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Wallroß hatte sich wieder ganz erholt und genesen den Vorsatz gefaßt, seine Liebe und Leidenschaft nicht so unbedingt aufzuopfern, sondern sich wieder nach seiner Geliebten durch seinen Freund näher zu erkundigen. Er saß mit seinen Vertrauten, als einige Tage verflossen waren, an der Tafel, als beim Nachtisch der Bediente hereintrat und meldete, daß ein sonderbarer Mann draußen sei, der sich durchaus nicht wolle abweisen lassen, weil er behaupte, das Glück und die Wohlfahrt des gnädigen Herrn hänge von diesem Besuche ab. Lindhorst und Amsel erschraken, und Wallroß stand auf, um dem wunderbaren Fremden selbst entgegen zu gehen. Dieser trat jetzt ein, es war Wilderer oder Rumberg, sein Gesicht war völlig braun, sein Anzug sonderbar, und als er bis in 434 die Mitte des Zimmers vorgeschritten war, stand er still und sagte mit feierlicher Stimme: Verzeihung, daß ich mich so dreist in die Gesellschaft mir ganz fremder Männer dränge. Mir ist aber der Auftrag von einer hellerleuchteten Seele geworden, und zwar ein so dringender Befehl, daß ich mich dem Gebote nicht habe entziehen dürfen. Sie heißen Wallroß, verehrter korpulenter Mann, und sind neulich meuchlerisch in der Nacht angefallen worden, von einigen Tyrannen, die man, wie es verlautet, für zwei Barone halten muß, die in Grausamkeit und Frevelsinn noch jene des mittelsten Mittelalters übertreffen. Elisa zagt und weint, und ist gar nicht weit von hier, sie hofft auf den Erretter und gedenkt seiner Schwüre und Versicherungen. O Wallroß! Wallroß! soll Deine Saumseligkeit Schuld seyn an ihrem Untergange?
Alle waren erstaunt und erschrocken; Wallroß darüber, daß ein fremder Mann um seine Verhältnisse und Wünsche so genau wisse, und Lindhorst begriff nicht, wie der verruchte, ihm ehemals verbündete Mensch den Namen Elisa kenne.
Mein Herr, sagte endlich Wallroß – wer sind Sie? Wie kommen Sie zu diesen Kenntnissen?
Ich bin ein armer, unwissender Sterblicher, antwortete Jener mit einem tiefen Tone. Aber ich war so glücklich, ganz zufällig, von ohngefähr, wie der Zweifler und Gottlose sagt, in jener schicksalsschwangern Stunde Sie, Herr Wallroß, aus den Händen von zweien Bösewichtern zu erretten, die mit geschwärzten Angesichtern in rabenschwarzer Nacht sich an Sie machten und es gewiß nicht gut mit Ihnen meinten.
O mein Wohlthäter! o mein Erretter! rief Wallroß aus und schloß den Unbekannten in seine Arme. Sie waren es also, der neulich, wie vom Himmel herabgestiegen, jene beiden Bösewichter entwaffnete und in die Flucht schlug?
435 Ja wohl, sagte Wilderer, aber Sie, mein Herr, haben redlich mit geholfen, jene Philister zu dreschen und zu walken. Gewiß haben Jene noch blaue Flecke aufzuweisen und können sich nicht mit völliger Bequemlichkeit innerhalb ihrer Rippen bewegen. Den Einen von ihnen hätte ich beinah erwürgt, wenigstens habe ich ihm seinen Halsschmuck entrissen, den ich als ein Angedenken dieser Bosheit aufbewahren werde. Wem Sie aber Ihr Leben eigentlich zu danken haben, das ist eine erleuchtete Seherin, eine Sibylle, diese fällt von Zeit zu Zeit in einen tiefen prophetischen Schlaf, in welchem sich ihr Alles enthüllt. Diese, verehrter Herr Wallroß, hat in ihren Weihestunden Ihr ganzes Schicksal, Ihr vergangenes, wie künftiges gelesen. Sie hat in diesem Traum Ihre schöne Elisa und die verruchten Brüder gesehn, sie verkündete mir auch diesen Mordanschlag, der freilich nur eine unselige Prügelei war, sie sendete mich nach jener Stelle, kurz, sie weiß Alles, wohin sie nur ihre Aufmerksamkeit richten will.
Wie heißt sie? Wo befindet sie sich? rief Wallroß begeistert aus.
Im Gebirge, eine Stunde etwa von hier, antwortete Jener, lebt sie in einem kleinen Dorfe für jetzt, wohin sie mit ihrer großen Beschützerin, der Baronin Gutminne, seit einigen Tagen gegangen ist, um den Brunnen zu trinken und eine Kräuterkur zu brauchen. Sie kennt selbst die Gewächse am besten, die zu ihrem Heile dienen, und sammelt sie in gewissen Stunden beim Mondschein; sie streift auch in der Mitternacht oder unmittelbar vor Aufgang der Sonne den Thau vom Wiesenklee und präparirt mit ihm die seltensten und heilsamsten Mischungen. Sie versteht es auch, durch das Auge des Menschen in sein Herz hinein zu lesen und dort alle seine Anschläge und Gedanken zu entdecken.
