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LXXXII.

Peregrine beredet Emilie ihn auf einen Maskenball zu begleiten. Er wagt hier einen Angriff auf ihre Tugend und wird, wie er es verdient, zurückgewiesen.

Es verging jetzt kaum ein Abend, wo er Emilie nicht zu einer oder der andern öffentlichen Lustbarkeit führte, und da es ihm gelungen war, sich ihres ganzen Vertrauens zu bemeistern, so lauerte er jetzt nur noch auf eine bequeme Gelegenheit, seine schlechten Absichten auszuführen. Im Gespräch vernahm er eines Tages von ihr, daß sie noch keinem Maskenball beigewohnt hätte, und sogleich bat er nun um die Erlaubniß, sie auf den nächsten führen zu dürfen. Dieselbe Bitte richtete er auch an das junge Frauenzimmer, mit welcher er seine Geliebte zuerst im Theater wiedergesehen hatte und die sich zufällig auch diesmal gegenwärtig befand, doch schmeichelte er sich, sie würde den Antrag ablehnen, da sie in der City geboren und erzogen war, wo man dergleichen Vergnügungen für Ueppigkeit erklärt, und ihm eine arge Zierpuppe zu seyn schien. Aber er täuschte sich: Neugierde ist in der City so mächtig als im elegantesten Theile der Stadt, und Emilie hatte kaum ihre Einwilligung gegeben, so sagte auch die Freundin mit sehr zufriedener Miene zu. Peregrine sah sich genöthigt, sich hierüber noch dankbar zu bezeigen, so schwer es im auch wurde, und er strengte nun seine ganze Erfindungskraft an, Mittel zu ersinnen, um sich eine Person wieder vom Halse zu schaffen, die sich so ungelegen in seinen Plan drängte. Gern hätte er, wenn es nur möglich gewesen wäre, ihren Arzt gespielt und ihr ein Mittelchen verschrieben, wodurch sie genöthigt gewesen wäre, zu Hause zu bleiben, aber seine Bekanntschaft mit ihr war viel zu neu, um diesen Anschlag auszuführen; endlich fiel ihm indes ein anderer Ausweg ein, der auch den erwünschtesten Erfolg hatte; er hatte nämlich erfahren, daß dieses Frauenzimmer von einer alten Verwandten eine Summe Geldes vermacht bekommen hatte, durch welche sie in Stand gesetzt war, unabhängig zu leben, und nun schrieb er an ihre Mutter im Geheim einen Brief, in welchem er zu verstehen gab, daß die Tochter, unter dem Vorwande, auf die Maskerade gehen zu wollen, die Absicht habe, sich heimlich mit einem gewissen Menschen zu verheirathen. In wenigen Tagen, meldete er weiter, würde sich die ganze Intrigue völlig entdecken, wenn die Mutter nur die Nachricht geheim halten und es unter irgend einem Vorwande veranstalten wolle, daß das junge Frauenzimmer an dem bewußten Tage zu Hause bleiben müsse, ohne daß sie glauben könne, man habe ihre Absicht durchblickt.

Dieses Briefchen, unter welches er die Unterschrift setzte: Ein gutmeinender, unbekannter Freund, that die gewünschteste Wirkung: die Mutter ward an dem Tage des Balles so krank, daß die Tochter nicht umhin konnte, bei ihr zu bleiben und sich den Nachmittag, bald darauf als Peregrine angelangt war, bei Emilie entschuldigen ließ, sie nicht begleiten zu können. So sehr ihn diese Nachricht erfreute, so stellte er sich doch, als sey er ganz betrübt darüber.

