alle Blicke auf ihn zogen, als die tagelangen Bitten eines Königs einer Mutter nicht eine einzige Stunde seines Anblicks abgekauft hätten, schon damals – wenn ich bedachte, wie Ehre solch ein Wesen zieren würde, und daß es nicht besser sei als ein Gemälde, das an der Wand hängt, wenn Ruhmbegier es nicht belebte – war ich erfreut, ihn da Gefahren suchen zu sehn, wo er hoffen konnte, Ruhm zu finden. In einen grausamen Krieg sandte ich ihn, aus dem er zurückkehrte, die Stirn mit Eichenlaub umwunden. Glaube mir, Tochter, mein Herz hüpfte nicht mehr vor Freuden, als ich zuerst hörte, es sei ein Knabe, als jetzt, da ich zuerst, sah, er sei ein Mann geworden.
Virgilia.
Aber wäre er nun in der Schlacht geblieben, teure Mutter, wie dann?
Volumnia.
Dann wäre sein Nachruhm mein Sohn gewesen; in ihm hätte ich mein Geschlecht gesehn. Höre mein offenherziges Bekenntnis: hätte ich zwölf Söhne, jeder meinem Herzen gleich lieb, und keiner nur weniger teuer als dein und mein guter Marcius, ich wollte lieber elf für ihr Vaterland edel sterben sehn, als einen einzigen in wollüstigem Müßiggang schwelgen.
Es tritt eine Dienerin auf.
Dienerin.
Edle Frau, Valeria wünscht Euch zu sehn.
Virgilia.
Ich bitte, erlaubt mir, mich zurückzuziehn.
Volumnia.
O nein! das sollst du nicht.
Mich dünkt, bis hier tönt deines Gatten Trommel,
Er reißt Aufidius bei den Haaren nieder;
Wie Kinder vor dem Bären fliehn die Volsker.
Mich dünkt, ich seh's! So stampft er und ruft aus:
«Memmen, heran! In Furcht seid ihr gezeugt;
Obwohl in Rom geboren.» Und er trocknet
Die blutge Stirn mit ehrner Hand, und schreitet
So wie ein Schnitter, der sich vorgesetzt,
Alles zu mähn, wo nicht, den Lohn zu missen.
Virgilia.
Die blutge Stirn! – o Jupiter! kein Blut.
Volumnia.
O schweig, du Törin! schöner ziert's den Mann
Als Goldtrophäen. Die Brust der Hekuba
War schöner nicht, da sie den Hektor säugte,
Als Hektors Stirn, die Blut entgegenspritzte
Im Kampf den Griechenschwertern. – Sagt Valerien,
Wir sind bereit, sie zu empfangen. (Dienerin ab.)
Virgilia.
Himmel!
Schütz meinen Mann vorm grimmigen Aufidius.
Volumnia.
Er schlägt Aufidius' Haupt sich unters Knie
Und tritt auf seinen Hals.
Valeria tritt auf.
Valeria.
Ihr edlen Frauen, euch beiden guten Tag!
Volumnia.
Liebe Freundin –
Virgilia.
Ich bin erfreut, Euch zu sehn, verehrte Frau.
Valeria.
Was macht ihr beide? Ihr seid ausgemachte Haushälterinnen. Wie! – Ihr sitzt hier und näht? – Ein hübsches Muster, das muß ich gestehn. – Was macht Euer kleiner Sohn?
Virgilia.
Ich danke Euch, edle Frau, er ist wohl.
Volumnia.
Er mag lieber Schwerter sehn und die Trommel hören, als auf seinen Schulmeister acht geben.
Valeria.
O! auf mein Wort, ganz der Vater. Ich kann's beschwören, er ist ein allerliebstes Knabe. Nein wahrlich, ich beobachtete ihn am Mittwoch eine halbe Stunde ununterbrochen; er hat etwas so Entschloßnes in seinem Benehmen. Ich sah ihn einem glänzenden Schmetterlinge nachlaufen, und als er ihn gefangen hatte, ließ er ihn wieder fliegen, und nun wieder ihm nach, und fiel der Länge nach hin, und wieder aufgesprungen und ihn noch einmal gefangen. Hatte ihn sein Fall böse gemacht, oder was ihm sonst sein mochte, aber er knirschte so mit den Zähnen und zerriß ihn! O! ihr könnt nicht glauben, wie er ihn zerfetzte.
Volumnia.
Ganz seines Vaters Art.
Valeria.
Ei, wahrhaftig! er ist ein edles Kind.
Virgilia.
Ein kleiner Wildfang, Valeria.
Valeria.
Kommt, legt Eure Stickerei weg, Ihr müßt heut nachmittag mit mir die müßige Hausfrau machen.
Virgilia.
Nein, teure Frau, ich werde nicht ausgehn.
Valeria.
Nicht ausgehn?
Volumnia.
Sie wird, sie wird.
Virgilia.
Nein, gewiß nicht; erlaubt es mir. Ich will nicht über die Schwelle schreiten, eh mein Gemahl aus dem Kriege heimgekehrt ist.
Valeria.
Pfui! wollt Ihr so wider alle Vernunft Euch einsperren? Kommt mit, Ihr müßt eine gute Freundin besuchen, die im Kindbette liegt.
Virgilia.
Ich will ihr eine schnelle Genesung wünschen und sie mit meinem Gebet besuchen, aber hingehn kann ich nicht.
Volumnia.
Nun, warum denn nicht?
Virgilia.
Es ist gewiß nicht Trägheit oder Mangel an Liebe.
Valeria.
Ihr wäret gern eine zweite Penelope; und doch sagt man, alles Garn, das sie in Ulysses' Abwesenheit spann, füllte Ithaka nur mit Motten. Kommt, ich wollte, Eure Leinwand wäre so empfindlich wie Euer Finger, so würdet Ihr aus Mitleid aufhören, sie zu stechen. Kommt, Ihr müßt mitgehn.
Virgilia.
Nein, Liebe, verzeiht mir; im Ernst, ich werde nicht ausgehn.
Valeria.
Ei wahrhaftig! Ihr müßt mitgehn; dann will ich Euch auch herrliche Neuigkeiten von Eurem Gemahl erzählen.
Virgilia.
O, liebe Valeria! es können noch keine gekommen sein.
Valeria.
Wahrlich! ich scherze nicht mit Euch; es kam gestern abend Nachricht von ihm.
Virgilia.
In der Tat?
Valeria.
Im Ernst, es ist wahr; ich hörte einen Senator davon erzählen. So war es: – Die Volsker haben ein Heer ausrücken lassen, welchem Cominius, der Feldherr, mit einem Teil der römischen Macht entgegengegangen ist. Euer Gemahl und Titus Lartius belagern ihre Stadt Corioli; sie zweifeln nicht daran, sie zu erobern und den Krieg bald zu beendigen. – Dies ist wahr, bei meiner Ehre! Und nun bitte ich Euch, geht mit uns.
Virgilia.
Verzeiht mir, gute Valeria; künftig will ich Euch in allem andern gehorchen.
Volumnia.
Ei, laßt sie, Liebe. Wie sie jetzt ist, würde sie nur unser Vergnügen stören.
Valeria.
Wirklich, das glaube ich auch. So lebt denn wohl. Kommt, liebe, teure Frau. Ich bitte dich, Virgilia, wirf deine Feierlichkeit zur Tür hinaus und geh noch mit.
Virgilia.
Nein, auf mein Wort, Valeria. In der Tat, ich darf nicht; ich wünsche Euch viel Vergnügen.
Valeria.
Gut, so lebt denn wohl!
(Alle ab.)