Liebster! rief der entzückte Wallroß, mit dieser Seherin, 436 dieser großen Frau müssen Sie mich bekannt machen; sie muß mir mein Schicksal enthüllen, sie muß mir Rath ertheilen, wie ich zum Besitz meiner angebeteten Elisa gelange, wie wir den tyrannischen Brüdern und ihrem abscheulichen Beginnen entgegenwirken. Sieh, lieber Amsel, diese Prophetin hat es entdeckt, auf die rechte Art zu schlafen, von dieser kannst Du lernen und bei ihr in die Schule gehen. Können wir die wunderbare Dame jetzt besuchen?
Dem steht wohl nichts entgegen, antwortete Rumberg, auch können diese Herren uns begleiten, denn wenn sie mir gleich ganz fremd sind und ich sie noch niemals gesehen habe, so ist es genug, daß sie die Freunde von Wallroß sind.
Wallroß ließ seinen Wagen anspannen, und obgleich der Bergweg für ein Fuhrwerk nicht der bequemste war, so befanden sie sich doch nach einer Stunde ungefähr in jenem Dorfe, welches Rumberg bezeichnet hatte. Sie hielten vor einem großen, alten Hause, welches ehemals wohl ein herrschaftliches gewesen seyn mochte, in welchem aber jetzt ein Bauer wirthschaftete, der zugleich einen Gastwirth vorstellte. Dieser führte sie in ein geräumiges Zimmer, in welchem ihnen eine Dame entgegentrat, welche schon über dreißig Jahr alt seyn mochte und nicht häßlich zu nennen war. Halten wir uns ein wenig ruhig, sagte diese mit leiser Stimme, die Kranke schläft jetzt, um sich zu erquicken, einen gewöhnlichen menschlichen Schlaf, da die Reise hieher sie sehr angegriffen hat.
Diese Dame, geehrter Herr Wallroß, sagte Rumberg, ist die edle Beschützerin jener Hellsehenden.
Wer sind die Herren? fragte die Baronin: vom Herrn Wallroß konnte ich fast vermuthen, daß er herüber kommen würde. – Die beiden jüngern Freunde wurden ihr genannt, und sie schien besonders den blonden Amsel mit prüfenden 437 Blicken zu betrachten. Ich bin nicht, sagte sie dann mit salbungsreichem Ton, die Beschützerin jener merkwürdigen körperlich Kranken, deren hoher Geist um so gesunder ist, ich nenne mich am liebsten die Dienerin dieser begeisterten Seele. Ich bin ihr gefolgt, seit ich sie kennen lernte, und habe ihr einen Ruheplatz in dieser schönen Einsamkeit eingerichtet, wo sie, durch Hülfe ihres Arztes, des Herrn Rumberg, genesen kann, und zugleich sich jenen überirdischen Visionen hingeben, die uns Alle erleuchten müssen. Wird sie bald den Geist erlöset haben, der ihr auch hieher gefolgt ist?
Gnädige Frau, antwortete Rumberg sehr demüthig, Sie wissen es selbst, welch ein unwissender Laie ich bin, ich kann nur auf die Stimme jener Seherin horchen. Sie scheint es aber selbst noch nicht zu wissen, wie lange sie sich noch mit jener büßenden Seele wird zu beschäftigen haben, aber nach den Fortschritten, welche jene verstorbene Sünderin im Christenthum macht, ist, wie unsere Heilige auch selber glaubt, ihre Erlösung wohl nicht mehr fern.
Sie müssen wissen, meine Herren, sagte die Dame, daß jene Büßerin, jener Geist, von dem wir sprechen, vor vierhundert Jahren gelebt hat. Sie war eine Edeldame und hatte ihren Gemahl, einen angesehenen Ritter und Feldhauptmann, vergiftet, um einem jungen Menschen von bürgerlicher Herkunft ihre Hand geben zu können. Die Anverwandten des Mannes aber, welche sie schon längst mit scharfem Auge beobachtet hatten, faßten Argwohn, man stieß sie mit Gewalt in ein Kloster, aus welchem sie aber zu entfliehen Gelegenheit fand. Nun trieb sie sich, gesunken wie sie war, lange mit einem Kesselflicker im Lande umher, welcher zugleich Mitglied einer Zigeunerbande war. Sie ergab sich auch den Künsten und Gewerben dieser Vagabunden, ließ sich nachher von einem andern Zigeuner entführen, und als 438 dieser gehängt wurde, heirathete sie einen alten, dicken und gottlosen Bäckermeister. Dieser wurde, während einer Hungersnoth, von einem wüthenden Volkshaufen erschlagen, weil er, je mehr die Theuerung zunahm, die Brote immer kleiner buk, und so begab sie sich, von Noth gedrängt, selbst unter die Meuter und Verschwörer, bis sie endlich, nach manchen andern Schicksalen. im Gefängnisse starb.
Wunderbar! sagte der erstaunte Wallroß. Aber woher wissen die gnädige Frau das Alles, da die Sünderin schon so lange verstorben ist?
