Theodor Storm
Zur Chronik von Grieshuus
Theodor Storm

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Aber am nächsten Sonnabend, es mochte nach neun Uhr abends sein, saß ich wiederum auf meiner Kammer. Mein Vetter im Dorfe drunten, der Pastor Heike Madsen, hatte mir bei gestrigem Besuche ein Buch der holländischen Irrlehrerin, der Antoinette Bourignon, gegeben, so vor Jahren drunten in der Stadt in eignem Hause eine Buchdruckerei gehalten hatte, um ihre törichten Meinungen als Bücher ausgehen zu lassen; es führete den Titel: »Das Grab der falschen Theologie«, und ist Anno 1674 auf dem Markt zu Flensburg durch den Scharfrichter verbrennet worden; hatte mein Vetter aber curiositatis halber noch dies Exemplar geborgen. Mir war von dem frechen Wuste solcher Lehren der Kopf schier wüst geworden, und von draußen schlug der Sturm an die Fenster, als wolle er die Scheiben aus dem Blei reißen.

Da legete ich den Unflat beiseite, denn mich fassete Begehr nach einem stillen Gruß von meinem Nachbar jenseit der Heide. Aber obwohl er bis hiezu noch um Mitternacht mit seinem Lichtlein in das Dunkel hinausgeleuchtet hatte, es war itzt alles schwarz da draußen. Der Sturm fuhr heran und wieder fort; und es war dann eine Zeitlang Totenstille; nur in der Ferne hörte ich ihn tosen, als ob er dort zu schaffen habe, bis er zurückkam und mit frischen Kräften wieder gegen Mauern und Fenster tobete. Und diesmal lag ich lang, bevor ich schlafen konnte.

– – Als ich am Morgen über den Hof ging, sprach ich zu einem Knechte: »Das war schlecht Wetter in der Nacht!« – »Ja, Herr, wie immer in den schlimmen Tagen«, entgegnete er und schritt vorüber. Ich schüttelte den Kopf; aber ich besann mich; wir schrieben den 24sten; so war der Wildmeister heute nacht im Herrenhaus gewesen. Auch vernahm ich drinnen, daß heute der Tag sei, wo alle Jahr die alte Matten ihren Kirchgang halte; der Knecht aber, der bei ihrer Blindheit sie stets geleite, habe sich den Fuß vertreten. Also ging ich zu ihr, traf sie auch wohlgeputzt in der Gesindestube, mit neuem Fürtuch und schwarzem Käppchen, und bot ihr meine Dienste an.

»Er will mit dem alten Weibe nach der Kirche?« frug sie; und als ich es bejahete: »So muß Er Geduld haben, Magister; denn so weite Wege gehe ich nur einmal in dem Jahr.«

»Ich habe schon Geduld«, sprach ich; »meine alte Mutter ist schwächer noch denn Sie.«

Da sah sie mich mit ihren toten Augen an und lächelte, daß ihr altes Antlitz mir gar hold erschien; dann aber seufzete sie und sprach schier traurig und wie nur zu sich selber: »Du wirst auch alle überleben, Kind.«

Und auf diese sonderliche Rede gab sie mir die Hand, und wir gingen den Kirchweg hinab. Der Herr Oberst hatte mir in seinem Wagen Raum geboten, aber ich hatte solches abgelehnt; und so sahen wir sie uns vorbeifahren; die Tante Adelheid und der Oberst nickten, der Junker warf uns ein Küßlein aus dem Wagen zu. Es war gut Wetter worden, und die Sonne schien; und auch wir kamen in die Kirche, wenn auch langsam.

Nach dem Gottesdienste wartete ich, bis alle hinaus waren. Matten saß noch mit gefalteten Händen im Gestühlte und betete still vor sich hin. »Wollen wir gehen?« sprach ich leise; da hob sie sich, und wir gingen aus der Kirche.

Als wir draußen zu Osten an der Kapellenwand vorbeiwanderten, strich sie mit der Hand an der Mauer entlang: »Schlaft wohl, ihr Christenseelen alle!« murmelte sie; und dann, so daß ich es nur kaum vernahm: »Und genade Gott auch dir, Junker Hinrich!«

Da wir dann weitergingen, frug ich: »War Junker Hinrich einer von den alten Herren?« Denn die Geschichte des Geschlechtes war mir derzeit nicht bekannt.

