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Mit schwerem Herzen steckte Goldköpfchen einen Brief in die Handtasche. Sie war auf dem Wege zu Herrn Brausewetter, der ihr in freundlichster Weise mitgeteilt hatte, daß er sie heute abend in Dresden erwarte. Der Brief in der Handtasche bekümmerte die junge Witwe sehr. Es war die Antwort Hampels auf ihr Entschuldigungsschreiben.
»An Atelier Goldköpfchen. Vor Gericht werde ich Ihnen die erforderlichen Antworten geben. Georg Hampel, photographisches Atelier.«
Weiter hatte er nichts geschrieben. Goldköpfchen hatte gehofft, daß er mit einigen freundlichen Zeilen antworten werde. Sie hatte die Vorgänge wahrheitsgetreu geschildert und erklärt, daß in Zukunft etwas derartiges nicht wieder vorkommen werde.
Vom Atelier Rotmühl war noch keine Antwort eingetroffen. Doch noch ein Drittes drückte auf Bärbels Gemüt. Man hatte sie bisher im Hause freundlich gegrüßt. Das war seit einigen Tagen anders geworden. Die Mieter des ersten Stockwerkes, ein Postsekretär mit Familie, machten sogar abfällige Bemerkungen über Frau Wendelin, und heute mittag hatte Bärbel deutlich vernommen, wie die Gattin des Beamten auf der Treppe sagte:
»Vielleicht wäre es das beste, wir zögen aus. Man mag doch nicht mit allem und jedem in einem Hause wohnen.«
Hatten sich die Streiche der Knaben bereits derartig herumgesprochen, daß man in ihr tatsächlich eine Frau sah, die anderen das Leben schwer zu machen versuchte, die mit unerlaubten Mitteln die Konkurrenz bekämpfte? Bärbel nahm sich fest vor, in Zukunft doppelt freundlich zu den Kunden, zu den Hausbewohnern und Nachbarn zu sein, um ihren guten Ruf wieder herzustellen. Den ganzen Tag über hatte sie vergeblich auf Arbeit gewartet. Niemand war gekommen. Sie machte sich die trübsten Gedanken. Freilich, in der Geldfrage konnte sie es eine ganze Weile aushalten. Die Eltern würden ihr immer wieder helfen, aber ein wenig Ehrgeiz war ihrerseits auch dabei. Warum sollte es nicht möglich sein, daß sie sich langsam eine Existenz aufbaute und die Kinder aus eigenen Mitteln erziehen lassen konnte? Sie war in beruflichen Dingen noch reichlich unerfahren, wußte auch nicht viel von Konkurrenzkampf und Konkurrenzneid. Das eine war ihr allerdings bereits klargeworden, daß sie bei den Heidenauer Kollegen verspielt hatte.
Mit schwerem Herzen traf sie bei Herrn Brausewetter ein. Der alte Herr empfing seinen einstigen Lehrling freundlich und mit herzlichen Worten.
»Wenn Sie nicht geschrieben hätten, Frau Wendelin, hätte ich es getan. Ich habe gestern in einer Sitzung von Ihrem Mißgeschick gehört.«
»In einer Sitzung? – So weit ist es schon? Ach, Herr Brausewetter, ich weiß mir keinen Rat –.«
»Kommen Sie zuerst herein ins Wohnzimmer, und trinken Sie eine Tasse Tee mit uns, dabei wollen wir die Angelegenheit durchsprechen.«
»Ich bin so verzweifelt, Herr Brausewetter, denn ich glaube, es ist alles noch viel schlimmer, als ich dachte. Ich habe das Gefühl, als hätte ich plötzlich die ganze Welt zum Feinde.«
»Nur nicht so ängstlich; so schlimm ist es noch lange nicht. Sie haben auch noch manchen guten Freund. Gerade heute vor vierzehn Tagen habe ich mich mit einem Ihrer alten Bekannten lange über Frau Bärbel Wendelin unterhalten.«
»Wer könnte das wohl sein?«
»Ein berühmter alter Herr, der noch heute mit Vergnügen daran denkt, daß ihm vor einer Reihe von Jahren eine herzerfrischende Plauderstunde durch Sie zuteil wurde. – Erinnern Sie sich nicht mehr an Herrn Geheimrat Rose?«
»Natürlich erinnere ich mich an ihn. Wie sollte ich das jemals vergessen? Wissen Sie es nicht auch noch, Herr Brausewetter, wie ich die photographische Platte zerschlug und angsterfüllt zu ihm ins Hotel ging? Jedesmal, wenn der Geheimrat in den Zeitungen erwähnt wurde, wenn ich sein Bild sah, haben wir über ihn gesprochen, und jedesmal habe ich mich dabei an mein einstiges Mißgeschick erinnert.«
»Der alte Herr hat Sie auch nicht vergessen. Ich glaube, er würde sich herzlich freuen, wenn Sie ihm zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstage gratulieren wollten. Er wohnt seit einigen Jahren in Loschwitz.«
»Wenn Sie meinen, daß er sich meiner noch erinnert, werde ich ihm sehr gern einen Glückwunsch senden.«
