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Als Felix Klein den Fahrstuhl dem Bahndamm zuschob, war seine Stimmung zwiespältig. Das Abenteuer fing an, ihm ungemütlich zu werden, weil es seine Freiheit stark 64 beeinträchtigte. Daß er sich auf Wunsch – oder war es gar auf Befehl? – dieser Frau Ursel auch noch seines Eigentums begeben, Mantel und Rucksack abgelegt hatte, war entschieden eine Dummheit. –
Auch die ganze Art, wie die Angelegenheit des verunglückten Bruders von den Geschwistern behandelt wurde, konnte man nicht gutheißen. Es sprach herzlich wenig Gemüt aus dem Verhalten der beiden. Von liebevoller Besorgnis oder gar Angst war da keine Spur zu entdecken gewesen.
Nun – auf alle Fälle würde er, Felix Klein, schon aus angestammtem Gerechtigkeitsgefühl durchaus auf Peters Seite stehen, komme was da wolle! Dieser Bursche hatte, das ließ sich nicht leugnen, trotz seiner Kanten und seiner blöden Angewohnheit, fortwährend »natürlich« zu sagen, etwas Sympathisches an sich. Wenn man sich das verschmierte Gesicht sauber gewaschen dachte, hatte es sicherlich jene klaren und freien Züge, die auf gute Rasse deuten, und dann die schönen sprechenden Augen! –
So ganz leicht war dem jungen Menschen nicht beizukommen. Aber das lag an seinen Jahren. In diesem Alter sind oft gerade die rechten Burschen stachlig wie die Igel, sobald sie nur von ferne merken, daß man sich um sie bemüht. Darum heißt es: die rechte Taktik finden, und das sollte einem alten Soldaten nicht schwer fallen. – 65
Er gab dem Stuhl einen energischen Stoß. Aber das mächtige Vehikel kehrte sich wenig daran. Es wollte Schritt für Schritt geschoben sein und tat sich auf sein Gewicht etwas zugut.
Der Mann betrachtete mißbilligend das wuchtige Fahrgestell. Wenn diese Maschinerie etwa für den kranken Knaben berechnet sein sollte, so war das, wie wenn man einem Säugling Kürassierstiefel kaufte. Wahrscheinlich hatte sich diese Frau Ursel den Stuhl als Gelegenheitskauf aufhängen lassen.
Es war fast wohltuend, das anzunehmen. Allerdings hatte jetzt er, Felix Klein, der gewesene Artillerieleutnant und künftige Bankdirektor, unter dem Mißgriff der Frau zu leiden, denn es war kein Vergnügen, das Ungetüm auf dem holperigen und hier leise steigenden Weg fortzuschieben.
Der unhörbar Murrende machte halt und wischte sich die Stirne. Erbittert dachte er: Hätte ich die verfluchte Peitsche nicht liegen lassen und meines Weges gehen können! Muß ich in allem die Hände drin haben?
›G'rechtmacher,‹ sagte aus irgendeiner Ferne her die tote Mutter. – Das konnte er sich natürlich nicht bieten lassen. Er verteidigte sich:
Dem armen Peter mußte doch jemand helfen! Nun war eben ich dieser Jemand. Gewiß: es ist eine Frechheit, wenn 66 ein so junger und schmächtiger Bursche mit einem Hengst wie diesem Satan losfährt. Aber solche Frechlinge geben später die verläßlichsten Kerle. Da hätte eben die Frau Schwester eingreifen und dem Peter die Sache so energisch verbieten müssen, wie sie mir den Fahrstuhl aufgehängt hat. Nachträglich auf den Verunglückten erbost zu sein und sich in Lieblosigkeiten zu ergehen, finde ich unfein.
Und fremde Leute einspannen, damit sie die eigene Dummheit einrenken helfen, ist eine Unverfrorenheit. Jawohl, Mutter, so ist der wahre Sachverhalt! –
Aber die Tote ließ sich von ihrem erbosten Sohn nicht aufklären. Im Trillern der Lerchen hoch über den Furchen schien ihr fernes Lachen zu klingen.
Jetzt ragte auf dem Bahndamm die Silhouette einer Männergestalt gegen den Himmel.
Vielleicht der berühmte Streckenwärter Heinecke, dachte unbesänftigt der Schwabe, der Mensch wird auch seine Weisheit in den betrüblichen Fall einfließen lassen wollen.
Die Gestalt verschwand jenseits der Böschung und tauchte wieder auf mit einer Traglast auf den Armen.
Aha, dachte grimmig der Zuschauer, der Kerl holt sich Holz von unserem Wagen.
Plötzlich blieb er stehen. Er traute kaum seinen Augen. Die Gestalt, die jetzt einen Armvoll Leitersprossen des 67 Unglückswagens über den Bahnkörper herabwarf, war niemand anders als Peter selbst.
