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Unaufhörlich strömte es aus allen umliegenden Orten nach der unglücklichen Stadt. Besonders aus Stahmeln, Wahren, Möckern, Gohlis, Eutritzsch, Leutsch und Lindenau zog eine wahre Völkerwanderung den Schutz verheißenden Toren zu. Und was waren das für bemitleidenswerte Gestalten! Am frühen Morgen sahen die Einwandernden noch nicht so traurig aus wie später. Zuerst kamen ganze Familien, die ihr bestes Hab und Gut auf Wagen geladen hatten, teilweise selbst oben darauf saßen und sich von ihren Pferden in die Stadt ziehen lassen wollten. Dies waren die reichen Bewohner der von dem Feinde zunächst bedrohten Dörfer. Sie konnten noch einen Teil ihres Besitzes retten, denn ihnen stand ja Fuhrwerk zu Gebote. Freilich gelangten nur wenige an ihr Ziel, denn die unaufhörlich aus den engen Festungstoren herausmarschierenden französischen Truppen, Munitionskolonnen, Verpflegungsabteilungen, die sich dagegen hineinwindenden Armeefahrzeuge, Reiter usw. ließen nicht leicht ein Bauernfuhrwerk zwischen sich einzwängen und so kam es, daß Dutzende solcher Wagen vor den Mauern der Stadt, seitlich der großen Straßen hielten und vergeblich warteten und hofften, in diese zu kommen. Später nahm die Völkerwanderung eine andere Gestalt an. Als die Kanonen der Preußen um Möckern, der Österreicher um Lindenau in diese Dörfer hineinwetterten, als die ersten Flüchtigen aus Wachau und Markkleeberg eintrafen, da sah man wahre Schreckenserscheinungen und Beispiele fürchterlicher Angst und entsetzlichen Elends. Wie sie waren und standen, hatten diese Armen Haus und Herd verlassen müssen. Nur was sie bei sich trugen, hatten sie gerettet. Viele konnten nichts von ihren Habseligkeiten mitnehmen, weil sie ihre kranken oder altersschwachen Verwandten schleppen mußten, manchen sonst starken Frauen und Männern benahm die Furcht ihre Kraft und mühsam unter Klagen und Weinen schoben sie langsam vorwärts. Wohin? In die Stadt! Und dort? Was sie dort wollten, wo sie dort eine Unterkunft finden sollten, das wußten sie nicht. Sie dachten zunächst nur daran, den fürchterlichen todbringenden Granaten, den so unheimlich pfeifenden Bleikugeln und den schaurigen Flammen ihrer Häuser zu entrinnen. Die Fußgänger konnten sich leichter durch die Tore winden als die Gefährte. Bald waren sämtliche Häuser der Stadt mehr wie überfüllt, denn hinausweisen konnte man diese Unglücklichen nicht. Wer sie nicht aus Menschlichkeit und Mitleid aufnahm, mußte schließlich der Gewalt weichen, denn jede Rücksicht auf fremdes Eigentum, alle Bande der Ordnung, alle Rechtsverhältnisse friedlicher Zeiten hatten aufgehört.
Von Stunde zu Stunde mehrte sich der Kanonendonner. Schließlich waren einzelne Schüsse gar nicht mehr zu unterscheiden. Von Wachau und von Möckern her klang es wie ununterbrochenes Rollen und immer höher steigender Rauch und Qualm verriet, daß dort außen nicht nur Tausende und Abertausende sich in wütendem Ringen gegenseitig mordeten, sondern daß auch ganze Dörfer, blühende Höfe und reiche Ortschaften der rasenden Kriegsfurie, den verzehrenden Flammen erlagen.
