Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Siebentes Bild

Ein Tempel nach ägyptischer Art. Die Stätte einer weit zurückliegenden Initiation. Drittes Kulturzeitalter der Erde. (Zunächst nur ein Gespräch zwischen dem Opferweisen, dem Schwellenhüter und dem Mysten.)

Der Opferweise:
Ist alles würderichtig vorbereitet,
mein Schwellenhüter, dass die Weihetat
den Göttern und den Menschen heilsam werde?

Der Schwellenhüter:
Soweit der Mensch es vorzusehn vermag,
ist alles wohl bereitet; – Weiheluft
erfüllt den Raum seit vielen Tagen schon.

Der Opferweise:
Mein Myste: zu des Königs Rater ist
der Priester ausersehn, der heut empfängt
geheimer Weisheit Weiheoffenbarung.
Habt ihr die Prüfung denn auch so gestaltet,
dass jener Myste nicht allein der Weisheit
ergeben ist, die irdisch sorgenlos
nur aufmerksam auf Geisteslehren ist?
Uns müsst' ein solcher Rater schädlich sein.

Der Myste:
Die Prüfung ward Gebot-gemäss vollzogen,
die Meister fanden sie gerecht; – mich dünkt
dass unser Myste nur geringen Sinn
für irdisch Sorgen hat; er hat die Seele
dem Geistesstreben nur, der Selbstentfaltung
ergeben; geistentrückt kann man ihn sehn.
Zuviel ist's nicht, zu sagen, dass er schwelgt,
wenn seine Seele geistgeeint sich fühlt.

Der Opferweise:
Ihr habt ihn so wohl öfter schon gesehn?

Der Myste:
Er zeigt sich wahrhaft oft in solcher Art.
Er würde wohl zum innern Tempeldienst
sich besser als zu eurem Rater eignen.

Der Opferweise:
Es ist genug. Ihr geht an euer Amt
und sorgt, dass unsre Weihetat geling'. –
(Der Myste geht ab.)
Doch du, mein Hüter, höre weiter mich.
Du weisst, ich schätze deinen Mystensinn;
du stehst als Weisheitträger mir viel höher
als deinem Tempelgrad entspricht; und oft
hab' ich an deinem Seherblick die Probe
gesucht für meine eigne Geistesschau.
Ich frage dich, wie gross ist dein Vertrauen
in dieses neuen Mysten Geistesreife?

Der Schwellenhüter:
Wer frägt nach meiner Meinung; meine Stimme
wird nicht gezählt. –

Der Opferweise:
Ich zähl' sie stets für mich.
Auch heute sollst du mir zur Seite stehn;
wir müssen diese Weihetat verfolgen
mit strengem Seelenblick; und wenn der Myste
auch nur gering dem Geist-Erleben nach
dem hohen Sinn der Handlung nicht entspricht,
so hindre ich, dass er zum Rater werde.

Der Schwellenhüter:
Was könnte sich bei diesem Weihefeste
an diesem neuen Mysten offenbaren?

Der Opferweise:
Ich weiss, dass er nicht würdig ist der Ehre,
die ihm die Tempeldiener zugedacht.
Sein menschlich Wesen ist mir wohlbekannt.
Ihm ist die Mystik nicht der Herzenstrieb,
der sich im Menschen regt, wenn geistig Licht
von oben Seelen gnädig zu sich zieht.
Die Leidenschaft durchwühlt sein Innres stark;
die Sinnestriebe schweigen ihm noch nicht.
Ich will fürwahr nicht Götterwille tadeln,
der auch in Trieb und Leidenschaft sein Licht
noch weisheitvoll im Werdestrom erstrahlt.
Doch wenn der Trieb sich vor sich selbst verbirgt
und in der Andacht Maske mystisch schwelgt,
belügt er nur das Denken, fälscht das Wollen.
Es dringt in solche Seelen nicht das Licht,
das in den Geisteswelten Wesen webt;
es dampft die Leidenschaft als Mystennebel.

Der Schwellenhüter:
Mein Opferweiser, strenge ist das Urteil,
das ihr dem Manne zuerteilt, der jung
und unerfahren sich nicht selbst erkennen,
der nur sich so verhalten kann, wie ihm
die Opferlenker und die Mystenführer
das Ziel des rechten Seelenpfades schildern.

Der Opferweise:
Ich will mit meinem Urteil nicht den Mann,
ich will die Tat nur treffen, welche hier
an heilig ernster Stätte sich vollzieht.
Was wir als mystisch Weihewerk vollbringen,
Bedeutung hat es doch nicht hier allein.
Es geht des Weltgeschehens Schicksalsstrom
durch Wort und Tat des ernsten Opferdienstes.
Was hier im Bilde sich vollzieht, es schafft
in Geisteswelten ewig wirksam Sein.
Doch jetzt, mein Hüter, geht an euer Werk;
Ihr werdet selber finden, wie ihr mir
am besten bei der Handlung helfen könnt.

(Es geht der Schwellenhüter links ab.)

Der Opferweise: (allein)
An diesem jungen Mysten liegt es nicht,
der heute sich der Weisheit opfern will,
wenn in den nächsten Stunden unrecht Fühlen,
das seinem Herzen leicht entströmen kann,
in unsre Opfertat erstrahlt und mystisch
im Tatensinnbild Geistessphären naht,
aus welchen später unheilvoll die Wirkung
zurück ins Menschenleben fliessen muss.
Die Führer und die Lenker werden schuldig.
Erkennen die denn noch die Mystenkraft,
die jedes Wort und jedes Zeichen hier
geheimnisvoll durchgeistigt, – die auch wirkt,
wenn Seeleninhalt sich in sie ergiesst,
der unheilvoll dem Weltenwerden ist?
Statt dass der junge Myste sich dem Geiste
bewusst hier opfert, schleppen seine Lehrer
als Opfer ihn zur Weihestatt, und unbewusst
ergibt er hier sein Seelensein dem Geiste,
das er in andre Wege wahrlich lenkte,
wenn er bewusst es in sich leben könnte.
Im Kreise unsrer Mystenschaft erkennt allein der
höchste Opferkenner wirklich,
was mystisch in den Opferformen lebt.
Doch der ist schweigsam wie die Einsamkeit;
denn so ist seiner Würde streng Gebot.
Die andern blicken völlig unverständig,
Wenn ich vom Ernst des Opfers ihnen spreche.
– – – – – – – – – – – – – –
So bin ich ganz allein mit meiner Sorge,
die mich im Innern oft erdrücken will,
wenn ich den Sinn des Opferortes fühle.
Ich lerne sie fürwahr hier tief erkennen:
die Einsamkeit am ernsten Geistesort.
Warum bin ich an diesem Ort allein?
Die Seele muss es fragen; – doch der Geist –
wann wird er dieser Seele Antwort geben?

(Vorhang fällt langsam.)


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