Mein Herr, antwortete sie, das ist eben die große und tröstende Entdeckung unsers Jahrhunderts, welche durch den ehemaligen animalischen Magnetismus und das ordinäre, alltägliche Hellsehen erst vorbereitet wurde. Es ist nehmlich eine schöne und religiöse Einrichtung, die erst jetzt zu Tage gefördert ist und vielleicht erst durch die Gaben der Hellsehenden möglich wurde, daß eine solche längst verstorbene Seele, die nun in einer Art von Verdammniß durch die öden Räume wandert, hiehin, dorthin, unsichtbar und nirgend Ruhe findet, sich bei einer frommen Hellsehenden melden darf. Wenn diese christlich genug denkt, sich ihrer anzunehmen, so kann die Sehende sie unterrichten und nach und nach so fromm machen, daß sie erlöst wird. So nimmt also die Sünderin, gerade wie ein Kind, förmlich Stunden bei der Erleuchteten, lernt den Katechismus und die Gebote auswendig, läßt sich vorbeten und spricht nach, kurz, geht in die Schule. Steigt die Inbrunst beiderseitiger Seelen recht hoch, so fährt die Verstorbene auch wohl ganz und gar in die Lebende hinein, und nun ringen oft die beiden Seelen und zanken und balgen sich mit einander, welche die stärkere sei. Ich versichere Sie, mein Herr, das ist alsdann für den denkenden christlichen Zuschauer einer der interessantesten und feierlichsten 439 Momente. Nun hört man mit ganz fremder Stimme die Sünderin sprechen, oft Fragmente ihres Lebenslaufes erzählen, oft lästert sie, flucht, schilt auf die Hellsehende, will sie beschämen und klatscht skandalöse Anekdoten von dieser und ihrer Heuchelei, bis dann die Fromme sie doch endlich bezwingt und unterkriegt, worauf die Böse dann Abbitte thut und wieder andächtige Sachen redet.
Das ist mir Alles so neu und unerhört, sagte Wallroß, daß mir der Kopf davon schwindelt.
Was unserer frommen Sibylle, fuhr die Dame fort, die meiste Mühe gekostet hat, ist, jener Büßerin ihre katholischen Grillen aus dem Kopfe zu bringen. Denn so sehr sie Sünderin war und weder auf Priester noch Kirche etwas gab, so sind ihr doch von ihrer frühesten Erziehung die Jugend-Eindrücke geblieben. Jetzt ist sie aber, wie gesagt, schon auf dem bessern Wege.
Sieht man sie nie? diese Sünderin? fragte Wallroß.
Von uns Niemand, antwortete die Dame, außer die Kranke, die sie uns auch oft genau beschreibt, selbst ihren Anzug, so umständlich, wie es nur ein Romandichter könnte. Daraus dürften denn auch die Herren, die sich immer mit dem Kostüm der Vorzeit beschäftigen, Vieles lernen und manche von ihren Irrthümern und Vorurtheilen ablegen. So wirft diese neue Entdeckung Licht in alle Wissenschaften hinein. Einmal hat sie doch den Herrn Doktor so stark im Vorbeigehn auf den Fuß getreten, und grade auf sein angeschwollenes Hühnerauge, daß er laut schreien mußte. Glauben Sie mir nur, meine Herren, große Bücher ließen sich von diesen allerwundersamsten Aussagen dieser redseligen Geister schreiben, die sich so gern den Sterblichen mittheilen möchten, wenn ihnen der Mund nicht dadurch geschlossen würde, daß ihnen keine von unsern Seelen entgegenkömmt, um sie 440 anzuhören. Es ist daher begreiflich, welche Frequenz und Konkurrenz einmal um eine Hellsehende von vielen Erlösungssüchtigen entstehen kann, wenn diese Sache im Geisterreiche dort erst mehr verbreitet und bekannter wird. Unsere Büßende hat es schon ihrem ersten Gemahl erzählt, der sich in seinem Ritter-Fanatismus noch immer in Stiefeln und Sporen und mit einem glänzenden Küraß herumtreibt, immer noch flucht und wettert und von Kirche und Religion nichts wissen will, sondern nur von Kolben, Turnieren, Grieswärtel, Faustrecht und dergleichen spricht, als wenn er unsern Veit Weber oder den Walter Scott gelesen hätte. Ihren bürgerlichen Liebhaber hat die Büßende auch wieder gesehn, der hatte sich damals in Verzweiflung erhängt und fliegt nun schon seit Jahrhunderten als schwarzer Käfer herum. Er kann, weil er noch immer in derselben Verzweiflung steckt, in welcher er gestorben ist, noch nicht einmal die menschliche Figur wieder finden; aber mittheilen darf er sich, erzählen kann er nach Herzenslust. Der Kesselflicker ist bei aller Lasterhaftigkeit schon etwas weiter, er sitzt als Frosch in einem Sumpf, kann sich aber zu Zeiten als Hund ohne Kopf, ja selbst als schwarzer Geist zeigen, und das ist für den Kerl gewissermaßen schon wie eine Einleitung zur einstigen Erlösung anzusehen. Die Kranke hat aber inständig gebeten, daß der büßende Geist jene abscheulichen Sünder ihr vors Erste noch nicht zuweisen solle, weil sie sich doch zu schwach fühle, alles das gottlose Volk selig zu beten und zu konfirmiren. Einmal hat die Leidende schon den Stiefeltritt und das Sporengeklirr des vergifteten Ritters vernommen, sie ist seiner aber nicht ansichtig geworden. Er ist noch zu wenig reif, sich der Heiligen verkünden zu dürfen. Sie sehn aber, meine Freunde, welche Erzählungen und ganz neue Sorte von Metamorphosen man schreiben könnte, wohl interessanter, als jene 441 heidnischen. Ja, ihr Geliebten, das Geheimniß ist in unsern Tagen offenbar worden und die Decke vom Angesicht Mosis niedergefallen.