»Natürlich erinnert er sich Ihrer. Vergessen Sie also nicht, am achtzehnten Dezember ist der große Tag. Sie werden es noch in den Zeitungen lesen.«
»Er war einstmals sehr gut zu mir.«
»Jawohl, Sie haben gemeinsam eine Hummermayonnaise gegessen.«
Ein wehmütiges Lächeln glitt über Bärbels Gesicht. »Damals lebte die gute Großmutter noch und – und«, ihre Stimme schwankte schon wieder, »und mein Harald.«
»Nur hübsch den Kopf oben behalten, Frau Wendelin, ein jeder muß sich durchkämpfen. Jeder hat sein Leid zu tragen. Auch den Kampf ums Dasein werden Sie noch kennenlernen.«
»Deswegen kam ich heute zu Ihnen, Herr Brausewetter. Ich weiß mir wirklich keinen Rat mehr. Sie sagten mir einstmals während meiner Lehrzeit, ich sollte Vertrauen zu Ihnen haben. – Nun bin ich gekommen. Helfen Sie mir!«
»Ich sehe schon, daß Sie zunächst nach einem gemütlichen Plauderstündchen mit meiner Familie kein Verlangen haben. So wollen wir zuerst die unangenehme berufliche Angelegenheit klären. Ich sage meiner Frau schnell Bescheid, inzwischen machen Sie es sich bequem, und dann, wenn wir einen Ausweg gefunden haben, plaudern wir drüben gemeinsam noch ein Stündchen.«
Bärbel suchte aus ihrer Handtasche das Schreiben, das sie von Herrn Hampel erhalten hatte, und legte es schweigend vor den zurückkehrenden Brausewetter hin.
»Man muß zuerst beide Seiten gehört haben, liebe Frau Wendelin. Ich habe die verschiedensten Darstellungen von dem Vorfall durch die Heidenauer Herren erhalten. Sie haben sich über Sie bei der Innung beklagt. Gestern war Sitzung, das Material gegen Sie lag uns vor.«
»So weit ist es also schon gekommen?« sagte Bärbel gedrückt.
»Meine liebe Frau Wendelin, die Innung ist doch dazu da, Streitfälle zu schlichten; derartiges ist nichts Seltenes. Schon gestern, ehe ich Sie hörte, habe ich erklärt, daß ich nicht recht glauben kann, daß Sie in solch einer Weise gegen die Heidenauer Herren vorgegangen seien. Doch nun erzählen Sie einmal zusammenhängend, wie sich alles zutrug. Ich habe Sie in den drei Jahren Ihrer Lehrzeit in meinem Betrieb als eine aufrichtige und wahrheitsliebende Dame kennengelernt, der ich auch heute noch jedes Wort glaube.«
»Wie könnten Sie auch einen Streit schlichten, Herr Brausewetter, wenn ich Ihnen etwas Falsches sagen würde, das später, bei gerichtlichen Verhandlungen, widerlegt werden könnte. Meine Schuld besteht in der Hauptsache darin, daß ich auf die Kinder zu wenig acht gab.«
Ohne Bärbel zu unterbrechen, hörte Herr Brausewetter den Bericht an. Anfangs war sein Gesicht recht ernst; als er aber von den Streichen der Knaben erfuhr, ging des öfteren ein Schmunzeln über sein Gesicht. Auch in seinem Atelier war manches Komische vorgekommen; sogar in der Zeit, da Bärbel bei ihm lernte, waren die verschiedensten Streiche ausgeheckt worden. Bedauerlich war freilich bei der Sache, daß die beiden Heidenauer Photographen der festen Überzeugung waren, daß Bärbel ihre Kinder zu diesen Streichen angeleitet hätte.
»Man kennt Sie dort nicht genügend«, sagte Herr Brausewetter. »Wären Sie den beiden Herren bekannt, keiner würde es wagen, Ihnen derartiges nachzusagen. Aber nun ist man natürlich sehr erbittert und möchte Ihnen am liebsten den Laden schließen.«
»Herr Brausewetter, wenn man das täte!«
»O nein, so schnell reitet auch die Innung nicht! Eines Mannes Rede ist keine Rede, man muß sie hören alle beede! So heißt ein Sprichwort. Also blicken Sie nicht gar so verzagt ins Leben. So, wie Sie mir die Sache geschildert haben, liegt für die Innung kein Grund vor, gegen Sie etwas zu unternehmen. Die Jungens haben Ihnen allerdings recht geschadet, liebe Frau Wendelin. Vor allem der Name! – Lieber Himmel, was stellt sich manch einer unter ›Atelier Goldköpfchen‹ vor. Eine Anreizbude! Gerade unsere weiblichen Photographen müssen sehr vorsichtig und peinlichst auf ihren guten Ruf bedacht sein.«
»Ich glaube, man bringt mir in ganz Heidenau Mißtrauen entgegen, Herr Brausewetter.«
»Herrn Rotmühl kenne ich nur flüchtig, Herrn Hampel gar nicht. Mit Rotmühl könnte ich sprechen, Frau Wendelin.«
»Auf die Polizei mußte ich schon kommen.« Bärbel begann plötzlich zu weinen. »Im Hause blickt man mich schief an, ich werde keine Kundschaft haben. – Ich glaube, es ist alles aus!«
Der weißhaarige Herr Brausewetter nahm das tränenüberströmte Gesicht der jungen Witwe in beide Hände.
