Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Achtes Bild

Dieselbe Tempelszenerie wie im siebten Bild; sie ist anfangs durch einen Zwischenvorhang gedeckt, vor dem eine Ägypterin das Folgende spricht. (Die Ägypterin ist als eine der vorhergehenden Inkarnationen des Thomasius zu denken.)

Die Ägypterin:
Dies ist die Zeit, in welcher er sein Sein
dem uralt heiligen Weisheitsdienste weiht, –
und mir für immer sich entreissen muss.
Aus jenen Lichteshöhn, in die er sich
mit seiner Seele wendet, muss der meinen
der Todesstrahl erscheinen; – ohne ihn –
ist Trauer nur für mich, Entsagung, Leid
im Erdenfeld zu finden, – und der Tod – –.
– – – – – – – – – – – – – –
Verlässt mich er in dieser Stunde auch,
will ich mich doch ganz nah dem Orte halten,
in dem er sich dem Geiste anvertraut.
Darf ich mit meinen Augen auch nicht schauen,
wie er der Erde sich entringen wird – –;
vielleicht lässt Traumes Offenbarung mich
im Ahnen geistig jetzt bei ihm verweilen.

Der Zwischenvorhang geht auf. Man erblickt alles vorbereitet zur Initiation des Neophyten, der als eine frühere Inkarnation der Maria gedacht ist; an der einen Seite des Opferaltars steht der höchste Opferweise, der als eine frühere Inkarnation des Benedicrus gedacht ist; an der andern Seite des Altars der Wortebewahrer, eine frühere Inkarnation des Hilarius Gottgetreu; etwas vor dem Altar der Siegelbewahrer, eine frühere Inkarnation der Theodora; dann auf der einen Altarseite nach vorn: der Vertreter des Erdelementes, eine frühere Inkarnation des Romanus; der Vertreter des Luftelementes, eine frühere Inkarnation des Magnus Bellicosus; ganz nahe dem höchsten Opferweisen der Opferweise, eine frühere Inkarnation des Capesius; auf der anderen Seite der Vertreter des Feuerelementes, eine frühere Inkarnation des Doktor Strader; der Vertreter des Wasserelementes, eine frühere Inkarnation des Torquatus. Vorne Philia, Astrid, Luna und die »andre Philia«. Ganz vorn in Sphinxgestait Lucifer und Ahriman, Lucifer so, dass der Cherub mehr betont ist, Ahriman so, dass der Stier mehr betont ist. Vier andre Priester stehen vorne. Nachdem der Tempelraum mit den Mysten sichtbar geworden ist, eine Weile lautlose Stille; dann führen der Schwellenhüter, eine frühere Inkarnation des Felix Balde, und der Myste, eine frühere Inkarnation der Frau Balde, den Neophyten durch die Pforte links ein. Sie stellen ihn in den inneren Kreis in die Nähe des Altars. Die beiden Einführer bleiben in seiner Nähe stehen.

Der Schwellenhüter:
Aus jenem Scheingewebe, das du Welt
in deines Irrtums Finsternis genannt,
hat dich der Myste uns hieher gebracht. –
Es war die Welt aus Sein und Nichts gewoben,
die dir im Weben sich zum Schein gebildet.
Der Schein ist gut, wenn er vom Sein erschaut;
doch du erträumtest ihn im Scheinesleben;
und Schein vom Schein erkannt, entsinkt dem All. –
Du, Schein des Scheines, lerne dich erkennen.

Der Myste:
So spricht, der dieses Tempels Schwelle hütet,
erleb in dir des Wortes Schwergewicht.

Der Vertreter des Erdelements:
Im Schwergewicht des Erdeseins ergreif
den Schein des eignen Wesens schreckenlos,
dass du versinken kannst in Weltentiefen
in Weltentiefen such das Sein im Finstern;
verbinde, was du findest, deinem Schein;
im Lasten wird es dir das Sein gewähren.

Der Wortbewahrer:
Verstehn, wohin wir dich im Sinken führen,
du wirst es erst, wenn du sein Wort befolgst.
Wir schmieden deines eignen Wesens Form;
erkenne unser Werk, du müsstest dich
im Weltennichts als Schein sonst völlig lösen.

Der Myste:
So spricht, der dieses Tempels Worte hütet,
erleb in dir der Worte Schwergewicht.

Der Vertreter des Luftelements:
Dem Schwergewicht des Erdeseins entflieh';
es tötet deines Selbstes Sein im Sinken.
Enteile ihm mit Lüfteleichtigkeit. –
In Weltenweiten such das Sein im Leuchten:
verbinde, was du findest, deinem Schein;
im Fluge wird es dir das Sein gewähren.

Der Wortbewahrer:
Verstehn, wohin wir dich im Fluge führen,
du wirst es erst , wenn du sein Wort befolgst.
Wir leuchten dir in deines Wesens Leben;
erkenne unser Werk; du müsstest dich
im Weltgewicht als Schein sonst völlig lösen.

