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Pommerles Lieblinge

Pommerle lag in süßen Träumen. Alles das, was es an Glück in den letzten Tagen erlebt hatte, spiegelte sich im Schlummer wieder.

Schnapp, die liebe, süße Hündin, hatte drei kleine, schwarze Hundchen bekommen, und alle schwarzen Hündchen hatten weiße Pfötchen.

Grauchen hatte tags zuvor vier kleine Kätzchen bekommen.

Der Professor hatte zwar gemeint, man wolle gleich zwei der Kätzchen fortschaffen. Da waren dem Kinde die hellen Tränen über die Wangen gerollt, es hatte so inständig gebeten, ihm die vier Kätzchen zu lassen, daß Herr Bender nachgab.

Alle die Hunde und Katzen krochen nun im Traume um Pommerle herum, die Hände zuckten auf der Bettdecke hin und her, jeder Kater, jeder Hund wollte gestreichelt sein, und in Pommerles Träume hinein bellte und miaute es.

Aber es bellte wirklich. Professor Bender erwachte sogar davon. Das war doch Schnapp, der den nächtlichen Lärm machte? Schnapp hatte sein Körbchen unter der Treppe im Hausflur. Es war dort nicht kalt, denn die Dampfheizung, die das Haus durchwärmte, wurde vom Flur aus in Gang gebracht. Schnapp konnte daher mit seinem Lager recht zufrieden sein. Damit sich aber Schnapp und Grauchen, die sich noch immer nicht recht vertrugen, nicht ins Gehege kamen, hatte man Grauchen auf dem Hausboden ein weiches Lager bereitet. Damit es aber in seinen nächtlichen Wanderungen nicht behindert war, hatte man eine der Dachluken offen gelassen, durch die sich das Tier auf das Dach eines Schuppens und in den Garten hinabschwang und auf dem gleichen Wege wieder zurückkehrte.

Professor Bender richtete sich auf. Warum bellte Schnapp so sehr? Und plötzlich hörte er ein jämmerliches Miauen. Hatten sich die beiden Tiere wieder einmal in den Haaren? Er lauschte noch ein Weilchen. Schnapp beruhigte sich bald wieder. Vielleicht war nur jemand am Hause vorübergegangen, und Schnapp, der sehr besorgt um seine Kleinen war, hatte in seiner Erregung so heftig gebellt.

Nach Stunden erwachte Professor Bender abermals. Er sah nach der Uhr. Es war kaum sechs Uhr. Das war doch wieder Schnapp, der sich draußen so unruhig benahm. Deutlich vernahm Professor Bender, daß Schnapp die Treppe zum Boden hinaufsprang und nach kurzer Zeit wieder herunterkam. Was hatte Schnapp oben auf dem Boden zu suchen? Wollte er Grauchen beunruhigen? Nun, das mutige Grauchen würde Schnapp schon einen ordentlichen Denkzettel geben, wenn er gar zu nahe an die jungen Kätzchen herankam.

Nach kurzer Zeit hörte Herr Bender abermals den Hund zum Boden hinauflaufen. Dann blieb es still.

Aber gegen sieben Uhr, als Pommerle aufstehen mußte, weil um acht Uhr die Schule begann, kratzte Schnapp an der Tür des Schlafzimmers.

»Schnapp ist da!« rief das Kind fröhlich und eilte im Unterröckchen zur Tür, um die vierbeinige Freundin hereinzulassen.

Schnapp stellte sich an Pommerle hoch, lief zur Tür zurück, wandte sich nach Pommerle um; aber da das Kind ruhig weiter die Haare kämmte, kam Schnapp erneut gelaufen, ging dann wieder zur Tür.

»Willst du nun wieder 'raus?«

Pommerle öffnete die Tür. Doch Schnapp wollte nicht gehen. Er stand vor dem Mädchen und blickte die Kleine bittend an.

»Ich darf dir leider keine Wurstpellen geben, lieber Schnapp. Nachher bekommst du aber deine Suppe. – Ja, was willst du denn eigentlich?«

Als Pommerle die Haare weiter kämmte, sprang der Hund an ihm hoch, ergriff mit den Zähnen das Unterröckchen und versuchte Pommerle zur Tür zu ziehen.