»Das war er, Magister«, sprach die alte Frau mit schwerem Tone.

»Und lieget der auch hier begraben?«

Sie antwortete mir nicht und sah nicht auf. Da wir aber wiederum eine Strecke weiter waren, sprach sie: »Er war der Beste; aber – bei Gott ist Rat und Tat.« Dann faltete sie die Hände und ging schweigend neben mir her.

Am Anberg bei Grieshuus waren wir von dem Vetter eingeholet worden, der erst im Dorfkrug mit den Bauern hatte schwatzen müssen.

»Halt, halt!« rief er mir zu. »So nehmet doch einen müden Christen mit, Ehrwürden!« denn er nannte mich scherzend wohl schon damals mit dem epitheton ornans meines heutigen Berufes.

Und da wir dann nach Haus gekommen und die Alte in ihre Kammer gegangen war, frug ich auch ihn: »Saget, wer war denn Junker Hinrich, von dem die alte Matten redet?«

»Ei, Ehrwürden«, entgegnete der Vetter lustig, »das solltet Ihr wohl wissen; das war ein Hund, der seinen Zwillingsbruder um das Erbe totschlug und dann von seinem neugeborenen Kind davonlief. Aber, redet nicht davon, denn er war der Großpapa von unserm jungen Prinzen!«

»Von Rolf? – Aber die Alte spricht anders von dem Manne!«

»Ja, die! Die ist nur halb bei Trost. Aber wisset, der Geist des Toten wartet auf der Heide, um ihn zu greifen, falle er in diesen Tagen dort vorüberkäme!« Der Vetter lachte: »Wird lange warten müssen, Ehrwürden! Drum aber vergreifet sich's unterweilen auch! Der Fiedelfritz vom Dorf schleppet seit drei Jahren noch die Beine wie ein Seehund; beim Stein am Tümpel hat man ihn gefunden: 's ist eine bitterkalte Nacht gewesen, ein Wunder, daß kein Tier sich da herangewaget!«

»Ist das der Saufaus«, frug ich, »der neulich für ein neues Violin gebettelt hat?«

Der Vetter nickte: »Ich weiß, wo Ihr hinauswollt, Ehrwürden; aber der Wildmeister ist kein Säufer, und einen Hasenfüß werdet Ihr ihn auch nicht schelten wollen; der wird erst morgen wieder vom Hofe gehen; und die Dirne, so ihm das Essen zuträgt, sagt, es liege eine Bibel auf dem Tisch, sonst sei nichts da als der ergraute Mann; der sehe nicht und höre nicht, und die Speise hole sie fast unberührt wiederum zur Küche.«

Ich dachte an den furchtbaren Waldstein und an andre tapfre Männer, welche auch derlei Phantasmata hatten, aber ich sagte nichts darauf.

 

Inzwischen gedieh der Unterricht des Junkers mir nach Wunsche; insonders liebte er die Erzählung von den Weltbegebenheiten, so daß er mich oft gar sonntags damit plagete. So hatten wir eines Tages nach der Kirchzeit mitsammen in des Martini Greverti »Weltgemälden« von dem schönen Hohenstaufen-Jünglinge gelesen, dem König Enzio mit den goldnen Ringelhaaren, wie nach der Kampagne bei Fossalta die Bologneser ihn in den Kerker stießen, so daß er nimmer wieder mit seinem wehenden Goldhaar durch den Frühlingsmorgen reiten konnte; und wie ein Weib, ein schönes, zu ihm hinabstieg und ihm den Frühling in die Nacht hinunterbrachte.

Nach dem Lesen waren wir in das gen Süden belegene Speisezimmer hinaufgestiegen, woselbst wir auch meinen Vetter, den Pastor, trafen, der erst zu Maitag sich sein Weib zur Pfarre holen wollte. Nach der Tafel liebte es der Herr Oberst, noch ein Stündlein mit uns zu konversieren, denn er war ein Mann von guter Erudition; und also geschahe das auch heute; der Junker Rolf stand neben seines Vaters Sessel, und ich merkete wohl, er hörte nicht, was hier geredet wurde.