»Wie vor fünfzehn Jahren«, sagte er lächelnd. »Da hat mein kleiner Lehrling auch so bitterlich geweint, und ich mußte ihn trösten. Trocknen Sie sich die Augen, Frau Bärbel Wendelin, so darf ich Sie doch einmal nennen.«
»Ja, ja«, schluchzte sie auf.
»Der Existenzkampf ist nicht leicht, liebe, kleine Frau, und gerade die alleinstehende Frau hat mitunter schwer zu leiden. Aber Sie sind doch immer ein energisches Persönchen gewesen. Lieber Himmel, wenn ich noch daran denke, wie Sie einstmals meinen großen Apparat umwarfen, wie Sie sich gegen den Herrn von Sasseneck wehrten.«
»Der war auch schon bei mir.«
»Aha! – Nun sehe ich die Zusammenhänge schon deutlicher. Sind Sie im Guten oder Bösen geschieden?«
»Er wurde dreist zu mir, da habe ich ihm das Wiederkommen verboten.«
»Vor Herrn von Sasseneck möchte ich Sie warnen, Frau Wendelin. Er hat schon manche üble Klatscherei angezettelt. Er ist ein wertloser Mensch, der sich zur Zeit als Reisender sein Brot verdient und schon manchem Kollegen Übles nachsagte. Trösten Sie sich nun, die Angelegenheit wird wieder in Ordnung gebracht. Gehen Sie weiter gerade und aufrecht Ihren Weg durchs Leben, versuchen Sie, sich mit den beiden Herren in Heidenau wieder auf guten Fuß zu stellen. Vor allen Dingen sorgen Sie aber dafür, daß Ihre beiden Buben in Zukunft die Finger vom Reklamewesen lassen.«
»Es wird ganz bestimmt in Zukunft derartiges nicht wieder vorkommen.«
»Mit der Innung nehme ich die Sache in die Hand, Frau Wendelin. Ich habe da ein gewichtiges Wort mitzureden. Ich kenne Sie genau, und was in meinen Kräften steht, Ihnen eine Existenz aufzubauen, soll geschehen.«
»Herr Hampel will vors Gericht gehen.«
»Zuerst kommt die Innung, dann das Gericht. Soweit lasse ich es aber nicht erst kommen. Und in Heidenau wird Ihr Ruf nicht schlecht werden. Man kennt Sie. Sie leben seit zwölf Jahren dort. – Nein, Frau Bärbel, wenn sich auch einige Menschen anfangs den Mund über Sie verbrennen, gehen Sie unbeirrt Ihres Weges, und warten Sie in Ruhe ab. Es wird dann auch Ihnen ein reifer Apfel in den Schoß fallen.««
»Sie sind so gut zu mir, Herr Brausewetter.«
»Waren Sie nicht einer meiner besten Lehrlinge? Habe ich Sie nicht in all der Zeit, da Sie bei mir arbeiteten, als wertvollen Menschen kennen und schätzen gelernt? Hinter mir liegt schon ein langes Leben, Frau Bärbel, eine stattliche Anzahl Menschen hat meinen Weg gekreuzt, gute und schlechte, wertvolle und solche, für die es sich nicht lohnte, einen Finger zu krümmen. Für die Jugend, für die, die ins Berufsleben hinausgingen, habe ich bis heute das größte Interesse, und gerade diese Jugend habe ich mir immer neugierig angeschaut. Auch da gibt es Gutes und Schlechtes. Wenn man dann einmal das Glück hat, am Wege ein zartes Blümchen zu finden, das sich unter den Händen guter Freunde immer prachtvoller entfaltet, dann steckt man sich solch ein Blümchen ans Herz, Frau Bärbel, dann weiß man, hier wächst wieder einmal ein neuer Stamm heran, denn aus diesem Mädchen wird eine prächtige Frau, die prächtigen Kindern das Leben schenkt. Solch eine Familie behält man gern im Auge. – Sehen Sie, Frau Bärbel«, Brausewetter legte den Arm um die Schulter der jungen Witwe, »und solch ein Blümchen waren Sie. Goldköpfchen nannte man Sie. Ich sah aber mehr Ihr goldenes Herz. Und das haben Sie bis auf den heutigen Tag behalten. Unbewußt haben Sie vielen Menschen Freude und glückliche Stunden bereitet. Auch mir, dem alten Berufsmanne. Und auch dem alten Geheimrat Rose. Ja, Frau Bärbel, das werden Sie selbst am allerwenigsten wissen. Man hat Sie lieb, man muß Sie lieb haben; und wenn da heute ein paar andere kommen und sagen, Sie seien neidisch, Sie seien sogar schlecht, so kann ich denen nur eines antworten: lernt sie doch erst kennen, sprecht mit ihr, geht hin zu ihr, und ihr werdet gar bald anderer Meinung sein.«
Goldköpfchen hatte den Kopf tief gesenkt. Was Herr Brausewetter sagte, beschämte sie ein wenig. Wie kam er dazu, sie derart zu loben? Sie hatte ihm so manchen Schaden während der Lehrzeit zugefügt, doch er meinte, daß sie Freude in sein Leben getragen habe.