Gegen zehn Uhr fuhren die beiden Liebenden nach Haymarket, er als Pantalon, sie als Colombine maskirt. Kaum waren sie in das Haus getreten, so begann die Musik, der Vorhang rollte auf und mit Ueberraschung sah die erstaunte Emilie das glänzende Schauspiel, das sie weit über ihre Erwartung fand. Nachdem ihr Begleiter sie durch die verschiedenen Zimmer geführt und ihr Alles gewiesen hatte, brachte er sie in den Kreis der Tanzenden, alsdann aber, nachdem sie einige Touren mitgemacht, führte er sie zu einem Büffet, wo er ihr einiges Zuckerwerk und ein Glas Champagner einnöthigte. Dann trat er mit ihr zu den Contretänzen an, und setzte dies so lange mit ihr fort, bis er glaubte, ihr Blut hinreichend erhitzt zu haben. In der Meinung, die er auf ihre Erklärung, sie sey ermüdet und durstig, baute, überredete er sie, nun einige Erfrischungen zu sich zu nehmen und führte sie deshalb in eines der Speisezimmer hinab, wo er ihr in einem Glase Wein und Wasser einige Tropfen von einem Elixiere gab, das er als ein vortreffliche Stärkungsmittel pries und womit er sich zum Behufe seiner verrätherischen Absicht versehen hatte.

Wirklich gelang es ihm hierdurch und durch ein Glas Burgunder, das er ihr noch einnöthigte, ihr Blut in die heftigste Wallung zu bringen; ihre Augen glänzten von einem ungewöhnlichen Feuer, alle ihre Lebensgeister waren aufgeregt, und mit boshafter Freude sah er, wie seine Anstalten einen so gewünschten Erfolg hatten. Um sie vollends in Taumel zu bringen, beredete er sie, von Neuem Theil an dem Tanze zu nehmen, und als er nun glaubte, daß sie gehörig vorbereitet sey, begann er, mit aller Beredsamkeit der Leidenschaft in sie zu dringen. Um sich aber selbst den nöthigen Muth zur Ausführung seines Vorhabens zu verschaffen, stürzte er schnell ein paar Flaschen Burgunder hinunter und entflammte seine Begierden dadurch so sehr, daß er sich nunmehr für fähig hielt, Alles zu wagen.

Emilie war durch so manchen Antrieb zum Besten eines Mannes gestimmt, den sie liebte, daß sie jetzt von ihrer gewöhnlichen Zurückhaltung bedeutend nachließ und ihn auf seine Liebesversicherungen endlich zum ersten Male unverholen erklärte, wie ihm ihr ganzes Herz gehöre. Dies Geständniß vermehrte seinen Taumel; er glaubte sich nunmehr auf dem Punkt, die Früchte seiner Kunstgriffe zu ärndten, und da der Morgen bereits zu grauen begann, so nahm er bereitwillig ihren Vorschlag an, sich nach Hause zu begeben; als er sich aber mit ihr im Wagen befand, da benutzte er die Stimmung, in welcher sie gegen ihn war, und schloß sie unter glühenden Küssen in seine Arme; nachdem er aber so seiner Leidenschaft ein Weilchen nachgehangen hatte, hielt der Wagen plötzlich an, Pipes öffnete den Schlag und Peregrine führte nun seine Begleiterin so schnell in das Haus, daß ihr keine Zeit blieb, wahrzunehmen, es sey dies nicht das ihres Onkels.

Als sie aber dies endlich bemerkte, wurde sie ängstlich und fragte voll Unruhe: warum er sie um diese Stunde an einen fremden Ort führe? Doch antwortete er nicht eher darauf als bis er sie in ein Zimmer gebracht hatte, wo er ihr nun zu verstehen gab: es würde ihren Onkel und dessen Familie zu sehr beunruhigen, wenn sie so spät in der Nacht zurückkehrten, auch wären die Straßen in der Nähe von Templebar um diese Zeit durch allerlei Gesindel zu unsicher, und er habe daher seinem Kutscher befohlen, sie in dieses Haus zubringen, dessen Besitzerin eine Verwandte von ihm und eine brave Frau sey, die es sich zur Ehre rechnen würde, sie mit aller gebührenden Achtung aufzunehmen.

