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Mein Vetter war nicht Diakonus geworden, und vom Verkauf des Hofes hörte ich nichts mehr. Aber eines kam itzt, welches ich hier bemerken muß: die braune Abel, die sich auch gestreckt hatte, begann wie eine Katz um unsern Junker herzustreichen. Kreuzte er ihr den Weg, dann stand sie still, bis er vorüber war; so zwar, als ob sie keine Ahnung von ihm nähme; denn sie wandte kaum den Kopf zu ihm; doch hab' ich wohl gewahret, daß ihre dunkeln Augensterne bis in die äußersten Winkel ihres Auges drängten und ihm also heimlich folgeten; auch hatte sie itzt oft eine Blume oder einen Fetzen roten Bandes sich an ihr braunes Haar geheftet und trachtete überall ihm zu begegnen.
Eines Abends im August, da alles Gesinde schon in den Betten lag, promenierte ich einsam, meiner fernen Mutter gedenkend, im Gärtlein hinter der Westseite des Hauses, das der Oberst schon zu Anfang seiner Ehe angeleget und gegen das grobe Raubzeug mit einer hohen Mauer hatte umschließen lassen. Die Singvögel waren schon zur Ruh gegangen; aber der Würzeduft von Nelken und Jasminen erfüllete ihn ganz; die Sterne schimmerten so ruhig, es war eine warme Sommernacht.
Da ich eben auf dem breiten Steige an dem Hause hinaufging, hörte ich unfern eine Eule schreien, die ich für den frechen Waldkauz wohl erkannte; dann war es wieder, als ob in einen Baum geworfen würde, und es polterte etwas durch das Gezweig zur Erde. Ich stand still; es kam noch einmal, und »ksch, ksch!« rief eine kleine zornige Stimme; »flieg doch zu deinen Teufeln!«
»Wer ist das?« frug ich mich selber; und wiederum, schon ganz in meiner Nähe, fiel etwas durch die Zweige eines großen Dornbaumes; aus einem offenen Fenster zur Seite einer Gangtür, so aus dem Hause hier in den Garten führete, rief eine müde Stimme, wie aus schweren Kissen: »Laß nur den Vogel, Kind; die Nacht bleibt doch lebendig!«
Und im Sternenschein sah ich eine halb aufgeschossene Dirne, schier im bloßen Hemde, in dem offenen Fenster stehen. »Abel!« rief ich, »führest du Krieg hier mit den Eulen?«
»Ja, Herr Magister!« rief das Kind fast weinend, »sie will nicht weg; meine Möddersch kann nicht schlafen!«
Da ich unter den Baum trat, flog die Eule ohne Laut davon; aber aus den Zweigen fiel es noch einmal auf den Grund, und da ich mich bückte, lagen Schuh und Kloppen und Bürsten ringsumher. »Du bist ein schlechter Schütze«, sagte ich, »und morgen wirst du hier zu sammeln haben: die Eule ist fort, leg dich nun schlafen!«
»Aber morgen«, entgegnete sie hadernd, »ist sie wieder da!« Dann rief sie rückwärts in das Zimmer: »Wartet nur, Möddersch; ich komme jetzt schon gleich!« Und ein Nachthauch blähete das Linnen um ihre Knie und trieb die feinen Härchen um ihr Antlitz.
»Sei ruhig, Abel«, sagte ich, zu ihr herantretend, »vor morgen nacht soll die Eule hier geschossen sein.«
Da huckte sie sich eilig nieder, und das Hemd auf ihre Füße ziehend, bog sie ihr Köpfchen hinaus, daß die dunkle Haarflechte über ihre Schulter fiel. »Dank; gute Nacht!« sagte sie leise und streckte mir den hageren Arm entgegen, so daß ich ihre Hand ergreifen mußte.
»Gute Nacht, Abel!«
Dann klappte das Fenster zu, und ich vernahm noch, wie sie drinnen mit leichten Füßen auf den Boden sprang.