Ich weiß nicht, sagte Wallroß, was ich denken und sagen soll; der gemeine Mann sagt in solcher Stimmung nicht übel: Ich weiß nicht, wie ich bekehrt bin.
Sehr guter Ausdruck, sagte die Baronin, man fühlt sich bekehrt und begreift doch gar noch nicht, wie. Die Offenbarung, die uns geworden ist, wird aber dann noch schlagender, der Eindruck noch ergreifender, wenn veritable böse Geister, eigentliche Teufel, einzeln oder in Gesellschaft in den Menschen hineinsteigen. Und sehr interessant ist die Entdeckung, daß zu diesen ganz außerordentlichen Evenements nicht einmal Hellsehende nothwendig sind; nein, dies kann selbst ganz ordinären, mitunter sogar lasterhaften Personen begegnen.
Teufel! was man so im Christenthum Teufel nennt? fragte Wallroß im höchsten Erstaunen.
Natürlich solche, antwortete die Dame fromm und ruhig. Oft fahren sie auch in gottselige Menschen, aus Bosheit über die Seligkeit, die diese schon hienieden genießen, aus niederträchtigem Neide. Diese schreien und toben dann Flüche und abscheuliche Gotteslästerungen mit ganz fremden Stimmen aus den armen Menschen heraus. O, ich versichere Sie, das ist dann höchst interessant mit anzusehen und wahrhaft erbaulich. Ich wüßte nicht, was ich darum gäbe, eines solchen Besessenen habhaft zu werden. Diese Besessenheit kommt auch nach gerade wieder auf, und manche Städte sind schon so glücklich, ein solches Exemplar zu besitzen, aber unsere Vorfahren, die von jener Besserungs-Anstalt durch die Hellsehenden noch gar nichts wußten, waren darin sehr begabt und bevorzugt, daß sie jene, von wahrhaften Teufeln 442 Besessenen oftmals beobachten konnten. Wie aber unser Jahrhundert immer in großen Erfindungen fortschreitet, so bin ich auch überzeugt, in zehn oder zwanzig Jahren wird keine Stadt oder kein Städtchen mehr seyn, das nicht seinen angestellten Besessenen aufzuweisen hätte, um so am kräftigsten dem Rationalismus, Spinozismus, Pantheismus und Atheismus entgegen zu kämpfen. Ich denke mir, man wird die Kunst entdecken, gewisse Individuen zu impfen, durch welche Operation sie der Besitzung und Besessenheit fähig gemacht, Inhaber eines bösen Geistes, oder mehrerer Teufel zu werden. Vielleicht aber nimmt die Anlage, besessen zu seyn, so überhand, daß man wieder Kinder impft, die nicht die Fähigkeit bekommen sollen, weil es am Ende doch an gewissen Exemplaren genügt und die Geschäfte des Lebens auch zu sehr dadurch gestört werden könnten. So viel ist gewiß, wir werden alsdann ein eignes großes Lexikon in einigen Folianten von den Namen vieler hunderttausend Teufel, ja Legionen, besitzen, und nähere Auskunft und Beschreibungen ihrer Fähigkeiten und Charaktere erhalten; denn was wollen die wenigen, bis jetzt populären von Satan, Beelzebub, Asmodi, Lucifer, Mephistopheles und noch eine Anzahl aus Fausts Höllenzwang besagen, da hier noch ein so unendliches Feld für neue Entdeckungen vor uns liegt?
