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Mater Triumphalis

Mutter der zeitdurchwandernden Geschlechter,
    Hauch aus des Menschen Mund, sein Herzensblut,
Gott über allen Göttern, reiner, echter,
    Licht überm Licht bist du, das höchste Gut.

Dein Antlitz ist ein Schwert, das Spuk und Ketten,
    Träume und jedes Eisenband zerspellt;
Der Donner schweigt vor dir, in seinen Betten
    Das Meer, es faßt dich nicht das Himmelszelt.

Engel und Götter, Geist, Gefühl, du trägst sie
    Als Staub, als Tau in deiner rechten Hand,
Der Zeit Tempel und Türme, du zerschlägst sie,
    Gibst neuem Wort und neuem Werk Bestand.

Wir sind von deinem Weg gewichen alle
    Und waren blind für deine Herrlichkeit,
Und wenn du riefst, taub dem Trompetenschalle,
    Gegen die Geißel deines Worts gefeit.

Wir kannten dich und gingen deine Pfade,
    Wir liebten dich und trieben mit dir Spott,
Verleugnet bald und bald in deiner Gnade
    Gepriesen, warst du uns wie sonst ein Gott.

Wir sprachen: »Laßt uns schlafen eine Stunde;
    Wir dienten ihr am Tag, wer dient bei Nacht?«
Wir hatten deines Angesichts nicht Kunde,
    O Licht, das alles Dunkel helle macht.

Die dich verließen, hast du nicht verlassen,
    Die dich nicht kannten, du hast sie gekannt;
Völker, die schliefen, aufgeweckt; die blassen
    Götzen zuvor gedient, dir zugewandt.

Die Sagen, in der Urzeit ausgesonnen,
    Die grauen, die uns bergen deinen Schein,
Die Göttermären, die der Mensch gesponnen,
    Er wob sie dir zu Kleid und Flor allein.

Jedem wird deine Hand Erquickung geben,
    Der matt von falschem Frieden oder Streit,
O du, die Auferstehung und das Leben,
    Das Heil und Gott und Mensch in Einigkeit.

Dein Schwingenpaar schattet das Wasser; deine
    Augen durchstrahlen Nacht und Finsternis;
Von deiner Füße feuerhellem Scheine
    Wird licht der Erde dunkeltiefster Riß.

Tod ist dein Knecht, der Hölle Zwang gebrochen;
    Um dich ist Himmel stets; wer dich nicht hört,
Den hört die Zeit nicht; werden ausgesprochen
    Der Menschen Namen, – seiner ist zerstört.

Der Tod wird todlos, namenlos der Namen,
    Sternlos ihm sein des Atmens Zwielichtzeit,
Der Höllenbrand der Schmach nur nie erlahmen;
    Und stirbt er, deckt ihn Nacht in Ewigkeit.

Die Jahre sind dein Kleid und die Äonen
    Sandalen, angeschnürt für kurze Frist,
Die Zeit die Sklavin, der nur Worte lohnen,
    Süße und bittre, wie dein Urteil ist.

Sagst du: »Gut so«, wird ein Jahrhundert helle;
    Sagst du: »Geh' fort aus meinem Angesicht«,
Wie dein zerbrochner Spiegel ist's zur Stelle,
    Von aller Menschen Antlitz weicht das Licht.

Die Nacht ist wie ein Siegel auf den Stirnen,
    Die kein Licht spenden noch ein Licht entfacht,
In ihrem Dunkel, fern den hohen Firnen,
    Blinde Verkörperungen nur der Nacht.

Schlangen sind ihre Seelen, starr gefroren;
    Zahm schmiegt die Scham an ihre Füße sich;
Vom Staub grau, den sie fressen, trugverschworen,
    Schmähn ihre Lippen deine Schar und dich.

Wenn ihre Zeit dann voll ist, wird das Gleißen
    Deiner enthüllten Stirn des Frührots Duft
Verdunkeln; deine bloßen Hände reißen
    Den Flor von Licht und Nacht, die fürcht'ge Luft.

Nackt ist, im Glanze wie der ersten Stunden,
    Ein neugeboren Mägdlein dann die Welt;
Die Erde ihre Liebe all entbunden,
    Der Himmel all von seinem Glanz erhellt.

Denn sie sind dein in ihrer Jubelfeier,
    Dein tiefste Tiefe, höchste Höhe dein;
Was Schemen war, der Zeit zerrissne Schleier,
    Wie Kön'ge, hingestürzt vor deinem Schein.

Eiserne Jahre lang vorm erzen starren
    Tor der Jahrhunderte hier galt es nur:
Vom Abend bis zum Morgen treulich harren,
    Bis uns dein Schritt erklang im bangen Flur.

