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Und wird das Wasser sich entfalten,
Sogleich wird sich's lebendig gestalten;
Da wälzen sich Tiere, sie trocknen zum Flor,
Und Pflanzengezweige, sie dringen hervor.
Goethe
Die Indifferenz der modernen Völker gegen das Wasser wird von nichts übertroffen als von der Sorgfalt der alten Völker dafür. »Unter den Elementen gebührt dem Wasser der Preis, und gleich der lodernden Flamme schimmert das Gold.« So weist Pindar dem Feuer nur den zweiten Platz an, und mit ihm stimmt Hesiod überein, wenn er sagt: »Aber zuerst ist das Chaos entstanden (das Wort χάος soll nämlich hergeleitet sein von χύρις das Fließen). Auch der Koran läßt dem Wasser Gerechtigkeit widerfahren, denn er sagt: »Von dem Wasser ist alles Ding lebendig.«
Und ist nicht dasjenige Element das nützlichste, welches wir beständig und zu allen Zeiten und am meisten gebrauchen? Das Feuer ist uns nicht zu allen Zeiten brauchbar; dies ist zu entbehren, jenes nicht. Die größte Qual ist nicht, ohne Feuer zu sein, sondern ohne Wasser. Jupiter straft damit:
Auch den Tantalus sah ich, mit schweren Qualen belastet,
Mitten im Teiche stand er, das Kinn von der Welle bespület,
Lechzte hinab vor Durst und konnte zum Trunke nicht kommen;
Denn so oft sich der Greis hinbückte, die Zunge zu kühlen,
Schwand das versiegende Wasser hinweg und rings um die Füße
Zeigte sich schwarzer Sand, getrocknet vom feindlichen Dämon.
Das Wasser leistet uns Dienste im Sommer und im Winter, in Gesundheit und in Krankheit, bei Tage und bei Nacht. Daher nannten auch die Griechen die Toten Alibantes, welcher Ausdruck anzeigt, daß sie gar keine Feuchtigkeit mehr haben, und deshalb des Lebens beraubt sind. Der Mensch ist wohl einmal ohne Feuer, aber niemals ohne Wasser gewesen. Dasjenige aber, was von Anbeginn und seit der ersten Entstehung des Menschen existiert hat, ist nützlicher als das, was erst nachher erfunden worden ist. Man kann nicht sagen, daß die Menschen zu irgendeiner Zeit kein Wasser gehabt haben; auch wird keiner von den Göttern oder Heroen als Erfinder desselben angegeben. Das Wasser besitzt auch die menschenfreundliche Eigenschaft, daß es keine Geräte, keine Werkzeuge erfordert und ohne alle Zutat schon an und für sich selbst nützlich und brauchbar ist. Gäb' es kein Meer, so wäre der Mensch das wildeste und schamloseste Tier. So aber hat dies Element (nach Plutarch) den Weinstock aus Indien nach Griechenland, den Gebrauch der Feldfrüchte aus Griechenland den jenseitigen Ländern mitgebracht sowie aus Phönizien die Buchstaben, wodurch geschehene Dinge vor Vergessenheit gesichert werden. Dieser überall verbreitete Gebrauch des Weins und der Früchte hat den größten Teil des menschlichen Geschlechts aus der Unwissenheit und Barbarei gerissen.
Kallisthenes meldet uns von Äschylus, er habe, um seine Seele in Feuer zu setzen, seine Tragödien beim Weine geschrieben. Demosthenes hatte diese Hilfsmittel nicht nötig; er trank Wasser, wenn er arbeitete, und Demades soll deswegen im Scherze von ihm gesagt haben, andere hielten ihre Reden beim Wasser.
Alle alten Völker sorgten für sehr gutes Wasser und waren darin äußerst gewählt und vorsichtig. Die Könige der Perser tranken (nach Herodot) kein anderes Wasser als das aus dem Flusse Choaspes, der die Mauern von Susa berührte; sie ließen sich dasselbe auf allen ihren Reisen nachkommen. Man ließ es zuerst kochen und verpackte es dann in silberne Gefäße. In späteren Zeiten fand man aber in Persien ein noch köstlicheres Wasser; es wurde das goldene genannt. Niemand durfte es trinken als der König und dessen ältester Sohn; für alle anderen stand Todesstrafe darauf, wenn sie es tranken. Ebenso hoch schätzten die Könige Ägyptens das Nilwasser. Ptolemäus Philadelphus, der seine Tochter an Antiochus, König von Syrien, verheiratet hatte, sendete ihr (nach Polybius) immer Nilwasser, damit sie nicht nötig hatte, anderes zu trinken. Das Wasser des Nils nahm man nur bei Nachtzeit ein; man hielt es da für besser, als wenn die Wärme des Tages unmittelbar darauf einwirke.