In diesem Augenblicke hörte man husten und Rumberg sagte: es scheint, unsere Kranke im Zimmer nebenan ist aufgewacht; folgen Sie mir. Als man dem Voranschreitenden nachging, fuhr Lindhorst mit dem Ausdruck des Erschreckens zurück, so wie er die Prophetin ansichtig ward. Diese ließ sich von der Baronin die Eingetretenen nennen, und erklärte, daß sie sie niemals gesehen hätte, daß ihr Name und Personen völlig unbekannt wären. Lindhorst zog sich zurück, und stellte sich in die Vertiefung eines Fensters, die Dame machte 443 sich mit der Seherin viel zu thun, Wallroß setzte sich in die Nähe der Leidenden und Amsel schien neugierig, was sich ergeben würde. Der vorgebliche Doktor, nachdem er den Vorhang des einen Fensters zugezogen hatte, damit die Sibylle nicht vom Sonnenstrahl geblendet werden möchte, strich nur einigemal dieser über das blasse Angesicht, als sie auch schon in ihren Schlaf verfiel. Es währte nicht lange, so rief sie: Sei mir gegrüßt, Wallroß, Edelster der Menschen! O Du Leidender, Deine Seele erglüht für das Gute und Schöne, und Deine Elisa ist das schönste Wesen auf Erden. Auch wird sie Dein, aber nach Kämpfen, nach langem Streit. Dann aber wirst Du glücklich. Vertraue nur wenigen, sei argwöhnisch, aber Deine Freunde sind redlich, – doch welche? welche? Ach! der Arzt, der Arzt! Ja, der Rumberg, der sonst schon anders hieß, aber wie? wie? Er ist menschlich und brav, – aber auch schlimm. Ach! er führt einen bösen Stock; er weiß solch Instrument zu handhaben. Er hat unsern Wallroß damit gerettet in jener grauenvollen Nacht. Aber nicht waren es die Brüder, die Wüthriche, die ausgezogen waren, den Geliebten ihrer Schwester zu beschädigen. O nein, die Tyrannen würden mit Schwert und Schießgewehr gekommen seyn, um ihn zu vernichten. So war es auch eigentlich jenen Bösewichtern aufgetragen. Sie heißen – wie denn?
Amsel und Lindhorst husteten plötzlich, doch keiner sah sich nach ihnen um, so waren Alle auf die Reden der Prophetin gespannt. Ach ja! rief die aufathmende, Eichenwald und Drossel heißen die beiden Narren. Sie lachte plötzlich. – Wie wunderbar! Vor fünf Jahren lag der Drossel im Schatten einer Buche, und dichtete ein Liebeslied auf seine erste Geliebte, die Tochter eines Buchbinders, Lieschen, – er sang: Es treffe Blitz den Baum und mich vernichtend, 444 wenn ich Dich je vergesse. – Im folgenden Jahre wird der Buchenbaum von den Forstleuten umgehauen, ein Künstler kauft einige Zweige und arbeitet mit Mühe und Wohlgefallen den glatten Stab, mit welchem vier Jahr später jener Drossel, der Lieschen längst vergessen hatte, nicht nur vom Doktor einen tüchtigen Schlag, sondern ihrer viele empfängt. – Es giebt ein Schicksal. –
Amsel biß sich auf die Lippen und war blutroth geworden, Lindhorst lächelte und Wallroß war tiefsinnend. Jetzt wand sich die Prophetin, schlug die Hände an einander und sagte seufzend: Quält mich nicht, ich will ja schauen und gern das Geschaute verkündigen! – Elisa ist fern von hier, in einem andern Gebirge, sie schreibt. An wen? An ihren Geliebten! Aber auf welche Art wird sie ihm das Blatt zusenden können? Sie möchte verzweifeln. Die Brüder haben eine weite Reise vor, sie wollen sie einstecken, vielleicht in Sicilien in ein Kloster, wenn sie nicht den Willen der Bösewichter thut. Jedoch ich sehe, daß alle diese Plane scheitern werden, wenn nur Wallroß getreu bleibt. Er wird obsiegen, aber spät, und viele Opfer, Beschwerden, Noth wird es ihn kosten. Wenn er hart, ungetreu oder geizig ist, so verliert er alles.
Jetzt fiel die Seherin in einen natürlichen Schlaf und Wallroß fuhr tiefsinnend nach der Stadt zurück. Lindhorst und Amsel verfügten sich in ihr Landhaus und hier sagte Amsel: Ich glaube, wir sind verloren; es ist am besten, ich mache mich gleich aus dem Staube, denn das Ding nimmt kein gutes Ende.
Du wirst sehn, antwortete Lindhorst, der freche Schelm wird das nun im Großen und Verwegenen ausführen, was wir fein und fast bescheiden angelegt haben. Er bekommt nun die volle Erndte unserer Aussaat. Er ist klüger, der 445 widerwärtige Mensch, als ich mir einbildete. Dort im Bade, wo ich verweilte und das Gelüst befriedigte, einen großen Herrn zu spielen, dort hat er mich gesehn und beobachtet, ob ich mir gleich einbildete, daß ich mich seinem Blicke künstlich entzogen hätte.