Emilie war jedoch zu scharfsichtig, um nicht sogleich das ganze Verrätherische seines Plans zu durchblicken, und obschon sie noch nie so günstig für ihn gestimmt gewesen war, als jetzt, so wallte ihr Blut doch auf vor Unwillen. Dennoch besaß sie Herrschaft genug über sich, ihr Gefühl zu unterdrücken und ihm mit angenommener Heiterkeit für seine Fürsorge zu danken; dabei bestand sie jedoch fest darauf, nach Hause gebracht zu werden, da sie nicht wolle, daß sich ihre Verwandten ihretwegen ängstigten, die, wie sie gewiß wisse, sich nicht eher zur Ruhe begeben würden, bis sie zurückgekehrt sey.

Vergebens drang er mit Bitten und Vorstellungen in sie, Rücksicht auf ihre Sicherheit und Bequemlichkeit zu nehmen und versprach Pipes nach der City zu senden, um ihre Anverwandten zu beruhigen; da sie gegen alles dieses aber taub blieb, so versicherte er ihr nun, ihr Verlangen solle in wenigen Minuten erfüllt werden, und bat sie, einstweilen einige Herzstärkungen zu sich zu nehmen, die er in ihrer Gegenwart aus der Tasche zog. Dies schlug sie jedoch ganz bestimmt ab, denn ihr Verdacht war nun einmal gegen ihn rege geworden.

Jetzt sank er vor ihr auf die Knie nieder und schwor mit Thränen in den Augen, seine Leidenschaft sey für sie zu einem solchen Grade gestiegen, daß es ihm das Leben kosten würde, wenn sie seine Glückseligkeit nicht krönen würde, indem er ohne ihren Besitz nicht mehr zu athmen vermöge. Dieser unerwartete Antrag, den er mit Geberden der heftigsten Verzweiflung begleitete, mußte nothwendig das Mädchen ebenso überraschen als in Furcht setzen; nachdem sie sich indeß etwas wieder erholt hatte, erwiederte sie ihm in einem entschlossenen Tone: sie begreife nicht, wie er noch über Zurücksetzung klagen könne; so lange er jedoch seine Absichten nicht förmlich erklärte und von denen, welchen sie gehorchen müsse, nicht die Genehmigung erlangt hätte, sähe sie nicht ein, wie sie sich anders gegen ihn benehmen solle.

Unter vielen Ausrufungen und Betheuerungen seiner ewigen Liebe eröffnete er ihr nun: wie er den Glauben hege, daß die von der Convenienz gebotenen Bande das Grab einer zarten Zuneigung wären, wie er allein von der Liebe und nicht von kalt berechnenden Verwandten, das höchste Glück seines Lebens erwarte, und wie er bereit sey, Alles was er habe und besitze, zum Lohn dafür zu ihren Füßen zu legen. »Ich will Sie nicht so beleidigen,« fuhr er fort, »und über die Festsetzung eines Jahrgeldes mit Ihnen sprechen; aber in diesem Taschenbuche sind Banknoten für zweitausend Pfund und morgen lege ich noch zehntausend in Ihren Schooß, und werde mich glücklich schätzen, blos in Zukunft von Ihrer Güte abzuhängen.«

Es ist schwer zu beschreiben, welchen Eindruck diese eben so unerwartete als schmachvolle Erklärung auf das tugendhafte Mädchen machte. Schmerz, sich in dem Manne, den sie liebte, so furchtbar getäuscht zu sehen, Schreck, Betrübniß und gerechter Zorn bestürmten auf einmal ihre Brust, und in diesem vereinten Gefühle war es, daß sie mit einer Art von convulsivischem Lachen ihm erwiederte: sie sey ihm ganz ungemein für diese großmüthigen Gesinnungen verbunden.

