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Neulich lese ich einmal eine so rührsame Feuilletongeschichte, wie zwei Leuteln zusammenkommen und nach allen möglichen Hindernissen und Schwulitäten auf zuletzt doch noch kopuliert werden. ›Hm!‹ denk ich mir und zünd mir eine frische Zigarr an, ›das ist schon wirklich nett von so einem Romanschreiber, wie er die Mädeln unter die Hauben bringt! Wie wär's, wann du's auch einmal probieren tät'st? Ein bissel galant sein könnt nachgerad nicht schaden, und vielleicht macht es einen guten Eindruck bei den Damen.‹
Ich geh also ans Werk und zermarter vierzehn Tag lang meinen armen Kopf, wie ich es angehen möcht, eine rechtschaffene Liebesgeschicht zu schreiben.
Ich werd den Nazi mit einer Ehhalten verheiraten müssen, überleg ich mir; vielleicht mit der Ochsendirn? Sie hat nichts und ist bildsauber, er will sie partout haben, zerkriegt sich mit seinem Alten, wird sterbenskrank und müßt elendig zugrund gehen, wenn nicht im letzten Augenblick noch der alte Hofbauer ein Einsehen kriegen tät. Das Einsehen mach ich so, daß die Ochsendirn dem widerhaarigen Vater das Leben rettet, indem sie den Saubären, der ihn schon auf dem Boden unter sich hat, mit der Mistgabel versticht. In seiner Dankbarkeit bricht der Hofbauer in Tränen aus und segnet den Bund zwischen der Ochsendirn und seinem Nazi. – – –
Zwei Tag lang hat mich das »Motiv« gefreut. Es war nicht ganz neu, aber sehr geeignet für die Damenwelt, die sich allemal freut, wenn in einem Roman ein armes Mädel zum Heiraten kommt; in der Wirklichkeit sind ja die Fäll rar geworden. Aber wie es so geht, kaum hab ich mich hingesetzt zum Schreiben, sind schon die Bedenken gekommen. Ich stell mir den Nazi vor, wie er einer armen Dirn die Heirat antragt, und besinn mich hin und her, was oder wie er da reden tat. Und ich stell ihn mir vor, wie er dann todkrank im Bett liegt, nicht, weil er seinen Kirchweihrausch ausschlafen muß, sondern weil er aus unglücklicher Liebe sterben will … Da hört mit einem Schlag die ganze Phantasie auf, und ich hab das Gefühl, als tät mein Verstand Karussell fahren.
Aber wenn unsereiner wirklich einmal eine Idee hat, dann trennt er sich halt doch schwer davon, und deswegen hab ich jeden Tag darüber nachdenken müssen, ob ich denn gar keine romantische Dorfgeschichte zusammenleimen könnt. Da kommt vor ein paar Tagen die Seilerbäuerin von Huglfing zu mir herein und macht ein Gesicht, daß ich ihr gleich ankenn, es müßt ihr ein Prozeß oder so was Ähnliches not sein. »Seilerin,« sag ich, »wo fehlt's?« – »O mei, Herr Dokta, bei mir feit's weit. Dös hoaßt, nöt bei mir, sondern bei ihr …«
»So? Wer ist denn nachher die › ihr‹?«
»Ja, d' Monika, a meinige Tochter. Jetzt lassen S' Eahna verzähln, i tät um an Auskunft bitten. Sehg'n S', er hat ihr's Heiraten vasprocha, nachher hamm ma's notarisch g'macht, und jetzt mog er nimmer.«
»Jetzt mog er nimmer? So, so, hm. Und warum mog er denn nimmer?«
»Ja, weil sie oanauget (einäugig) is.«
Fft! Das klingt ja ganz romantisch; sollte ich hier den Stoff zu einer Novelle gefunden haben? Famos!
