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5.
Nach Leipzig. Wartenburg

(Siehe Karte 1)

Endlich, endlich Siegesbotschaften und zwar gleich eine ganze Reihe! Groß-Beeren, Hagelberg, Katzbach, Kulm und Dennewitz! So brauste es durch ganz Preußen und fand Echo in den Herzen seiner Bewohner. Überall wurden patriotische Lieder gedichtet und gesungen und vor allen andern hob sich in den Augen des deutschen Volkes, auch vieler nichtpreußischer Lande, die greise Heldengestalt Blüchers hervor. Schon jetzt nennt ihn der Dichter Follenius »den Marschall Vorwärts« und Rückert im Süden Deutschlands, Arndt im Norden verherrlichen seine Taten. Ein weit größerer Erfolg der erfochtenen Siege war aber einerseits der Umstand, daß der Opfermut des preußischen Volkes neue Aufmunterung erhielt und anderseits, daß sich deutsche Gesinnung und damit der Haß gegen alles Französische immer mehr ausbreiteten. Vom Waffenstillstande bis zum 10. September hatten die Franzosen etwa 120 000 Mann und 200 Geschütze, die Verbündeten ungefähr 80 000 Mann und 50 Geschütze eingebüßt.

Erstere konnten im freien Felde noch etwa 180 000 Mann, letztere durch herangezogene Verstärkungen zusammen 350 000 Mann zur Verwendung bringen.

Das kriegerische Genie und seine Tatkraft ermöglichten es Napoleon, sich noch über sechs Wochen in Sachsen zu halten und seinen Gegnern noch verschiedene Schläge beizubringen.

Nachdem Napoleon nach seinem Siege bei Dresden von der Verfolgung der böhmischen Armee zurückgekehrt war, beschloß er, der schlesischen Armee ebenfalls einen Hieb zu geben.

Bei Hochkirch erwischte er auch am 4. September Blüchers Vortruppen unter Katzler und zauste sie etwas. Hierauf rüstete Napoleon sich zur Schlacht. »I wo werd' ich denn!« dachte sich aber diesmal der Alte und befahl den Rückzug über die Neiße. Da der Feind nach dem Reitergefecht bei Markersdorf lebhaft nachdrängte, so entstand an den Neißebrücken bei Görlitz einige Unordnung. Vergebens bemühten sich die Offiziere, derselben zu steuern, als auch die Reiterei herzukam. Dies wurde Blücher zu bunt. »Mir nach« rief er, sprengte in den Fluß, ritt, freilich ziemlich naß geworden, auf einer Furt durch die Neiße und die ganze Kavallerie ihm nach. Unbelästigt fand nun der Übergang statt.

Napoleon erkannte den Alten, sah, daß er jetzt geflissentlich eine Schlacht vermeiden wollte, ließ von ihm ab und kehrte mit dem Korps Marmont, den Reitern Latours und seinen Garden nach Dresden zurück, da von dort ein erneutes Vorgehen der böhmischen Armee nach Dresden gemeldet wurde. In der Tat war Wittgenstein mit 40 000 Mann zur Erkundung gegen Dresden vorgesendet und Schwarzenberg selbst wollte mit 50 000 Mann gegen Napoleons Flanke vorstoßen, was nur ermüdende Hin- und Hermärsche verursachte, denn bei der böhmischen Hauptarmee hatte man die Rückkehr Napoleons nach Dresden erfahren. »Blücher muß nach Böhmen kommen. Dann haben wir 270 000 Mann beisammen.«

Wirklich erging in diesem Sinne ein Befehl an Blücher.

Blücher nahm an, daß auf Grund der Siegesnachricht von Dennewitz und des Herankommens von der Reservearmee Bennigsens doch alle Verhältnisse sich geändert hätten, und daß es das Beste sei, sich mit der schlesischen Armee nordwärts zu wenden, um sich mit der Nordarmee zu vereinen und dadurch den Kronprinzen von Schweden zu energischerer Tätigkeit zu veranlassen.

Der von ihm entsendete Major Rühle, ein gewandter Offizier, setzte es denn auch durch, den Kaiser Alexander in diesem Sinne zu überreden und dadurch Blücher und seine Armee vor der Vereinigung mit der böhmischen Armee zu bewahren.

