William Shakespeare
Leben und Tod des Königs Johann
William Shakespeare

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Zweyte Scene.

Der König von England, Faulconbridge, Elinor, Blanca, Pembroke und andre zu den Vorigen.

König Johann.Friede sey mit Frankreich, wenn Frankreich im Frieden unsern rechtmäßigen Einzug in unsre Stadt gestattet; wo nicht, so blute Frankreich, und der Friede schwinge sich gen Himmel, indeß daß wir, Gottes grimmvoller Sachwalter, den stolzen Uebermuth züchtigen, der seinen Frieden in den Himmel zurük treibt.

König Philipp.Friede sey mit England, wenn dieser Krieg aus Frankreich nach England zurükkehrt, um dort im Frieden zu leben. Wir lieben England, und nur um Englands willen, schwizen wir hier unter der Last der Waffenrüstung. Diese unsre Arbeit sollte dein freywilliges Werk seyn. Aber du bist so weit entfernt, England zu lieben, daß du seinen rechtmäßigen König unterdrükt, die Erbfolge aufgehoben, die Kindheit des gesezmäßigen Erben mißbraucht, und an der jungfräulichen Ehre der Crone Gewalt verübt hast. Schaue hier auf deines Bruders Gottfrieds Gesicht! Diese Augen, diese Stirne, sind nach den seinigen abgedrukt; in diesem kleinen Inbegriff ist die vollständige Form enthalten, die in Gottfried verstarb, und die Hand der Zeit wird diese verjüngte Gestalt in einen eben so grossen Format ausdehnen. Dieser Gottfried war von Geburt dein ältrer Bruder, und dieser hier ist sein Sohn. England war Gottfrieds Recht, und dieser hat es von Gottfried ererbt; wie kommt es dann, um Gottes willen! daß du ein König genennt wirst, so lange lebendiges Blut in diesen Schläfen schlägt, die einen Anspruch an die Crone haben, welche du zur Ungebühr trägst?

König Johann.Von wem hast du diesen grossen Auftrag, Frankreich, mich zur Antwort auf deine Fragstüke zu ziehen?

König Philipp.Von diesem obersten Richter, der in königlichen Seelen den edlen Gedanken erwekt, gewaltthätigen und ungerechten Thaten nachzufragen. Dieser Richter hat mich zum Beschüzer dieses Knabens gemacht; unter seinem Schuze klag' ich deine Ungerechtigkeit an, und mit seinem Beystand hoff' ich sie zu bestraffen.

König Johann.Du massest dich eines Ansehens an, das dir nicht zukommt.

König Philipp.Entschuldige es; es geschieht, um ungerechte Anmassung niederzuschlagen.

Elinor.Wer ist der, den du einer unrechtmäßigen Anmassung beschuldigest?

Constantia.Laßt mich die Antwort geben: Der anmaßliche König, dein Sohn.

Elinor.Hinweg, Unverschämte; dein Bastard soll König seyn, damit du eine Königin seyn, und die ganze Welt hofmeistern könnest!

Constantia.Mein Bette war deinem Sohn immer so getreu, als das deinige deinem Gemahl; und dieser Knabe sieht seinem Vater Gottfried gleicher als Johann dir, ob ihr gleich an Sitten einander so gleich seyd als der Regen dem Wasser, und der Teufel seiner Mutter. Mein Sohn ein Bastard! Bey meiner Seele, ich glaube nimmermehr, daß sein Vater so ächt war als er ist; es kann nicht seyn, wenn gleich du seine Mutter wärest.

Elinor.Das ist eine feine Mutter, Junge, die deinen Vater beschimpft.

Constantia.Das ist eine feine Großmutter, Junge, die dich beschimpfen will.

Oestreich.Stille!

Faulconbridge.Horcht dem Ausruffer.

Oestreich.Wer Teufel bist du?

Faulconbridge.Einer der den Teufel mit euch spielen will, Herr, sobald er euch und euern UeberzugUm diese und verschiedne andre in einer der folgenden Scenen vorkommenden Spöttereyen und Grobheiten, die Faulconbridge dem Herzog von Oestreich sagt, zu verstehen, muß man wissen, daß dieser Herzog mit einer Löwenhaut umhüllt auf der Bühne erscheinen muß. König Richard hatte, wie man sagt, während seinem berühmten Kreuzzug, worinn er seine persönliche Herzhaftigkeit und Stärke durch eine Menge ritterlicher Thaten bewies, auch einen ausserordentlich grossen Löwen bezwungen, und die Haut desselben, zum Zeichen dieses Siegs, nachher allezeit getragen oder bey sich geführt. Dieser Haut bemächtigte sich der Herzog von Oestreich, nachdem er, wie bekannt ist, den König Richard, durch Hinterlist und Betrug in seine Gewalt bekommen; und soll, aus einer allerdings lächerlichen Pralerey, selbige, als eine Beute, die er einem so grossen Helden wie Richard abgenommen, nach dessen Tod allezeit getragen haben. allein zu paken kriegen kan. Ihr seyd der Hase im Sprüchwort, der todte Löwen beym Bart zupft; ich will euch das Fell einschmauchen, wenn ich euch kriege; nehmt euch in acht; in der That, ich will, in der That.