Peter der Blutende, Peter der Kraftlose, Peter der Fahrstuhlbedürftige. Eine stille Wut überkam den Beobachter. Daß zugleich eine stille Befriedigung aufquoll, gab der Wut Nahrung, wie eingespritzte Wassertropfen ein rechtes Feuer auflodern lassen.
Laß mich nur näher kommen, Bürschlein, dachte er, ich werde dir Latein beibringen!
Unberührt von den drohenden Gedanken hantierte Peter drüben weiter.
Man muß es zugeben: er ließ es sich redliche Mühe kosten, alles Tragbare der Wagentrümmer dahin zu schaffen, wo es auf kürzestem Weg nach Grünhaus gebracht werden konnte.
Anerkennung stieg in dem Manne auf. War auch das Bürschlein durchtrieben, – faul oder ungeschickt war es nicht. Und – Hand aufs Herz – die Durchtriebenen hatten draußen immer noch mehr geleistet als die Faulen oder die Ungeschickten.
Jetzt erblickte Peter den Helfer. Die Hände in die Seiten gestemmt, schaute er ihm entgegen. In der Lichtflut des Morgens stand er groß und schlank da droben.
Nun bückte er sich und nahm etwas auf. Wahrscheinlich 68 einen der Schottersteine vom Bahnkörper. Er tat einen Wurf gegen den Näherkommenden.
Felix Klein erstarrte. Nicht über Peters Frechheit. Auch nicht aus Angst vor dem Wurfgeschoß, das sein Ziel bei weitem nicht erreichte.
Blitzschnell kam ihm jener Augenblick seltsamen Schreckens zurück, als er nach dem Herzen des Bewußtlosen tasten wollte und knisterndes Papier unter die Hand bekam. Jetzt erst, in dieser Sekunde, wußte er, was ihn damals durchzuckt hatte. Der geworfene Stein sagte es ihm.
So wirft kein Bursche, so werfen Mädchen.
Der Atem stockte ihm einen Augenblick. Es flutete ein ganz anderes Licht über alles, was die letzte Stunde gebracht hatte.
Die Rolle, in der er sich selbst in diesem Licht erblickte, gefiel ihm nicht. Aber auch die Rolle Peters und der übrigen empörte ihn.
Seine jagenden Gedanken mündeten zuletzt in die uralte Weisheit ein: auf einen Schelmen gebühren sich anderthalb. Die sollten in Grünhaus nur nicht meinen, die Schwaben seien hinterm Mond zu Haus!
Sein Gleichmut kehrte ihm zurück. Er schob den Stuhl dorthin, wo Peter am Werk war.
Deutlich sah er jetzt das blutbeschmierte Gesicht, in das 69 die blonden Haare hereinfielen, die, wie der schilfleinene Kittel, etwas abbekommen hatten von dem tröpfelnden Blut.
Mädchenhaft sah das alles nicht aus, auch die Bewegung, mit der Peter jetzt dem Näherkommenden zuwinkte, hatte nichts Mädchenhaftes, so daß dem Mann fast wieder Zweifel kamen.
»Da sind Sie ja,« klang es vom Bahndamm; »hat Ursel getobt, als Sie den Stuhl wollten? Ich glaubte übrigens, Rudolf würde ihn bringen.«
»Du,« schrie der Mann hinauf, »dir scheint ja plötzlich nichts mehr zu fehlen. Wenn du all das Holz da über den Bahndamm schaffen kannst, was schickst du mich da nach Grünhaus?«
Man sah bei Peters Lachen zwei schöne weiße Zahnreihen blitzen. »Ihnen wäre es wohl lieber, ich säße unter den Bäumen und verblutete? Grünhaus ist doch wert, gesehen zu werden.«
»Du bist ein gemeiner Frechdachs.«
»Ein ungemeiner, leider.«
In dem Mann begann sich Sympathie zu regen. »Komm einmal herunter,« lud er ein.
Peter schüttelte den Kopf, daß das Haar flog. »Kommen Sie herauf, dann schaffen wir das Kleinholz über den Damm und fahren es im Stuhl heim.« 70
»Ach so, – das waren also deine Pläne mit dem Fahrstuhl?« meinte gedehnt der Überraschte.
Ungeduldig kam's: »Es eilt. Der Streckenwärter kann kommen. Das kostet Strafe, was wir da tun.«
»Du stehst doch so gut mit diesem Nachbar, und ich bin mir keiner Schuld bewußt.«
»Ein netter Kamerad,« klang es verächtlich herab.
Was blieb ihm da übrig, als zuzugreifen, wie es von ihm erwartet wurde? Hingenommen arbeiteten die zwei und beluden kunstgerecht den Fahrstuhl.
Dann schob der Mann an. Seine Armmuskeln schwollen.
»Du,« sagte er schweratmend, »ihr habt wohl den Karren als Holzfuhrwerk bauen lassen?«
Peter lachte und griff mit an. Die Hände, die sich neben die Männerhände legten, waren zerarbeitet und blutig.