»Aber guter, lieber Schnapp, ich bin doch noch lange nicht fertig. – Warum zerrst du mich denn so?«

Der Hund ließ nicht nach.

»Soll ich mit dir kommen?«

Wieder das Zerren zur Tür hin.

»Na, was willst du denn?« Pommerle stand in der Tür. Da lief Schnapp zur Treppe, kam wieder zurück. Es schien, als fordere er Pommerle ganz energisch auf, mitzukommen. »Was willst du denn?«

Einige Stufen sprang Schnapp hinab, blieb wartend stehen und wedelte mit dem Schwanz. Als aber Pommerle nun auch an die Treppe trat, bellte der Hund vergnügt auf. Man sah ihm ganz deutlich die Freude an, daß das Kind ihm folgen wollte.

»Schnapp, du bist ein kleiner Esel! Ich bin doch noch nicht angezogen. Ich kann doch nicht spazierengehen. Geh zurück zu deinen Kleinen und sage ihnen guten Morgen.«

Wieder ein energisches Schnappen nach Pommerles Röckchen. Der Hund wurde immer aufgeregter. So blieb dem Kinde nichts anderes übrig, als die ersten Stufen hinunterzusteigen. Schnapp jaulte vor Entzücken. Jetzt ließ er das Röckchen des kleinen Mädchens nicht mehr los, so sehr Pommerle dem Hunde auch Vorwürfe machte. Es blieb nichts anderes übrig, das Kind mußte die Treppe hinabsteigen. Erst unten ließ Schnapp das Röckchen los und sprang zu seinem Körbchen, das unter der Treppe stand.

Pommerle trat hinzu. – Was war denn das? Das Kind schlug die Hände zusammen.

»Schnapp, was hast du denn da drin? O Schnapp, du böser, garstiger Schnapp, warum hast du Grauchen die Kinderchen weggenommen?«

Mit großen, treuen Augen schaute der Hund zu Pommerle auf. Sein Schweif wedelte ruhig, er wußte, er hatte in dieser Nacht eine gute Tat getan.

»Aber, Schnapp, was soll denn das?«

Pommerle zählte. Es waren drei kleine, schwarze Hundchen und vier graue Kätzchen in dem Körbchen, und alle sieben Köpfchen waren mit schnubbernden Näschen aufgereckt, quiekend, miauend, bittend. Hündchen und Kätzchen, in buntem Durcheinander. Schnapp blickte stolz zu Pommerle auf, leckte dann jedes Tierchen, stieg behutsam in seinen Korb hinein und legte sich in seiner ganzen Breite auf die Kleinen.

»Gib die Kätzchen wieder her, Schnapp«, sagte Pommerle tadelnd. »Oh, das arme Grauchen! Wie wird es um seine Kinderchen weinen. Ich weiß ja, Schnapp, daß du mein Grauchen nicht leiden kannst; daß du ihm aber die Kinderchen fortnimmst, ist böse von dir. – Geh fort, ich will die Kätzchen zu Grauchen zurückbringen.«

Aber Schnapp rührte sich nicht.

»Geh fort, Schnapp!«

Pommerle griff mit den Händen in den Korb. Da fing Schnapp an, leise zu knurren.

»Na warte, du unartiges Tier. Jetzt rufe ich meinen Vati, er wird dir sagen, was sich gehört.«

Pommerle eilte hinauf zu Benders. Es erzählte, was es eben gesehen hatte. Frau Bender stieg die Treppe hinab und trat an den Korb. Da erhob sich Schnapp, kam vorsichtig heraus, blieb aber am Lager stehen und schaute bald die vier Kätzchen, bald Frau Bender an. Auch jetzt schien er noch sehr stolz zu sein und auf eine Liebkosung zu warten.

Pommerle wollte rasch in den Korb fassen; aber da lag der Hund schon wieder auf den Kleinen und ließ sich weder durch Bitten noch durch freundliches Zureden bewegen, seinen Platz zu verlassen.