Gegen Mittag stiegen der greise König von Sachsen, seine Gemahlin und seine Tochter auf die Sternwarte, um den Gang der Schlacht zu beobachten. Welche Gefühle mochten das Herz dieses Monarchen beim Anblick der um Leipzig herum tobenden Schlacht durchbeben? Eine Reihe von Jahren hatte König Friedrich August mit seinem Verbündeten, dem Kaiser der Franzosen, zusammengestanden, da diesem noch die Sonne des Glücks leuchtete. Er wollte ihm auch jetzt in den Tagen des Unglücks die Treue nicht brechen. König Friedrich August erkannte nicht, daß das Wohl des großen Vaterlandes die ersten Rechte beanspruchen darf und daß er dem Vorteile der deutschen Sache selbst die edelsten persönlichen Empfindungen opfern mußte. Darum verstand ihn auch sein Volk nicht mehr. Darum vernahm er keinerlei Jubelrufe, als ihn die Leipziger heute vorüberfahren sahen.
Plötzlich läuteten die Glocken der Stadt. Sie sollten auf Befehl des französischen Kaisers den Bewohnern von Leipzig den Sieg bei Wachau über die böhmische Armee verkünden. Trotz alledem herrschte und blieb in ganz Leipzig eine düstere, erwartungsvolle Stimmung. Einerseits traute man den frohlockenden Nachrichten nicht recht, denn statt ferner und schwächer klang das fortwährende Geschützfeuer nur noch stärker als vorher, und anderseits hatte auch in Leipzig der deutsche Gedanke immer mehr Wurzel gefaßt, man fing an, im Stillen vielfach den Sieg der Verbündeten zu wünschen, wenn nur die Stadt vor den Greueln der Schlacht verschont bliebe.
Es begann jene unheimliche, schauerige Wanderung der von den verschiedenen Schlachtfeldern nach Leipzig eilenden Verwundeten. Das waren noch weit traurigere Bilder, als man sie bei den einziehenden Flüchtlingen aus den brennenden Dörfern gesehen. Anfangs ging es noch. Da kamen die Leichtverletzten, die sich selbst forthelfen konnten. Aber dann! Zunächst solche, welche noch Kraft genug besaßen, auf einen oder zwei leicht verwundete Kameraden gestützt, sich langsam vorwärts zu schleppen, dazwischen Offiziere von Leuten auf Bahren getragen, hierauf Wagen voll Schwerverwundeter, die doch noch auf Stroh lagen, zuletzt aber Leiterwagen, Karren und Fahrzeuge aller Art, auf welche man die zerfetzten und zerschmetterten Opfer militärischer Pflichttreue und kriegerischer Tapferkeit hinaufgeworfen hatte, wie sie gerade lagen, ohne Rücksicht auf ihre Bequemlichkeit, ohne untergeschobenes Stroh, auf- und übereinander, nur um sie doch wenigstens wegzubringen. Bald waren alle Spitäler und Lazarette überfüllt. Nun wurde das große Kornmagazin der Stadt – seine Bestände hatte der Krieg fast alle aufgezehrt – geräumt und zur Verfügung gestellt.
Über 6000 Verwundete fanden dort Platz. In unverhältnismäßig kurzer Zeit gab es daselbst kein freies Fleckchen mehr. Und immer strömten neue Verwundete in die Stadt! Hunderte, Tausende mußten vor dem Kornmagazin abgewiesen werden. Viele hatten nicht mehr die Kraft, sich anderweitig ein Unterkommen zu suchen; sie legten sich neben dem Magazin auf das nasse Pflaster und blieben dort ohne Decke, ohne Verband, ohne einen Tropfen Wasser unter freiem Himmel liegen. Die Mehrzahl starb während der Nacht. Das waren die Glücklichen.
Von den Verwundeten erfuhr man erst, daß sich die französischen Truppen immer noch in den alten Stellungen befänden. Also konnte von großen Errungenschaften derselben keine Rede sein.
