Ludwig Thoma
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Die Wallfahrt

Im vorigen Jahr haben der Loibl und der Hofbauer eine große Lumperei angestiftet. Ich weiß nicht mehr genau, wie die Geschichte gewesen ist, und auch nicht, ob sie beim Vieh- oder beim Getreidehandel passiert ist. Zudem, was liegt am Ende daran, wenn der geneigte Leser eine Lumperei mehr vom Hofbauer kennen lernt? Ich habe eine sichere Hoffnung, daß es nicht die letzte war.

Heute will ich lieber berichten, wie die zwei abgedrehten Spitzbuben eine Wallfahrt gemacht haben. In der ersten Angst nämlich hat der Hofbauer das Gelübde getan, wenn er diesmal ungestraft durchkomme, dann wolle er im Mai zum hl. Rasso nach Andechs pilgern. Und wie dann die Geschichte alleweil gefährlicher wurde und der Herr Kommandant beim Unterbräu eines schönen Abends den Hofbauer recht spaßig anschaute, da schwur dieser heimlich, er wolle bei seiner Wallfahrt Erbsen in die Stiefel tun, damit er gewiß hart gehe und alle Sünden abbüße.

In Anbetracht dessen, daß er seinerzeit den Loibl zu der Lumperei verführt hatte, war es nicht mehr als billig, daß er ihn auch zu der Buße überredete. Er tat es so eindringlich, daß man schier auf den Glauben hätte verfallen können, es habe nicht bloß die christliche Reue, sondern auch ein bissel Schadenfreude selbigsmal den Hofbauer geleitet.

Soviel ist gewiß, daß seine Überredungskunst Erfolg hatte.

Der Loibl ist überhaupt ein gutmütiger Lapp im Vergleich zum Hofbauer, und um ein gutes Stück ängstlicher. Er meinte sogar, man solle ein Übriges tun und auf Kieselsteinen gehen, damit der hl. Rasso auch ganz gewiß die Herren vom Gericht mit Blindheit schlage. Es blieb jedoch bei den Erbsen, weil der Hofbauer erklärte, sie täten auch weh, und das sei die Hauptsache. Nach und nach ist dann der Mai gekommen. Den Loibl druckte sein Gewissen oder die Angst vor dem Herrn Kommandanten, und er erinnerte diesmal seinen Spießgesellen an das Gelübde. Der Hofbauer brachte allerhand Ausreden daher; einmal sagte er, daß er noch zu schwach sei und nicht aushalten könnte.

»Woißt, Loibl«, sagte er, »mir hat a Kapuziner verraten, daß aussetzen schlechter is, wia, net anfangen. Dös tat an heiligen Rasso schö verdriaßn, wann er do amol dö Freud hätt, und es wurd nachher mittendrin wieder nix.« Oder er sagte: »Loibl, es geht net; i hab erscht am letzten Sunnta a Todsünd beganga, und was dös bedeut, werst selm wissen. Da muaß i zerscht beicht'n.«

Endlich wurde die Geschichte dem Loibl zu dumm, und er erklärte kategorisch, am nächsten Sonntag wallfahre er nach Andechs, mit oder ohne Hofbauer. Zu zweit ging es zwar leichter, aber hinausschieben tät er es deswegen auf keinen Fall mehr.

Als der Hofbauer sah, daß ihm alle Flausen nichts helfen könnten, tat er einen langen Seufzer und sagte: »No, wia Gott wüll, i halt still. Roas ma halt auf Andechs!«

Der Sonntag kam, und es war ein wunderschöner Tag. Wär nicht der Hofbauer dabei gewesen, so tät ich sagen: der Himmel hatte offenbar ein Wohlgefallen an den zwei frommen Pilgern. So muß schon ein anderer Grund da gewesen sein. In aller Früh um fünf Uhr wanderten sie zum Dorfe hinaus. Der Loibl fing schon beim letzten Haus das Hinken an, so daß die Felberdirn, welche heraussah, ihn darum anredete.

»Wo aus so zeiti, LoibIbauer? Feit dir was, daß d' gar so krumm gehst?«

»Frag net so dumm und halt ander Leut net beim Beten auf!« antwortete für ihn der Hofbauer, welcher sich viel strammer hielt und mehr Duldermut zeigte.

Dann ging die Wanderung weiter; rechts und links standen die Felder in voller Pracht, die Lerchen stiegen auf und ab und sangen, daß es eine Freude war, Und im Zeidlfinger Holz schrie der Kuckuck so lustig, als wüßte er, daß Sonntag sei.

Der Loibl schlich langsam dahin; alle fünf Schritte fing er wieder das Jammern an: »Auweh, auweh! I tua g'wiß koan Zement mehr ins Mehl. Ah, Herrschaftseiten, tuat dös weh!«

»Laß no net aus, Loibl«, sagte der Hofbauer, »mir ham's gelobt und müassen's trag'n. Jetzt ist scho wia's is. Schau, mir war's jetzt aa lieber beim Unterwirt.« In Herrsching wollte der Loibl einkehren, aber da kam er schön an. »Dös gibt's net, dös derfst net«, sagte der Hofbauer, »da war dö ganz Wallfahrt umasunst. Halt no aus, jetzt san ma ja bald droben auf'm heilinga Berg.«

»Dös werd Zeit sei«, erwiderte Loibl, »o mei, o mei! I bin nur grad froh, daß ma koane Kieslstoana in d' Stiefel to hamm.«

»I aa«, sagte der Hofbauer.

Jetzt stiegen sie langsam aufwärts durch das Kiental. Als sie nur mehr etliche Minuten von Andechs weg waren, setzte sich der Loibl auf eine Bank.

»I muaß nomal rasten«, sagte er, »meine Füaß brennen als wia's hellichte Feuer.«

Wie er nun langsam verschnaufte, sah er seinen Mitpilger an und wunderte sich, daß er gar so frisch und aufrecht dastand.

»Du«, sagte er, »Hofbauer, i glaub alleweil, du hast gar koane Arwesen in deine Stiefel nei to?«

»Jo, Loibl, jo; was glabst denn, moanst, i tat an heiligen Rasso a so betrüagen? Aber woast, Loibl«, setzte er hinzu und blinzelte ein bissel mit dem linken Aug', »woaßt, Loibl, i hab's zerscht g'sotten!«

Seit derer Zeit sind der Loibl und der Hofbauer die ärgsten Feind, das heißt, damit ich es recht sage, der Hofbauer wär nicht so. Im Gegenteil, er versichert oft, daß er den Loibl recht gut leiden kann.

 


 


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