»Da will ich doch gleich einmal nach dem Boden gehen und nach Grauchen sehen.«

»Ich habe die Katze schon überall gesucht, gnädige Frau«, sagte Anna. »Ich wollte früh die Milch hinauftragen. Aber Grauchen ist fort und das Körbchen leer.«

Nun begann ein gemeinsames Rufen nach Grauchen. Die Luke war geöffnet. Grauchen war sicherlich, wie alle Nächte, ein wenig spazierengegangen. Als man Professor Bender den Verlust der Katze meldete, erinnerte er sich, daß er heute nacht das ängstliche Miauen einer Katze vernommen hatte. Schnapp hatte heftig gebellt. Sollte man Grauchen weggefangen haben? Man klagte in den letzten Wochen in der ganzen Gegend, daß so viele Katzen gefangen wurden. Wahrscheinlich brauchte man die schönen Felle und opferte die armen Tiere.

Schnapp war des Nachts mehrfach die Treppe hinauf und hinunter gegangen. Wahrscheinlich hatte er die kleinen Kätzchen oben auf dem Boden jämmerlich miauen gehört. Da hatte er die Jammernden und Frierenden Stück für Stück heruntergebracht und in seinen Korb getan.

»Schnapp«, sagte Professor Bender, als er am Korbe des Hundes stand, »du guter Schnapp. Hast du heute nacht die armen, verlassenen Kätzchen heruntergeholt? Hast du gehört, daß die Kleinen nach der Mutter riefen und Hunger hatten?«

Es schien fast, als verstehe Schnapp die Worte Herrn Benders. Er blickte so stolz um sich, wedelte dazu fröhlich mit dem Schweif und bellte einige Male kurz und freudig auf. Dann stieg er aufs neue aus dem Korb, betrachtete voller Interesse seinen Familienzuwachs, beleckte abwechselnd Hund und Kätzchen und legte sich dann wieder zu ihnen.

Der gute Schnapp. Es war nichts Wunderbares, daß ein Hund auf einmal ein kleines Kätzchen mit großzog. So etwas hatte man schon manches Mal erlebt. Warum sollte Schnapp nicht ebenso edel handeln?

Immer wieder rief und suchte man nach Grauchen. Man fragte nach ihr in der ganzen Umgegend, aber sie war nirgends zu finden.

Pommerle kehrte mittags aus der Schule zurück. Seine erste Frage galt Grauchen.

»Du mußt dich damit abfinden, mein Kind, daß Grauchen nicht wiederkommt. Böse Menschen haben sie gefangen und wahrscheinlich getötet, um das Fell zu verkaufen.«

Eine tiefe Trauer breitete sich über das Kindergesicht. Pommerle hatte sein Grauchen so gern gehabt.

»Und der Schnapp, was macht er nun mit den Katzenkindern?«

»Er wird sie mit seinen Hundchen säugen. Wir müssen ihn jetzt ganz besonders gut pflegen, denn er braucht viel Kräfte, um sieben Kinder zu ernähren. Es wäre besser, wenn es zwei weniger wären. Wollen wir ihm nicht zwei Kätzchen fortnehmen?«

Pommerles Augen strömten über. »Wenn ich schon kein Grauchen mehr habe, möchte ich doch die vier kleinen Kätzchen behalten. Oh, liebe Mutti, laß mir die vier kleinen Kätzchen und die drei Hundchen. Du kannst auch immer mein Essen dem lieben Schnapp geben. Ich will gar nichts Gutes mehr haben, nur die vier Kätzchen und die drei kleinen Hundchen.«

»Dem Schnapp wäre es aber auch lieber, wenn er nicht so viele Kinderchen hätte.«

»Nein«, sagte Pommerle energisch. »Wenn sich der Schnapp heute nacht die vier Kätzchen heruntergeholt hat, will der Hund doch so viele Kinderchen haben. Man darf dem Schnapp die Kinderchen nicht nehmen.«

Wieder gaben Benders dem Bitten des Kindes nach. Das Körbchen mit den sieben Tierchen sah auch gar zu niedlich aus. Dieses bunte Durcheinander bereitete sogar dem Professor und seiner Frau die denkbar größte Freude. Wie oft nahm Schnapp behutsam eins der Kätzchen ins Maul, um es anders zu betten. Aber immer herrschte größte Ordnung in dem Körbchen. Kroch einmal eins der Hundchen zwischen die Kätzchen, so schob und scharrte Schnapp so lange im Korbe herum, bis wieder die Hundchen in Reih und Glied neben den Kätzchen lagen.