Ziemlich spät in der Nacht kehrte Napoleon von seinem Ritt auf die verschiedenen Schlachtfelder nach Leipzig zurück. Er nahm nicht mehr in Reudnitz Quartier, sondern ließ die fünf Zelte, welche für ihn und sein Gefolge immer mit in das Feld genommen wurden, in einem der ausgetrockneten Teiche an der Rochlitzer Straße aufschlagen. Seine Garden lagerten um ihn her. Ein großes Wachtfeuer bezeichnete die Nähe des Kaisers.
Der auch heute bei Wachau siegreiche Schlachtenmeister fand keine Ruhe. Teils wandelte er an dem Wachtfeuer auf und ab, teils saß er in seinem Zelte und studierte in den vor ihm ausgebreiteten Karten. Mit einem Male rief er einen Ordonnanzoffizier und erteilte ihm den Befehl, den bei Dölitz gefangenen österreichischen General von Meerveldt vor ihn bringen zu lassen. Vor wenigen Minuten erst hatte er ausführlichere Nachrichten über die vollständige Niederlage Marmonts erhalten. Er wußte, daß ihm sein gefährlichster Feind, der alte Blücher, dicht auf dem Nacken saß und schloß daraus mit vollem Rechte, daß auch die Nordarmee der Verbündeten näher bei Leipzig stehen müsse, als er bisher angenommen. Dazu waren Nachrichten eingelaufen, daß auch die böhmische Armee bedeutende Verstärkungen erhalten würde, da die russische Reservearmee Bennigsens, sowie das österreichische Reservekorps Colloredo schon am 17. oder 18. Oktober sich mit den Truppen Schwarzenbergs vereinigen konnten. Alles dieses ließ in dem Kaiser den Wunsch auftauchen, jetzt, wo er noch den Erfolg von Wachau in die Wagschale legen konnte, Friedensvermittlungen anzubahnen. Als der geeignetste Überbringer seiner Vorschläge an die verbündeten Monarchen erschien ihm der gefangene österreichische General und deshalb befahl er, denselben zu holen. Er kannte ihn schon seit 1797, wo Meerveldt im Auftrage des Erzherzogs Karl wegen des Waffenstillstandes von Leoben mit ihm verhandelt und beim Frieden von Campo Formio mitgewirkt hatte. Der General erschien. Der Kaiser gab ihm mit freundlichen Worten seinen Degen zurück und lud ihn ein, an seiner frugalen Abendmahlzeit teilzunehmen. Hierauf teilte er dem überraschten österreichischen General mit, daß er ihm auf sein Ehrenwort, in diesem Feldzuge nicht mehr gegen Frankreich zu kämpfen, die Freiheit geben und ihn mit neuen Versöhnungsanerbietungen an den Kaiser von Österreich beauftragen wolle. Nun entwickelte sich zwischen Napoleon und seinem Gefangenen ein interessantes Gespräch Der Inhalt dieses Gesprächs wurde durch die Aufzeichnungen des kaiserlichen Privatsekretärs Fain, sowie jene des Generals von Meerveldt selbst der Nachwelt überliefert. über die damalige politische Lage und über die Bedingungen, unter welchen Frieden geschlossen werden könnte.
»Senden sie mir jemand,« sagte schließlich Napoleon, »zu dem ich Vertrauen haben kann und wir werden uns einigen können.«
Als er den General von Meerveldt entließ, bemerkte er noch: »Leben Sie wohl, General. Wenn Sie von meiner Seite den beiden Kaisern von Waffenstillstand sprechen werden, zweifle ich nicht, daß die Stimme, welche an ihr Ohr schlägt, sehr beredsam in ihrer Erinnerung sein wird.«
Der große Schlachtenmeister befand sich heute in einer argen Täuschung. Er setzte auf die Vermittlung Meerveldts weitgehende Hoffnungen. Dieser aber wurde anfangs von seinem Kaiser gar nicht vorgelassen, da derselbe ohne seine Verbündeten keine Vorschläge Napoleons entgegennehmen wollte, und als endlich die vereinten drei Monarchen sich die Botschaft des französischen Kaisers vortragen ließen, hielten sie es nicht für angezeigt, irgendeine Antwort darauf zu erteilen.