Napoleon erschien aufs neue auf der Höhe des Gebirges. Allein er hatte sich in der Gangbarkeit der Wege getäuscht und auch die Stärke der Verbündeten unterschätzt. Es gab tüchtige Gefechte bei Hellendorf am 14. September und wieder bei Nollendorf-Kulm am 17. September. Beide verliefen ungünstig für die Franzosen, ohne sie aber besonders ernstlich zu schädigen.

Schwarzenberg hatte sie als Vorbereitungskämpfe für eine entscheidende Schlacht angesehen. Napoleon aber erkannte das Untunliche eines Hinabsteigens in das Tal, gab den Gedanken an einen Einfall in Böhmen nun vollständig auf und zog sich zurück. Schwarzenberg folgte nicht, die böhmische Armee brauchte Ruhe!

Auch bei der schlesischen Armee hatte sich der beabsichtigte Rechtsabmarsch verzögert, weil Blücher erst durch Vertreibung der bei Großenhain stehenden Heeresmacht des Königs von Neapel sich den Rücken frei machen und durch einen zweiten, aber sehr matten Stoß Napoleons gegen seine Armee am 22. September bei Bischofswerda und am 23. bei Roth-Nauslitz und Gödau aufgehalten wurde.

In der Zeit vom 18. bis 26. September fanden also nur unbedeutende Gefechte statt. Man plante bei den Verbündeten einen Linksabmarsch der böhmischen Armee, um über Chemnitz vorzustoßen, und bei der schlesischen Armee einen Rechtsabmarsch, um unterhalb Dresdens die Elbe zu überschreiten. Dann wollte man mit der vereinten Nord- und schlesischen Armee vielleicht über Meißen oder Riesa dem Heere Napoleons in den Rücken marschieren oder ihn durch diese Umgehungen seiner beiden Flügel zum Rückmarsch veranlassen.

Napoleon entschloß sich nunmehr, das rechte Elbufer aufzugeben und seine Streitkräfte auf dem linken mehr zusammenzuziehen.

Wir können die in den Operationen entstandene Pause benützen, um uns etwas nach den Parteigängern der Verbündeten umzusehen.

Die gewaltige Begeisterung für die deutsche Sache griff auch im Rücken der französischen Armeen, ja sogar in den Reihen der gegen sie kämpfenden deutschen Truppen mehr und mehr um sich. Daß ein solches Verhalten der Bevölkerung und eines Teiles der gegnerischen Truppen den Parteigängerkrieg ungemein unterstützte, ist selbstverständlich.

So trieb sich der frühere sächsische, jetzt in russische Dienste übergetretene General Thielemann mit 1500 Reitern und 2 Kanonen hinter den Franzosen im Altenburgischen und dessen Umgebung herum, sprengte am 11. September eine 4500 Mann starke feindliche Kolonne, machte in Weißenfels 1282 Mann zu Gefangenen, hieb am 20. September 400 Mann Bedeckung eines Trains nieder, machte 200 zu Gefangenen usf. Ähnliches leisteten der preußische Rittmeister Graf Wartensleben, der Naumburg eroberte, die preußischen Offiziere Major von Colomb und Rittmeister Graf Pückler, der Kosaken-Hetman Graf Platof, der österreichische Oberst Graf Mennsdorf, ferner Lützow mit seiner »Schwarzen Schar«, der preußische Oberstleutnant von der Marwitz, welcher Braunschweig einnahm, und andere mehr. Dadurch wurden die französischen Kuriere abgefangen, Zufuhren, Depeschen weggenommen, die großen Armeen mit Nachrichten versorgt, zahlreiche Gefangene gemacht.

Als dies Napoleon zu viel wurde, entsandte er die 8000 Mann starke Gardedivision Lefebvre-Desnoëttes. Diese geriet aber in die Hände der sich schnell vereinenden Freikorps von Thielemann, Mennsdorf und Platof und wurde bei Zeitz größtenteils niedergemacht. 5 Kanonen, 3 Garde-Fahnen, 1 Oberst, 55 Offiziere, 1380 Mann und 400 Beutepferde bildeten die Siegestrophäen der deutschen und russischen Parteigänger. Die kühnsten Taten führten die russischen Generale Tschernitscheff und Tettenborn aus. Ersterer ritt mit 2000 Reitern und 6 Geschützen von der Nordarmee weg über 200 Kilometer weit in das vom Feinde besetzte Land, vertrieb den Bruder Napoleons, den König Hieronymus von Westfalen, aus seiner Hauptstadt Kassel, eroberte letztere, nahm dem Feinde 30 Geschütze, zahlreiche Gefangene, Kriegskassen usw. ab, hielt einen Triumpheinzug in die Stadt, erklärte das Königreich Westfalen für aufgelöst und kehrte, verstärkt durch viele Hunderte von Freiwilligen unbelästigt zur Elbe zurück.