Dringend kam's: »Schieben Sie tüchtig, damit wir bald auf den Weg kommen. Wir fahren da über Heineckes Acker, das dürfen wir nicht.«
Ach so, dachte er ärgerlich, ich bin da in alles verwickelt, was gesündigt wird.
Draußen auf dem Weg ging die Fuhre einigermaßen leichter.
Mit Absicht ließ der Mann nach und nach Peter den größeren Teil der Arbeit. Wer sich eine Suppe 71 einbrockt, soll sie auch auslöffeln, verlangte sein Gerechtigkeitsgefühl.
Seine Augen prüften immer wieder die Gestalt im Leinenanzug. Aber so verstohlen er es tat, Peter fragte jetzt ungehalten: »Warum mustern Sie mich immer wieder? Möchten Sie erleben, daß ich wieder schlapp mache? Ich weiß gut, daß Sie fast gar nicht schieben. Wenn ich ein Mann wäre –«
»Du bist wohl keiner?« fragte rasch, um zu überrumpeln, der Schwabe.
»Noch nicht,« entgegnete Peter mit unbewegtem Gesicht.
Sie standen und ruhten aus. Von der schönen Kühle des Morgens war nichts mehr übriggeblieben. Heiß hing die Sonne über dem grünen Land.
Als der rasch gehende Atem sich beruhigt hatte, fragte Peter: »Was hat sie eigentlich gesagt?«
Er verstand und lachte. »Nun, sehr geängstigt hat sie sich nicht um dich. Ihre Sorge galt mehr dem Wagen und der Peitsche.«
»Die Peitsche – wo ist sie denn?« fuhr Peter erschreckt auf, und ehe der Mann sich besinnen konnte, rannte sie den Weg zurück.
Er sah ihr nach. Da fiel ihm Ludwig Schwämmle ein, der Fahrer vom ersten Geschütz. Der hatte einmal behauptet, an drei Dingen erkenne man jedes verkleidete Mädchen: 72 am Werfen, am Laufen und am Auffangen, wenn man ihr etwas in den Schoß werfen wolle.
Zwei Proben waren nun gemacht, denn was dort vorne lief, war unverkennbar ein Mädchen.
Wartend setzte er sich an den Wegrand und genoß die Stille des entlegenen Erdenfleckes. Dann sah er nach der Uhr. Er hatte gedacht, um diese Zeit bald in K. zu sein, wo ein Freund und Landsmann auf ihn wartete. Nach der Karte wollte er greifen, da fiel ihm ein, daß er sie im Rucksack verstaut hatte.
Er seufzte. Heute früh noch ein freier Mann, kam er sich jetzt vor wie der Bär an der Kette.
Die Frühlingsluft machte müd und einen anständigen Marsch hatte er auch schon hinter sich. Er legte sich in den Klee zurück und schaute den Lerchen nach, die in die Lüfte stiegen.
Ein komisches Völkchen, diese Lerchen! Beim Steigen zu singen, ist gegen jede Bergsteigerregel. Aber es scheint ihnen gar nichts auszumachen. Dort die kleine flatternde jodelt geradezu toll. Sie ist sicher ein verkleidetes Mädel und hat den Kopf voll Frechheiten. Wie sie läuft, gegen den blauen Himmel hinausläuft! – ach ja, daran muß ja ein Blinder sehen, daß sie Peter heißt. Es ist ja verrückt, so zu rennen, den Schnellzug fängst du doch nicht mehr! 73
Gewiß, Mutter – ich habe da nichts dreinzureden. Die Lerchen sind beim zweiten Geschütz und überhaupt – –
Ein Kitzeln mit der Peitsche weckte den Liegenden. Verstört fuhr er auf. Ausgeschlossen, daß er geschlafen hatte. Den Lerchen hatte er nachgeschaut.
Peter wollte wissen, ob er immer mit geschlossenen Augen den Lerchen nachschaue?
Darauf gab es natürlich keine Antwort.
Dem Fahrstuhl war die Ruhe schlecht bekommen. Er fing laut zu ächzen und zu quieken an.
»Auch das noch,« dachte ergeben der Mann.
Aber Peter schien sich an den häßlichen Lauten geradezu zu erlaben.
Mit glänzenden Augen sagte sie: »So hat der Stuhl immer gesungen, wenn Großvater ausfuhr.«
»Gesungen nennst du das?«
»Mir klingt's wie Gesang.«
»Der Stuhl ist schlecht geschmiert.«
»Das müssen Sie Rudolf sagen, der wird Ihnen aufwarten.«
»Dein Großvater war wohl gelähmt?«
»Zwei Jahre lang.«
Es lag wie ein dunkler Schatten über der kurzen Antwort. Erst nach geraumer Zeit wagte der Mann weiter zu fragen: 74
»Gehörte Grünhaus deinem Großvater?«
»Ja, natürlich.«
»Das ist keineswegs natürlich. Hier kannst du das Wort nicht anwenden. Es scheint dein Leibwort zu sein.«
»Sie sind natürlich ein Lehrer?«
Er lachte auf. »Natürlich wäre ich ein Musikant. Aber seinen natürlichen Beruf muß heute männiglich drangeben, um zur Bank zu gehen.«
»Sie gehen zur Bank?« –
»Ja, natürlich, ich bin eben unterwegs.«
Peter blieb stehen. »Jetzt erklären Sie mir, warum Sie ›ja natürlich‹ sagen dürfen und ich nicht!«
»Das kommt natürlich auf den einzelnen Fall an,« klang es ärgerlich.
