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Es gibt mancherlei Schutzwehr gegen die Versuchung, aber die wirksamste ist Feigheit.
Querkopf Wilsons Kalender.
Freitag 13. Dezember. Um drei Uhr nachmittags in der ›Mararoa‹ abgesegelt. Eine Sommersee und ein gutes Schiff – was kann es Besseres auf Erden geben? –
Montag. Drei Tage im Paradies. Die See war sonnig, glatt und glänzend blau wie das Mittelmeer . . . Man liegt den ganzen Tag lang auf Deck im Klappstuhl unter dem Sonnenzelt und liest und raucht im wohligsten Behagen.
17. Dezember. Wir sind in Sydney.
19. Dezember. Auf der Eisenbahn. Ein Mensch von dreißig Jahren stieg mit vier Reisetaschen ein. Der Mund des schmächtigen Kerlchens sah aus wie ein verfallener Kirchhof, so vernachlässigt waren die Zähne; sein Haar bestand aus einer festen Schicht, die mit Pomade zusammengeklebt war. Er rauchte die wunderbarsten Zigaretten, die wohl aus einer Art Dung bestehen mußten, denn sie strömten zusammen mit dem Haar einen ganz ›eingeborenen‹ Geruch aus. Unter seiner tiefausgeschnittenen Weste kam ein großes Stück des verknitterten, zerrissenen und beschmutzten Hemdeinsatzes zum Vorschein, mit Knöpfen von Talmigold, welche schwarze Ringel auf der Leinwand gemacht hatten. Dazu trug er große unechte Manschettenknöpfe, bei denen man das Kupfer durchsah, und eine schwere Talmi-Uhrkette, die ihm vermutlich nicht verriet, was die Glocke geschlagen hatte, denn er fragte Smythe, wieviel Uhr es sei. Einstmals mochte sein Rock wohl auch jung und hübsch gewesen sein, jetzt war er aber außerordentlich schmutzig, und die hellen Sonntagnachmittags-Beinkleider, die er anhatte, desgleichen; sein gelber Schnurrbart war an den Enden kühn in die Höhe gewirbelt, seine Schuhe von unechtem Glanzleder sahen fuchsig aus. Er war für mich eine völlig neue Erscheinung – ein nachgemachter Gigerl; hätten es ihm seine Mittel erlaubt, so wäre er ein echter gewesen. Jedenfalls war er mit sich selbst zufrieden, das konnte man an seinem Gesichtsausdruck sehen, an jeder Bewegung, die er machte, an jeder Stellung, die er einnahm. Er lebte in einem Gigerl-Traumland, wo all sein schmutziges Scheinwesen echt und er selbst keine Lüge war. Wenn man sah, wie er seine kleinen nachgeäfften Künste und Gebärden, seinen falschen Schmuck und jede seiner gezierten Bewegungen mit Wonne genoß, so verlor die Kritik ihren Stachel und der Zorn besänftigte sich. Mir schien es klar, daß er sich einbildete, er wäre der Prinz von Wales, und sich ganz so benahm, wie er glaubte, daß sich der Prinz benehmen würde. Dem Dienstmann, der ihm seine vier Reisetaschen nachtrug und ins Netz legte, gab er vier Cents für die Bemühung und entschuldigte sich wegen der geringfügigen Summe, mit einem leisen Anflug der königlichsten Herablassung. Dann rekelte er sich auf dem Vordersitz, legte den Arm unter seinen pomadisierten Kopf, steckte die Füße zum Fenster hinaus und begann die Rolle des Prinzen zu spielen, wie sie ihm vorschwebte. Mit erkünstelter Abgespanntheit sah er den blauen Qualm sich von seiner Zigarette emporkräuseln, sog den Gestank ein und machte ein beglücktes Gesicht; dann streifte er mit einem zierlichen Schwung die Asche fort und ließ dabei ganz unabsichtlich seinen Messingring am Zeigefinger mit der größten Auffälligkeit funkeln. Kurz, er machte alles so täuschend nach, daß man sich wirklich nach Marlborough House versetzt glaubte.
Auf der Fahrt war auch sonst viel zu sehen: Die wunderschöne Gegend im Nationalpark am Hawksbury-Fluß, wo die Waldberge einen stolzen Rahmen um die von See und Strom bewässerte Landschaft bilden und dem Beschauer in immer neuer Gruppierung die entzückendste Szenerie vorführen. Weiterhin grüne Ebenen, spärlich mit Gummiwäldern bedeckt; hie und da eine vereinzelte Hütte, wo die Farmer sich fleißig der Kinderzucht widmeten; dann dürre, trübselige Strecken ohne Leben. Endlich Newcastle mit reger Geschäftstätigkeit, die Hauptstadt des reichen Kohlenbezirks. In der Nähe von Scone viel Landwirtschaft und Weideland, dazwischen häufig ein sehr lästiges Gewächs, eine kleine stachlichte Birnensorte, welche der Farmer täglich zu allen Teufeln wünscht. Sie soll von einer gefühlvollen Dame eingeführt und der Kolonie zum Geschenk gemacht worden sein . . . Den ganzen Tag über eine wahre Siedehitze.
20. Dezember. Wieder nach Sydney zurück. Noch eben solche Glut. Ich habe mir in der Zeitung und auf der Landkarte eine Menge absonderlicher Namen von Städten Australiens zusammengesucht, um ein Gedicht daraus zu machen. Hier ist die Liste:
Vielleicht tue ich am besten, gleich mit dem Aufbau des Gedichts zu beginnen; das Wetter soll mir dabei behilflich sein:
Gluthitze in Australien.
(In leisem Flüsterton zu lesen, wenn die Lichter gelöscht sind.)
Die Wörter sind für die Poesie wie geschaffen; bessere habe ich mein Lebtag nicht gehört. Die Liste umfaßt einundachtzig Stück, aber ich habe nicht alle gebraucht und mir nur vierundsechzig herausgegriffen. Mir scheint, das ist ein gehöriges Bündel für jemand, der nicht Dichter von Beruf ist. Vielleicht wäre es einem Hofpoeten besser gelungen, aber ein Hofpoet bezieht auch Gehalt. Wenn ich Verse mache, bekomme ich nichts dafür, im Gegenteil, es kostet mich oft noch Geld. Das beste Wort im ganzen Verzeichnis, das auch am melodischsten girrt und gluckst ist Woolloomooloo. So heißt ein Ort in der Nähe von Sydney, ein Lieblingsziel für Vergnügungsausflüge. Es sind nicht weniger als acht o in dem Namen.
Schluß der 1. Abteilung.