– – Erst nach Jahren wurde es mir klar, weshalb ich in der Nacht darauf fast widerwillig nur geschlafen hatte. Aber da ich folgenden Tages meinen Junker bitten wollte, daß er den Ruhestörer schieße, überfiel es mich wie eine Scham; denn er achtete das Mädchen schier gering und schien von ihrem Treiben nichts zu merken. So sprach ich nur: »Die alte Matten kann davor nicht schlafen, Rolf!«
Da war er gleich bereit; und abends, wo der Himmel, wie gestern, mit allen Sternen leuchtete, schlichen wir miteinander auf dem Gartensteige, der Knabe die gespannte Flinte in der Hand. Mir war, ich weiß es nicht, weshalb, beklommen, so daß ich aufschrak, als plötzlich der mißfällige Schrei des Kauzes aus dem Dornbaum scholl; Rolf aber trat behutsam näher; ein Schuß krachte, und ich hörete, wie der getroffene Vogel durch die Zweige fiel. Doch im selben Augenblick wurde die Gangtür aus dem Hause aufgerissen; und ich sah wohl, daß es Abel war, denn so gleich einem Vogel konnte hier keine andre fliegen, auch schimmerte ihr graues Kleidchen in der Abendhelle; ich sah es, sie hatte die Hände des Junkers ergriffen und küßte sie wohl zu hundert Malen.
Er schien sie erst nicht zu erkennen; dann aber rief er: »Bist du toll? Ich will nicht deine Küsse; der Schuß war nicht für dich!« Und da das heftige Kind nicht alsogleich von ihm abließ, stieß er sie voll Zorn zurück, daß sie stolperte und mit einem Wehschrei ihr Antlitz auf den Boden schlug.
Rolf war im Augenblicke bei ihr, um sie aufzuheben. »Nein, nein!« schrie sie und stieß mit beiden Händen gegen ihn; dann wie eine Katze war sie aufgesprungen und laut weinend durch die Gangtür in das Haus verschwunden.
Rolf wandte sich und schien seiner Beute nachzusuchen. »Das war nicht gut«, sagte und, »daß du des Kindes Dank so von dir stießest! Sie wird sich arg zerschunden haben.«
Da war er zu mir getreten. »Lassen Sie es gut sein, Herr Magister«, sagte er; »das heilt schon wieder. Es ist kein Unglück, daß ich nicht bin wie meiner Mutter Vater; die alte Matten wird nun schlafen können.«
Er hatte das also ernst gesprochen, daß ich ihn nichts entgegnete; denn es war mir kund geworden, daß seine Großmutter eines geringen Mannes Kind gewesen und sein väterliches Geschlecht darob zugrund gegangen sei.
Aber mit der Abel war's, als ob sie sich seitdem vor aller Welt versteckte; nur einmal, an der Küche, huschte sie an mir vorüber, und ich gewahrete, daß von der Stirn abwärts ein blutrünstiger Streifen ihr zart Gesicht verunzierte.
Da redete ich mit unserm Herrn und mit der alten Matten, und das Kind wurde bei guten Leuten in der Stadt untergebracht; es wurde auch für einige Unterweisung dabei gesorget, darob ich eine sonderbare Befriedigung in mir verspürete.
In diesem Sommer waren manche Wölfe eingebracht; die Schüsse aus dem Walde hörte ich öfters, wenn ich in der Nacht erwachte; es war, als ob der Alte mit Gewalt itzt sein Revier ausräumen wollte. Nun hingen die Wälder voll Eicheln, und Gott hieß den Wind, sie auf die Erde schütteln; da wurden nach manchem Jahr zum erstenmal wieder die Schweine am Rand der Forsten auf die Mast getrieben, und geschahe davon kein Unheil. Aber über den Wildmeister tauchte hie und da Gerede auf, was nicht laut zu werden wagte; denn der Herr Oberst hatte kein Ohr für das, was mit der Zunge Wunden machet. Der Herr Vetter stieß mich an und raunete mir zu: »Geduld, Ehrwürden; wir kriegen ihn noch! Wenn nur Hans Christoph und die alte Matten reden wollten!« Und Tante Adelheid, so sie oben vom Fenster aus den gescholtenen Mann über den Hof schreiten sah, kniff die Lippen ein und schüttelte das Haupt.