Der Myste:
So spricht, der dieses Tempels Worte hütet,
erleb in dir der Worte Schwingekraft.

Der höchste Opferweise:
Mein Sohn, du wirst auf edlem Weisheitspfade
der Mysten Worte sinngerecht befolgen. –
In dir kannst du die Antwort nicht erschau'n.
Denn finstrer Irrtum lastet noch in dir;
und Torheit strebt in dir nach Weltenfernen.
Drum schau – in diese Flamme, die dir näher
(Es entzündet sich die helleuchtende, züngelnde Opfer-flamme, die sich auf dem Altar, der in der Mitte steht, befindet.)
als deines eignen Wesens Leben ist.
Und lies die Antwort aus dem Feuer dir.

Der Myste:
So spricht, der dieses Tempels Opfer leitet,
erleb in dir des Opfers Weihekraft.

Der Vertreter des Feuerelements:
Den Irrtum deines Selbstsinns lass verbrennen
im Feuer, das im Opfer dir entzündet.
Verbrenne selbst mit deines Irrtums Stoff. –
Im Weltenfeuer such dein Sein als Flamme;
verbinde, was du findest, deinem Schein.
Im Brennen wird es dir das Sein gewähren.

Der Siegelbewahrer:
Verstehn, warum wir dich zur Flamme bilden,
du wirst es erst, wenn du sein Wort befolgst.
Wir läutern deines eignen Wesens Form. –
Erkenne unser Werk, du müsstest dich
im Weltenwasser formlos sonst verlieren.

Der Myste:
So spricht, der dieses Tempels Siegel hütet,
Erieb in dir der Weisheit Lichteskraft.

Der Vertreter des Wasserelements:
Der Flammenmacht der Feuerwelt verwehre,
des Eigenseins Gewalt dir aufzuzehren.
Der Schein ersteht zum Sein dir anders nicht,
als wenn des Weltenwassers Wellenschlag
dich mit dem Sphärenton durchdringen kann.
Im Weltenwasser such das Sein als Welle;
verbinde, was du findest, deinem Schein.
im Wogen wird es dir das Sein gewähren.

Der Siegelbewahrer:
Verstehn, warum wir dich als Welle bilden,
du wirst es erst, wenn du sein Wort befolgst.
Wir bilden deines eignen Wesens Form;
erkenne unser Werk, du müsstest dich
im Weltenfeuer formlos sonst verlieren.

Der höchste Opferweise:
Mein Sohn, du wirst mit starker Willenskraft
auch dieser Mysten Worte recht befolgen.
In dir kannst du die Antwort nicht erschauen.
In feiger Furcht erfriert noch deine Macht;
die Schwäche kannst du nicht zur Welle bilden,
die dich im Sphärenreich erklingen lässt.
Drum höre deine Seelenkräfte sprechen;
erkenn in ihrem Wort die eigne Stimme.

Philia:
Im Feuer läut're dich; – – als Weltenwelle
verliere dich im Ton der Geistessphären.

Astrid:
Erbilde dich im Ton der Geistessphären; –
in Weltenfernen fliege lüfteleicht.

Luna:
In Weltentiefen sinke erdeschwer;
erkühne dich als Selbst im Schwergewicht.

Die andre Philia:
Entferne dich aus deinem Eigensein;
vereine dich der Elemente Macht.

Der Myste:
So spricht im Tempel deine eigne Seele,
erleb in ihm der Kräfte Lenkemacht.

Der höchste Opferweise:
Gefährte Opferweiser, diese Seele,
die wir zum Weisheitspfade führen sollen,
ergründ in ihren Tiefen, – künde uns,
was du erschaust als ihre Gegenwart.

Der Opferweise:
Es ist geschehn, was unsrem Opfer frommt.
Die Seele hat vergessen, was sie war.
Der Elemente Widersprüche haben
des Irrtums Scheingewebe ihr getilgt;
der lebt im Streit der Elemente fort.
Gerettet hat die Seele nur ihr Wesen.
Und was im Wesen lebt, sie soll es lesen
im Weltenwort, das aus der Flamme spricht.

Der höchste Opferweise:
So lies, du Menschenseele, was die Flamme
als Weltenwort im Innren dir verkündet.

(Es tritt eine längere Pause ein, während welcher es ganz dunkel wird, – nur die Flamme und die unbestimmten Umrisse der Personen sind zu sehen; der höchste Opferweise fährt nach der Pause fort):

Und nun erwache aus der Weltenschau!
Verkünde, was im Wort zu lesen ist.

(Der Neophyt schweigt. Der höchste Opfetweise fährt bestürzt fort.)

Er Schweigt! – Entschwindet dir Geschautes? – Sprich!

Der Neophyt:
Gehorchend eurem strengen Opferworte,
versenkt' ich mich in dieses Flammenwesen,
erwartend hoher Weltenworte Tönen.

