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Der Truderer

In Guglfing haben sie einen Truderer (Hexenmeister), draußen ganz am Ende des Dorfes wohnt er; und wer's noch nicht weiß, der kann es genau lesen, denn die Schulbuben und die Mädel haben es überall hingeschrieben, an die Fensterläden, an die Türen und an das hölzerne Häusel hinter dem Misthaufen.

Manch einer hat auch eine grausliche Zeichnung dazu gemacht oder einen schrecklichen Vers. Das war dann gewiß ein Bursche, der vom Wirtshaus heimging und dem geschwind noch der Witz eingefallen ist.

»In dem Haus wohnt die Trud,
Gib's acht, daß dir's nichts tut«

oder so dergleichen; das Bauernvolk ist gar dichterisch veranlagt, und es ist durchaus nicht zu wundern, wenn einer schnell einen Vers machen kann, besonders einen boshaften. Wundern möcht man sich bloß, daß einer immer gleich die Kreide dabei hat, um den Vers recht sichtbarlich hinzuschreiben.

Aber freilich, wer einmal bis zu dem Truderer hinausgeht, der muß schon die Absicht haben, ihm eines anzukreiden; denn Wirtshaus ist keines da draußen und mit dem Kammerfensterln ist's auch nichts mehr, seitdem die Felberdirn fortkommen ist, in die Stadt hinein in den herrischen Dienst.

Also der Wagner von Guglfing ist ein Truderer; eigentlich liegt das schon lange auf dem Haus. Sein Vater ist einmal erwischt worden beim Bilmesschneiden. Der frühere Bürgermeister hat ihn heimkommen sehen, von den Getreidefeldern herein – spät in der Nacht. Und am andern Tage konnte man einen Streifen im Schuster seinem Weizenfelde bemerken, links und rechts davon waren die Ähren leer. Was das zu bedeuten hat, weiß jedes Kind in Guglfing. Wenn das Getreid in die Blüte schießt, dann reitet nachts der Bilmesschneider auf einem schwarzen Geißbock durch die Felder; und wo der Bock die Halme streift, da fliegen die Körner aus den Ähren und fliegen in dem Bilmesschneider seinen Stadel.

Freilich, beweisen hat man es dem alten Wagner nicht können, wenigstens nicht gerichtlich; denn wie der Bürgermeister auf das Gericht gegangen ist und hat eine Straf haben wollen gegen den Frevler, da hat ihn der alte Landrichter etwas geheißen, was man nicht auf das Papier schreiben kann. Und der Hallodri, der Gerichtsdiener, hat ihn auch ganz »desperat« angeredet. »Lackl« war noch das wenigste. Ja, das Gericht! Natürlich, was wissen denn die von einem Truderer? In der Stadt glauben's so schon bald nicht mehr an den Teufel. Da ist gleich ausg'redt.

Mit der alten Wagnerin ist es auch nicht sauber; die ist offenbar eine Hex. Wenn die über ein Stiegel steigt, macht sie jedesmal ein Kreuz; von dem Pointner seiner besten Geiß hat sie einmal das Maß genommen; die hat das Schwinden gekriegt und lange keine Milch mehr gegeben. Und so vor zehn Jahren hat der Burghofer einen Schaden im Stall gespürt. Der ist aber ein Schlauer und hat gleich die Hexenbannerin von Rogling kommen lassen; die hat den Stall entzaubert und gesagt: »Fünf Häuser weiter weg, da wohnt die Hex, die es dem Vieh angetan hat.« Und richtig ist es dem Truderer sein Haus gewesen.

Wenn wirklich einer im Dorf gewesen ist, der die Wagnerischen für unschuldig hielt, dann ist er bekehrt gewesen von dem Tag an. Und dabei blieb es, auch als der junge Wagner von der Militari heimkam und das Häusel übernahm. Wie wär's denn zum glauben, daß ihm die Alten die bösen Kunst nicht gezeigt hätten? Das macht den Guglfingern aber schon keiner weis, da sind schon Helle dabei. Freilich, sagen traut es ihm niemand; der ist ein arg Grober und hat versprochen, er haut den ersten ungespitzt in den Boden hinein, der ihm die Elternleut verschandiert. Und wenn er so einen Versmacher und Kreidenschreiber erwischt, dem streicht er die Lederne schön an.

Drum, weil er den Bürgermeister-Schorschl einmal so gebeutelt hat, gehen auch die Kinder nicht mehr recht nah an das Haus hin, wenn sie die »Wagnerhex« herausschreien. Könnten leicht Schaden nehmen von dem wüsten Grobian. Die Erwachsenen aber und die Burschen reden halt ein bissel stiller, wenn sie über den Truderer etwas wissen, und sind halt ein bissel vorsichtiger, wenn sie ihm mit der Bierkreiden das Häusel verzieren.