So stand es zu Ende des September. Da meldete eines Nachmittags der Wildmeister unserm Herrn, er denke einen und, worüber er sich informieret, den letzten ausgewachsenen Wolf in seinem eignen Hofe auf sonderliche Art zu fangen; wenn der Junker es miterleben wolle, so werde er ihm hernach schon eine Bettstatt richten, denn die Nacht würde wohl darüber einfallen.
Und da der Herr Oberst ihn näher ausgefraget, sah er mich und den Junker an, die wir beide zugegen waren. »Das mag auf ihm selber bleiben!« sagte er, indem der Sohn fast mit versetztem Atem zu ihm aufsah. »Und der Herr Magister? Der käme ja dann auch einmal bequemlich auf die Wolfsjagd.« Da danketen wir ihm; und als die Dämmerung sich zu senken begann, gingen wir mit dem Wildmeister über die Heide. Als wir dort waren, wo rechts gegen den Wald hinauf der helle Stein am Tümpel durch das Dunkel schien, raunte der Greis des Junkers Namen, und als dieser dichte zu ihm ging, nahm er seine Hand, als ob ihm hier ein Übles widerfahren könne.
Am Turmhaus wurde die Pforte in der hohen Mauer, welche den Hof umgab, von dem alten Hans Christoph aufgetan.
»Ist alles vorgerichtet?« frug der Wildmeister.
»Freilich, Herr!« Und mir war, als hörete ich eine Trauer aus den zwei armen Worten.
Eine steinerne Treppe war gegenüber vor der Haustür; zur Seite unter einem Fenster ein desgleichen Sitz. Ich merkete mir alles, denn ich war noch nimmer hier gewesen. – Der Wildmeister ging mit uns in das Haus und in den oberen Stock hinauf, wo er uns in ein geräumiges Gemach brachte, das ein gewölbet Fenster, wohl mit dem Ausblick auf den Hof und über die Heide und seitwärts auf die Wälder, hatte; aber es war noch dunkel und nichts zu erkennen, denn eben erst kam im Osten die rötliche Scheibe des Mondes über den Rand der Erde.
»Wir müssen Warten«, sagte der Alte; »wir dürfen heut kein Licht entzünden!« Und er drückte uns auf zwei Stühle nieder, während er selber wieder nach unten hinabschritt.
Noch bevor er wieder bei uns war, kam vom Hofe herauf das klägliche Geschrei eines Zickleins, das je mehr, um desto stärker wurde. Als er dann hereinkam, sprach er: »Tretet nun ans Fenster!« Und da das geschehen, sahen wir unten ein weißes Zicklein, das von einem aus dem Hause an einem Stricke vor der Tür gehalten wurde und zeitweilig seinen Lockruf in die Ferne schrie; denn der Mond war eben seitwärts von Grieshuus emporgestiegen und warf jetzt einen Schimmer draußen über den Mauerrand. Da sahe ich zwei Seile, die von dem Tor in unser Zimmer gingen, und der Wildmeister wies uns, wie er dasselbe damit auftun und verschließen könne; aber er hielt es noch verschlossen.
Der Junker lugte mit heißen Wangen hinaus. »Wo sind die Hunde?« frug er.
»Eingeschlossen; wir brauchen sie heute nicht.«
Der Junker nickte.
»Es ist eine Wölfin«, sagte der Alte; »ein wild und grausam Tier, denn sie hat spät gewölfet; wenn sie abends ausgeht, ist kein Haustier mehr draußen, und das Kleingewild verkriecht sich in die Erde.«
Ein seltsames Geräusch drang ins Gemach, das einem Schnarchen glich. »Hört!« sagte der Junker hastig.
Aber der Alte wies nach der Zimmerdecke und sprach kopfschüttelnd: »Das sind nur meine Eulen, Kind! Ein Jäger muß geduldig sein.«
Der Mond hatte indes das Zimmer mit sanftem Licht erfüllet, und ich sahe, daß es mit alten Gerätschaften versehen war, so ich sonst auf dem Boden oder in den Seitenräumen zu Grieshuus gesehen hatte; ein ungeheurer Eichentisch in des Zimmers Mitte nahm wohl ein Viertel alles Raumes ein; da herum eine Anzahl ungefüger Stühle; am Fenster stand ein Tischlein mit ausgelegten Feldern. Der Wildmeister führte uns wieder zu den Stühlen und setzte sich selber neben Rolf. Dann begann er von seinen Jagden zu erzählen, in Preußen, Schweden, auch im Jura; er hatte ein brav Stücklein von der Welt gesehen. Aber oftmals hielt er inne und blickte auf den Knaben, der sich an ihn lehnete. »Du bist müde, Rolf«, sagte er.
