Julius Stettenheim
Unter vier Augen
Julius Stettenheim

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Bei dem König von Spanien.

Alfons XII. befand sich auf der Durchreise nach Deutschland in Paris, und kaum hatte ich erfahren, daß ich ihn zu sprechen wünschte, als ich mir auch sofort eine Audienz bewilligte. Pünktlich trat er in den Saal, in welchem ich mich befand.

Ich habe den König nie gesehen. Aber wie hat er sich seitdem verändert! Er sieht heute verheirathet aus. Der Glanz des Junggesellenstandes ist vorüber. Seit er einen Bart trägt, ist sein Gesicht bedeutend haariger, als in seiner Kindheit, und wenn er raucht, so spielt um seine Lippen eine Wolke, welche wie Cigarrendampf aussieht.

Eure Majestät sind im Begriff, eine außerordentlich interessante Reise anzutreten, sagte ich, um ihn zu wichtigen Mittheilungen zu bewegen.

Ja, antwortete der König in seiner Muttersprache durch stummes Kopfnicken.

Wo war ich doch stehen geblieben? fragte ich, 6 da mir kein Stuhl angeboten worden war. Huldreich deutete der König auf den Platz hin, auf dem ich stand.

Nun hielt ich nicht länger mit den wichtigen Eröffnungen zurück, welche mir der König machen sollte, und die ich an mein Journal zu telegraphiren beabsichtigte. Um wenigstens drei ganze Spalten telegraphiren zu können, begann ich: Eure Majestät werden den Kaiser von Deutschland sehen? Das wird Aufsehen machen, denn es ist ein wichtiges historisches Ereigniß. Der Kaiser von Deutschland residirt in Berlin, wo er ein prächtiges Palais bewohnt. Dem Palais gegenüber unter den Linden steht das Denkmal Friedrichs II. Dieser wird Friedrich der Große und der alte Fritz genannt. In dieser Weise fuhr ich fort.

Der König von Spanien schien überzeugt, daß ich gut unterrichtet sei, besser, als er wohl geglaubt hatte. Nur Eines wußte ich nicht. Ich fragte also: Eure Majestät gedenken auf Ihrer Reise in die Tripel-Allianz einzutreten?

Ein Flügeladjutant erschien und sagte: Es ist die höchste Zeit.

Ich wußte genug und verabschiedete mich. Der König erhob sich hierauf und verließ den Saal. Er folgte mir nach dem Bahnhof, mir natürlich immer voran.

7 Die Thür des Salonwagens, der ihn entführen sollte, stand offen, und ich wartete bescheiden, bis dieselbe geschlossen wurde, um nicht mit einzusteigen. Dann zeigte sich der König einige Augenblicke am offenen Fenster, ehe der Zug sich in Bewegung setzte.

Bald war der Zug meinen Augen entschwunden, wie sein Stampfen und Pfeifen meinen Ohren. Was ich weiter über Spanien, sowie über die zu erwartenden Schritte des Königs als Vierter im Bunde der Monarchen mitzutheilen habe, dürfte nicht weniger interessant sein.

Der König hatte vor seiner Abreise nach Frankreich das Bedenken geäußert, daselbst einem Mann wie Ruiz Zorilla zu begegnen. Und allerdings mit Recht, denn dieser Zorilla ist kein Marquis von Posa, der unter der Regierung eines früheren Königs von Spanien, Philipps II., eine bekannte Rolle spielte. Ich glaube, keine Indiscretion zu begehen, wenn ich ohne Scheu erzähle, daß dieser Maltheserritter und Grande von Spanien nichts Geringeres bezweckt hatte, als Gedankenfreiheit einzuführen und den Prinzen des königlichen Hauses, mit dem er, beiläufig bemerkt, auf Du und Du stand, gegen den König aufzuwiegeln. Sonderbarer Schwärmer! Als der König dann endlich hinter dessen Schliche kam, ergriff er eine damals durchaus verfassungsmäßige 8 Regierungsmaßregel, nämlich eine geladene Flinte, und schoß den Posa nieder. Damit hatten denn Spanien und Posa die Ruhe gefunden, welche Handel und Industrie zu ihrer Fortentwickelung brauchten.

Bekanntlich war Zorilla, nachdem er den jüngsten Aufstand in Scene gesetzt und Spanien an den landesüblichen Abgrund gebracht hatte, glücklicher. Er entkam, abgesehen davon, daß er im anderen Fall wohl erst auf dem Wege des Processes von der Nemesis ereilt worden wäre. Immerhin ist es begreiflich, daß der König Alfons die Austreibung Zorillas aus Frankreich forderte, bevor er den Boden der Republik betrat.

Soviel über meine Audienz bei dem spanischen Monarchen. Irre ich nicht, so hat nun meine Depesche die von mir ihr zugedachte Länge.


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