»Natürlich,« bestätigte Peter ernsthaft.
Leise begann sich der Weg zu senken. Andächtig sagte Peter: »Von hier aus habe ich Großvater allein zum Haus schieben können.«
»Ist er lange tot?« fragte der Mann nach geraumer Zeit.
Die großen dunklen Augen hoben sich und blickten ins Weite.
»Tot ist Großvater nicht. Man sagt nur so. Vor zwei Jahren ist er gestorben. Zwei Jahre lang hat man ihn im Rollstuhl gefahren, – komisch –« 75
Der Schwabe spürte, daß dieses »komisch«, sowenig es am Platz zu sein schien, der Ausdruck einer tiefen Benommenheit von den Lebens- und Schicksalsrätseln war, wie sie ein junges Herz, über das viel gegangen, wohl empfinden kann.
Er blieb stumm und Peter begann wieder: »Der Schlag traf ihn, als Vater fiel.«
»Demnach war dein Vater im Krieg.«
»Ja natürlich.«
»Siehst du, da paßt nun das Wort. Daß ein deutscher Mann im Krieg war, ist natürlich.«
»Waren Sie auch dabei?«
»Aber sehr.«
»Waren Sie Offizier?«
»Auch das mit der Zeit. Artillerieleutnant.«
»Fein. Warum sind Sie das nicht geblieben?«
Auf seinem Gesicht erlosch die Helligkeit. »Man braucht jetzt die Leute bei der Bank.«
Peter schüttelte den Kopf. »Ich ginge nie zur Bank, wenn ich einmal Artillerieleutnant gewesen wäre.«
Geärgert fragte er: »Wie stellst du dir das eigentlich vor? Hast du nie davon gehört, wie schandbar man uns entwaffnet hat? Du meinst wohl, man schaffe sich privatim als Handwerkszeug ein paar Kanonen und Mörser an?« –
»Bah,« machte Peter mit wegwerfender Handbewegung. 76
»Natürlich bah,« brauste er auf.
»Wieso natürlich?« fragte sie scheinheilig.
»Kerle!« drohte selbstvergessen der Schwabe.
Peter ließ jäh den Stuhlgriff los und bat: »Ach, sagen Sie das noch einmal!« Ihm kam jetzt erst zum Bewußtsein, daß er das Wort gebraucht hatte, das dem Schwaben zum Loben wie zum Schelten gleich gut ist. Unbehaglich fragte er: »Warum denn?«
»So hat Großvater oft zu mir gesagt und manchmal auch Walter Hutmann.«
»Wer ist Walter Hutmann?«
Sie blickte ihn an, als sei die Antwort einer gründlichen Überlegung wert, und sagte dann kurz und abwesend: »Tot.«
Sie fuhren weiter. Plötzlich sagte Peter: »Praktischer Arzt ist er in K.«
»Wer?«
»Walter Hutmann natürlich.«
»Eben sagtest du, er sei tot.«,
»Nun ja – für mich,« klang es ungeduldig.
»Ach so. Er hat dich wohl beleidigt?«
»Er kann mich nicht beleidigen.«
»Also geärgert?«
»Das tun wir gegenseitig.« 77
»Aha, jetzt verstehe ich,« sagte der Mann mit dem Entschluß, zum Schlag auszuholen, »er hat dir wahrscheinlich einen Heiratsantrag gemacht?«
Lodernde Empörung trat auf Peters Gesicht. »Mir? – Blödsinn.« Es klang so echt, so jungenhaft grob, daß in dem Schwaben wieder Zweifel aufstiegen. Schweigend ging's vorwärts, nur der Stuhl hatte das Wort, dem Fremdling zur Marter, Peter – ihrem Gesicht nach – zur Freude.
Jetzt begann sie wieder: »Wenn nur Grünhaus weiter weg von K. wäre.«
»Dir ist wohl eure Einsamkeit noch nicht einsam genug?«
»Nicht einmal eine ganze Stunde braucht er mit dem Rad.«
»Wer?«
Ein ungeduldiges Achselzucken und dann: »Er könnte noch rascher da sein, wenn er bei der Bismarckeiche nicht absteigen und schieben müßte. Dort hat die Steigung 90 Grad, oder Prozent, oder wie das heißt.«
Jetzt lachte der Mann hell. »Was du nicht sagst! 90 Grad! Alle Hochachtung! Woher hast du denn deine Wissenschaft?«
Sie runzelte die Stirn. »Von Walter Hutmann natürlich. Klug ist er nämlich.«
»Es scheint,« entgegnete er und lachte stärker. 78
Das verschmierte Gesicht rötete sich. »Da ist doch nichts zu lachen! Großvater sagt: ein Weiser lächelt, ein Narr lacht laut.«
»Schön. Ich werde nur noch lächeln.«
»Und ich werde schweigen.«
Aber dieses Gelöbnis hielt nicht lange vor. Das junge Herz schien von etwas voll zu sein und so ging der Mund wieder über.