»Nein, o nein; ich bin nicht müde; erzählet nur!«
Aber der Greis legte von seinem Stuhle aus den Arm um des Knaben Schulter, daß dessen Haupt an seiner Brust zu ruhen kam, und sprach dann langsam weiter. Und bald vernahm ich, wie des Junkers Atemzüge anders wurden. Er schlief; denn es mochte gegen Mitternacht sein, was ihm ungewohnte Stunde war. Da neigte der Alte sein Haupt an das des Knaben und zog ihn mit beiden Armen an sich. »O lieber Gott im Himmel, die Lieb ist gar zu groß!« So hörete ich ihn murmeln, und dann kam ein Stöhnen tief aus seiner Brust. Aber der Knabe schlief, und der Mond rückte weiter und warf sein Licht auf beider Antlitz. Gnädiger Gott, Allwisser, ich war doch schier erschrocken; die beiden mußten eines Stammes sein! So ähnlich erschienen mir in diesem Augenblick das alte und das junge Antlitz.
Der Greis saß schweigend und wandte seine Augen ins Gemach, als suchten sie etwas, das einst hier gewesen sei; da drang von unten ein Knurren der großen Hunde durch die Dielen, und mir war, als ob Hans Christoph sie zu stillen suche; dann schrie das Zicklein vor dem Haustor, und ich meinete zu hören, daß von draußen etwas an der Hofmauer hinaufspringe, aber dorten wieder hinunter auf den Boden falle.
Der Wildmeister richtete sich auf, und ich sahe, wie er den Kopf des Junkers sanft zurückbeugte. »Wach auf, Kind!« sagte er; »der Wolf ist da!« Dann stund er auf, und der Knabe öffnete die Augen und schüttelte sein Haar zurück. Der Alte stieß mit einer Büchse, die er von der Wand genommen, kaum hörbar auf den Boden. »Nun komm, Rolf!« Und er faßte seine Hand und zog ihn an das Fenster. Draußen fiel das Raubtier, als wolle es sie zerbrechen, mit den Tatzen gegen die Planken des Hoftors; da griff der Wildmeister an die Leine, und ich, der ich gleichfalls an dem breiten Fenster stand, sahe nun den einen Torflügel zurücksinken; aber dahinter war nur der leere Grund, auch welchen das Mondlicht schien. Der Wolf war fort und schien nicht zurückkehren zu wollen. Wir standen lange, und ich dachte: Warum ließ der Alte nicht zu Anfang gleich das Tor geöffnet; denn nun scheuet sich das Tier. Oder wollte er nur um so länger sich des Knaben freuen?
Aber endlich, als ich wieder hinsah, stand auf dem leeren Flecke eine Kreatur, einem dürren, hochbeinigen Hund vergleichbar, und schritt, fürsichtig um sich lugend, in den Hof; stand still, warf den Kopf empor und schritt dann wieder weiter. Schon wollte es zum Sprunge ansetzen, jedoch im selben Augenblicke klappte hinter ihm das Tor; ein lotrechter Riegel fiel mit Gewalt herunter, und das Zicklein war in das Haus hineingezogen.
Der Alte nickte, indem er den einen Fensterflügel aufstieß: »Siehst du ihn?« frug er und wies nach einer Ecke des Hofes; aber wir sahen ihn nicht, denn es lag dort tiefer Schatten; nur zwei glimmende Punkte drangen von dorther durch das Dunkel.
Der Wildmeister legte die Büchse in des Knaben Hände. »Das ziemet dir«, sprach er; »es ist der letzte Wolf in deinen Wäldern.« Der Junker legte das Schießwerkzeug an seine Wange; aber da das schlagende Herz des Knaben dessen Arme zittern machte, hielt ihn der Alte mit der Hand zurück. »Halt, Rolf; ein so gestellet Tier darf nicht gefehlet werden!«
Da wandte ich mich um; ich wollte Weiteres nicht sehen.
