William Shakespeare
Coriolanus
William Shakespeare

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Vierte Szene

Rom. Ein öffentlicher Platz

Menenius und Sicinius treten auf

Menenius.
Seht ihr dort jenen Vorsprung am Kapitol? jenen Eckstein?

Sicinius.
Warum? Was soll er?

Menenius.
Wenn es möglich ist, daß Ihr ihn mit Euerm kleinen Finger von der Stelle bewegt, dann ist einige Hoffnung, daß die römischen Frauen, besonders seine Mutter, etwas bei ihm ausrichten können. – Aber! ich sage, es ist keine Hoffnung; unsre Kehlen sind verurteilt und warten auf den Henker.

Sicinius.
Ist es möglich, daß eine so kurze Zeit die Gemütsart eines Menschen so verändert?

Menenius.
Es ist ein Unterschied zwischen einer Raupe und einem Schmetterling; und doch war der Schmetterling eine Raupe. Dieser Marcius ist aus einem Menschen ein Drache geworden, die Schwingen sind ihm gewachsen, er ist mehr als ein kriechendes Geschöpf.

Sicinius.
Er liebte seine Mutter von Herzen.

Menenius.
Mich auch. Aber er kennt jetzt seine Mutter sowenig als ein achtjähriges Roß. Die Herbigkeit seines Angesichts macht reife Trauben sauer. Wenn er wandelt, so bewegt er sich wie ein Turm, und der Boden bebt unter seinem Tritt. Er ist imstande, einen Harnisch mit seinem Blick zu durchbohren; er spricht wie eine Glocke, und sein «Hm» ist eine Batterie. Er sitzt da in seiner Herrlichkeit wie ein Abbild Alexanders. Was er befiehlt, das geschehen soll, das ist schon vollendet, indem er es befiehlt. Ihm fehlt zu einem Gotte nichts als Ewigkeit und ein Himmel, darin zu thronen.

Sicinius.
Doch, Gnade, wenn Ihr ihn richtig beschreibt.

Menenius.
Ich male ihn nach dem Leben. Gebt nur acht, was für Gnade seine Mutter mitbringen wird. Es ist nicht mehr Gnade in ihm als Milch in einem männlichen Tiger; das wird unsre arme Stadt empfinden. – Und alles dies haben wir euch zu danken.

Sicinius.
Die Götter mögen sich unser erbarmen!

Menenius.
Nein, bei dieser Gelegenheit werden sich die Götter unser nicht erbarmen. Als wir ihn verbannten, achteten wir nicht auf sie, und da er nun zurückkommt, um uns den Hals zu brechen, achten sie nicht auf uns.

Ein Bote tritt auf.

Bote.
Wollt Ihr das Leben retten, flieht nach Hause,
Das Volk hat Euren Mittribun ergriffen
Und schleift ihn durch die Straßen. Alle schwören,
Er soll, wenn keinen Trost die Frauen bringen,
Den Tod zollweis empfinden.

Ein Zweiter Bote kommt.

Sicinius.
Was für Nachricht?

Bote.
Heil! Heil! Die Frauen haben obgesiegt,
Es ziehn die Volsker ab und Marcius geht.
Ein frohrer Tag hat nimmer Rom begrüßt,
Nicht seit Tarquins Vertreibung.

Sicinius.
Freund, sag an,
Ist's denn auch wirklich wahr? weißt du's gewiß?

Bote.
Ja, so gewiß die Sonne Feuer ist.
Wo stecktet Ihr, daß Ihr noch zweifeln könnt?
Geschwollne Flut stürzt so nicht durch den Bogen,
Wie die Beglückten durch die Tore. Horcht!

(Man hört Trompeten, Hoboen, Trommeln und Freudengeschrei.)

Posaunen, Flöten, Trommeln und Drommeten,
Zimbeln und Pauken und der Römer Jauchzen,
Es macht die Sonne tanzen. (Freudengeschrei.)

Menenius.
Gute Zeitung.
Ich geh den Fraun entgegen. Die Volumnia
Ist von Patriziern, Konsuln, Senatoren
Wert eine Stadt voll, solcher Volkstribunen
Ein Meer und Land voll. – Ihr habt gut gebetet,
Für hunderttausend eurer Kehlen gab ich
Heut früh nicht einen Pfennig. Hört die Freude!

(Musik und Freudengeschrei.)

Sicinius.
Erst für die Botschaft segnen Euch die Götter,
Und dann nehmt meinen Dank.

Bote.
Wir haben alle
Viel Grund zu vielem Dank.

Sicinius.
Sind sie schon nah?

Bote.
Fast schon am Tor.

Sicinius.
Laßt uns entgegengehn
Und ihren Jubel mehren.

Die Frauen treten auf, von Senatoren, Patriziern und Volk begleitet
Sie gehn über die Bühne.

Erster Senator.
Seht unsre Schutzgöttin, das Leben Roms!
Ruft alles Volk zusammen, preist die Götter,
Macht Freudfeuer, streut den Weg mit Blumen
Und übertönt den Schrei, der Marcius bannte,
Ruft ihn zurück im Willkomm seiner Mutter.
Willkommen! ruft den Fraun Willkommen zu.

Alle.
Willkommen! edle Frauen! seid willkommen!

(Trommeln und Trompeten. Alle ab.)


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