»Seilerin,« sag ich, » die G'schicht mußt mir g'nau verzählen, du woaßt scho, de Ehesachen müssen akkurat aufg'nommen wer'n, sunst is nix. Sag' mir nur alles haarscharf und wie's g'wesen is.«
Na, die Seilerin hätt keinen liebern Auftrag kriegen können; sie setzt sich recht breitlings auf den Stuhl, als wollt sie mir andeuten, daß sie so schnell nicht mehr aufstehen tät, dann streicht sie ein paarmal über die Schürze und fangt an:
»Ja, am Antlaßpfinsta is sie ums Brautringel g'fahren; na, halt, da is net ganga, da is a Kuah krank wor'n, am Mieka (Mittwoch) is nunter g'fahren, und da ham s' ausg'macht, daß s' mitanand nach Pfaffahofen zum Ringlkaafen gengan.
Aba da hat er auf oamal g'sagt, dös braucht's net, mi hamm ja no von der ersten Frau oan; er is nemli Wittiber und hat sechs Kinda; ja, und nachher hat er g'sagt, du kannst dös alte Ringel hamm, und ihre Riegelhauben kriagst aa glei. –
No, wia 'r er ihr dö Riegelhauben gibt, sagt er: Du bist ja gar oanauget? Freili, sagt sie, indem daß mi vor drei Jahr da Ranner Michel mit der Heugabel g'stochen hat. Hast du dös net ehender g'neißt (gemerkt)?
Wia soll denn i dös wissen? sagt er, da hamm de Heiratsmacher koa Wort net davo g'sagt. Und jetzt mog i di nimma …
Wennst mi nimma magst, sagt sie, nacha brauch i dei Riegelhauben aa net, hat s' g'sagt und hat die Riegelhauben am Tisch hing'legt. Und nacha is sie hoam.
Ja, und nach zwoa Täg is er kemma durch dös, daß mi eahm g'schrieben hamm, weil's do scho notarisch g'macht g'wesen is. Wia 'r er bei der Tür rei is, hat er g'sagt: no, was tea ma jetzt? Heiret mi oda heiret mi nöt?
Dös sollt'st jetzt do scho wissen, hat der Bauer g'sagt, indem daß d' Musi scho b'schtellt is und da Kammerwagen scho herg'richt is. Ja, hat er g'moant, dös hätt'n halt mi glei sag'n sollen, daß sie oanauget is, nachher hätt's dös alles net braucht, und jetzt wisset er nicht, was er toa soll. No, mi hamm eahm zuag'redt, daß ihr sonst nie nix g'fehlt hat, und es san do scho viele do g'wes'n, de wo wengen Heiraten g'fragt hamm, und koana hat was vom Oanaugetsei g'sagt; bloß daß 's Geld z'weni g'west is. Und er als Wittiber mit sechs Kinda brauchet scho gar net so g'schleckig z'sei. Auf z'letzt hat er si wieda b'sunna und sagt: jetzt war's eahm gnetta gleich, weil er do scho mit ihr verkünd't war, und am Montag tat er s' heirat'n.
Mi san ganz fidel g'wen, da is am andern Tag a Schreiben kemma, wo d'rin g'standen is, dös waar koa Ehestand net, wo sie oanauget is und er nix woaß, und er möcht absolut durchaus gar nimma; mi soll'n zum Notari fahr'n, zum Z'ruckprotokollier'n. Ja, und jetzt tat i um Auskunft bitten, ob mi dös leiden müassen, Herr Dokta?«
»Mei liebe Seilerin,« sag i, »Sie haben die G'schicht zwar recht ausführlich erzählt, aber ich versteh, aufrichtig g'sagt, die Sach noch lang net. Da müssen S' mir schon a paar Fragen erlauben. Zu allererst, wer is denn eigentli ›er‹?«
»Er? Wissen S', dös is da Schuastabauer vo Watschenbach, 's ganz Häusel voller Schulden und …«
»Halt, halt! Nur langsam! Passen S' auf, jetzt komm ich zu dem dunkelsten Punkt der Anklage, wia meine Herren Kollegen sagen, nämli, sagen S' mir einmal aufrichtig: hat denn der Schusterbauer Ihre Tochter net früher ang'schaut? Hat er s' net ang'schaut, vor er ang'halten hat?«
»Na, da hat er s' net g'sehg'n. Wissen S', Herr Dokta, de G'schicht is a so g'wen. Vor a Monat a zwoa kimmt er zu mir in Kuchel und fragt, wo der Bauer is. Der is im Stall d'außt, sag i, warum, hast a G'schäft mit eahm? Na, sagt er, aber reden muaß i mit eahm. No, nachher is er in Stall naus, und i hinter eahm drei. Bauer, sagt er, wie is? I muaß heirat'n, wia viel kriagt enker Monika? Zwoatausad, sagt da Bauer, und 's Protokollieren zahl i aa. Zwoatausad, sagt er, gelt (gilt) scho; no, nachher is er wieda ganga.