Pommerle bedauerte es auf das lebhafteste, daß es diese wichtige Nacht verschlafen hatte. Wie wunderschön wäre es gewesen, wenn es gesehen hätte, wie Schnapp die Kätzchen vom Boden herunterbrachte.

»Woher hat er denn gewußt, daß Grauchen fort ist?«

»Wahrscheinlich haben die kleinen Kätzchen gefroren oder waren hungrig. Sie haben nach ihrer Mutter gerufen, und da Schnapp sehr gut hört, hat er das Jammern der Kätzchen vernommen. Da ist er auf den Boden gegangen, hat nach Grauchen Umschau gehalten, und als Grauchen nicht zurückkam, dann die kleinen, frierenden Tierchen zu sich in sein warmes Körbchen geholt.

»O du guter Schnapp«, jubelte Pommerle. »Am liebsten möchte ich dir einen Kuß auf deine süße Schnauze geben. Der Schnapp ist ebenso gut wie du, Mutti. Als mein Vater ertrank, da war ich auch ganz allein. Da habt ihr mich auch in euer Nest getragen. Ach, Mutti, du bist gerade so gut wie der Schnapp.«

Wenn Pommerle daran dachte, daß der Jule nun sein Grauchen niemals wiedersehen konnte, wurde ihm das Herz schwer. Aber der Jule sollte von den vier Kätzchen zwei als Eigentum haben. Vielleicht auch noch ein Hundchen. Und die Sabine mußte sich auch das Körbchen mit den sieben kleinen Tierchen ansehen. Was würde sie dazu sagen?

Da fiel es Pommerle schwer aufs Herz, daß Sabine dieses junge Tierglück ja nicht sehen könnte. Sie konnte nur mit den Händen über die Kleinen hinwegstreichen.

»Die arme Sabine! Sie muß wirklich ihr Herz ganz dick voll Sonne haben, Mutti, daß sie jetzt nicht traurig wird. Sie kann doch den Schnapp mit seinen vielen Kinderchen nicht sehen. – Mutti, darf ich heute noch zur Sabine gehen? Sie muß kommen – und der Jule auch.«

Pommerle bekam die Erlaubnis.

Atemlos vom schnellen Laufen, eilte es in die Werkstatt, in der Jule fleißig arbeitete.

»Weine mal nicht, lieber Jule, es ist etwas Schreckliches geschehen. Sie haben uns unser Grauchen weggefangen. Und das Grauchen hat vier Kätzchen, die hat jetzt der Schnapp alle in seinem Körbchen.«

Der Jule stellte vor Schreck die Arbeit ein. Sein Grauchen war weggefangen?

Pommerle mußte die näheren Erklärungen geben. Der sonst so vorwitzige Lehrling wurde still und immer stiller. Der Verlust seiner Katze schmerzte ihn tief.

Pommerle merkte, daß Jule sehr traurig war.

»Armes Julchen, aber ich schenke dir zwei andere Kätzchen und noch ein Hundchen dazu. Vielleicht kommt auch unser Grauchen noch mal wieder.«

Sabine ging mit Pommerle heim. Der Jule wollte nicht mitkommen. Er meinte, er würde sich später Schnapps Kinder ansehen. Heute, nach Feierabend, wolle er lieber mal ordentlich herumfahren, um Grauchen zu suchen. Vielleicht finde er es doch noch.

Strahlend führte Pommerle Sabine vor das Körbchen. Aber Schnapp hatte jetzt gar keine Lust, seinen Platz zu verlassen.

»Geh doch mal fort, Schnapp, Sabine will deine Kinder sehen.«

Schnapp ließ das nicht zu. Mit mißtrauischen Augen blickte er auf das junge Mädchen und fing sogar an zu knurren, als Pommerle eins der Tierchen nehmen wollte.

»Laß sie nur liegen«, meinte Sabine. »Er fürchtet, daß man den Kleinen ein Leid antun könnte. Wir wollen den guten Schnapp nicht unnötig ängstigen.«

»Nun hast du aber gar nichts gesehen, Sabine, und hast keine Freude«, seufzte Pommerle. »Dafür schenke ich dir auch, wenn die Kätzchen erst groß geworden sind, das allerschönste.«

Bis spät abends suchte und lockte der Jule sein Grauchen. Aber alle Mühe blieb erfolglos.

