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So waren zwei Jahre dahingeflogen, immer ein Tag genußreicher als der andere. Da wußte Stineli, daß nun die Zeit seiner Abreise gekommen war, und es mußte stark mit sich kämpfen, daß es nicht den Mut verlor, denn fortgehen und vielleicht nie wiederkommen, das war der schwerste Gedanke, der noch je auf sein Herz gefallen war. Auch der Rico wußte, was nun sein sollte, und er sagte manchen Tag lang nur noch die notwendigsten Worte. Da wurde es der Mutter Menotti ganz unheimlich zumute und sie forschte der unbekannten Ursache nach, denn sie hatte schon lange vergessen, daß das Stineli sollte konfirmiert werden. Als nun diese Besorgnis herauskam, sagte die Mutter Menotti beruhigend: »Man kann schon noch ein Jahr warten«, und so lebten alle in Freuden ein Jahr weiter.
Aber im dritten Jahr kam Bericht von Bergamo, es sei da einer angekommen aus den Bergen herunter, der habe Befehl, das Stineli mit nach Hause zu nehmen. Nun mußte es sein; der kleine Silvio gebärdete sich wie ein Besessener, aber es half nichts, gegen das Schicksal konnte er nicht aufkommen. Die Mutter Menotti sagte die letzten drei Tage hintereinander nur immerzu: »Komm nur auch wieder, Stineli; versprich dem Vater, was er will, wenn er dich nur wieder gehen läßt.«
Der Rico sagte gar nichts mehr. So reiste das Stineli ab, und von dem Tage an lag es über dem Hause wie eine graue, schwere Wolke, wenn draußen die Sonne noch so schön schien. So blieb es vom November an bis zum Osterfest, da alle Leute sich freuten; aber in dem Hause blieb es ganz still. Und als das Fest vorüber war und draußen im Garten alles blühte und duftete, viel schöner als je, da saß eines Abends Rico neben dem Silvio und spielte die allertraurigste Melodie, die er kannte, und machte den kleinen Silvio ganz tiefsinnig; aber mit einem Male ertönte aus dem Garten eine Stimme dazwischen: »Rico, Rico, hast du keinen fröhlicheren Empfang für mich?«
Der Silvio schrie auf wie außer sich. Rico warf die Geige auf das Bett und sprang hinaus. Die Mutter stürzte mit Schrecken herbei. Da erschien auf der Schwelle mit dem Rico das Stineli. Und wie seine Augen wieder in die Stube hereinlachten – da war der langverlorene Sonnenschein zurückgekehrt, und es gab ein Wiedersehen von solcher Freude, wie sich keins von allen hatte vorstellen können in der Trennung. Da saßen sie wieder am Tisch bei Silvios Bett und es ging an ein Fragen und Erzählen und Berichten und wieder an ein Frohlocken über das Ende der schweren Trennungszeit; und es war ein solcher Festabend, daß man hätte denken können, diesen vier Menschen könne gar nichts mehr mangeln zu einem fertigen Glück. Aber dem Rico mußte es ganz anders sein. Mitten in der Fröhlichkeit fing er auf einmal zu staunen an, wie vorzeiten; doch währte es nicht so lange wie damals, er mußte ziemlich bald einen befriedigenden Endpunkt gefunden haben, denn plötzlich war das Staunen vorbei, und mit der größten Bestimmtheit sprach er die Worte aus:
»Das Stineli muß auf der Stelle meine Frau werden, sonst kommt es uns noch einmal fort, wir halten es nicht aus.«
Der Silvio geriet sogleich in die äußerste Begeisterung für dieses Unternehmen, und es währte gar nicht lange, so waren alle einig darüber, daß es so sein müsse und gar nicht anders sein könnte. –
Am schönsten Maitage, der je über Peschiera geleuchtet hatte, bewegte sich ein langer Festzug von der Kirche her der »Goldenen Sonne« entgegen. Voran kam der hochgewachsene Rico stattlich dahergeschritten, an seiner Seite das frohäugige Stineli mit einem frischen Blumenkränzlein auf dem Kopf; dann kam in weichgepolstertem Wägelchen, von zwei fröhlichen Peschierabuben gezogen, der kleine Silvio, freudeglänzend wie ein Triumphator, darauf folgte die Mutter Menotti, ganz gerührt und ergriffen in ihrem rauschenden Hochzeitsstaat, nach ihr der Bursche mit einem Blumenstrauß, der ihm die ganze Brust bedeckte; und nun wogte ganz Peschiera daher in der allerlautesten Teilnahme; denn das schöne Paar wollten alle sehen und mit feiern. Es war wie ein allgemeines Familienfest der Leute von Peschiera, nun der verlorene und wiedergekehrte Peschierianer daranging, sein festes Haus zu gründen in seiner Heimat.
Die Siegesfreude der Wirtin zur »Goldenen Sonne«, als sie den Zug vor ihrem Hause ankommen sah, ist nicht zu beschreiben! Wo auch je nachher von irgendeiner Hochzeit, hoch oder niedrig, die Rede war, da sagte sie mit Überlegenheit:
»Das ist alles gar nichts gegen Ricos Hochzeit in der ›Goldenen Sonne‹!«
In dem Hause am Blumengarten ging der Sonnenschein nicht mehr verloren; aber Stineli sorgte auch dafür, daß das Unser-Vater nie wieder vergessen wurde, und jeden Sonntagabend ertönte das Lied der Großmutter im hellen Chor den Garten hinaus.