»Sein Vater war ein Jugendfreund von Großvater. Dadurch kam er hierher. Sein Vater war nett. Sehr nett sogar. Er brachte mir eine Gummischlange mit, die konnte sich ringeln und in den Schwanz beißen.«
»Ja, hast du denn Freude an Gummischlangen?«
Ein verächtlicher Blick traf den Spottenden. »Vor zehn Jahren natürlich, als ich noch klein war.«
»Nun, so sehr groß bist du auch jetzt noch nicht. Mir gehst du gerade bis an die Schulter.«
»Oho!« Sie stellte sich dicht neben ihn und reckte sich. Dabei flammten ihn ihre schönen dunklen Augen feindselig an.
»Siehst du: bis an die Schulter, wie ich sagte,« stellte er mit Genugtuung fest und strich über ihren Scheitel.
Sie zuckte zurück. »Frechheit!«
Er lachte. »Ein Kamerad darf nicht so spröd sein. Ja, wenn du ein Mädel wärst –« 79
Unweit tauchte ein Tümpel auf. Hell glänzte der kleine Wasserspiegel aus dem übersonnten Grün.
Peter eilte hinüber. Die schlanke Gestalt kniete und schöpfte mit beiden hohlen Händen Wasser und wusch sich Gesicht, Haare und Kittel.
Mit straff zurückgestrichenem Haar kam sie triefend und unbefangen zurück, jeder Zoll ein Bursche.
Angesichts all der Nässe fragte der Mann: »Du hast wohl kein Taschentuch?«
Peter griff in den Kittel und zog ein durchblutetes Tuch hervor von reichlich der Größe, die Männer bevorzugen.
»Wasch es doch aus,« schlug er vor.
Ein Kopfschütteln lehnte ab. »Ich werde es Ursel unter die Nase halten, wenn sie toben sollte.«
»So sieht sie nicht aus.«
»Sehe ich etwa aus, als ob ich frech sein könnte?«
In der völligen Ernsthaftigkeit, mit der sie die Entgegnung vorbrachte, lag etwas, das den Mann wieder ganz auf Peters Seite hinüberzog.
»Sie befiehlt wohl sehr gern?« fragte er entgegenkommend.
»Sicher würde sie das tun, wenn ich immer gehorchen würde.«
»Ach so! Also bist du vorbeugenderweise meist ungehorsam?« 80
»Haben Sie immer gehorcht, als Sie jung waren?«
»Bitte sehr! Erstens bin ich noch jung und – –«
»Jung? – Sie haben ja schon graue Haare.«
»Höchstens ein Dutzend.«
»Ich möchte sie nicht zählen.«
»Du zählst wohl nicht gern über drei oder fünf?«
»Jetzt reden Sie von anderem, weil ich fragte, ob Sie immer gehorsam waren.«
»Da lächle ich, weil ich ja nicht laut lachen darf. Geh einmal nach Riedorf und erkundige dich nach Pfarrers Felixle!«
»Wohin soll ich gehen?«
»Nach Riedorf in Schwaben.«
»Wie fährt man da?«
Ernsthaft entgegnete der Mann: »Du nimmst den Nord-Süd, den Gegenzug zu dem, der dir den Gaul und die Peitsche aus der Hand riß und dich in den Dreck schmiß.«
Sie schaute zur Seite. Weniger keck klang es: »Und dann weiter?«
»Nun, dann zeigst du dem Schaffner das Stück Pappe, das dir Frau Ursel um den Hals gehängt hat und auf dem geschrieben steht: Der grüne Peter von Grünhaus fährt nach Riedorf. Alles weitere findet sich dann mit Gottes und guter Leute Hilfe.« 81
Ohne Empfindlichkeit zu verraten, wollte sie wissen: »Und wenn ich dann in Riedorf angekommen bin?« –
»Dann fragst du auf allen Gassen und besonders in allen Gaulställen nach Pfarrers Jüngstem, dem Felix.«
»Jawohl – und?« –
»Dann wird man dir Dinge sagen, die dich bereuen lassen, daß du so heillos frech gewesen bist.«
»Ausgeschlossen! Ich habe noch nie etwas bereut. Großvater hält nichts davon. Er sagt: nur immer wieder frisch anfangen!«
Der Mann blickte rasch auf sie nieder, als habe er eine Entgegnung auf der Zunge. Dann zuckte er nur die Achseln und schwieg.