Die Lider sanken ihr langsam über die Augen. Einen hatte sie glücklich gemacht, das wußte sie. In seiner Sterbestunde hatte es sein Mund gesprochen. Durch einen war auch sie unsagbar glücklich geworden. Doch der schlief nun in der kalten Erde den ewigen Schlaf.
»Ich werde meine kleine Freundin doch nicht in Angst und Jammer allein lassen. Denken Sie jetzt nicht an die dumme Geschichte, liebe Frau Wendelin, ich stelle die Sache ganz gewiß wieder glatt. Ich will auch versuchen, Sie in nähere Berührung mit den Heidenauer Herren zu bringen, damit in einer mündlichen Aussprache die letzten Schatten schwinden. Und nun kommen Sie mit mir hinüber, meine Frau freut sich herzlich auf ein Plauderstündchen mit Ihnen. Ich denke, ich komme noch vor dem Fest zu Ihnen hinaus und bringe Ihnen dann eine frohe Weihnachtsbotschaft mit. Ist es so recht?«
»Ich danke Ihnen, ich danke Ihnen von ganzem Herzen, Herr Brausewetter.«
Bärbel fühlte sich sichtlich erleichtert. Sie kannte Herrn Brausewetter. Er versprach nichts, was er nicht halten konnte. Und wenn er die Angelegenheit nicht so schwarz ansah, gab es vielleicht doch eine Möglichkeit, die erbitterte Konkurrenz wieder zu versöhnen. Was in ihren Kräften stand, die Mißstimmung wieder zu befestigen, sollte geschehen.
Bärbel hatte sich zwar vorgenommen, am heutigen Abend noch zu Gabriele Langen zu gehen, doch dieser Besuch mußte unterbleiben. Brausewetters waren so herzlich zu ihr, daß sie sich nicht entschließen konnte, das gemütliche Zusammensein abzubrechen. Es tat ihr ja so wohl, einmal von fröhlichen Dingen zu hören, manche Erinnerung an die Lehrzeit auszutauschen und manches Mißgeschick Bärbels von Brausewetter nochmals herzlich belacht zu wissen. Man hütete sich aber, auf Bärbels Verlust zu sprechen zu kommen. Die Eheleute wußten, welch tiefes Leid sie um den Dahingegangenen trug.
Die junge Witwe blieb bis zum letzten Abendzuge in Dresden. Wegen der Kinder brauchte sie sich keine Sorge zu machen, die waren bei Frau Leuschner in den besten Händen. Dieser treuen Seele durfte sie skrupellos Haralds Liebespfänder anvertrauen.
Herr Brausewetter brachte seinen Besuch bis zum Bahnhof; noch ein herzlicher Händedruck, dann führte der Zug Bärbel Wendelin nach Heidenau zurück.
Die frohe Zuversicht, die Goldköpfchen von Dresden mitgenommen hatte, schwand rasch wieder. In den nächsten Tagen klingelte es nicht ein einziges Mal an der Ateliertür. Stunde auf Stunde wartete die junge Witwe. Niemand kam. Hin und wieder stellten sich Forstrat Schmeling und dessen Gattin ein, auch ihnen schüttete Bärbel ihr übervolles Herz aus. Beide sahen die Angelegenheit nicht so hoffnungslos an. Sie ahnten freilich nicht, daß in dem großen Beamtenkreise von Heidenau gegen die junge Photographin heftige Abneigung Platz gegriffen hatte. Frau Lohmann hatte die schlechten Bilder umhergezeigt und von dem unfreundlichen Wesen der Inhaberin, von deren Umständlichkeit und von den hohen Preisen gesprochen. Außerdem lief plötzlich in den Kreisen das Gerücht umher, daß Frau Wendelin auch moralisch nicht ganz einwandfrei sei. Ein Reisender aus Dresden hätte sie wiedererkannt. Er wisse aus Frau Wendelins Jungmädchenzeit viel Interessantes zu erzählen. Der beste Beweis, daß sie eine minderwertige Person wäre, seien ihre Kinder, die in flegelhaftester Weise ihre Mitmenschen belästigten und ihnen Schaden zufügten.