»Nun schieß!«
Der Alte hatte es gesprochen; und es gab einen Krach, und durch die Dielen kam ein tobendes Geheul herauf. Noch hörte ich, wie der Wildmeister mit dem Knaben nach dem Hofe hinabging; dann, wie sie draußen mit Hans Christoph das erschossene Tier aus seinem Winkel zogen.
– – »Ihr möget kein Blut sehen, Herr Magister!« sprach der Alte zu mir, da sie beide wieder in das Zimmer traten.
»Ihr saget es«, entgegnete ich; »ich dachte an die Jungen des erschossenen Muttertieres.«
»Das ist nun so«, sprach er und stand in sich versinkend vor mir; »'s ist doch kein schwanger Weib, aus dessen Schoß sich noch ein unreif Kind losreißen muß. Aber die jungen Wölfe sollen nicht verkümmern; ich und Hans Christoph«, sprach er wieder lauter, »holen sie noch heute nacht; solange wir die Brut nicht haben, ist der Wald nicht rein.«
Dann entzündete er ein Licht mit seinem Zunderkästlein, öffnete eine Kammertür und ließ uns eintreten. Hier stand eine schlichte Bettstatt, davor ein großer Sessel, ein Mantel lag darüber.
»Ihr werdet hier schon schlafen können«, sprach er freundlich; »und habet somit gute Nacht!« Er reichte mir die Hand, küßte den Knaben, und wir hörten, wie er durch das andre Zimmer fortging.
Ich setzte mich in den Sessel und deckte mir den Mantel über; Rolf warf sich angekleidet auf das Bett. Er sprach kein Wort; er hatte den Kopf gestützt und starrte auf die Tür, durch welche der Alte sich entfernt hatte. »Wer was das?« rief er plötzlich, doch als ob er zu sich selber spräche.
Da frug ich ihn: »Wen meinst du, Rolf? Den Wildmeister?«
Er schien mich nicht zu hören, und der Glanz seiner Augen war gleichsam so nach innen gekehret, als sähen sie rückwärts in die weiteste Vergangenheit; vielleicht, denn es geschiehet ja also, stand er an dem Bette seiner Mutter, die er im vierten Jahre als eine allzeit kranke Frau verloren hatte. Und abermals rief er, jedoch frohlockend: »Jetzt weiß ich es! – Ich soll ihn grüßen!« Und seine Augen warfen wieder ihre blauen Demantstrahlen.
Als aber die Flurtür des andern Zimmers aufging und der Schritt des Alten darin hörbar wurde, der etwa was Vergessenes zu holen kam, sprang er jählings aus der Bettstatt und ging hinein.
Aber die Tür blieb hinter ihm um eine Spalte offen; da sahe ich den Knaben in des Alten Armen hängen, ich sahe das alte Gesicht sich auf das junge neigen und viele Tränen aus den alten Augen darauf fallen. Was sie zueinander sprachen, habe ich nicht verstanden, denn es war leise, gleich wie junges Vogelzwitschern. Aber ich stand auf und zog die Kammertür zu, damit sie ganz allein wären. Ich dachte: Schweige! Denn, wie Matten sagt, bei Gott ist Rat und Tat.
– – Am Abend des andern Tages sahe ich kein Licht da drüben in dem Turmhaus, und ist auch wohl nimmer wieder eines dort gewesen; denn der Wildmeister hatte sich vom Hofe beurlaubet, nachdem er noch die jungen Wölfe abgeliefert hatte. Hans Christoph sahe ich mitunter bei dem Kirchgange, er blickte mich dann traurig an und zog schweigend seine Mütze. Der Vetter raunte mir zu: »Das war des Sünders Glück, Ehrwürden, daß er sich zeitig fortgehoben.« Der Junker aber redete nie von ihm und jener letzten Nacht. Nur der Herr Oberst sprach mitunter: »Das war doch anders, als noch der Wildmeister dort im Turm hauste!« Denn der neue Förster, der im Dorfe wohnete, wollte ihn nicht behagen.