Napoleon beging den großen Fehler, während des ganzen 17. Oktobers auf eine solche zu warten und untätig stehen zu bleiben.
Die Nacht vom 16. zum 17. Oktober war für Freund und Feind gleich schrecklich. Die Truppen mußten zum weitaus größten Teil trotz Regen und Kälte unter freiem Himmel bleiben; Lebensmittel gab es fast keine und überall riefen die herumliegenden Toten und Verwundeten ununterbrochen die Erinnerung an die durchgemachten Schrecknisse der Schlacht wach und mahnten mit schaurigen Bildern an das, was jedem schon am nächsten Morgen ebenfalls bevorstehen konnte.
Eine tief ergreifende Szene fand am 17. früh bei den Preußen der schlesischen Armee statt. Yorck hatte – der 17. Oktober war ein Sonntag – Feldgottesdienst angeordnet. Wie herzergreifend sah es aus, als sich diese schwachen Reste von Bataillonen, fast von allen Führern verwaist, mit ihren Fahnen um den improvisierten Feldaltar versammelten! Den schlachterprobten, siegesreichen, harten Kriegern liefen die Tränen über die Wangen, als der Feldprobst und mit ihm alle noch vorhandenen Offiziere das Haupt entblößten und der würdige Geistliche nun sprach: »Laßt uns jetzt der teuren gefallenen Kameraden gedenken!«
Dem alten Blücher ließ es am 17. schon in aller Frühe keine Ruhe mehr. Bereits kurz nach Tagesanbruch erschien er bei den Vorposten. Er nahm deren Meldungen in Empfang und traf Anordnungen in großen und kleinen Dingen. Vor allem aber befahl er, daß Yorcks gestern so arg mitgenommenes Korps sich hinter Möckern zurückziehen und sich dort wieder in schlagfertigen Zustand setzen solle, die Stelle des Yorckschen Korps solle das Sackensche einnehmen, und dieses im Verein mit den Korps Langerons und St. Priests sollten alles, was von Franzosen noch nördlich Leipzig stand, über Gohlis hinaus bis in das Weichbild der Stadt zurückzuwerfen suchen.
Während man bei der schlesischen Armee die Vorbereitungen traf, um den Anforderungen des rastlosen Marschalls »Pascholl« »Marschall Vorwärts«. Auch die Russen nannten Blücher stets Marschall Vorwärts, d. h. Marschall Pascholl. Am 17. führte Blücher nur seine Russen vor. nachzukommen, war im Hauptquartier der böhmischen Armee Blüchers Adjutant, Oberst von der Goltz, angekommen und meldete den Sieg von Möckern. Längst hatte der Fürst Schwarzenberg erkannt, welch hohen Wert die Heeresführung Blüchers für den günstigen Verlauf des Feldzugs habe. Man wußte jetzt, daß er die ganze Triebkraft nicht nur der schlesischen, sondern auch der Nordarmee war. Für den 18. hatte man einen großen Angriff auf Napoleon geplant, weil an diesem Tage das Einwirken der Armee von Bennigsen und des Reservekorps von Colloredo in sicherer Aussicht stand. Man wollte sich der Unterstützung Blüchers vergewissern. Wie ihn möglichst schnell benachrichtigen?
»Der Husarenleutnant Graf Szechenyi soll sofort zu mir kommen.«
Nach kurzer Zeit stand der Gerufene vor dem Fürsten Schwarzenberg.
»Graf, getrauen Sie sich, auf dem kürzesten Wege, also mitten durch den Feind, zum General von Blücher zu reiten, um ihm mitzuteilen, daß ich morgen den 18. den Feind mit aller Macht angreifen werde, und ein gleiches auch von seiten der schlesischen Armee und der Nordarmee erwarte?«
»Durchlaucht, ich getrau mir's.« Dann ritt er ab.
