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Hertha

    Ich bin Anfang; die Jahre,
        Gott und Mensch sind durch mich,
    Die Unwandelbare,
        Vollkommne in sich;
Gott wechselt und Mensch und ihr körperlich Sein, doch die Seele bin ich.

    Ehe Land noch und Meer war
        Und das Grashaar der Hut
    Und der Waldbäume Heer war
        Und das fleischfarbne Gut
Meiner Früchte an mir, da war ich, hat in mir deine Seele geruht.

    Erstes Leben entband
        Meinem Urbronnen sich;
    Jede Kraft, die es bannt,
        Es befreit, ist durch mich:
Gott und Mensch sind aus mir und Getier und Gevögel; eh Gott war, bin ich.

    Nichts, was mich umfassen mag;
        Nichts, was mich beschränkt;
    Ob man lieben mich, hassen mag,
        Mich vergißt, mein gedenkt:
Ich bin's, die mich liebt und mich haßt: bin der Schlag und bin, die ihn empfängt.

    Bin der Pfeil und der Schuß,
        Und das Ziel, das er fehlt;
    Bin der Mund und der Kuß,
        Bin, was ihn beseelt;
Bin Suchen, Gesuchtes und Sucher; die Seele, der Leib, den sie wählt.

    In meinen Lobsingern
        Preis' ich mich nur groß;
      Mit ewigen Fingern
        Liebkos' ich mir bloß
Den eigenen ewigen Leib, der das Maß für des Weltalles Los.

      Was hör' ich dich zu
        Deinem Gotte nun schrein:
      »Ich bin ich, du bist du,
        Du bist hoch, ich bin klein!«?
Ich bin du, den du suchst; finde selbst dich, denn du bist ja ich nur allein: ja ich nur allein:

      Das Korn und das Feld,
        Der Schollen Gerott,
      Der Pflug, der bestellt,
        Und der Pflugtiere Trott,
Die Tat und der Täter, die Saat und der Säer, der Staub, der da Gott.

     Wie ich Leben und Blut dir gab,
        Wer hat, Kind, dir's genannt.
      Von dem Feuer, das Glut dir gab,
        Von dem Eisen, das band,
Von dem dunkelen Wechsel der Wasser, was hast du davon je erkannt?

      Kannst im Herzen du sagen,
        Daß dein Auge gesehn,
      Was in Form dich geschlagen
        Und wie das geschehn,
Welche Kraft und woraus dich vorm Himmel hier ließ mir am Busen entstehn?

     Wer wies es im Bildnis dir,
        Gab dir Kunde woher?
    Vertraut' es die Wildnis dir?
        Verriet dir's das Meer?
Oder hieltest du Zwiesprach im Geist mit der Nacht, ward vom Wind dir Gewähr?

    Setzte ich einen Stern dir,
        Strahlte der es dir zu,
    Ward so sichtbar von fern dir,
        Was ich kund dir jetzt tu,
Und spracht ihr wie Brüder zusammen, die Sonne, die Berge und du?

    Wer erfaßt, was besteht,
        Wer erfaßt, was entflohn?
    Nicht Prophet noch Poet,
        Nicht Dreifuß noch Thron,
Nicht Geist und nicht Fleisch, nur die Mutter weiß Antwort zu geben dem Sohn.

    Nicht gezeugt, nein geboren,
        Wenn die Kinder die Bahn
    Ihrer Mutter verloren
        Und in Furcht oder Wahn
Zu dem Gott, den sie machten, nun beten: sie regt's nicht, wie oft es getan.

    Jeder Glaube ist Knechter,
        Jeder Thron Werk der Nacht,
    Aber Mensch sein, Verfechter
        Deiner Tatlust und Macht,
Und so wachsen und leben, wie Licht lebt: das ist's, was zum Gotte dich macht.

     Ich bin in dir als Retter;
        So gib, des bewußt,
    Deiner Tat grüne Blätter,
        Deines Traums weißen Blust
Und die Rotfrucht des Tods, denn ich gab sie, und Lebensblut, Atem der Brust.

    Doch sollst du sie geben mir,
        Wie du sie empfingst:
    Frei gib dein Leben mir,
        Wie du frei darin gingst;
Nicht, daß du wie Sklave dem Eigner, wie Diener dem Herrn dich mir bringst!

    O verdunkelte Seelen,
        O Kinder der Acht!
    Sollt' das Licht euch nie fehlen,
        Das nun schwindet: in Pracht
Nie saht ihr, die Schatten und Sterne besiegend, die Sonne entfacht.

    Durch die Nacht sah ich nehmen euch
        Den dunkelen Pfad
    Und gab Gott nun, den Schemen, euch,
        Daß ihr etwas doch saht,
Doch der Morgen der Mannheit stieg auf, und die Seele, hell-schattenlos, naht.

    Den vielwurzligen Baum,
        Der rotfrüchtig sich
    Hoch erhebt in den Raum,
        Seht den Lebensbaum mich;
Im Geknosp eures Seins ist mein Saft, ihr sollt leben, nicht sterben, will ich.