Der Oberst hatte ihn schon lange betrachtet; nun streckte er die Hand aus und schüttelte den Knaben: »Was sinnest du, Rolf?«

Da sprach dieser, als habe er bei sich schon lang davon geredet: »Und wissen Sie, Papa? Schön ist sie gewesen und jung und hat ihn nimmer doch verlassen! Und als der König Enzio endlich dann begraben worden, ist dicht am Sarge eine ältliche Matrone hergewankt, und eine schneeweiße Strähne ist in ihrem langen dunklen Haar gewesen!«

Und nun ließ es ihm nicht Ruhe mehr; seine Augen glänzten, und er erzählte alles, was er wußte, von dem König Enzio mit den goldnen Ringelhaaren; er schien es nicht zu fühlen, wie die schon kraftvolle Februariussonne in seinem eignen Goldgelocke glühte!

Während seines Redens war der Wildmeister, der etwas zu melden haben mochte, in das Gemach getreten und, seiner Zeit gewärtig, an der Tür gestanden. Aber schon vorher hatte sich, was wohl um solche Zeit geduldet wurde, ein Schwesterenkelkind der alten Matten, ein braunes, zehnjähriges Dirnlein, in ihrem Sonntagsstaat hereingeschlichen. Wie mit Aug und Ohren horchend, war sie zu Anfang stillgestanden, dann aber, ein Fingerlein an den Lippen, immer näher zu dem jungen Herrn hingeschlichen. Als aber dieser seine Rede kaum geschlossen hatte, wies sie mit ausgestreckter Hand auf einen Spiegel gegenüber, woraus des Knaben Bildnis mit seinem Goldgeringel widerschien. »Guck!« raunte sie ihm zu, »da ist er!« und zupfte ihn am Ärmel.

Aber der Knabe wollte sich nicht stören lassen. »Wer denn? Was willst du, Abel?«

Da streckte die Dirne sich zu ihm auf: »König Enzio!« rief sie laut und rannte mit purpurrotem Angesicht zur Tür hinaus.

Der Oberst lachte; der alte Wildmeister aber war rasch ein paar Schritte vorgetreten, und die Hand nach dem Haupt des Knaben streckend, rief er hastig: »Gott nehme ihn in seinen Schutz!«

Der Oberst wandte sich in seinem Stuhle: »Das tue er in seiner Gnade!« sprach er; »aber was hat Er, Wildmeister?«

Da sprach der andre schier verwirrt: »Verzeihet, das Ringelhaar des Hohenstaufen soll in Kerkersnacht gebleichet sein.«

»Er ist kein Kaiserssohn«, sagte der Oberst, »solches wird meinem Buben nicht geschehen!« und blickte liebevoll auf seinen Sohn. Aber viel heißer noch lagen des Alten Augen auf des Knaben Antlitz. Dann richtete er sich auf: »Wenn es beliebte, Herr Oberst? Der Wolf ist unten auf dem Hofe, den meine Hunde heut nacht niederlegten!«

Da faßte unser Herr des Knaben Hand und ging mit dem Alten nach dem Hof hinab; ich und der Pastor folgeten. Auf der Treppe aber hielt dieser, der seine klugen Augen fleißig zwischen den Personen hatte hin und wider gehen lassen, mich am Arm zurück und raunte: »Was meinst du, Magister? Ich möchte wohl wissen, wie selbiger, den sie her den Wildmeister heißen, in seinen jungen Tagen ausgesehen hat!«

Aber vom Hofe aus rief der Herr Oberst durch die offene Haustür: »Wo bleibt die Geistlichkeit? Erlegter Feind ist ja auch ihr gar liebe Augenweide!«

Da schritten wir eilig hinab und sahen das erlegte Tier auf einem Schlitten, denn es war Schnee gefallen in der Nacht.