Neulich ist aber die verhaltene Wut zum Platzen gekommen; der Bürgermeister hat das Blatt, was er sich sonst immer vor den Mund (wenn man hier so sagen darf) genommen hat, fallen lassen und hat einmal gehörig geschrien, schon so geschrien, daß es jeder hat hören können. Jeder! Das ist so zugegangen: Kauft da der Bürgermeister einen Ochsen; 600 Mark hat er gekostet, keinen Kreuzer weniger, achthalb Schuh hat er gemessen, schön aufgehörnt war er und scheckig, ein Prachtkerl! Wie ihn der Blasius, der Ochsenknecht, heimgetrieben hat, ist er um einen halben Schuh höher geworden – nämlich der Blasius; und wenn er wirklich im Vorbeigehen den Hut gerückt hat, das hat schon ein großer Bauer sein müssen; einen Gütler hat er gleich gar nicht angeschaut. Und daheim ist das halbe Dorf gekommen, hat ihn bewundert und ihm in das Maul gelangt – nämlich dem Ochsen – und nach den Zähnen geschaut. Der Ochs steht drei, vier Tage im Stall, auf einmal mag er nicht mehr fressen, er hat nicht das Rechte. Der Bürgermeister lauft zum Mesner, der sich auf das Vieh gut versteht; aber diesmal kennt er sich nicht aus; auf und auf schaut der Ochs gesund her, und doch frißt er nicht. Da hat's was, und zwar nichts Gutes. »Am End ist der Ochs ›angesprochen‹ worden und verhext,« meint der Mesner und blinzelt so, als ob er sagen wollt': »Verstehst', Bürgermeister, aber ich mag's nicht verkünden, was ich weiß?«

»Verhext! Kreuz Birnbaum … Am End hat gar der Truderer … Ja, da soll doch schon gleich ein siedig's Donnerwetter dreinschlagen!«

Aber das hat er bald heraus, – der Bürgermeister, dem muß er auf die Spur kommen. Und richtig, er hat noch nicht ganz fertig geflucht, meldet sich das Gänsdirndl und sagt: Jetzt ginge ihr ein Licht auf. »So? Ja wie denn?« Ja, gestern ist sie auf der Brandlwiesen beim Hüten gewesen, da ist der Truderer zu ihr hinkommen. – »Aha!« – Ja, und da hat er eine Zwiesprach mit ihr angefangen. – »Und du hast dich drauf einlassen, du Malafiz … aber nur weiter.« – Ja, und da hat er gefragt, wie's dem Bürgermeister geht, hat er gefragt, und der hätt' ja jetzt so einen schönen Ochsen gekauft? »Und was für einen schönen!« sagt sie.

Ja, und wie groß er denn sei? »Achthalb Schuh meßt er,« sagt sie.

»Das ist fein schon eine schöne Größ,« sagt er, »und scheckig ist er auch?«

»Jawohl, braun und weiß.«

Und wo er im Stall steht? »Ja, zwischen der Pinzgerin und der Bleß.« – »So, so,« sagt er, und dann is er wieder gangen.

»So, da is er wieder gangen? Und du kannst auch gehen, Lausdeandl; gleich gehst aus dem Haus, das wär mir das Saubere, im eigenen Haus den Judas haben! Komm mir nur nimmer vor die Augen! …

Mesner, da hamm mer's ja! Aber wart nur, jetzt gibt's koa Schonung mehr,« so schimpft der Bürgermeister und rennt in der blinden Wut zur Tür naus; der Mesner hinterdrein, die Bäuerin auch, auf der Straß kommen die Nachbarn dazu; es wird ein schöner Haufen Leut.

Zum Truderer naus geht der Zug; da stellen sie sich auf, und wie der Wagner herauskommt, fangt der Bürgermeister seinen Gesang an; der war nicht schlecht.

Ich mag es da nicht herschreiben, was er alles gesagt hat; die meisten Leser täten es doch nicht verstehen, weil es gut guglfingerisch war, aber da kann ich sagen, wie der Bürgermeister aufgehört hat, war er schon so blau im Gesicht wie seine Giletleiblwesten. Der Truderer hat nicht entgegengeschimpft; einen Narren muß man gehen lassen, hat er gemeint, aber schenken tät er's dem Bürgermeister nicht; die Sach tät kriminalisch werden, und er wird ihn advokatisch klagen.

Also nach und nach verlaufen sich die Leut, weil sich nichts Richtiges rührt, und begleiten den Bürgermeister heim. Der hat gleich nach der Roglinger Hexenbannerin geschickt, und die ist noch nicht richtig beim Haus herein, hat der Ochs wieder gefressen. No also! – –

Wie die Geschichte ausgegangen ist? Ja, man soll's nicht glauben, aber freilich, heutzutag! Der Truderer hat wirklich den Bürgermeister advokatisch geklagt, und um Ostern herum ist die Sach kriminalisch geworden. Der Bürgermeister ist ganz unbesorgt in die Verhandlung gegangen; es kann ihm nichts fehlen, da kann er nicht wegen Beleidigung gestraft werden. Die Schuld von dem Truderer ist offenbar, das ganze Dorf kann es bezeugen, und es langen keine zehn, die einen Eid darauf schwören können. Also kann sich nichts fehlen, meinen S'?

Gerade umgekehrt ist es gegangen. So eine Verhandlung ist noch gar nicht dagewesen. Was sie den Bürgermeister alles geheißen haben, der Oberamtsrichter und der Advokat, das steht in keinem Katechismus.

Die Bauern haben nur so geschaut; die mehrere Zeit haben sie nicht gewußt, ist von dem Bürgermeister seinem Ochsen die Red oder von dem Bürgermeister selber. Auf vier Fuß lauft das, mit was sie ihn immer verglichen haben. Und zu guter Letzt haben sie den Bürgermeister auch noch verurteilt; fünfzig Mark muß er zahlen und die Kosten.

Ja, was ist denn jetzt das! Und dem Truderer geschieht nichts, aber rein gar nichts. Ja, ja, manchmal möcht einem schon der Verstand stillstehen. Und das Schönste ist, daß man den Truderer gar nicht mehr so heißen darf. Da muß man vorsichtig sein.


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