Alle diese Äußerungen fielen zu schnell auf fruchtbaren Boden. Einer erzählte es dem anderen, und wenn auch manchesmal für die Geschmähte ein gutes Wort eingelegt wurde, erstickte man es, indem man Neues, Häßliches, zu erzählen wußte und Bärbel in eine immer schiefere Lage rückte.
Goldköpfchen, die wohl ahnte, daß allerlei Gerüchte umliefen, erhielt an einem Nachmittag, als sie Besorgungen im Orte machte, die Bestätigung. Sie stand wartend in einem Geschäft und hörte von anderen, die sich die Auslagen besahen, ihren Namen fallen. Unwillkürlich lauschte sie hinüber. Das Herz pochte ihr stürmisch, als sie die abfälligen Äußerungen vernahm. Auch die beiden Damen wußten zu berichten, daß im Atelier Goldköpfchen kein anständiges Bild hergestellt werde, daß es nicht lohne, nach der Brückenstraße zu gehen. Beim Heimkehren bemerkte sie gleichfalls, daß zwei Damen hinter ihr hertuschelten. Die Blicke, die man zu ihr hinübersandte, waren nicht gerade freundlich zu nennen.
»Sie weiß genau«, sagte die eine der Damen, »daß sie raffiniert interessant in der schwarzen Kleidung aussieht, und darum trägt sie diese. Natürlich, schwarz und ein goldenes Köpfchen muß den Männern gefallen.«
»Der alte Forstrat Schmeling soll sie fast täglich besuchen. Einfach unerhört!«
Bärbel wollte sich entrüstet umwenden, schon wollte sie die beiden Lästerzungen zur Rede stellen, doch sie biß die Zähne fest aufeinander und schwieg. Wozu das! Daß man sogar den Besuch des Forstrates falsch auslegte, schmerzte sie.
In solchen Augenblicken kam es ihr doppelt schwer zum Bewußtsein, wie allein sie war, wie wehrlos! Keiner hielt mehr die schützende Hand über sie und ihre Frauenehre.
Näher und immer näher rückte das Weihnachtsfest. Es brachte Bärbel viele Stunden, die sie kaum zu ertragen glaubte. Wenn auch Hermann und Jürgen sehr oft davon sprachen, daß das diesmalige Fest nicht so schön sein werde wie die früheren, weil der Vati nicht mehr zugegen sei, kam doch in den Kindern immer wieder die Freude auf, wenn sie in den Straßen die zum Kauf aufgestellten Weihnachtsbäume oder die weihnachtlichen Schaufenster sahen. Bärbel ersehnte die Stunde, daß die Eltern eintreffen würden. Sie hatten geschrieben, daß sie erst am 23. Dezember kämen, dafür aber bis zum zweiten Januar bei ihr bleiben würden. So lagen die Einkäufe für die Kinder auf Bärbels Schultern, und gerade dieses Einkaufen schaffte ihr viel Qual. In allen den verflossenen Jahren war sie mit lachenden Augen gemeinsam mit ihrem Harald in die Geschäfte gegangen, um die Wünsche der Kinder zu erfüllen.
Frau Leuschner warf manchen sorgenvollen Blick auf die junge Witwe. Sie sah deren mühsam verhaltene Erregung und wußte genau, daß Bärbel alle Energie zusammenraffen mußte, um durchzuhalten. Sie hatte sich angeboten, die Besorgungen für das Weihnachtsfest zu übernehmen, weil sie herausfühlte, daß alle diese Vorbereitungen Frau Wendelin seelisch zusammenbrechen ließen.
»Arbeit möchte ich haben«, flüsterten die Lippen Bärbels, »Arbeit und Ablenkung. Wenn nur das Fest erst vorüber wäre! Ein Fest der Freude? Nicht für mich, o nein, nicht für mich.«
Trotzdem ging sie die schweren Wege. Die bescheidenen Wünsche der Kinder ließen sich erfüllen. Von den Großeltern war eine umfangreiche Weihnachtssendung angekündet worden.
Alltäglich wartete sie auf eine Nachricht von Brausewetter. Es schien nicht so glatt zu gehen, wie er es erwartet hatte. Vor kurzem war sie Herrn Hampel begegnet. Einen Augenblick schwankte sie, ob sie ihn anreden solle. Aber sie fühlte sich zu scheu, zu beklommen. Hampel maß sie von oben bis unten mit einem verächtlichen Blick, der ihr sagte, daß sein Groll noch nicht gemildert sei.
Den Geburtstag des Herrn Geheimrat Rose hatte Bärbel nicht vergessen. Interessiert las sie die Zeitungsberichte über den berühmten Mann, der durch seine Forschungen der medizinischen Welt viel Wertvolles geschenkt hatte. Ihre Augen wurden feucht, als sie erfuhr, daß Geheimrat Rose in den letzten Jahren schwere Schicksalsschläge erlitten hatte. Nicht nur seine Lebensgefährtin, auch sein Sohn, der in den Fußtapfen des Vaters wandelte, war ihm gestorben.