Dieses Lachen und diese Worte täuschten den Verblendeten: er glaubte, es käme jetzt nur noch auf einen muthigen Angriff an, und indem er nun in dieser thörichten Einbildung sie umfaßte, begann er den Eingebungen seiner zügellosen Leidenschaft zu gehorchen: aber voll Entrüstung stieß ihn das Mädchen zurück und sprach, indem sie ihn mit einem verächtlichen Blick zu Boden schmetterte: »Sir, ich halte es unter meiner Würde, Sie an Ihre früheren Betheurungen zu erinnern, auch will ich nicht der elenden Kunstgriffe gedenken, die Sie anwendeten, mein Herz zu bestricken; denn, obschon es Ihnen gelang, mich einen Augenblick zu täuschen, so vermochten Sie doch weder meine Wachsamkeit so weit einzuschläfern, noch meine Neigung so zu fesseln, daß es nicht in meiner Gewalt stände, Sie ohne Thränen von mir zu entfernen, wenn meine Ehre es verlangt. Ich erkenne Sie aber jetzt weder meiner Theilnahme noch des Bedauerns würdig und der Seufzer, der mir in diesem Augenblicke entschlüpft, entspringt blos aus Unwillen gegen mich, daß ich so wenig scharfsichtig war. Ich verachte Sie eben so sehr, als ich Ihre Absicht verabscheue, und ob Sie schon vielleicht wähnen, mich, die Sie freventlich aus dem Schoß der Ihrigen rissen, in Ihrer Gewalt zu haben, so vertraue ich der Macht der Gesetze und des Rechts genug, um auch nur die mindeste Furcht wegen der Lage zu haben, in die Sie sie mich verlockten. Ihr Betragen, Sir, zeigt sich aber bei dieser Gelegenheit in jedem Betracht niederträchtig und verächtlich, denn so frech Sie auch sind, so wagten Sie es doch nicht, ihren nichtswürdigen Plan gegen mich auszuführen, so lange Sie meinen Bruder nahe genug wußten, um diese Beschimpfung zu rächen. Sie haben sich demnach als eine eben so feige Memme, wie als ein verrätherischer Bösewicht gezeigt.«

Nach dieser unumwundenen Erklärung schritt sie stolz auf die Thüre zu, ging die Treppe hinab und vertraute sich der Obhut eines Schaarwächters an, der ihr einen Miethwagen besorgte und sie wohlbehalten nach ihres Onkels Haus brachte.

Die gerechten Vorwürfe, mit welchen sie ihren Verehrer überhäuft hatte, schmetterten aber diesen so zu Boden, daß er es weder wagte, sich ihrer Entfernung zu widersetzen, noch auch nur eine Sylbe zu seiner Entschuldigung vorzubringen; als sie aber fort war und er überdachte, in welchem Lichte er sich ihr gezeigt hatte, da überfiel ihn eine solche Reue und seine Seele gerieth in eine solche Zerrüttung, daß er in einem Anfall von Wahnsinn ausbrach. Er tobte wie ein Bedlamit und beging so arge Ausschweifungen, daß die Leute in dem Hause (es war ein Bagnio) den festen Glauben erhielten, er habe seinen Verstand verloren, und sogar Pipes, der mit Hülfe der Aufwärter ihn jetzt gewaltsam von dem Vorsatze zurückhielt, die schöne Flüchtige zu verfolgen, die er in seiner Raserei bald verfluchte, bald zum Himmel erhob, diese Meinung zu hegen begann.

Zwei ganzes Stunden wartete der treue Diener, in der Hoffnung, dieser Sturm sollte vorübergehen; da sich der Paroxysmus jedoch nur zu vermehren schien, so sandte er nun nach einem Arzte, welcher sogleich einen reichlichen Aderlaß verordnete und dem Kranken einen beruhigenden Trank verschrieb.

Diese Anordnungen wurden pünktlich vollzogen und Peregrine ward nun stiller. Er erlangte seine Besinnungskraft soweit wieder, daß er sich seiner Tollheiten schämte und sich ruhig zu Bette bringen ließ, wo er in Folge seiner Ermüdung vom Maskenball und der Zerrüttung seiner Lebensgeister in einen tiefen Schlaf versank, der nicht wenig zur Erhaltung seines Verstandes beitrug. Dennoch gerieth er, als er endlich gegen Mittag erwachte, wieder in eine heftige Bewegung, und die Erinnerung dessen, was vorgefallen war, weckte aufs Neue seinen Unwillen. Emiliens Vorwürfe schallten wieder in seine Ohren, so furchtbar ihm aber auch ihre Verachtung war, so konnte er dennoch nicht umhin, ihren Muth zu bewundern und ihren Reizen zu huldigen.


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