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Je jünger der Mensch ist, um so mehr hat er, wie die niederen Organismen, namentlich und vorzugsweise die Pflanzenwelt, Nahrung in flüssiger Gestalt nötig. Der vollkommen entwickelte Mensch bedarf derselben weniger; aber das hohe Alter muß wieder der überhandnehmenden Vererdigung, der Vertrocknung des Körpers durch eine reichlichere Zufuhr flüssiger Nahrungsstoffe das Gegengewicht halten. Starke Körperbewegungen vermehren die wässerigen Exkretionen und erzeugen daher auch ein größeres Bedürfnis zu trinken als eine sitzende Lebensweise. Die flüssigen Teile verhalten sich bei dem Menschen (nach Reil) zu den festen wie 100 zu 60, worin das große Bedürfnis flüssiger Nahrung für uns seinen sehr klaren Grund hat. Die Getränke müssen mit den Speisen gleiche allgemeine Eigenschaften besitzen, nahrhaft, leicht verdaulich, reizend sein und, da sie vorzüglich die durch einen geringen Grad der Oxydation zu bewirkende Auflösung der Speisen im Magen zu unterstützen bestimmt sind, ein wenig Säure oder doch Säuerungsfähigkeit besitzen.
Sie sind teils unorganisch wie das Wasser, teils haben sie eine organische Abstammung, und zwar entweder aus dem Pflanzen- oder Tierreich, teils besitzen sie eine gemischte Beschaffenheit. Sie sind bald unveränderte Naturprodukte, bald Kunsterzeugnisse, natürliche oder künstliche Getränke. Nach ihren näheren Bestandteilen kann man sie in schleimige, öligschleimige, ölig-weingeistige, aromatische, nach ihren Wirkungen in eiweißstoffige oder milchige, zuckerhaltige, saure, in nährende, kühlende, reizende und indifferente Getränke einteilen. Ohne Getränk können wir weder genährt, noch gereinigt werden. Flüssigkeit ist das Vehikulum des Milchsaftes, die ihn verdünnt, in die feinsten Kanäle einführt und allenthalben, wo Ersatz nötig ist, im Körper verteilt. Sie dringt in unseren Körper wie in einen Schwamm ein und durchwandelt alle Winkel unserer Organisation, wäscht das Blut von seinen Unreinigkeiten aus, verdünnt und stumpft die Schärfe ab, löst die geschärften Salze und Öle und die abgenutzten erdigen Teile allenthalben auf und führt sie den Werkzeugen zu, die diese verdorbenen Massen aus dem Körper auswerfen. Alle diese Eigenschaften des Getränks kommen nur dem Wasser zu und gelten nur insofern von den anderen Getränken, als jene Wasser enthalten.
Zu wenig trinken ist daher höchst nachteilig: alle Säfte werden dadurch dick und zähe, alle Salze scharf, alle Öle ranzig, und diese Schärfen bleiben im Blute zurück, wenn wir zu wenig Feuchtigkeit zu uns nehmen.
Man muß trinken, wenn man durstig, und zwar so viel trinken, als zum Ersatz der verlorenen Feuchtigkeit nötig ist. Diejenigen müssen viel trinken, die viele trockene, hitzige, scharfe und salzige Speisen essen. Gebratenes Fleisch will mehr Feuchtigkeit als gekochtes; Hülsenfrüchte und Mehlspeisen mehr, als wässerige Kräuter und Gartengewächse. Trockene, hitzige und dürre Personen, die gespannte Muskeln und ein erdiges, pechartiges Blut haben, müssen mehr trinken als schwammige, phlegmatische und wasserreiche Konstitutionen. Arbeitsame trinken mehr als Fette und Faule. Im Sommer, wenn der Hang der Säfte zur Schärfe größer ist, hat man mehr Getränk nötig als bei naßkaltem Herbst- und Frühlingswetter, wo die Haut allein beinahe Wasser genug einsaugt. Kurz vor Tische benimmt das Getränk die Eßlust, entkräftet und verdünnt die Verdauungssäfte. Vor der Mahlzeit Tee trinken, wie es in Ostfriesland der Brauch ist, heißt dem Soldaten das Gewehr zerschlagen und ihn dann in den Krieg schicken. Aus gleichen Gründen ist es nicht gut, unter und gleich nach dem Essen zu trinken. Allein drei bis vier Stunden nach Tische, wenn die Verdauungssäfte, inniglich mit den Speisen gemischt, sie aufgeschlossen und der Magen sie durchgearbeitet hat, dann löst das Getränk den dicken Brei auf und gibt ihm den Grad von Verdauung, daß die Milchgefäße ihn aufnehmen können. Des Nachts ist Getränk schädlich. Gefährlich ist ein Getränk, das durch einen merklichen Grad der Kälte vom Körper verschieden ist.