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Warum arbeiten wir gedrängt, geschlossen, gefügt, mit T-Balken? Um Spannung und Gipfelung zu gewinnen? Diese Erklärung möchte zur Not für das Drama gelten und genügen. Allein geschlossene »dramatische« Handlungsführung ist ja durchaus nicht eine Eigentümlichkeit dramatischer Arbeit, sie kommt ebenso sehr der Novelle, dem Roman, dem Epos zugute. Zielt doch z. B. die Odyssee nicht minder als Macbeth oder Wallenstein vom ersten Worte nach dem Ende.
Der Hauptvorzug einer geschlossenen Führung beruht vielmehr darauf, daß sie die Glaubhaftigkeit eines Werkes erhöht. Ich meine natürlich nicht die bäurische Glaubhaftigkeit, welche ein Werk auf seine Wirklichkeitsfähigkeit prüft, sondern die poetische Glaubhaftigkeit, mit anderen Worten: Die Möglichkeit, daß ein vernünftiger Leser sich willig mit Herz und Seele in die Welt des Dichters versetze, sei nun dessen Welt ein Abbild der Wirklichkeit oder eine geträumte. Diese Glaubhaftigkeit wird also durch geschlossene Handlungsführung gefestigt und zwar auf mehrfache Weise.
Die Vorahnung eines Ziels verleiht dem Weg Zweck und Sinn, den Zwischenstationen pathetische Bedeutung, unterstreicht jedes einzelne Ereignismoment, jedes geringste Wort, indem alles und jedes neben seinem unmittelbaren Ereignis- oder Redegehalt obendrein noch Erklärungs- oder Symbolwert für die aufgesparte Hauptszene besitzt. Ja, sogar die bloße Witterung einer Absichtlichkeit zwingt uns schon zum engeren Anschluß an das Werk. Ein Kunstvorteil, den nach Schiller am öftesten und bewußtesten C. F. Meyer ausgenützt hat, indem er dem Leser die Absichtlichkeit d. h. die zielstrebende Nebenbedeutung der Anfangsereignisse und Reden so stark verrät, daß keiner sie übersehen kann. Ich möchte fast sagen, er reibt sie dem Leser unter die Nase.
Sodann – und dies scheint mir das Wichtigste, – erzeugt geschlossene Führung eine Unmenge von Beziehungen, nicht bloß die schon erwähnten Beziehungen zwischen den Teilen eines Werkes, also zwischen Anfang und Ende und zwischen den Unterabteilungen, sondern auch Beziehungen sämtlicher geschilderten Personen zueinander. Je mehr Wechselbeziehungen aber ein Werk innerhalb seines Darstellungskreises enthält, einerlei welcher Art die Beziehungen seien, desto glaubhafter wird es, desto stärker zwingt es uns in seinen Bann, desto unauslöschlicher beharrt es in unserer Seele. Ich glaube nämlich dem Dichter inniger eine solche Gestalt, an welche eine zweite Person des Gedichtes glaubt, als eine noch so treu geschilderte Person für sich allein, oder in loser Verbindung mit anderen. Von allen Beweisen des wechselseitigen Glaubens aneinander ist aber der überzeugendste die stetige Beeinflussung des einen durch den anderen, wie sie bei geschlossener Handlungsweise stattfindet. Diesem Beziehungsgesetze entspringt unter anderm auch die von Schiller bemerkte Tatsache, daß das sicherste Mittel, uns eine Person sympathisch darzustellen, darin besteht, zu zeigen, wie sie auf andere sympathisch wirkt.
Und die psychologische Erklärung des Beziehungsgesetzes? Sie lautet: Wir erkennen alle Kräfte der Erde, also auch die Menschenseele, nur an ihren Wirkungen.