 

Das Raubzeug minderte sich merklich, und immer seltener kam ein Schäfer mit Geschrei zum Hof hinaufgelaufen; und doch hatte der Wildmeister nur einen Mann zur ständigen Hilfe sich erbeten, der hieß Hans Christoph: er war mit ihm von fast demselben Alter und wohnete ehelos im Dorfe unten. Zur Nacht aber war der Wildmeister allzeit allein in seinem Turmhaus, so nicht ein Sonderbares sollte unternommen werden; denn unterweilen, zumal im Winter, hörete ich um solche Zeit von mehr als einer Büchse das Krachen aus dem Walde, und war dann morgens meist ein Wolf zu Hof gebracht.

– – So waren ein paar Jahre hingegangen; der Junker war frisch hinaufgewachsen und wohl vierzehnjährig schon; dabei war er klug und hatte mich fast ausgelernet. zu dem Wildmeister, der auch bei dem Obersten viel Ansehen hatte, hegte er ein groß Vertrauen. Der nahm ihn mit zur kleinen Jagd, wozu der Knabe seinen eignen Hund besaß, und unterwies ihn, wie mit diesem und mit Schießgewehren richtig zu hantieren sei; obwohl von jäher Gemütsart, nahm er strengen Tadel von ihm hin. Als sei einst im Herbste mit ihren Flinten über Feld gingen, frug der Wildmeister einen Knecht, der dorten Dünger über das Land streuete, wohin die Hühner, die sie jagten, wohl geflogen seien. Da hörte er, indes er mit dem Knechte sprach, den Junker seines Hundes Namen: »Nero! Nero!« laut und zornig und noch immer lauter rufen; denn es war ein Igel, den der Hund nicht lassen wollte. Als aber der Alte seinen Kopf wandte, riß eben der Knabe des Knechtes Furke aus der Erde, um sie dem Hunde nach dem Leib zu stoßen.

Doch gleichwie von Eisenklammern fühlte er seine Hand von einer andern gepacket: »Erschlag nicht deinen Hund!« rief über ihm der Wildmeister, »du könntest das später einem Menschen tun!«

»Und er sah mich so furchtbar an«, sagte der Junker, da er es mir erzählete, »ich meint, er wolle mich gar selbst erschlagen! Dann aber legte er sanft den Arm um mich und sprach: ›Das ist dein Blut, mein Kind; wir müssen wissen, wogegen wir zu kämpfen haben!‹ Und so, mit einem Worte, rief er den Hund, der mit gesenktem Kopfe von dem Igel abließ.«

Der Wildmeister war wohl selbst ein jähzorniger Mann gewesen, aber er hatte gelernt, sich zu besiegen; davon erhielt ich Beweis in eigner Gegenwart. Unser Pastor war in der Stadt zum Diakonate präsentieret, und ich hatte Lust zu seiner Nachfolge hier im Dorfe. So ging ich zum Herrn Obersten, um mein Anliegen vorzubringen, aber ich traf ihn nicht in der besten Laune. Er hatte ein Schreiben in der Hand, mit dem er in seinem Zimmer auf und ab ging; die Tante Adelheid hatte sich bei meinem Eintritt mit einem Kopfaufwerfen durch die Seitentür davonbegeben.

»Hat Er bei mir zu klagen, Magister?« sprach der Oberst, als ich meine Sache vorgetragen hatte, und da ich das verneinte: »So bleib Er! Er ist noch jung! Machen wir es gleich unsrer Herzoginwitwe mit dem sechsjährigen Herzog, gehen wir nach Stockholm! Es wird auch dort für Ihn zu sorgen sein; Er kann doch nicht von meinem Buben lassen!«

Und da ich über solche Rede erstaunet und auch das letztere die Wahrheit war, so hatte ich nicht alsogleich die Antwort.

Da klopfte es; und auf ein heftiges »Herein!« des Obersten war der Wildmeister in das Zimmer getreten. Aber jener beachtete ihn nicht: »Es ist hier nimmermehr zu hausen«, sprach er weiter; »die vormundschaftliche Regierung ist der Görtz, der steckt die Hälfte in die eigne Tasche und hat doch nie genug; und dabei kein Landtag und kein Landgericht! Aber hier ist einer« – und er schüttelte das Schreiben in seiner Faust –, »der hat mir Handgeld für Grieshuus geboten! Freilich, die Tante ist in hellem Brand darüber.«

»Herr Oberst«, sagte der Wildmeister, »Sie werden Grieshuus doch nicht verkaufen wollen?« Und da ich ihn ansah, war es wie eine Angst in seinem Antlitz.