Ähnlich erfolgreich war der 150 Kilometer weite Zug Tettenborns nach Bremen und die Einnahme dieser Stadt, wobei die Lützower sich sehr wacker hielten.

Alle die Hiobsposten, welche also auch von seinem Rücken her Napoleon trafen, machten einen tiefen Eindruck auf den französischen Kaiser und beschleunigten seinen Entschluß, das rechte Elbufer zu räumen.

Ende September begann eine neue Rührigkeit bei den Verbündeten. Die Reservearmee Bennigsens war in Böhmen eingetroffen und hatte die Vortruppen der böhmischen Armee abgelöst. Diese konnte daher endlich dem Trachenberger Kriegsplan gemäß an ihren Linksabmarsch und Vorstoß in der Richtung auf Leipzig denken.

Blücher hatte schon vorher seinen Rechtsabmarsch begonnen und dies und sein gewaltsamer Übergang bei Wartenburg gaben dem ganzen Kriege erst den rechten Schwung.

Bei letztgenannter Stadt bot die Elbe die meisten Vorteile für einen Brückenschlag. Der Kronprinz von Schweden, durch Blücher gedrängt, hatte dort eine solche errichten, beim Herannahen des französischen Korps Bertrand aber wieder abbrechen lassen. Nun befahl Blücher die Anfertigung von zwei Brücken nebeneinander. Dies gelang unter dem Schutze starker Artillerie. Die Franzosen meinten, es handle sich bei Wartenburg nur um ein Scheinmanöver und ließen dort nur ihr Korps Bertrand stehen. Fast wäre zwar auch jetzt noch nichts aus einem Übergang über die Elbe geworden, hätte nämlich der alte Blücher auf die von seinen Untergeneralen ihm gemachten Schwierigkeiten gehört.

Blücher veranlaßte Tauentzien und Bülow, gegen den Befehl des Kronprinzen, seinen Übergang zu unterstützen.

Endlich am 3. Oktober war man zum Übergang bei Wartenburg bereit.

Hier die hinter den Vortruppen schleierverdeckt, und von den Franzosen unbemerkt, heranmarschierende schlesische Armee, voran Yorck mit seinen Preußen,

dort General Bertrand mit seinem nur 12 000 Mann starken Korps, aber in einer wegen zahlreicher Überschwemmungen ausgezeichneten Stellung.

Bei Tagesanbruch kamen die ersten preußischen Brigaden, Prinz von Mecklenburg und Oberst Steinmetz, an der Elbe an, überschritten dieselbe und gingen, jener links, dieser in der Front, gegen Wartenburg vor. So hatte es Yorck angeordnet. Allein die Wasserlachen und nassen Gräben machten einen Sturm unmöglich. Die Franzosen befanden sich in vorzüglichen Stellungen auf den Dämmen und eröffneten überall ein für die Preußen höchst verlustreiches Feuer. Yorck selbst ritt durch den Kartätschenhagel, um sich umzusehen, mußte sich aber sagen, daß man so nicht zum Ziele kommen werde.

In der Front war also nichts gegen Wartenburg zu machen. So befahl denn Yorck, dasselbe links über Bleddin zu umgehen und den Franzosen in ihre rechte Flanke zu stoßen.

Nach langem schweren Kampfe ward das Dorf Bleddin gegen 2 Uhr vom Prinzen von Mecklenburg genommen. Der Feind zog sich zurück. Auf ihn warfen sich jetzt die schwarzen Husaren und zersprengten zuerst seine Gardereiter, dann seine Infanterie, um ihm schließlich noch drei Kanonen und zwei Haubitzen abzunehmen.

Damit war für die Bataillone Horns der Augenblick gekommen, Wartenburg selbst anzugreifen. Bis an den Gürtel wateten das Leibregiment und die Löwenberger Landwehr durch den Morast. Der General Horn voran. Sein Pferd bricht erschossen zusammen.

»Um Gottes willen, der General ist tot!«

»Kreuz Element, halt's Maul und hilf mir auf!«

Jetzt steht er wieder. »Ein Hundsfott, wer noch schießt! Zur Attacke Gewehr rechts!« Kein Mann schoß mehr. Mit Hurra wurde der Wall erstiegen.