     Doch der Götter Gebilde,
        Die ihr selbst schuft in Not,
    Deren Grimm, deren Milde
        Euch vergibt, euch bedroht,
Sind Würmer der Rinde, die abfällt; nicht Leben ist ihrer, nein, Tod.

    Mein Blut schließt die Stelle;
        Ein Sternentanz irrt,
    Daß die Nacht er erhelle,
        Durch das Laub mir und flirrt,
Als Sonnen verehrt, bis die Sonne wie Funken ihn austreten wird.

    Wo die toten Äonen
        Das lebend'ge Gespinn
    Meiner Wurzeln birgt, wohnen
        Meine Donner tiefhin
Und im Braus meiner Zweige, ihr höret das Brausen des Meeres darin.

    Da hört ihre Schwingen
        Ihr spreiten die Zeit
    Und das Zweigicht durchdringen
        Zu Häupten ihr weit,
Und ihr Tritt beugt die Äste, und rings um sie rauscht meiner Blätter Gebreit.

    Der Sturm der Jahrtausende
        Geht durch mich und erstillt,
    Der Kriegssturm, der sausende,
        Der Friedenshauch mild,
Eh ihr Atem das Haar mir zerrauht, meiner Blüten mir eine erschwillt.

     Aller Wandlungen Schall,
        Aller Schatten, all Licht
    Auf der Berghöhen Wall,
        Der sich vielklüftig bricht,
Die da sprechen, wie Zunge des Windes, der nächtlichen Sturmwolken spricht,

    Aller Antlitze Schnitt,
        Alle Werke der Hand,
    Wo die Zeit je erstritt
        Unerkundliches Land,
Aller Tod, alles Sein, alle Macht, aller Hinfall, rinnt durch mich wie Sand.

    Welche Last auch mein Frohn hat
        – Wo kann größerer sein? –,
    Ob mein Wachsen nicht Lohn hat,
        Als zu wachsen allein,
Doch wachs' ich trotz Todwürmern unten und oben der Blitzflammen Schein.

    Auch sie haben Macht in mir,
        Wie an ihnen auch ich.
    Ein Brand ist entfacht in mir,
        Ein Saft geht durch mich
Mit unendlicher Länder und Meere Gebraus und Geheimnis in sich.

    In Zenturien von Tagen,
        Lenzfarben-durchglüht,
    Da ich Maisinn getragen,
        Sind mir Blumen entblüht,
Herber Blust mit dem Dufte der Mannheit, dem Geiste wie Strahlen entsprüht.

     Der Duft ihrer Sprossen, sieh,
        Ihres Aufspringens Klang,
    Meine Wurzeln durchgossen sie
        Mit Kraft, Wärme, Sang.
Meine Frucht sind die Leben der Kinder, vollkommen, weil frei nun von Zwang.

    Ich will eines nur: sei;
        Brauche nicht dein Gebet,
    Ich brauche dich frei,
        Wie die Luft, die dir weht,
Daß mein Herz in mir größer sei, seh ich, wie schön meine Frucht mir gerät.

    Wohl bietet kein Glaube euch
        Je schönere dar.
    Mein Saft weckt im Laube euch,
        Was da blüht all das Jahr.
Seht nun an euern Gott, den ihr schuft, daß ihr Opfer ihm bringt zum Altar!

    In des Nachtgrauens Sitz
        In der Helle verehrt,
    Mit Frührot und Blitz
        Zu Leuchte und Schwert,
Donnert Gott in den Höhn, und die Engel sind rot von dem Zorn, den er nährt.

    Euern Göttern, o Söhne,
        Die von mir nicht, zu treu,
    War zu schwach meine Schöne?
        Habt ihr, frei zu sein, Scheu?
Denn seht, ich bin mit euch, bin in euch und von euch: blickt aus nun aufs neu!

     Mit Wundern beschwingt
        Und beschuht, mit dem Brand,
    Der den Wettern entblinkt,
        Zu Stab und Gewand,
Bebt Gott in den Höhn, und die Engel sind bleich von dem Graun, das ihn bannt.

    Seine Dämmerung kam auf ihn,
        Er zittert: die Schar
    Seiner Geister sieht gram auf ihn,
        Erschreckt von der Fahr:
Seine Stunde erfaßt ihn, die letzte in seinem unendlichen Jahr.

    Das Hirn schuf und richtet ihn,
        Die Wahrheit begräbt
    Und vergibt; doch vernichtet ihn
        Die Zeit und erhebt
Der Liebe geliebtesten Freistaat, den Freiheit erhält und der lebt.

    Denn lebendig und ganz ist
        Die Wahrheit nur hier;
    Pol und Polsternes Glanz ist
        Die Liebe zu ihr
Dir, Mensch, der da Herzenspuls, Frucht meines Körpers und Seelensaat mir;

    Meines Busens ein Sproß,
        Eine Blüte, die sich
    Zuhöchst mir erschloß
        Und mächtiglich
Zum Himmel dringt: Mensch du, mir gleich, mit mir eins, der mein Werk und der ich.


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