Der Oberst war stehengeblieben. »Und weshalb nicht?« frug er scharf.

Und der Wildmeister entgegnete ruhig: »Weil es das Erbe Ihres Sohnes ist.«

»Ja, freilich; doch ich bin der Vormund meines Sohnes.«

»Aber«, sagte der Alte, und in seiner Stimme war ein heimlich Beben, »Sie sind ein Fremder hier; doch Ihres Sohnes Ahnen, Jahrhunderte hinauf, schlafen dort unten in der Kapellengruft.«

»Da hat Er recht, Wildmeister«, entgegnete der andre verdrossen, »und der Großvater ist zum Glücke nicht dazwischen!«

»Herr Oberst!« rief der Alte mit seiner vollen Stimme und stand hoch aufgerichtet vor ihm; er war totenblaß geworden, und ein Paar herrische Augen fielen so drohend auf den Oberst, als ob er ihn von Haus und Hof verjagen wollte.

Und eine Weile sahen sich die beiden an. »Wer ist Er eigentlich«, sprach der Hausherr, »daß Er also zu mir redet?«

Da schien der Alte seiner Sinne wieder Herr zu werden. »Ich bin um andre Dinge hergekommen«, sprach er nach einer Weile, »und bitte, daß Sie mich hören wollen!« Und auf des Herrn finsteres Nicken: »Hans Christoph ist gestern unten in der Stadt gewesen; der Magistrat hat dort beschlossen, den Hafen mit einem neuen Bollwerk einzufassen: ich dächte, das Eichenholz könnte wohl von hier dazu geliefert werden!« Und er begann dann, seine Pläne zu explizieren. Der Oberst, der erst zornig auf und ab gegangen war, stand endlich still und frug und hörete wieder. Ich aber beurlaubte mich und dachte wiederum der Worte meines Vetters.

Als aber die Lieferung des nötigen Eichenholzes mit dem Magistrate abgeschlossen war, so ließ der Wildmeister Schneisen durch die Wälder hauen, da, wo sie am dichtesten waren und das Raubwild seinen Unterschlupf bewahrete; denn solcherweis entstanden kleinere Vierkanten und war selbigem leichter beizukommen. Sodann im Herbste stellte er eine Treibjagd an; denn schon im Sommer hatte er die besten Hunde vom Hofe alle auf den Wolf dressieret, und die Dorfbursche, so im Wald gehauen hatten, waren derzeit bei einzelnen Jagden schon unterwiesen worden. Noch seh ich es vor meinen alten Augen! Der Herr Oberst, welcher dazumal seiner Gesundheit insonders froh war, ritt selber mit hinaus, und neben ihm der Junker Rolf auf einem feurigen arabischen Pferde; das war bläulich, mit weißem, wehendem Schweif und Mähnen, und hatte der Vater es ihm kurz zuvor verehret. Es war sehr klug. »Gib acht«, sagte der Junker manches Mal im Scherze, nun wird's bald sprechen«, und nannte es Falada nach dem Märlein.

Ich stand an jenem wonnigen Morgen des Augustmondes vor meinem offenen Fenster und sah, wie sie in das Heidetal hinabritten, von dessen Blüte der Würzeduft zu mir hinaufstieg. Welch anmutsvolles Bild, als im ersten Anlauf der Junker auf seinem federschnellen Roß dem Herrn Oberst weit vorüberschoß; dann aber leicht sein Tier sich wenden ließ und zierlich grüßend, sein Käpplein in der Hand, mit wehendem Goldhaar zu dem Vater wiederkehrte!

Ich aber, der ich nicht reite und nicht jage, blieb daheim; erst gegen Mittag ging ich vor dem Torhaus draußen im Sonnenscheine auf und nieder, und allmählich scholl es mit Hallo, mit Pfeifen und Trommeln aus dem Walde; Hundegebell, Schüsse und Geheul klang durcheinander; und dann erst nachmittages kam hinter unsern beiden Reitern ein Wagen mit dem erlegten Wilde die Heide hinaufgefahren, redend und schreiend die Treiber mit den Hunden hinterdrein.

 


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