William Shakespeare
Leben und Tod des Königs Johann
William Shakespeare

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Zweyte Scene.

(Das Lager des Dauphins.)

Ludwig, Salisbury, Melun, Pembrok, Bigot und Soldaten, treten in Waffenrüstung auf.

Ludwig.Mein Herr von Melun, laßt eine Copey hievon genommen, und zu unsrer Erinnerung wol aufgehoben werden; den gegenwärtigen Aufsaz aber gebt diesen Lords zurük, damit sie auch eine schriftliche Erklärung unsers geneigten Willens haben, und wir sowol als sie, wenn wir diese Papiere überlesen, uns erinnern worauf wir geschworen haben, und unser Wort fest und unverbrüchlich halten.

Salisbury.Auf unsrer Seite soll es niemals gebrochen werden. Und ob wir gleich, edler Dauphin, euer Betragen gegen uns durch Zuschwörung einer freywilligen Ergebenheit und unerzwungnen Treue erwiedern; so glaubet mir doch, Prinz, ich bin nicht erfreut, daß ein solches Geschwär der gegenwärtigen Zeit bey der verachteten Rebellion ein Pflaster suchen, und den eingewurzelten Krebs einer Wunde durch viele heilen muß. O, es kränkt meine Seele, daß ich dieses Metall von meiner Seite ziehen muß, um ein Wittwen-Macher zu seyn, und dieses in einem Lande, wo rühmlicher Widerstand und rechtmäßige Gegenwehr über den Namen Salisbury schreyen! Aber so ist die verpestete Krankheit dieser Zeit beschaffen, daß wir unser Recht zu heilen, gezwungen sind die Hand des kühnen Unrechts und der regellosen Gewaltthätigkeit anzuruffen. Und sollt es uns nicht schmerzen, o meine tiefgekränkten Freunde, daß wir, die Söhne und Kinder dieser Insel, gebohren seyn sollen, die Stunde zu sehen, da wir, zu einem ausländischen Kriegsheer gesellt, über ihren schönen Busen einhertreten, und die Linien ihrer Feinde ausfüllen; (ich muß mich wegwenden, und die Schmach dieser traurigen Nothwendigkeit beweinen) die Stunde zu sehen, da wir das Volk eines entfernten Landes wider unser eignes unterstüzen, und unbekannten Fahnen hier folgen müssen? Wie, hier? O mein Volk, möchtest du dich zurükziehen können! Möchte Neptun, der dich ringsumfaßt, dich in seinen Armen aus dem Schooß deines mütterlichen Bodens hinweg an irgend ein Heidnisches Ufer tragen, wo diese Christlichen Heere das Blut des Hasses in eine Ader des Friedens zusammenlegten könnten, anstatt es hier so unnachbarlich zu vergiessen.

Ludwig.Du zeigst hierinn eine edle Sinnesart; und der grosse Trieb, der in deinem Busen kämpft, verursacht ein Erdbeben von edeln Empfindungen in dir. Oh was für einen edeln Kampf zwischen Nothwendigkeit und Liebe zum Vaterland hast du gekämpft! Laß mich diesen ehrwürdigen Thau abwischen, der wie fliessendes Silber über deine Wangen rollt. Mein Herz ist schon von den Thränen eines Frauenzimmers zerschmolzen, die doch eine gewöhnliche Ueberschwemmung sind; aber dieser Ausbruch von männlichen Thränen, dieser von dem Ungewitter einer grossen Seele zusammengetriebne Regen, macht mein Auge starren, und sezt mich in ein grösseres Erstaunen, als wenn ich das ganze Gewölbe des Himmels auf einmal mit brennenden Meteoren überwälzt sähe. Heitre deine Stirne auf, ruhmvoller Salisbury, und treibe durch ein grosses Herz diesen Sturm hinweg. Ueberlaß diese Thränen jenen Säuglings-Augen, die niemals die riesengleiche Welt in Wuth gesehen, und das Glük nirgends als bey Lustbarkeiten und üppigen Schmäusen kennen gelernt haben. Komm, komm, du sollt deine Hand so tief in den Beutel des reichen Wohlstands steken als Ludwig selbst; so, Milords, sollt ihr alle, die ihre Sehnen an die Stärke der meinigen anknüpfen.


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