Ob er sich ihrer wirklich noch erinnerte? Durch sein Leben waren gewiß viele berühmte und angesehene Menschen gegangen. Bärbel war damals ein unscheinbarer Photographenlehrling gewesen, der in seiner Herzensangst den berühmten Mann aufgesucht hatte. Und dennoch, Brausewetter hatte es gesagt, man sprach noch von ihr.
»Wenn er es wirklich gut mit mir meint, könnte er sich doch einmal, nur ein einziges Mal bei mir photographieren lassen. Das würde mir gewiß viel nützen.«
Noch während ihre Gedanken bei Herrn Geheimrat Rose weilten, kam von dort ein Schreiben. Es war zwar mit der Maschine ausgefertigt, trug aber die Unterschrift des Geheimrates. Er ließ anfragen, ob Frau Wendelin bereit wäre, am morgigen Tage nach Loschwitz hinaus zu kommen, um in seiner Wohnung einige Aufnahmen von den Geschenken und den reichen Blumenspenden zu seinem Geburtstage zu machen.
Bärbel glaubte zu träumen. Der Geheimrat schrieb an sie, obwohl es in Dresden und Loschwitz eine beträchtliche Anzahl Photographen gab, die diese Aufnahmen machen konnten. Er erinnerte sich also noch ihrer, er bedankte sich für den erhaltenen Glückwunsch und rief sie.
»Frau Leuschner«, rief sie atemlos vor Erregung. »Ich muß morgen nach Loschwitz zu Herrn Geheimrat Rose. – Sie haben doch auch von ihm in den Zeitungen gelesen und sein Bild gesehen. Ach, Frau Leuschner, es ist schon richtig, mir ist ein goldener Apfel in den Schoß gefallen.«
Zum ersten Male seit langer Zeit war Bärbel wieder ein wenig froher und frischer. Sie bereitete alles für die Reise vor, wählte einen geeigneten Apparat aus und machte sich am nächsten Tage auf den Weg. Sie brauchte nicht zu befürchten, daß sie daheim etwas versäumte. Es war noch immer kein Kunde gekommen. Das Atelier in der Brückenstraße schien vergessen zu sein.
Geheimrat Rose! Der Mann, mit dem sie einmal eine Stunde geplaudert hatte, von dem sie zum Frühstück eingeladen worden war. Unvergessen war jene Episode. Sie hatte sogar noch die zerbrochene Platte aufbewahrt, ein Andenken an ihre jugendliche Unachtsamkeit.
Die kleine, vornehme Villa in Loschwitz war bald gefunden. Bärbel wurde von einem Diener empfangen, der sie bat, die Sachen abzulegen. Noch war das nicht geschehen, da öffnete sich eine Tür, Bärbel sah in ein feines, altes Männergesicht, umrahmt von langen weißen Haaren – Geheimrat Rose.
Über das freundliche Gesicht des alten Herrn glitt ein leiser Schatten, als er die blasse, schwarzgekleidete Frauengestalt erblickte.
»Haben Sie Dank, daß Sie gekommen sind!«
»Herr Geheimrat, ich habe Ihnen zu danken.«
Er hielt ihre Hand fest in der seinen und zog die junge Witwe ins Zimmer. Obwohl er viel älter geworden war, hatte ihn Bärbel sofort wiedererkannt. Das kluge Gesicht mit den gütigen Augen, seine weiche, wohllautende Stimme, hatten einen unauslöschlichen Eindruck auf sie gemacht.
»Man will alle die vielen Geschenke im Bilde festhalten, meine liebe Frau – –, nehmen Sie es mir nicht übel, aber in meiner Erinnerung sind Sie immer noch Bärbel Wagner. – Darf ich also auch heute noch Frau Bärbel zu Ihnen sagen?«
»Ich bitte darum, Herr Geheimrat.«
»Einige Zeitschriften wollen die Aufnahmen haben. Und da ich mich an meine kleine Freundin aus Dresden erinnerte, möchte ich ihr diesen Auftrag zukommen lassen. – Was meinen Sie, Frau Bärbel, wird es ohne zerbrochene Platte abgehen?«
»Herr Geheimrat – –«
»Wenn die Aufnahmen gelungen sind, gibt es auch wieder eine Portion Hummermayonnaise. Im Nebenzimmer wird alles schon zurechtgestellt.«
Das blasse Gesicht Frau Wendelins färbte sich dunkelrot. »Nichts haben Sie vergessen, Herr Geheimrat, obwohl schon so viele Jahre dazwischenliegen.«
»Jahre mit tiefem, tiefem Leid.«
»Ja, mit tiefem Leid, Herr Geheimrat.«
»Ich hörte von Ihrem Verlust, Frau Bärbel. Sie haben aber noch drei liebe Kinder. Sehen Sie, das tröstet und hilft darüber hinweg.«
»Und doch wird eine Lücke niemals ausgefüllt werden, Herr Geheimrat.«
»Drei Kinder«, sagte er leise. »Ich hatte zwei. Mein Weib habe ich begraben, meinen Ältesten, als er noch ein Kind war. Da mußte ich alle meine Liebe, alle meine Hoffnungen auf den Einen häufen, der mir blieb. Den habe ich nun auch verloren, Frau Bärbel. – So bin ich ganz allein zurückgeblieben.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Am liebsten hätte sie dem alten Herrn innig die Hände gedrückt.