I hab'n no g'fragt aa, ob er mit da Monika net sprachen will. Zu wos, sagt er, braucht's ja net, i bi scho z'frieben (zufrieden), beim Protokollieren kemma ma a so z'samm. No, uns is recht g'wen, und ihr is recht g'wen, und acht Tag d'rauf san ma zu'n Notari. Schaun S', Herr Dokta, gar nixen hätt's braucht, so schö war's ganga, und jetzt kimmt er mit dera Dummheit. Er muaß eahm an anderne aufganga hamm …«
»Das mag sein, Seilerin, aber sagen S' mir doch um Gottes willen, hat er sie denn beim Protokollieren auch net ang'schaut?«
»I glaab net, oder er hat eahm so g'nau net aufpaßt. Er is nach'm Protokollieren g'schwind furt, weil er no mehra G'schäft g'habt hat, und is nimma kemma aa. Erscht acht Tag vor der Hozet hat er sagen lassen, sie soll abiroasen z'weng an Ringlkaafa. Ums Verkünden und ums Ausmacha von da Hozet hat er si überhaupts gar net kümmert, dös hat alles a seiniger Freund to, der wo eahm die Monika verraten hat.«
»Soo? Hm! Die Sachlage hätten wir also, Seilerin; jetzt brauch ich bloß noch zu wissen, was Sie eigentlich vom Schusterbauer wollen.«
»Ja, an Entschädigung will mi. Und überhaupts möcht mi wissen, ob er no z'rucksteh ko. Der Bauer sagt, dös gibt's net, weil dös koa › g'setzlicher Fehler‹ net is.«
»Was ist kein g'setzlicher Fehler?«
»'s Oanauget sei! Der Landrichter vo Pfaffahofa hat's aa g'sagt, wia'n da Bauer g'fragt hat. Seiler, hat er g'sagt, da hast schon recht, sagt er. Ein g'setzlicher Fehler, sagt er, ist das ganz und gar durchaus nicht. Feit Eahna was, Herr Dokta?«
»Na, na, i hab bloß ein bissel G'sichtreißen, Seilerin,« sag ich und dreh mich um.
»Ja,« fahrt sie fort, »aba mi mögen gar nimma; dreihundert March muß er zahl'n und nacha is aus. So viel Schaden hamm ma g'habt mit der Aussteuer, dö muaß er zahl'n. San S' so guat und schreiben S' eahm an Briaf, und wann er net guatwillig mag, nacha klag'n ma.«
»Is recht, Seilerin, ich will ihm schreiben, eine Entschädigung muß er auf alle Fäll zahlen. Wir werden vorläufig schon sehen, was er sagt.«
»Ja, Herr Dokta, jetzt hätt' i no a Frag. Wia is denn, wann er wieda mog? Er hat zu sein Spezi g'sagt, wann er die Kosten alle zahlen müaßt, nacha heiret er s' liaba. Wie is denn dös?«
»Mei liebe Seilerin, da bin i überfragt. Das müssen S' mit der Monika ausmachen.«
»Moanen S'? No, mi wern's nacha scho sehg'n. Jetzt schreim S' eahm amol. S' Good, Herr Dokta!«
Ich werd das Romanschreiben doch lieber nicht anfangen.