Mark Twain
Querkopf Wilson
Mark Twain

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Schluß.

Die Bewohner von Dawson blieben die ganze Nacht auf und wurden nicht müde, die erstaunlichen Ereignisse des Tages zu besprechen und Vermutungen darüber anzustellen, wann das Gerichtsverfahren gegen Tom beginnen würde. Eine Abteilung der Bürger nach der andern kam vor Wilsons Haus gezogen, um ein Hoch auf ihn auszubringen und ihn reden zu hören. Bei jedem Satz, den er sprach, schrie man sich heiser, denn von seinen Lippen fielen jetzt nur wunderbare, goldene Worte. Sein langer Kampf gegen Vorurteil und Mißgeschick war zu Ende, er galt nun als ganzer Mann für alle Zeiten.

Jedesmal, wenn die begeisterten Scharen wieder abzogen, begann sicherlich der eine oder andere aus ihrer Zahl in reuevollem Ton zu sagen:

»Und diesen Mann haben wir und unsersgleichen zwanzig Jahre lang einen Narren und Querkopf genannt! Damit ist's nun ein- für allemal aus, ihr Freunde.«

»Jawohl – aber der Name geht nicht verloren – er hat ihn an uns abgetreten.«

Die Zwillinge waren jetzt echte Romanhelden und erfreuten sich des besten Rufes. Aber die Abenteuer des Westens waren ihnen verleidet und sie schifften sich ohne Aufschub nach Europa ein.

Roxy war ganz gebrochen. Zwar zahlte ihr der junge Mann, den sie dreiundzwanzig Jahre lang zur Sklaverei verdammt hatte, auch ferner monatlich fünfunddreißig Dollars aus, wie der falsche Erbe gethan, aber ihre Wunden waren zu tief – Geld konnte sie nicht heilen. Aus ihren Augen war aller Glanz verschwunden, ihre stolze Haltung war dahin und nie und nirgends hat man wieder ihr helles, sorgloses Lachen vernommen. Im Besuch ihrer Kirche und in gottesdienstlichen Uebungen fand sie den einzigen Trost.

Der echte Erbe war jetzt reich und frei, befand sich aber in einer äußerst unbehaglichen Lage. Er konnte weder lesen noch schreiben und sprach nichts als den unverfälschtesten Negerdialekt aus dem Sklavenquartier. Sein Gang, seine Haltung, alle seine Bewegungen und Stellungen waren ungeschlacht und gewöhnlich, sein Wesen – das eines Sklaven. Geld und schöne Kleider konnten diese Mängel nicht zudecken oder beseitigen, sie stellten das alles nur noch in ein grelleres und traurigeres Licht. Vor dem Aufenthalt im Wohnzimmer der Weißen graute dem armen Menschen förmlich; nirgends war ihm wohl und behaglich zu Mute, außer in der Küche. Wir können jedoch seinem seltsamen Schicksal nicht weiter folgen – das wäre eine zu lange Geschichte.

Der falsche Erbe legte ein volles Geständnis ab und wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Hieraus entstand jedoch eine sonderbare Schwierigkeit: Percy Driscolls Besitztum war bei seinem Tode so verschuldet gewesen, daß die Gläubiger sich mit sechzig Prozent ihrer Forderung begnügen mußten. Jetzt meldeten sie sich aber und erhoben einen neuen Anspruch. Zufolge eines Irrtums, an dem sie keine Schuld trügen, sagten sie, habe man den falschen Erben damals nicht mit in das Vermögensinventar aufgenommen, wodurch ihnen großes Unrecht und Schaden zugefügt worden sei. Sie forderten mit Recht ›Tom‹ als ihr gesetzliches Eigentum, das ihnen seit acht Jahren vorenthalten würde. Schon diese ganze Zeit über hätte man sie seiner Dienste beraubt und man dürfe ihnen nicht noch weitere Verluste bereiten. Wäre er ihnen damals gleich übergeben worden, so würden sie ihn verkauft haben, und er hätte gar nicht in den Fall kommen können, den Richter Driscoll zu ermorden. Deshalb wäre er selbst in keiner Weise für den Mord verantwortlich – das falsche Inventar trüge allein die Schuld. Dies leuchtete jedermann ein. Alle waren der Meinung, daß, wenn ›Tom‹ ein freier Weißer gewesen wäre, es ohne Zweifel gerecht sein würde, die Strafe über ihn zu verhängen – kein Mensch hätte einen Verlust dadurch gehabt. Aber einen wertvollen Sklaven auf Lebenszeit einzusperren – das war ganz etwas Anderes.

Als der Gouverneur die Sachlage begriffen hatte, begnadigte er ›Tom‹ auf der Stelle, und die Gläubiger verkauften ihn nach dem Süden, ›flußabwärts‹.

 

Ende.

 


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