Während man bei der böhmischen Armee stehen blieb, das Anrücken der Reserven abwartete und sich in großen Plänen für den folgenden Tag erging, glaubte Blücher in seinem Siegesmut nicht anders, als daß es schon heute am 17. erst recht losgehen werde. Deshalb befahl er Langeron, den Feind vom rechten Parthe-Ufer zu vertreiben und ließ zunächst die Dörfer Gohlis und Eutritzsch angreifen. Hier stieß man wieder auf die tapferen Polen Dombrowskis. Die Russen hatten Mühe genug, ihren ausdauernden Feinden die Ortschaften abzunehmen. Der Herzog von Padua wollte mit seinen französischen Reitern den Polen zu Hilfe eilen. Er kam aber recht schlecht an. Die Husaren des Generals von Waßiltschikow stürzten sich sofort auf die Franzosen, warfen sie und jagten nun hinter den fliehenden Feinden her, bis dicht an das Hallesche Tor von Leipzig. Eine Menge von Franzosen wurden von den Russen erschlagen, fünf Geschütze erbeutet und 500 Gefangene gemacht. Da sich dieser ganze Kampf im Rücken der polnisch-französischen Infanterie abgespielt hatte, so mußten die Russen ihre Trophäen in die Mitte nehmen und sich zwischen der Karrees bildenden feindlichen Infanterie durchwinden. Es gelang ihnen, mit ihrer ganzen Beute glücklich zu ihrem Korps zurückzukommen, ein glänzendes Beispiel, was kühner Reitergeist auch unter den schwierigsten Umständen zu leisten vermag.
Am Abend des 17. meldete sich Graf Szechenyi beim General von Blücher. Er war wirklich durch das ganze feindliche Lager geritten. Der Alte schmunzelte vergnügt, als er das kühne Husarenstückchen erfuhr, drückte dem verwegenen Reiter kameradschaftlich die Hand und ließ sich dann berichten, was ihn Schwarzenberg wissen lassen wollte. Seine Antwort auf die Botschaft ist geradezu klassisch.
»Ja, ja,« meinte er, »an mich soll's nicht fehlen! Auf mir kann sich der Herr Fürst schon verlassen. Werde das Meinige morgen tuen, Schwerenot! Was aber den Hasenfuß von Bernadott' angeht, na, den kriege der Teufel rann uff det Schlachtfeld.«
Dennoch konnte Blücher noch weiter dem Grafen Szechenyi mitteilen, daß man alles Menschenmögliche getan, um den schwedischen Kronprinzen zur Beteiligung an der morgigen Schlacht zu bewegen. Auf Betreiben Gneisenaus hatte auch der englische Kriegskommissär Stewart dem Kronprinzen gedroht, daß die englischen Subsidiengelder ausbleiben würden, wenn er für die gemeinsame Sache schlechterdings nichts tun wolle. Das wirkte endlich. Der Kronprinz ließ das russische 5000 Mann starke Reiterkorps Winzingerodes sofort zur Vereinigung mit Blüchers Armee abrücken und folgte selbst am 17. mit seiner ganzen Macht bis Breitenfeld nach.
Soweit hatte man ihn also glücklich »heran«. Nun machte er von neuem Schwierigkeiten. Ziemlich spät am Abend kam ein schwedischer Adjutant, um Blücher zu einer Zusammenkunft mit Bernadotte nach Breitenfeld einzuladen.
»Millionen Schock Donnerwetter. Habe nichts in Breitenfeld zu tun!«
Das war deutlich genug. Dagegen wurde ein vertrauter Bote zu Bülow gesendet, welchen Blücher unter Mitteilung des Planes für den morgigen Tag zur Mitwirkung auffordern ließ, was auch der Schwede dazu sagen wolle.
»Bei meinem Worte, ich werde jedenfalls mannhaft zu meinen Landsleuten und Waffenbrüdern stehen und unbedingt mitschlagen!« antwortete Bülow.