Als Pommerle an einem der nächsten Tage wieder einmal im Flur bei Schnapp stand, klingelte es. Die Kleine öffnete selbst die Haustür und sah sich einer älteren Dame gegenüber, der ein größerer Knabe folgte.

»Wir kennen uns, Pommerle.«

»Ja«, sagte das Kind. »Du bist die Frau Hanke, der das Haus abgebrannt ist. Wo wohnst du denn jetzt?«

»Ich wollte soeben zu dir kommen, kleines Pommerle. Ich hörte, daß du eine große Tierfreundin bist. Und weil du damals bei dem Unglück so fleißig geholfen hast, will ich dir jetzt eine ganz besondere Freude bereiten. – Fritz, komm einmal her.«

Der größere Knabe, der in der Tür stand und einen großen Behälter trug, der mit Tüchern umwickelt war, kam näher heran. Während Frau Hanke das Tuch entfernte, tönte von innen heraus eine Stimme:

»Schafskopf!«

»Der Papagei!«

»Ja, Pommerle, der Papagei. Ich habe mir gedacht, daß ich dir eine große Freude damit bereiten werde, wenn ich dir meine Lora schenkte. – Möchtest du den Vogel haben?«

»O ja! – So ein süßer Papagei, den habe ich mir schon immer gewünscht. – Willst du nun mal meine Hundchen und meine Kätzchen sehen?«

»So sollst du den Papagei behalten, kleines Pommerle.«

Die Tür des Wohnzimmers wurde geöffnet. Frau Bender hatte Stimmen gehört und wunderte sich, daß man den Besuch im Flur stehenließ. Als sie Frau Hanke und den großen Käfig erblickte, erschrak sie.

»Mutti«, jauchzte ihr Pommerle entgegen, »nun haben wir auch noch einen Piepmatz, einen großen, bunten Papagei! Und ›Schafskopf‹ kann er sagen! – Ach, Mutti, bin ich glücklich!«

»Bitte, wollen Sie nicht eintreten, Frau Hanke?«

»Mein schöner, lieber Papagei! Den stelle ich in meine Stube.«

Während Frau Bender den Besuch ins Zimmer nötigte, betrachtete Pommerle den Vogel interessiert.

»Er kann gut sprechen«, sagte Fritz. »Er kann auch fein schimpfen.«

»Schafskopf – Schafskopf – Schafskopf!« rief Pommerle in den Käfig hinein. Und prompt kam die Antwort: »Schafskopf!«

»Willst du mal meine Hundchen und meine Kätzchen sehen?«

Schnapp knurrte den fremden Knaben grimmig an und ließ seine Kinderschar nicht beäugen.

Gemeinsam trugen die beiden Kinder dann den Käfig in des Professors Zimmer.

»Vati, ein neues Glück ist uns ins Haus gekommen. – Siehst du, seit wir das Hufeisen haben, seit jener Zeit regnet es Glück.«

»Was soll denn mit dem Vogel werden?« fragte Bender ein wenig beklommen.

»Den habe ich geschenkt bekommen.«

»Bist du da? – Bist du da? – Hahaha, hörst du? – Bist du da? – Schmeckt fein. – Herein! – Schafskopf! – Bist du da?«

»Was soll denn der Vogel hier bei mir?« fragte Bender, als er sich das Geplapper ein Weilchen angehört hatte.

»Das ist jetzt mein Vogel, den hat mir Frau Hanke geschenkt. Vati, nun habe ich einen großen Hund, drei kleine Hündchen, vier Kätzchen und den schönen Papagei. Und wenn der kleine Sperling nicht wieder fortgeflogen wäre, hätte ich noch einen Sperling.«

»Geschenkt hat man dir den Papagei?«

»Jawohl – jawohl – jawohl«, schnarrte der Vogel. »Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen!«

Professor Bender ließ sich in den Stuhl fallen. Seit der Hundezucht war keine Ruhe mehr im Hause. Nun kam noch ein Papagei hinzu – und wahrscheinlich einer, der den ganzen Tag plapperte.