Blanca.O wie wohl stuhnd dem dieser Löwen-Rok an, der dem Löwen diesen Rok abzog!

Faulconbridge.Er ligt so stattlich auf seinem Rüken, als des grossen Alcides Löwenhaut auf dem Rüken eines Esels; aber, Esel, ich will euch diese Last von euerm Rüken abnehmen, oder euch noch eine auflegen, davon euch die Schultern krachen sollen.

Herzog.Was für ein Schwärmer ist das, der unsre Ohren mit einem solchen Uebermaaß von vergeblichem Athem betäubt? König Philipp, entschliesset euch ohne längeres Zaudern, was wir thun wollen.

König Philipp.Weiber und Narren, brecht eure Conferenz ab. König Johann, hier ist mein Vortrag in wenig Worten: England, Irrland, Anjou, Touraine und Maine fordre ich im Namen des jungen Arthurs von dir; willt du sie abtreten, und die Waffen niederlegen?

König Johann.Eher mein Leben – – Ich biete dir Troz deßhalb, Frankreich. Arthur von Bretagne, begieb dich in meinen Schuz, und ich will dir aus Liebe mehr geben, als der feige Arm von Frankreich jemals für dich gewinnen kan. Ergieb dich, Junge.

Elinor.Komm zu deiner Groß-Mama, Kind.

Constantia, (indem sie eine kindische Art zu reden affectirt.)
Thu's, Kind, geh zu Groß-Mama, Kind. Gieb Groß-Mama Königreich, und Groß-Mama giebt dem Kind ein Zukerchen, eine Kirsche, eine Feige; es ist eine gute Groß-Mama.

Arthur.Meine liebe Mutter, gebt euch zufrieden. Ich wollt', ich läge tief in meinem Grab; ich bin nicht werth, daß man soviel Lerms meinetwegen mache.

Elinor.Seine Mutter beschämt ihn so, der arme Junge, er weint.

Constantia.Das Unrecht, das ihm seine Großmutter zufügt, nicht die Schande die ihm seine Mutter macht, zieht diese den Himmel rührenden Perlen aus seinen armen Augen, die der Himmel als ein Schuzgeld annehmen wird; ja mit diesen Thränen wird sich der Himmel gewinnen lassen, sich seines Rechts anzunehmen, und euch zur Straffe zu ziehen.

Elinor.Ungeheuer, scheuest du dich nicht, Himmel und Erde zu lästern?

Constantia.Ungeheuer, scheust du dich nicht, Himmel und Erde zu beleidigen? Wie kanst du mich anklagen, daß ich lästre? Du und die deinigen usurpiren die Länder, Regalien und Gerechtsame dieses unterdrukten Waysen; es ist der Sohn deines ältesten Sohns, und in nichts unglüklich als darinn, daß er von dir abstammt. Deine Sünden werden an diesem armen Kinde heimgesucht; der Ausspruch des Gesezes ligt auf ihm, da er nur im dritten Glied von deinem Sündempfangenden Leib entfernt ist.

König Johann.Tollhäuslerin, hört auf!

Constantia.Ich habe nur das noch zu sagen, daß er nicht nur um ihrer Sünde willen gestraft wird, sondern Gott hat ihre Sünde und sie zur Strafe dieses entfernten Abkömmlings gemacht, der um ihrentwillen gestraft wird, und mit ihrer Strafe ihre Sünde; sein Unrecht, ihr Unrecht, der Büttel ihrer Sünde, alles in der Person dieses Kindes gestraft, und alles um ihrentwillen; daß sie die Pest!Dieses Ungeheuer von einer aller Sprach- und Vernunftlehre trozbietenden Rede, hat man, da ihr ohnehin nicht zu helfen ist, von Wort zu Wort geben wollen, wie sie der Autor giebt; Deutschen Unsinn für Englischen Unsinn.

Elinor.Du unverständiges Lästermaul, ich kan ein Testament aufweisen, das deines Sohnes Recht entkräftet.

Constantia.So, wer zweifelt daran? Ein Testament? – – Ein falsches Testament, ein Weiber-Testament, einer unnatürlichen Großmutter Testament.

König Philipp.Stille, Lady; schweigt oder mäßigt euch; es schikt sich übel für diese Versammlung diesen euern übeltönenden Wiederholungen immer Halt zu ruffen. Laßt eine Trompete diese Leute von Angiers auf die Mauern fordern; sie sollen sich erklären, wessen Recht sie gelten lassen wollen, Arthur's oder Johann's.

(Trompeten.)


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