Ein armes Weib von kränklichem Ansehen kam dort zu mir, und flehte in den rührendsten Ausdrücken um ein Almosen. Sie schien so ehrlich, brav und gut, dabei so simpel, daß ich vertraute, denn sie war mir für meine Gabe so unbedingt hingegeben, daß ich mir einbildete, ich könne ihr wiederum ohne Argwohn entgegen kommen. Sie erzählte mir eine lange Geschichte, wie sie aus dem Wohlstande zu diesem Elende herunter gekommen, wie viel Krankheiten sie überstanden, und wie durch alle diese Schicksale sogar ihr Verstand gelitten habe, daß es ihr unmöglich sei, etwas im Zusammenhang zu denken, oder zu begreifen. In weiblichen Arbeiten aber sei sie geschickt, auch habe sie vormals schon für einen Gelehrten abgeschrieben, denn ihre Handschrift sei sauber und deutlich, nur wäre es ihr gar zu traurig gewesen, daß sie im Kopiren niemals den Zusammenhang, selbst einer Erzählung habe begreifen können, sie schreibe alles nur so hin, wie eine Maschine, ohne den Inhalt zu fassen. Ich machte die Probe, die Schrift war klar, aber was sie geschrieben, wußte sie mir nicht wieder zu sagen. Das kam mir erwünscht, ich ließ von ihr die Briefe unserer Elisa schreiben, und brachte sie, um der Armen ein Unterkommen zu verschaffen, nach jenem Meierhofe. Sie schien mich wie einen Gott anzubeten und versicherte, ich habe sie vom Untergange und Selbstmord errettet. Und nun – finde ich die Boshafte dort plötzlich als Prophetin, Seherin, Begeisterte und Besessene wieder, als ein listiges gewandtes Instrument des verwegensten Menschen, des Wilderer. Dieser fatale 446 widerwärtige Patron, der mit allen Hunden gehetzt, Mitglied aller verdächtigen und verrätherischen Verbindungen gewesen ist, der dann wieder bald Autor, dann Komödiant, Fechtmeister, Soldat und Polizeispion war, sich in allen Ländern umhergetrieben hat, dieser Schändliche hat nun diese Betrügerin angeworben, oder ist schon lange mit ihr verbunden gewesen, und wir sind unbedingt seinen Räuberhänden übergeben, sind ihm auf Gnade und Ungnade ausgeliefert.
Es ist um zu verzweifeln! rief Amsel aus. Wer hätte denken sollen, daß unsere List, oder wie wir es nennen wollen, uns bis dahin hätte führen können? Und doch, hättest Du mich gleich anfangs in Kenntniß Deiner Plane gesetzt, hätte ich Dir wahrscheinlich abgerathen, oder mich ganz von dieser tollen und verwegenen Intrigue zurückgezogen. Aber, Freund, Du mußt doch bedeutende Summen dabei gewonnen haben, was ward mit diesen?
Ach! erwiederte Lindhorst, vieles habe ich, um groß zu thun, auf diesen dummen Reisen ausgegeben, bin unendlich großmüthig und wohlthätig gewesen, habe den edelsten Menschenfreund gespielt, der sich nur jemals in jenen Gegenden hatte blicken lassen. Ich fand ein vornehmes Mädchen dort im Bade, eine Schönheit, wie ich nur je eine sah: sie schien mich wohlwollend auszuzeichnen, ich galt ihr und vielen für einen reichen Grafen, wir scherzten, lachten, fuhren aus, denn sie war munter, und ich machte einen unsinnigen Aufwand, um mich bei ihr in Gunst zu setzen. Aber plötzlich war sie abgereist. Dann habe ich auch meine alten Schulden endlich bezahlt, die mir in jedem Augenblick Beschimpfung und Arrest zuziehen konnten. Das meiste liegt noch in meiner Schatulle.
Wie wär's, sagte Amsel, wenn Du dies dem Wallroß zurückstelltest, Dich ihm ganz entdecktest, sein Vergeben – –
447 Nein! nein! rief Lindhorst heftig aus, das erlaubt mir meine Ehre nicht. Das könnte nur zur tiefsten Erniedrigung führen. Und wenn er nun, unser Freund, keinen Spaß verstünde, und uns nicht vergeben wollte? Wenn Anklage, Prozeß, Gefängniß uns erwartete?
So wollen wir schnell in der Nacht abreisen –
Und uns von Steckbriefen verfolgen lassen? antwortete Lindhorst.
Aber was thun?
Fürs erste die Sache gehen lassen, sehn, welche Wendung sie nimmt, uns passiv verhalten. Ich hatte die Elisa schon entfernt, ich dachte sie nach fremden, fernen Ländern zu bringen, und so beschwichtigte sich dann nach und nach Alles von selbst. – Nach einiger Zeit hätte er sie vergessen, oder eine neue Liebschaft hätte sich angesponnen, aber jetzt sind wir durch unsern Leichtsinn in die verdammteste Situation gerathen, in die größte Gefahr – und doch dürfen wir durch einen Gewaltstreich und schnelle That diese Netze, die uns gefangen halten, nicht sprengen.
Amsel war tief betrübt, aber im Stillen nahm er sich vor, ohne mit seinem Freunde noch viel zu streiten, oder sich ihm mitzutheilen, bei erster Gelegenheit sich schnell und schweigend zu entfernen.
Plötzlich stand der gefürchtete Wilderer vor ihnen, welcher laut lachte, da er ihr Erschrecken bemerkte. Ich komme euch ungelegen, sagte er in seiner frechen Weise, thut nichts, wir wollen uns alle nicht geniren. Nun, Freund Lindhorst, Du hast dort Deine Korrespondentin wieder gefunden, unerwartet, denn ich bemerkte wohl Deinen Schreck. Ja, Leute, ihr seid darin ausgezeichnet glücklich, daß ich mich jetzt an die Spitze des Komplottes stelle, welches ihr so ungeschickt und kleinlich eingeleitet habt.