In der Nacht vom 17. zum 18. ließ der Kronprinz von Schweden Blücher nochmals dringender auffordern, zu einer Unterredung nach Breitenfeld zu kommen.
Jetzt hatte Gneisenau keine geringe Mühe, seinen Feldherrn zu überreden, um der guten Sache willen doch der Aufforderung des Kronprinzen nachzukommen. Endlich gab der Alte nach; aber er nahm Gneisenau und den Prinzen Wilhelm von Preußen mit und verlangte, daß Bülow, Krusemark und Pozzo di Borgo bei der Zusammenkunft zugegen seien, um Zeugen seiner Unterredung mit Bernadotte zu haben.
Bei derselben ging es toll genug zu. Der Schwede versuchte alle möglichen weitläufigen Umschweife und der alte Blücher tat sich durchaus keinen Zwang an und fluchte auf echte Husarenart los. Damit schlug er zuletzt alle strategischen Winkelzüge und taktischen Künsteleien Bernadottes nieder. Schließlich willigte letzterer ein, sich an der Schlacht zu beteiligen, hoffte aber noch durch ein Verlangen, das freilich sonderbar genug war, im letzten Augenblick alle Abmachungen zu vernichten.
» Eh bien,« meinte er, »ich will über alle strategischen Bedenken hinwegsehen, will mich opfern, falls mir mon cher frère d'armes für heute (es war unterdessen der Morgen angebrochen) 30 000 Mann von seiner Armee abgibt, denn ohne diese Verstärkung kann und werde ich den Angriff auf dem linken Ufer der Parthe nicht unternehmen.«
Nur einen kurzen Flammenblick warf der alte Blücher auf den Kronprinzen. Dann aber stimmte er, um ihm jeden Vorwand zu längerem Zögern zu benehmen, sofort der eigenartigen Forderung zu und stellte das Korps von Langeron Bernadotte zur Verfügung. Aber er nahm sich vor, selbst bei Langeron zu bleiben, um neue Ränke des Schweden vereiteln zu können. Glänzend hatte Blücher damit vor allem bewiesen, daß er, frei von jeder persönlichen Empfindlichkeit, nur an das große Ganze denke. Er verzichtete auf die Gelegenheit, sich selbst neue Lorbeeren zu erwerben. Er wußte, die Schwächung seiner Armee um fast zwei Dritteile bewirkte das Eingreifen der ganzen Nordarmee und machte dadurch den Ausgang der Schlacht unzweifelhaft zu einem siegreichen für die Verbündeten. Diese Entsagung wand ein neues Blatt in den Ehrenkranz des greisen Feldherrn.
Schon nach kurzer Zeit mußte aber Blücher doch wieder in die Befehlsführung des Kronprinzen eingreifen. Von der Unterredung weg ritten er und seine Begleiter nach den Höhen von Euteritzsch zurück. Man vernahm dort schon den Donner der bei Wachau wiederbeginnenden Schlacht. Da traf bei Langeron der Befehl des Kronprinzen ein, um die Parthe zu überschreiten, nach Taucha zu marschieren. Das wären zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück gewesen, um an den Feind zu gelangen, vor dem man jetzt stand. Das litt der alte Blücher, der zum guten Glücke schon bei Langeron angekommen war, einfach nicht. In vollem Zorne rief er aus: »Nichts da! Das ist Unsinn oder Verrat. Auf diese Art verlöre das Korps den ganzen Tag mit Marschieren, ohne des Feindes ansichtig zu werden. Sagt dem Prinzen, Langeron werde seine Befehle jenseits der Parthe, die er unverzüglich überschreiten wird, bei Abt Naundorf erwarten. Damit Punktum!«
So blieb es auch. Welch kolossale Mühe, welchen Aufwand von Überredung, ja von Selbstaufopferung hatte es gekostet, um endlich den Kronprinzen von Schweden dazu zu zwingen, das Netz um den fränkischen Löwen zu schließen, und dies verdankten die Verbündeten in erster Linie wieder dem alten General von Blücher!