»Sind Sie etwa anderer Meinung?« fragte sie streitbar.
Es glitt wie Schatten über sein Gesicht. »Komm nur nach Riedorf zu meinem Vater!«
Nach einer Weile sagte Peter hart: »Einen Pastor möchte ich nicht zum Vater haben.«
Er gab keine Antwort darauf und sie fuhr fort: »Meiner war Arzt. Im Krieg natürlich Stabsarzt.«
Jetzt lächelte der Schwabe. Mit dem gleichen kindlichen Selbstgefühl, wie es aus ihren Worten sprach, hatte er, und wohl auch seine Brüder, sich, wo es nottat, unter den Dorfbuben als Pfarrerssohn legitimiert. 82
Sie kamen jetzt dem Gartentor nahe. Man hörte den Hund am Zaun winseln vor freudiger Erwartung.
Peter hielt den Stuhl an: »Herr Leutnant.«
Er winkte ab: »Ich heiße Klein.«
»Herr Klein, Sie müssen Ursel sofort sagen, daß der Wagen wieder gemacht werden kann.«
»Das kann doch ich nicht beurteilen.«
»Und daß Sie dabei helfen werden.«
»Fällt mir ja gar nicht ein.«
»Rudolf holt alles herbei. Das Gestell und die Räder und alle Beschläge sind ja erhalten. Holz haben wir genug und auch eine Werkstatt.«
»Aha,« entgegnete belustigt der Mann, »nun kommt dir wohl der Katzenjammer? Man scheint nun doch das Abenteuer zu bereuen?« –
»Wer sagt das? – Großvater hätte mir die Ausfahrt erlaubt und sonst hat mir niemand etwas zu verbieten.«
»So bist du zurzeit der freieste Mensch auf Gottes Erde.«
Sie schaute auf. Es lag ein Ausdruck von Ernst und Reife auf ihrem jungen Gesicht. »Die von drüben können auch streng sein,« sagte sie nachdrücklich.
Frau Ursel tat das Tor auf. Der Hund stürzte sich freudeheulend auf Peter, und diesem war offenbar die laute Ablenkung willkommen, weil die notwendigen 83 Auseinandersetzungen dadurch hinausgezögert wurden. Eine Balgerei mit dem Tier begann. Als sich der Lärm einigermaßen legte, rief Frau Ursel vorwurfsvoll und die Sachlage übersehend: »Aber Peter – unser neuer Marktwagen!«
Peter stieß den Hund von sich.
»Dir wäre es wohl lieber, ich hätte den Fahrstuhl für mich gebraucht?« rief sie scharf.
Der Schwester Gesicht färbte sich. Sie wandte sich dem Fremden zu und sagte beherrscht: »Peter hält manchmal ein wenig Komödie für nötig, das werden Sie jetzt gemerkt haben.«
»Der Herr Leutnant weiß, wie ich anfangs dalag,« warf Peter dazwischen.
»Ich heiße Klein,« berichtigte der Wanderer und verneigte sich vor Frau Ursel.
»Aber er war im Krieg Artillerieleutnant,« ergänzte Peter zäh.
»Peter,« ermahnte verweisend die Schwester.
Unerschrocken ging's weiter: »Er will jetzt zur Bank, weil er nicht Musiker sein darf.«
Der Mann durchschaute, daß Peter bemüht war, die eigenen peinlichen Angelegenheiten möglichst weit hinter Abseitsliegendem zurückzuschieben. Diese Taktik mutete ihn aus vergangenen Tagen her vertraut an. Er kam gern zu 84 Hilfe. »Peter war in einem sehr üblen Zustand, als ich ihn auffand. Ich konnte bei der Untersuchung weder Puls noch Herzschlag entdecken.« Er sagte es mit innerlichem Lachen in der Gewißheit, dadurch beiden Schwestern gegenüber einen heimlichen Trumpf in die Hand zu bekommen.
Frau Ursels Augen weiteten sich denn auch in scheuer Frage. Peter wurde still und abwesend. Sie griff dorthin, wo unter ihrem Kittel Papier geknistert hatte. Ohne ein weiteres Wort ging sie, gefolgt von dem Hund, dem Haus zu.
Felix Klein aber hatte ein Gefühl der Genugtuung und Befriedigung, wie er es etwa draußen gehabt hatte, wenn sein Geschütz zuverlässig eingeschossen war.
Frau Ursel und er standen jetzt beieinander. Sie benommen und unfrei, er ruhig und lächelnd.
»Ich werde jetzt meinen Rucksack holen und mich empfehlen,« erklärte er; »ich freue mich, daß die Sache glimpflich abging.«
Sie seufzte. »Ich bin Ihnen viel Dank schuldig. Peters Eigensinn rächte sich einmal wieder,« sagte sie matt.