448 Man setzte sich und Rumberg forderte wieder ein Frühstück. Nach einigen Gesprächen sagte Wilderer plötzlich: Ihr seid perplex, Kinder, ich seh' es euch wohl an, ihr wünscht mich auf den Blocksberg, aber ich gebe euch mein Wort, ihr werdet mich nicht los, und ich kann euch eben so wenig frei geben, denn ihr möchtet euch vielleicht gern aus dem Staube machen. Aber wir brauchen einander gegenseitig, und die alte Freundschaft und Kameradschaft muß wieder erwachen.
Lindhorst faßte sich plötzlich ein Herz und sagte verwegen: Freund Wilderer oder Rumberg, Arzt oder Komödiant oder Landstreicher – wenn wir Euch nun dem Wallroß verriethen, Euch der Behörde anzeigten, und, um Euch nur los zu werden, uns selber der Gefahr und dem Gefängniß Preis gäben? Und ich versichre Euch, Wallroß selbst ist überzeugt, daß man ihn in jener Nacht ursprünglich nicht mißhandeln wollte. Er schlug zuerst aus: also will ich lieber ihm, als Euch heimfallen. Aber Ihr, Mensch, seid dann völlig gestürzt und ganz ruinirt, denn das wißt Ihr besser als ich selbst, daß Ihr als der berüchtigte Wilderer vogelfrei seid. –
Wilderer lachte herzlich, laut und eine geraume Zeit, dann sagte er ganz gelassen: Das ist ein sehr hübscher Einfall, mein Junge, Du solltest ihn nur ausführen, um zu sehn, in welch' ein Wespennest Du gestört hättest. Sieh, mein Sohn, ich führe die besten, kräftigsten Pässe von Gesandten, Magistraten und allen Behörden unterzeichnet, daß ich der Arzt Rumberg sei, die Beschreibung meiner Person ist genau hinzugefügt. Zum Ueberfluß habe ich meinen Taufschein, als Christian Adolph Rumberg, mit mir, vom Konsistorium mir in meiner Geburtsstadt ausgefertigt und vom Bürgermeister, Rath, Pastor und Superintendenten 449 meines ersten Wohnorts unterfertigt und besiegelt, daß ich jener Christian Rumberg bin. Ich habe selbst die Matrikel der Universität, wo ich Medizin studirt habe, meine Zeugnisse vom Gymnasium und der Hochschule, ebenso mein Certifikat, wie ich mein Examen glänzend bestanden und mit Ehren mein Diplom als Doktor erworben habe. He, Männchen? Sieh, ich selbst müßte ja von allem dem überzeugt werden, wenn mir einmal in müßiger Stunde der Zweifel an meiner Persönlichkeit kommen, und mir die Frage einfallen sollte, ob ich nicht eigentlich ein sicherer Wilderer sonst einmal gewesen. Aber das ist für immer abgethan. Doch außerdem noch – Jüngling! – Du wolltest unsre Sibylle stürzen? Du bist vielleicht zurück geblieben, ja, gewiß ist Dir das Jahrhundert zuvor geeilt. Sprecht einmal eure Anklage, ja nur euern Zweifel aus gegen diese hochbegeisterte Fromme, – und ein Heer von Religiösen wird über euch herfallen, und nicht bloß die Masse des gemeinen Volkes, – nein, Aerzte, Professoren, Barone und Grafen, Staatsmänner, bekannte Schriftsteller, Priester und angesehene Theologen – alle diese werden sich von euch nicht ihr Kleinod, ihre neu aufgestandene Rarität entreißen lassen. Ueber unsere enthusiastische Edeldame und ihre Aussagen habt ihr vielleicht gelacht, indem ihr sie für eine vereinzelte Seltenheit hieltet, aber die Vortreffliche ist im Gegentheil ein Probezeichen, ein Aushängebogen von Tausenden und aber Tausenden, die dieselbe Ueberzeugung theilen. Das ist eben das Große unsers Jahrhunderts, daß so unendlich viele Merkwürdigkeiten, seltsame und wunderliche Dinge, Wunder und Kuriositäten sich aufthun und geglaubt werden, Beifall finden, Enthusiasmus erregen, die noch vor dreißig und zwanzig Jahren ganz unmöglich waren, oder als Narrheit und Raserei, Aberwitz oder Seelenkrankheit verlacht wurden. Und 450 nun vollends – wer will etwa diesen religiösen Glauben, dieses Wunderzeichen einer zum Göttlichen zurückkehrenden Zeit stürzen? Etwa berühmte Schriftsteller, Aerzte, Pröbste, Medizinalräthe, große Juristen? – Nein, zwei verdorbene Studenten und Schöngeister, unbekannte Libellisten, die einen reichen Mann auf schimpfliche Weise um Geld geprellt, ihn an der Nase herumgeführt, und ihn dann in der Nacht meuchlerisch überfallen haben. Wenn die Welt dies hörte (und sie müßte es ja, wenn ihr die Anklage wagtet, augenblicks erfahren), glaubt ihr wirklich, daß ihr den Sieg davon tragen würdet?
Wenn wir also gefangen sind, sagte Lindhorst kleinlaut, – wie soll es werden? Was denkst Du mit uns anzufangen?
Das wird sich finden, antwortete jener, nur müßt ihr gehorchen, unbedingt Ordre pariren, und wenn ihr das thut, will ich euer Glück machen, indem ich das meinige fest begründe.