»Wo Infanteristen durchkommen, kommen auch Geschütze durch!«

Wirklich brachte man durch den Sumpf zwei Kanonen auf den Wall, eine freilich mit zerbrochener Laffette und darum unbrauchbar. Mit der andern aber feuerte Leutnant Stern zweilötige Kartätschen auf nur 400 Schritt in die französischen Haufen. Nach dem vierten Schusse floh alles.

Nun ging auch Oberst Steinmetz mit seinen Breslauer Landwehrleuten zum Sturme vor.

Von allen Seiten wich jetzt der Feind aus Wartenburg. Da faßten ihn aber die mecklenburgischen und die schwarzen Husaren. Der Prinz selbst und seine Umgebung sprengten mitten unter die Italiener der Division Fontanelli.

» A bas les fusils!« Schnell gehorchten die eingeschüchterten Gegner dem Zurufe des Prinzen.

Die schwarzen Husaren hetzten noch weit hinter der feindlichen Infanterie und Kavallerie her und erbeuteten noch eine Kanone, drei Munitionswagen und viele Gefangene.

So endete die Schlacht bei Wartenburg, die schönste Kriegstat des Yorckschen Korps in diesem Feldzuge, ein Gefecht, in welchem die mit Umsicht gegebenen Befehle des »alten Isegrim« mit vorzüglicher Ausdauer und Tapferkeit durchgeführt und deshalb Stellungen erobert wurden, welche die Franzosen selbst für uneinnehmbar gehalten hatten.

Interessant ist der Ausspruch Blüchers über Yorck nach der Schlacht:

»Der Schwerenöter, der Yorck, ist schwer ins Feuer zu bringen«, meinte er. »Aber hab ich ihn einmal drin, so ist keiner besser als er.«

Der Verlust des Korps freilich war ziemlich bedeutend. Er betrug 67 Offiziere, 1548 Mann. Aber man hatte den Elbübergang erkämpft, 11 Geschütze, 70 Munitions- und andere Wagen erbeutet, an 1000 Gefangene gemacht und das französische Korps Bertrand unter bedeutenden Verlusten vollständig zurückgeworfen.

Am 4. Oktober stand das ganze schlesische Heer kampfbereit auf dem linken Elbufer, ein wichtiger Schritt zur Vereinigung der drei großen Heere der Verbündeten bei Leipzig war geschehen.

Das Netz um den fremden Unterdrücker zog sich mehr und mehr zusammen, seine endgültige Besiegung stand nahe bevor.

Die deutschen Völker des Rheinbundes drängten ihre Fürsten mehr und mehr zum Abfall von Napoleon, in Frankreich rührte sich wieder die alte königliche Partei, und plötzlich erfuhr Napoleon, daß der König Maximilian Joseph von Bayern, einer seiner ältesten Bundesgenossen, ins Lager der Verbündeten übergegangen war, und am 4. Oktober mit Österreich den Vertrag von Ried abgeschlossen habe, ja daß eine bayerisch-österreichische Armee von etwa 60 000 Mann bereits gegen Würzburg anrücke.

Das waren harte Schläge, aber der französische Kaiser verzagte noch nicht.

Noch einmal, als er den Übergang Blüchers bei Wartenburg erfahren, machte er einen Vorstoß, um die schlesische Armee vor ihrer Vereinigung mit der Nordarmee abzufangen. Er kam zu spät. Blücher war in westlicher Richtung nach der Mulde entwischt.

Am 12. Oktober hatten Blüchers Korps die Saale überschritten, leichte Reiterabteilungen suchten die Verbindung mit der böhmischen Armee auf und nunmehr mußten die Franzosen sich eiligst nach Leipzig zurückziehen, um nicht ganz von ihrer Rückzugslinie nach dem Rhein abgeschnitten zu werden.

Die böhmische Armee traf am 14. Oktober bei Borna und Groitzsch südlich ein und der Oberbefehlshaber ordnete noch für diesen Tag eine Erkundigung durch die Korps Wittgenstein, Kleist und Klenau an. Damit begann die Reihe der Kämpfe, welche um Leipzig herum geschlagen wurden, und die endlich die Befreiung Deutschlands von dem Joche des korsischen Gewaltherrschers erwirken sollten.


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