(Die anwesenden Mysten, mit Ausnahme des Opferweisen, zeigen bei der Rede des Neophyten einen immer grössern Schrecken.)

Ich fühlte, wie ich mich vom Erdgewicht
mit Lüfteleichtigkeit befreien konnte. –
Vom Weltenfeuer liebend hingenommen,
erfühlt' ich mich in Geisteswellenströmen.
Ich sah, wie meine Erdenlebensform
sich ausser mir als andres Wesen hielt. –
Von Seligkeit umhüllt, im Geisteslicht
mich fühlend, konnt' ich doch die Erdenhülle
mit Anteil nur betrachten, wunscherfüllt. –
Ihr strahlten Geister hoher Welten Licht – –;
Es nahten ihr wie Falter, glitzernd hell,
die Wesen, die ihr Leben regsam pflegten.
Von dieser Wesen Lichtgeflimmer strahlte
erfunkelnd Farbenspiel der Leib zurück,
Das glänzend nah, erglimmend fern sich zeigt';
zuletzt im Raum zerstiebend sich verlor.
Es keimte mir im Geistesseelensein
der Wunsch, das Erdgewicht versenke mich
in meine Hülle, dass ich Freudesinn
in Lebenswärme fühlend pflegen könne. –
In meine Hülle fröhlich untertauchend,
Empfand ich euren strengen Weckeruf.

Der höchste Opferweise: (selbst bestürzt zu den bestürzten Mysten)
Das ist nicht Geist-Erschautes; – irdisch Fühlen –
entwand dem Mysten sich und stieg als Opfer
in lichte Geisteshöhn, – O Frevel, Frevel – –!

Der Wortbewahrer: (im Zorne zu dem Opferweisen)
Es wär' nicht möglich, hättet ihr das Amt,
das euch als Opferweiser anvertraut,
im Sinne uralt heil'ger Pflicht verwaltet.

Der Opferweise:
Ich tat, was mir als Pflicht aus höhern Reichen
in dieser Feierstunde auferlegt.
Enthalten hab' ich mich, das Wort zu denken,
das nach der Sitte mir geboten ist
und das, von meinem Denken aus, hinüber
zum Neophyten geistig wirken sollte.
So hat der junge Mann nicht fremdes Denken,
er hat sein eignes Wesen hier verkündet.
Die Wahrheit hat gesiegt. – Ihr mögt mich strafen;
ich musste tun, was ihr in Furcht erlebt.
Ich fühle schon die Zeiten nahe kommen,
die aus dem Gruppengeist das Ich befreien
und ihm das eigne Denken lösen werden.
Es mag der Jüngling eurem Mystenweg
sich jetzt entringen –. Spätres Erdesein
wird ihm die Mystenweise sicher zeigen,
die ihm von Schicksalsmächten vorgedacht.

Die Mysten:
O Frevel, – der nach Sühne ruft, – nach Strafe –,

(Die Sphinxe beginnen nacheinander zu sprechen als Ahriman und Lucifer, sie waren bisher reglos wie Bildsäulen; ihr Sprechen wird nur von dem Opferweisen, dem höchsten Opferweisen und dem Neophyten gehört; – die andern bleiben in Aufregung durch das Vorhergehende.)

Ahriman als Sphinx:
Ich muss für meine Stätte mir erbeuten,
was hier nur ungerecht zum Lichte will.
Ich muss es weiter dann im Finstern pflegen;
es soll sich so die Eignung geistig schaffen,
in Zukunft sich mit rechtem Werdesinn
dem Menschenleben günstig einzuweben.
Doch bis es diese Eignung sich erwirkt,
wird meinem Werke dienen, was sich hier
dem Weihedienst als Erdenlast erwiesen.

Lucifer als Sphinx:
Ich will für meine Stätte mir entführen,
was hier als Geisteswunsch am Schein sich freut.
Er soll als Schein im Lichte fröhlich glänzen
und so im Geiste sich der Schönheit weihn,
die ihm das Erdgewicht in dieser Zeit
durch seine Last noch ferne halten will.
Im Schönen wandelt Schein zum Sein sich um:
er wird dann künftig Licht der Erde sein;
als Licht sich senkend, welches hier entflieht.

Der höchste Opferweise:
Die Sphinxe sprechen, – sie, die Bild nur waren,
seit Weise hier den Dienst verrichtet haben.
Der Geist, er hat die tote Form ergriffen – –;
O Schicksal, du ertönst als Weltenwort – –!

(Die andern Mysten, ausser dem Opferweisen und dem Neophyten, sind erstaunt über die Worte des höchsten Opferweisen.)

Der Opferweise: (zum höchsten Opferweisen)
Was wir als mystisch Weihewerk vollbringen,
Bedeutung hat es doch nicht hier allein.
Es geht des Weltgeschehens Schicksalsstrom
durch Wort und Tat des ernsten Opferdienstes.

(Über die durch das Vorhergehende bewirkte Stimmung fällt der Vorhang.)


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