Amsel sprang jetzt auf und warf sich laut weinend dem häßlichen Mann an die Brust. Rette mich! erlöse mich! rief er schluchzend, ich passe nicht in diesen Klubb, in dieses gefährliche Treiben, ich bin zu schwach, um in diesem lebensgefährlichen Drama eine Rolle zu übernehmen.
Wilderer entfernte ihn von seinem Halse mit dem Ausdruck tiefer Verachtung. Nicht gegreint, Kleiner! sagte er dann, Du hast Recht, Du bist ganz unbrauchbar, ich lasse Dich gern los von dem Bande, und Du kannst vielleicht schon morgen oder übermorgen in alle Welt gehen und zwar als ein reicher Mann, denn Dein Glück soll zuerst von mir fabrizirt werden, wenn Du nehmlich klug genug bist, zu gehorchen.
Nun? fragte Amsel.
451 Wie ich gleich bemerkte, fuhr jener fort, hat Dich die reiche Baronin in ganz besondere Affektion genommen. Du bist jünger als sie, das schadet aber nichts, denn sie kann jedes Jahr, das sie Dir voraus hat, mit vielen Tausenden aufwägen. Sie hält Dich nicht nur für schön, sondern auch für sehr fromm, der höchsten Stufe im Geisterreich fähig und werth. Ach! diese liebe Frau, wie gern hätte ich sie selbst geheirathet, wenn ich ihr nur nicht zu alt wäre, und ihr auch, wie sie mir selbst gestanden hat, häßlich vorkäme, das Schlimmste aber ist, daß ich schon längst vermählt bin, und meine starke festgesinnte Frau will nichts von Scheidung wissen.
Du verheirathet? rief Lindhorst.
Ja, ihr Dummköpfe, sagte jener, seid ihr denn, ihr stumpfen Geister, noch gar nicht auf den Argwohn gerathen, daß jene gottbegeisterte Seherin meine eheleibliche Frau seyn könne?
Lindhorst schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf und brach in ein bittres Lachen aus: darum, sagte er dann ernsthaft und fügte nach einer Pause hinzu: Ja, ich bin ein Dummkopf!
Amsel war nachdenklich geworden, betrachtete jetzt den Doktor und sagte: Ich heirathen? die fremde Edelfrau? Wunderbar.
Der Doktor nahm ihn bei der Hand und sagte vornehm freundlich: Ja, Herzchen, das kann aber nicht so um nichts und wider nichts geschehn. Wie Tamino in der Zauberflöte mußt Du auch etwas dafür thun, und Deine Prüfung bestehen.
Und was?
Die zarte Frau ist nun eine Liebhaberin der Besessenen, Du mußt Dich in der nächsten Sitzung von einigen Teufeln 452 in Besitz nehmen lassen, je mehr, je besser: dies ist der Stempel Deiner Gottseligkeit und die unerläßliche Bedingung Deines Ehekontrakts.
Dummheiten! sagte Amsel, in Ewigkeit gebe ich mich nicht zu einem solchen plumpen Betruge her.
Auch gut, antwortete Wilderer, so suche ich ihr irgend einen Bauerjungen, oder einen andern verdorbenen Studenten aus, der noch jung und frisch ist, und zu dem die Teufel auch Gusto und Appetit haben mögen. Und Dich, Miserablen, lasse ich von der Seherin als den denunziren, der Du wirklich bist, sie soll alle Deine Jugendstreiche erzählen und daß Herr Drossel und Amsel eine und dieselbe Person sind. Meinen Lindhorst wird sie dann schon herausprophezeien, denn ihm darf kein Haar gekrümmt werden.
Der bekümmerte Amsel senkte sein Haupt und sagte: Ich muß mich ja so außerordentlich schämen, daß ich mich ganz einfältig anstellen werde.
Wir sind ja ganz unter uns, Lämmchen, sagte der ältere, Du brauchst Dich ja gar nicht zu geniren. Es kann auch keiner sagen, daß Du es Unrecht machst, oder daß nicht die rechten und wahren Teufel in Dir handthierten, denn hier, mein Bester, muß alle Kritik verstummen. Handelt also, Freunde, nach vernünftiger Einsicht und nach bestem Wissen und Gewissen, und seht für jetzt nur so viel ein, daß, wenn ihr Beide, oder einer von euch echappiren wollte, er das Allerdummste auf der Welt ausrichtete, denn durch unsern Wallroß ließen wir ihn sogleich mit Steckbriefen verfolgen, und keiner von euch führt Taufschein und dergleichen Pässe mit andern Charaktern und Qualitätchen mit sich. Also, Amselchen, ein reicher Gutsbesitzer – oder ein landflüchtiger Lumpenhund, oder Lumpenmensch, was eigentlich ein noch schlimmerer Ausdruck ist. Ich gehe jetzt den etwas steilen 453 Fußpfad über die Weinberge und den Wald und bin in einer halben Stunde bei meiner guten frommen Alten. Wenn nur Wallroß nicht so korpulent wäre, so könnte er auch lieber diesen Weg zu Fuß machen, als mit seiner Equipage jenen halsbrechenden Umweg fahren.