Mit einer müden Bewegung wies er auf die beiden Zimmer, in denen Blumen in überreicher Fülle umherstanden, auf die vielen silbernen Pokale und die wertvollen Geschenke, die aufgestellt waren.
»Das alles gäbe ich gern hin für einen Händedruck meines Jungen. Frau Bärbel, man hat Ihnen viel genommen, aber Sie können nicht sprechen wie ich: allein! Dieses Wort ›allein‹ ist furchtbar grausam. Doppelt grausam, wenn man so alt geworden ist wie ich. Ich kann es verstehen, daß Sie glaubten, die Sonne ginge Ihnen unter, als Sie den geliebten Gatten in die Erde betteten; aber an Ihrem Lebenshimmel strahlen noch viele Sterne, liebe Frau Bärbel. – Nicht wahr, Ihre Eltern leben auch noch?«
»Ja«, sagte sie kaum vernehmbar.
»Sie reiche, Sie überreiche Frau. Drei Kinder, drei frische, fröhliche Kinder. – Frau Bärbel, vergessen Sie es nicht, daß Sie für die Kinder da sind! Und wenn es Ihnen auch manchmal schwer wird; eine Mutter lebt für ihre Kinder, eine Mutter denkt nicht an sich. Eine Mutter hat Pflichten. Aber ich sehe, wir beide machen uns gegenseitig das Herz schwer, man muß das überwinden lernen. – Nun wollen wir uns gemeinsam die Blumenpracht ansehen, mit der man einen alten, müden Mann zu erfreuen suchte.«
Doch Bärbel rührte sich nicht von der Stelle. Sie hörte die spröde gewordene Stimme des Geheimrates. Die furchtbaren Worte: »ich bin allein« rissen an ihrem Herzen. Sie hatte drei Kinder, die Eltern, Brüder; überall Herzen, die für sie schlugen. Sie war noch jung, konnte im Heranwachsen der Kinder manchen Sonnenstrahl erhaschen. Doch hier vor ihr stand einer, dem war die Sonne für immer untergegangen.
»Herr Geheimrat!« Sie griff nach seiner Hand und beugte sich darüber. Zwei glitzernde Tränen fielen darauf. Er legte seine Rechte auf ihren blonden Scheitel.
»Möge Ihr Leben reich bleiben, Frau Bärbel, mögen Sie gesegnet sein!«
Er schaute auf die Hand, auf der, zwei Perlen gleich, die Tränen aus Bärbels Augen lagen.
»Kind, mein liebes Kind«, sagte er erschüttert, »glauben Sie mir, das tut wohl.«
Bärbel wußte darauf nichts zu antworten. Mit scheuer Ehrfurcht blickte sie in das Gesicht des alten Mannes, in dem trotz allem ein milder Friede lag. Ihr Antlitz wies viel tiefere Linien des Grames auf.
»Blumen«, sagte er langsam, »Geschenke, überall Zeichen der Freundschaft. Aber die Leere im Herzen füllen sie nicht aus, wenn man ganz allein ist. Wie gut, daß ich Sie zu mir rief, Frau Bärbel. Wie ein Hauch aus meiner Jugendzeit weht es zu mir herüber. Von Ihnen geht Wärme aus, die bis in mein starres Herz hineinströmt. Sie müssen mich öfters besuchen, mich, den Einsamen. Bringen Sie mir auch Ihre Kinder mit, Frau Bärbel. Ich möchte mich auch noch auf etwas freuen können.«
Dann war es eine lange Zeit still zwischen den beiden. Geheimrat Rose stand inmitten der vielen Blumen, griff bald nach dieser, bald nach jener Blüte. Schließlich nahm er eine weiße Rose aus einem Strauß.
»Das nehmen Sie mit, ich bin zu arm, Frau Bärbel, um Ihnen mehr schenken zu können, Sie reiche, Sie überreiche Frau! Nehmen Sie diese Blüte mit als Erinnerung an einen, der sich auch abfinden mußte mit seinem schweren Los. – Sehen Sie, da ist ein Spruch, den habe ich mir ins Herz gemeißelt, den halten auch Sie fest, Frau Bärbel.
Das kannst du nicht zwingen,
daß die Knospen springen,
ehe die Sonne ihnen den Mai gebracht.