Er lachte. »Ein Bursche in seinem Alter! Ich schätze ihn kaum auf sechzehn.«
»Vor zwei Monaten achtzehn geworden,« stellte sie richtig. 85
Er tat unbekümmert. »Nun, also immer noch Flegeljahre! Gönnen wir sie ihm! Deutsche Männer haben in Zukunft nicht viel zu lachen.«
»Deutsche Frauen auch nicht,« entgegnete sie schwer und schaute an ihm vorbei.
Nach einer Weile begann sie: »Ich habe Ihnen zu beichten.«
»Aha,« dachte der Mann belustigt, »jetzt kommt die Bestätigung.«
Aber die Frau eröffnete ihm: »Der Hund hat Ihren Rucksack durchsucht und offenbar die Vesperbrote gefressen. Ich fand umhergestreute leere Papiere.«
»Das Rabenaas,« entfuhr es ihm.
Sie lächelte. »So titulierte ihn Großvater in solchen Fällen.«
»Also war der alte Herr Schwabe?«
»Dem Blute nach halb, dem Herzen nach mehr, obgleich er schon in früher Kindheit aus Schwaben wegkam.«
»Die Farbe wäscht kein Regen ab,« meinte er lachend.
Sie schaute ihn an auf eine Weise, die ihm das Gefühl gab, auf Herz und Nieren geprüft zu werden. Zu seiner Genugtuung kam es dann: »Es wäre nicht mehr als billig, wenn Sie zum Ersatz für das geraubte Vesper unser Mittagbrot teilen würden.« 86
Er stellte bei sich fest, daß diese Frau ebensowenig den Schilderungen Peters wie seinen eigenen Vorstellungen ganz entsprach. Da mußte noch manches ergründet werden. Auch Grünhaus wäre noch näherer Bekanntschaft wert. Spotte nicht schon wieder, Mutter! beugte er innerlich vor und sagte dann: »Besten Dank! Ich bleibe gern. Seit fünf Uhr früh bin ich unterwegs und reichlich hungrig. Für den Weg nach K. werde ich eine Stärkung brauchen können.«
Unbegreiflicherweise errötete die Frau, als sie fragte: »Werden Sie dort erwartet?«
»Nicht zu bestimmter Stunde. Mein Freund weiß nur, daß ich unterwegs und in der Nähe bin.«
»Ist er auch Schwabe?« erkundigte sie sich wegblickend.
»Aber sehr. Es ist der Maler Fritz Wennberg.«
Sie schüttelte den Kopf. »Kenne ich nicht. Ich dachte,« sie stockte befangen, »wir haben auch einen schwäbischen Freund in K. Er ist praktischer Arzt.«
»Ich weiß: Dr. Walter Hutmann.«
»Ach, Sie kennen ihn?« klang es freudig.
»Keineswegs. Peter nannte mir den Namen und bemerkte, daß der Mann für ihn tot sei.«
»Peter ist närrisch,« rief unmutig die Frau. 87
Dann wandte sie sich wie befreit dem an seinen Stöcken herzuhumpelnden Bruder zu. »Nicht wahr, Berti, du würdest dich auch freuen, wenn Herr Klein hier bliebe?«
»Ja,« entgegnete kurz und befehlshaberisch die kranke Stimme, »Sie müssen über meinen Geburtstag hier bleiben.«
Mit einem sprechenden, um Entschuldigung und Verständnis bittenden Blick setzte die Schwester hinzu: »Mein Bruder wird übermorgen fünfzehn. Der Tag ist ihm sehr wichtig.«
»Sie können im grünen Zimmer schlafen. Der Hamburger schlief im Heu. Aber Rudolf sagt: für Sie sei das grüne Zimmer das Richtige.«
»Sehr freundlich von Rudolf,« fiel halb belustigt, halb geärgert der Schwabe dem erregten Knaben ins Wort; »aber so viel Zeit habe ich gar nicht für Grünhaus.«
»O ja,« entgegnete mit seltsamer Bestimmtheit der Kranke, »Sie haben viel Zeit, Sie sind gesund. Nur ich habe wenig Zeit.«
»Aber Berti,« rief gequält die Schwester.
»Rudolf sagt: Ihnen tut Großvater nichts. Rudolf ist so verrückt, zu glauben, die Toten seien nicht tot und im grünen Zimmer dürfe man nicht jedermann unterbringen. Aber für Sie fürchtet er nichts.« 88
»Höre auf, Berti,« gebot mit rauher Stimme die Frau, »du hast hier nicht zu bestimmen.«
»Ich bestimme ja auch nicht. Ich berichte nur, was Rudolf sagte.«
»Was wird unser Gast denken!«
»Er wird denken, was ich auch denke: daß Rudolf ein Narr ist. Genau wie Peter. Der glaubt nämlich, was Rudolf glaubt,« erklärte, dem Mann mit dunklem Blick ins Gesicht schauend, der Kranke.
»Ich auch,« erwiderte kurz und bündig der Gast.
Eine maßlose Überraschung schien den Kranken zu überkommen.
»Was sind Sie denn?« fragte er nach peinlichem Schweigen.