»Nimm den Vogel nur wieder mit, kleines Pommerle. Wir werden ihn in einem anderen Zimmer unterbringen.«

»Aber natürlich, Vati. Er kommt in mein Zimmer.«

»Aber, Kind, was denkst du dir denn? Wir wollen doch wenigstens unsere Nachtruhe haben.«

»In der Nacht schläft doch die süße, kleine Lora. Ach, lieber, lieber Vati, laß mich nur machen. Du wirst noch viel Freude haben, wenn du allein bist und du kannst dir was mit der Lora erzählen.«

»Auf Wiedersehen – auf Wiedersehen«, schnarrte Lora.

»Jawohl, auf Wiedersehen«, antwortete Bender, stand auf, nahm den Käfig und trug ihn zunächst ins Eßzimmer hinüber. »Ich habe zu arbeiten, Pommerle, und möchte dabei ungestört sein.«

Als sich Frau Hanke verabschiedete, lief ihr Pommerle nochmals in den Weg.

»Ich danke dir schön für den süßen Vogel. Ich habe die Tiere so furchtbar gern.«

»Soll ich dir noch eins von meinen weißen Hündchen schenken?«

»Ja.«

»Nein«, rief Frau Bender entsetzt. »Auf keinen Fall! Unser Haus ist schon jetzt der richtige zoologische Garten.«

»Ach, Mutti, so ein süßer, weißer Hund. Hast du denn gesehen, wie niedlich so ein Hund ist?«

»Du hast Schnapp.«

»Nun«, meinte Frau Hanke, »dann will ich dir meinen Schnipp nicht noch dazuschenken.«

Begeistert schlug das Kind in die Hände. »Mutti, Schnipp heißt er. Ach, Mutti, jetzt möchte ich noch den Schnipp haben. Denke doch, wie sehr sich der Schnapp freute, wenn auch noch ein Schnipp käme. – Ist das ein Hundemännchen?«

»Jawohl, mein Kind.«

»Ach, Mutti, dann laß mir doch den Schnipp. Die kleinen Hündchen wollen doch auch einen Vati haben. Ich habe doch auch wieder einen Vati bekommen. – Liebe, liebe Mutti, ich möchte noch den Schnipp haben.«

»Nein, mein Kind, den Schnipp bekommst du nicht.«

»Dann hat doch der Schnapp niemand, mit dem er spielen kann. Nun hat man mir schon das Grauchen genommen. – Mutti, wenn ich jetzt hundert Tage furchtbar artig bin, bekomme ich dann den Schnipp?«

»Nein, Pommerle, du hast an dem einen Hunde genug.«

»Aber wenn ich ihn mir zum Geburtstag wünsche? Wenn ich gar nichts anderes haben will? So ein süßes, kleines Hündchen, so weiß und so schön. Mutti, zum Geburtstag schenkst du mir doch den Schnipp?«

»Quäle nicht so sehr, Pommerle. Du hast Schnapp, damit ist es genug.«

Die Kleine schaute hilfesuchend zu Frau Hanke auf. Sie erwartete von dort Beistand. Aber Frau Hanke meinte auch, daß es an einem Hund und drei kleinen reichlich genug habe.

»Aber besuchen darf mich der Schnipp doch einmal?«

»Das kann er. Wenn ich das nächste Mal komme, bringe ich ihn mit.«

»Vielleicht bekommt er mich dann so lieb, daß er hierbleibt, und daß ich ihn – daß ich ihn – Mutti, was hast du mit mir gemacht?«

»Was meinst du, Pommerle?«

»Warum sage ich mit einem Male ›Mutti‹ zu dir statt ›Tante‹?«

»Weil wir dich als unser Kindchen angenommen haben.«

»Nein, Mutti, du hast noch was anderes mit mir gemacht.«

»Wir haben dich adoptiert, Pommerle. Das ist dasselbe.«

»Ja, so war es. – Vielleicht, wenn ich immer sehr gut mit dem weißen Hund bin, will er auch bei mir bleiben. Dann wird er von mir adoptiert. Basta!«

Nur mit Mühe unterdrückten die beiden Damen ein Lachen. Dann verabschiedete sich Frau Hanke.


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