Dem Flur, nie von der Sonne Fuß betreten,
    Den Fliesen, nie beglänzt vom Sternenlicht;
Ist innen Lichterglanz? Doch ungebeten
    Sinkt Schatten auf der Gäste Angesicht.

Den Kronenhäuptern ist das Licht genommen,
    Der nahe Morgen macht die Fackeln bleich,
Und sie erlöschen, wenn der Tag gekommen;
    Die Reiche so, wenn zu uns kommt das Reich.

Und kommt es nicht? Glänzen nicht Blitze eben
    Schon auf den Höhn, ob auch geleugnet, sprich?
Mag mancher auch die Augen schließen, beben,
    Wie kann wohl beben, wer dich liebt wie ich?

O Mutter, sieh, ich bin in deinen Händen
    Die Harfe, die nur Liebe singt zu dir.
Wie Wind und Meer im Kampfe nimmer enden,
    Also in unsrer Liebe ringen wir.

Kein Höfling bin ich, zu geringem Lohne
    Von dir gedungen zu geringer Pflicht;
Nicht schrecken mich dein Sturm, gestürzte Throne,
    Geschmolzne Kronen mich, selbst Sünden nicht.

Du hast gesündigt, doch bist frei von Sünden;
    Du warst besudelt, doch bist makelrein;
Verwandt dem Menschen, doch nicht zu ergründen,
    Sät deinem Schoß die Zeit die Saaten ein.

Ich bitte dich, furchtbare Mutter, sende
    Mir, was du immer willst, ich dank' es dir!
Wie wär's, wenn je ein andrer vor dir stände
    An dieser meiner Statt, wie dann mit mir?

Ich bin Trompete deines Mundes, Tube
    Voll deines Schreis, der seinen Schall ihr gab;
Dein Richtsturm füllt mit Todesbrand die Grube
    Des Wurmgeschlechts, der Gottesmären Grab.

Du bist der Orgelspieler, deine Noten
    Donner, ich das Pedal, das du bewegst;
Du bist der Strahl, vom Tag der Nacht entboten,
    Das Wölklein ich, das du am Busen trägst.

Der rote Morgennebel auf dem Meere
    Bin ich vor dir, der aufglüht und erfahlt;
Doch bis die Sonne sinkt, hältst du die Lehre,
    Die Seelen teuer, deren Licht mir strahlt.

Der zwischen Nacht und Tag, Irrtum und Wahrheit
    Emporgescheuchten Zwielichtvögel Schar
Siecht hin, wird überwältigend die Klarheit
    Der vollen Mittagsonne offenbar.

Ich kann die Saiten sanfter nicht und rauher
    Stimmen auf ein Gebot, als sie gespannt;
Ich kenne deinen Sang im goldnen Bauer,
    Kein Hänflingszirpen auf der Kön'ge Hand.

Deine Sturmdrossel in den dunkeln Tagen,
    Deine Sturmschwalbe bin ich, die dein Boot
Durch Nacht und Gischt zum Hafen möchte tragen;
    Bin deine Lerche vor dem Morgenrot.

Im Nebel, ehe sich dein Tag entzündet,
    Ist auf mein Ruf und schallt empor mein Lied;
Ich habe dich gehört, geschaut, verkündet,
    Bevor dein Rad noch Meer und Himmel schied.

Mit dir erwachen Sänger, süßer, schöner,
    Und sehn im Sommer, was mir Lenz verheißt;
Ich hab' nur Aug und Herz, o Donner-Dröhner,
    Sie haben einst die Zunge, die dich preist.

Und Liebe hab' ich, furchtlos, will dir nah sein,
    Ob dich kein Schiff, kein Flug erreichen mag;
Du säumst, doch leugnete ich nicht dein Dasein,
    Noch alle deine Nacht lang deinen Tag.

Nacht ruft dem Tag dein Hochlied zu, von Hügeln
    Zu Hügeln geht, von Tal zu Tal dein Schall;
Im Wind rauscht Äschylus mit Adlerflügeln
    Und Sappho singt im Lied der Nachtigall.

Gesungen dann von deinen Botenrufern
    Schallt dir nur ein Sang dieser Zeit, die schlief:
Der Sang, der zwischen Frank- und Britlands Ufern,
    Wie Gott die Sonne, himmelauf dich rief.

Komm, ob, vor dir zur Läutrung hergetrieben,
    Verzehrend Feuer auch die Welt durchloht;
Laß nur dein Antlitz sehn uns, die dich lieben,
    Und wär's zum Tod uns, komm, gib uns den Tod!


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