»Zum ersten ein Pfarrerssohn, dann ein Musikant und schließlich ein Mann, der im Krieg war. Drei Dinge, durch die man allerlei glauben lernt.«
»Aber doch nicht das – doch nicht das!« klang es ganz erschüttert.
»Vielleicht gerade das! Nur kann ich dir das jetzt nicht auseinandersetzen.«
Stille kam auf. Dann hob der Knabe den gesenkten Kopf. Sein Gesicht hatte den gereizten Ausdruck verloren, die schöne Stirne, die so sehr der Peters glich, war entspannt. 89
Selbst die Stimme hatte anderen Klang, als er jetzt sagte: »Wenn Sie im Krieg waren, dürfen Sie nicht belogen werden. Daß Sie es wissen: Peter ist ein Mädchen. Sie heißt Petronella.«
Frau Ursel tat mit freudigem Gesicht einen Schritt auf den Kranken zu; aber er machte eine Bewegung, die sie zurückwies.
»Ich danke dir,« sagte lachend der Mann; »aber hinter dies Geheimnis bin ich selbst gekommen.«
Schon wieder umwölkte sich die kranke Stirne. »Wie sind Sie dahintergekommen?«
»Na – ja – es gibt da so Zeichen, sagt Ludwig Schwämmle.«
Der Knecht, der herzugetreten war, um den Fahrstuhl wegzuschieben, blickte rasch auf. Erregter, als sonst seine Sprechweise war, fragte er: »Bitte, ist das Ludwig Schwämmle von Salmersbach auf der Alb, der Artillerist?«
Der Gefragte war nur mäßig überrascht. Seit der Krieg die deutschen Männer wie Würfel im Becher durcheinandergeschüttelt, hatte er schon allzuoft die unglaublichsten Begegnungen erlebt.
»Genau der ist's,« bestätigte er.
Aufstrahlend berichtete der Knecht: »Der ist anno sechzehn bei mir im Lazarett gelegen; ich war Sanitäter.« 90
»Als er die zerfetzte Backe hatte?«
»So etwas. Der Kopf war verbunden.«
»Aber doch hoffentlich das Mundwerk nicht?«
Ein helles Lachen brach aus dem Knecht, wie man es ihm eigentlich nicht zugetraut hätte. »Zum Glück nicht. Er hat es nötig gebraucht. Es lagen üble Gesellen bei ihm im Saal.«
»Die hat er still gemacht, wie ich ihn kenne.«
Selbstvergessen nickte der Knecht. Man sah ihm an, daß seine Gedanken bei den vergangenen Tagen waren.
»Davon müssen Sie mir mehr erzählen,« schlug der Schwabe vor.
»Es ist nicht viel zu erzählen. Dem Schwämmle eilte es mächtig an die Front zurück und zu seinem Leutnant.«
»Der war ich damals,« brach es unwillkürlich aus Felix Klein, und als er es gesagt hatte, bereute er es fast, weil alle Augen herblickten.
Gongschläge dröhnten vom Haus her. Der Knecht schob den Stuhl an und der Knabe rief befehlerisch: »Rudolf, daß du es weißt: wenn ich das von Peter jetzt auch verraten habe, solang Herr Klein da ist, tun wir doch, als ob sie ein Junge wäre. Sage es auch Monika. Es ist mein Geburtstagsspaß. Und ihr soll es Strafe sein, weil sie wieder mit Satan allein ausgefahren ist.«
Frau Ursel schüttelte den Kopf. »Es ist ihr keine Strafe. 91 Im Gegenteil. Auch kann sie ja Herrn Klein jederzeit die Wahrheit sagen.«
»Das tut sie aber nicht,« erklärte hämisch der Kranke.
»Nein,« bestätigte der Knecht, »das tut sie nicht.«
»Du willst mir nur wieder den Spaß nicht gönnen,« nörgelte Berti.
Da kam der Schwabe zu Hilfe. »Ich bin dabei. Peter hat einiges gut bei mir. Aber sie ahnt wohl, daß ich Lunte gerochen habe. Sie ging so still weg.«
Mit roter Stirne rief Frau Ursel: »Macht es denn wirklich Spaß, kreuz und quer zu lügen?« –
Der Kranke brach los: »Lügen, lügen! Nimm doch den Mund nicht so voll! Bei dir gibt es nie etwas Harmloses.«
Felix Klein dachte Ähnliches. Diese Frau schien vor lauter Geradlinigkeit hilflos zu sein. Eine Art Antipode zu Peter. Kein Wunder, wenn sich diese beiden manchmal in die Haare gerieten!
Begütigend meinte er: »Ich schlage vor, wir treiben den Spaß, solang er sich leicht aufrecht erhalten läßt. Ich bin ja bald wieder über Berg und Tal.«
»Aber doch nicht vor meinem Geburtstag!« flehte sofort fast weinend der Knabe.
Der Gast lachte. »Das wird sich finden.« 92
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