Aber daß, was hinter dir liegt,
dich nicht mehr unterkriegt,
was Winter in dir, abzustreifen
in aller Stille ...
und Knospen zum Reifen zu bringen
und dich zum Frühling durchzuringen,
das kannst du zwingen!«
Nochmals strich er ihr über das lockige Haar. Seine Stimme klang wieder hell und klar.
»Und nun an die Arbeit, Frau Bärbel. Will doch sehen, was der kleine Lehrling des Herrn Brausewetter gelernt hat. Eine Aufnahme dieses Zimmers, hier noch eine von diesem Tisch und die Silbersachen besonders. Wir wollen sie gemeinsam aufstellen, denn dazu brauche ich Ihre künstlerische Hand. Dann sollen sich die Zeitschriften selbst wählen, welches Bild sie haben wollen.«
Es war Bärbel nicht möglich, sofort in den geschäftlichen Ton mit einzustimmen. Viel zu schwer lastete das Gehörte auf ihr. Aber als der Geheimrat die Blumen zusammenrückte, als er lächelnd fragte, ob es so gut sei, riß auch sie sich zusammen.
Emsige Arbeit wurde geleistet. Es war nicht leicht, eine passende Auswahl zu treffen. Vieles mußte anders hingestellt werden, auch das Licht war nicht besonders günstig. Aber endlich war alles gelungen. Geheimrat Rose hatte sechs verschiedene Aufnahmen machen lassen.
»Ich denke, nun haben wir uns ein Frühstück redlich verdient. Hummer schmeckt Ihnen hoffentlich noch immer?«
Anfangs glaubte Bärbel, daß es ihr unmöglich sein werde, auch nur einen Bissen herunterzubringen. Aber Geheimrat Rose plauderte so gütig, so freundlich, daß sich langsam auch ihr Gemüt ein wenig erhellte.
Schließlich meinte Bärbel, es sei nun an der Zeit aufzubrechen.
»Sie wissen, Frau Bärbel, ich bin kein Freund vom Photographieren, doch in Ihr Atelier komme ich. Das muß ich mir genau ansehen und auch die drei Kinder, Rangen sind es, sagten Sie? Famos! Mit Rangen gebe ich mich gern ab. Kinder, von Ihnen erzogen, müssen prachtvolle Rangen sein. Darf ich einmal zu Ihnen kommen?«
»Herr Geheimrat, es würde für mich eine große Ehre sein.«
»Liebe Frau Bärbel, lassen Sie die Ehre fort, davon mögen andere reden. Sie sollen mir einfach sagen, daß es für Sie eine Freude ist, wenn ich komme.«
»Eine sehr große Freude, Herr Geheimrat. – Wann darf ich Sie erwarten?«
»Ich denke, bald nach Neujahr.«
»Weihnachten«, sagte sie zögernd, »Weihnachten verbringen Sie – bei Bekannten?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin ein altmodischer Mann, Frau Bärbel. Das Weihnachtsfest bringt mir zu viele Erinnerungen. Doch man muß sein Herz fest in der Hand halten. Es gibt noch Größeres als das kleine Leid der Menschen. Ich fliehe hinauf in die Berge, in die gewaltige Einsamkeit. Dort lasse ich die herrliche Natur auf mich einwirken. Dann fühlt man, wie winzig klein man ist, ein Nichts! Dort in der hehren Einsamkeit wird auch das kranke Herz ruhig und still sein. Dort ist Frieden, der sich wie linder Balsam auf mein Herz legt. Und Sie, meine liebe Frau Bärbel, Sie feiern Weihnachten mit hellen Augen. Ich will Sie später danach fragen. Weihnachten mit drei Kindern, mit den Eltern, lieber Himmel, wenn ich – – nein, nein, also Frau Bärbel, ein frohes Fest und einen dankbaren Sinn. – So und nun machen Sie die Bilder recht schön und schicken Sie sie mir bald her – – oder noch besser, – wollen Sie sie mir selbst bringen?«
»Ich weiß nicht, ob ich dazu noch Zeit habe, Herr Geheimrat.«
»Ist recht. Die Mutter von drei Kindern hat vor dem Weihnachtsfest keine Zeit. Die Kinder warten auf die Weihnachtsfreuden, die die Mutter schaffen muß. Da ist der Baum zu putzen, die Puppen sind neu einzukleiden. Ach, was weiß denn ich, was solch eine glückliche Mutter alles zu tun hat. Und nun alles Gute, wir sehen uns bald wieder. Der alte Geheimrat kommt bald und unerwartet.«
Scherzhaft drohend hob er den Finger.
»Ihre Kinder frage ich, Frau Bärbel, ob es ein fröhliches Weihnachtsfest war, ob es die Mutter verstand, die Kleinen für den schweren Verlust zu entschädigen, den sie erlitten haben. Mütter können Leid tragen, doch Kinder noch nicht. Und Regen, der in die Blütezeit fällt, zerstört die Frucht.«
»Ich danke Ihnen, Herr Geheimrat.«
Mit einem langen Händedruck schieden sie.