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In einem Augenblick, wo ein europäischer Krieg mit aller Gewalt nicht ausbrechen will, hat der Interviewer eines Weltblattes natürlich alle Füße voll zu thun.
Es versteht sich von selbst, daß ich mir Se. Lordschaft nicht aus der Nase gehen ließ. Zur festgesetzten Minute eilte ich in den Kaiserhof, in welchem der große Staatsmann abgestiegen war.
Als ich Lord Salisbury in seinem Salon begrüßte, trat er auf mich zu, empfing mich mit einem überaus herzlichen Adieu und entfernte sich.
Er ging zum Kaiser und hatte sich keinen Moment durch mich abhalten lassen: ein Beweis für den ungeheuren Respect englischer Staatsmänner vor der Macht der Presse. Denn die Presse hatte ja gemeldet, daß der Lord nach Berlin gekommen sei, um mit dem Kaiser zu conferiren, und nun durfte die Audienz nicht 97 unterbleiben, die Presse nicht gezwungen werden, eine Unwahrheit gemeldet zu haben.
Als Lord Salisbury sich entfernt hatte, war ich mit seinem Privatsekretär, Lord Northcote, allein. Derselbe schien von dem Zweck meines Besuches unterrichtet zu sein. Er sagte: »Wenn wir Krieg bekommen, so wird er blutig, im anderen Falle wird der Frieden unvermeidlich sein.« Dann blickte er in die vierte Beilage der Vossischen Zeitung und las: »Antigone, der kleine Richelieu, Fatinitza, O diese Männer! Die Irrfahrten des Odysseus, die Wilddiebe, Wenn man im Dunkeln küßt, Die Fremde, Die Grille,« und zu mir sich wendend, fragte er: »Ist das hübsch, wenn man im Dunkeln die fremde Grille küßt?
Es soll sehr unterhaltend sein, sagte ich.
Er drückte auf einen Knopf an der Thür. Ein englischer Diener erschien, den er leise beauftragte, Billets zum Theater zu besorgen. Dann fuhr er mich an: Kennen Sie das alte Testament?
Nicht auswendig, gab ich zurück.
Ich meine das alte Testament Peters des Großen, fuhr er fort. Darin vermacht uns der Zar, den Sie wohl aus der Lortzing'schen Oper kennen werden, die Türkei, wenn wir sie kriegen können. Aber wir wollen – sie nicht! Sagen Sie das Ihrem Leserkreise.«
98 Damit erhob er mich, bedauerte, wenn er mich gestört haben sollte, und ich ging fort. Draußen traf ich den Oberkellner, den ich fragte, wie er über Rußland denke. Er war sehr beschäftigt und wies mich an den Portier. Dieser, sonst gut unterrichtet, wich aber meinen Nachforschungen aus und rief mit immer lauter werdender Stimme:
Stehen Sie einem doch nicht immerfort im Wege! Sie sehen ja, daß ich keinen Augenblick Zeit habe. Fragen Sie den Hausknecht, wenn Sie was wissen wollen!
Der Hausknecht, ein klarer Kopf, war bedeutend ruhiger. Er hatte der letzten Hubertusjagd als Zuschauer beigewohnt und war bei dieser Gelegenheit in die Nähe hoher und höchster Herrschaften gekommen. Leider hatte er über die Absichten Italiens nichts erhaschen können, er meinte aber, daß die Engländer – und dabei wies er auf die Zimmer Sr. Lordschaft – sehr ruhige Leute seien.
Ich will hoffen, daß er sich nicht täuscht. Dann behalten wir Frieden.
Dies mir mehrfach wiederholend, ging ich fort, mit dem Erfolge meines Besuches durchaus zufrieden.