So ist sumpfiges Wasser bei Winterkälte eben so gut zu trinken als ein anderes, hingegen es den Sommer über sehr schädlich wird, schlecht schmeckt und Krankheiten verursacht. Weil nun die Nacht dem Winter, der Tag aber dem Sommer zu entsprechen scheint, so glaubte man, daß das zur Nachtzeit geschöpfte Wasser sich auch eine längere Zeit unverdorben erhalten müsse. Nur ist wohl zu beachten, daß alles geschöpfte und nicht sofort verbrauchte Wasser sorgfältig in ganz bedeckte Gefäße gebracht werden muß, sonst verliert es schnell seine besten Eigenschaften. Namentlich aber zieht die Sonne immer die feinsten und leichtesten Teile des Wassers auf und verdirbt es eben dadurch, daß die gröbere, schwerere, materielle Masse allein übrig bleibt. Herodot spricht von einer Quelle in Ägypten, die so vortreffliches Wasser hat, daß diejenigen, die sich darin waschen, einen förmlichen Glanz bekommen. Diese Quelle roch nach Veilchen und ihr Wasser war so leicht, daß nichts auf ihrer Oberfläche blieb, weder Holz noch leichtere Gegenstände, sondern alles gleich unterging. Menschen, die sich dieses Wassers bedienten, erreichten ein hohes Alter. Homer weiß, daß das Wasser ernährend ist, denn er sagt: Pappelgehölz durch Wasser genährt. Ihm scheint das Wasser das vorzüglichste, welches eine lange Zeit über fruchtbare Erde geflossen ist. Theophrast sagt: Das Nilwasser ist sehr süß; aber große Trockenheit macht es zuweilen schädlich. Nach der Meinung alter Schriftsteller wechseln die Gewässer ihre Eigenschaften; der Blitz, meinten sie, sei davon die Ursache. Sie behaupteten, daß Steine und Blei, in das Wasser getan, es frisch erhalten, seine Kälte vermehren. Dünnes Wasser werde leichter abgekühlt als das dickere, weil es zu schwach sei, um der Kälte zu widerstehen. Nun verdünnen aber die Kiesel und andere Steine das Wasser, indem sie alle die schlammigen und erdigen Teile, die ihm beigemischt sind, an sich ziehen und zu Boden werfen. Dadurch wird das Wasser dünner und so geschwächt, daß die Kälte es leicht überwältigen kann. Das Blei gehört unter die von Natur kalten Dinge. Mit Weinessig aufgelöst, gibt es Bleizucker, das kälteste unter allen tödlichen Giften. Überdies bringen die Kieselsteine vermöge ihrer Dichtheit die Kälte bis auf den Grund des Wassers. Denn jeder Stein ist nichts anderes als eine durch Kälte und Frost verdichtete und zusammengepreßte Erdmasse; je dichter einer ist, desto mehr hat die Kälte auf ihn eingewirkt. Es ist also nicht zu verwundern, daß der Stein sowohl als das Blei durch ihren Widerstand die Kälte des Wassers vermehren.
Alle dichten Gewässer, sagten die Alten, sind wärmer als die anderen, wenn man sie einmal erhitzt; aber, wieder kalt geworden, auch um desto kälter. Das Bergwasser, weil es weniger mit Erdteilen gemischt ist, ist reiner als das der Ebenen.
Eines der berühmtesten Wasser Griechenlands war das des Springbrunnens Pyrene in Korinth; es war leichter als alles andere Wasser. Als man Philoxenus aber nach dem besten Wasser Griechenlands fragte, meinte er, dasjenige sei es unbezweifelt, welches über die Hände liefe. Da man sich vor dem Zutischesetzen in Athen die Hände wusch, so wollte er damit sagen, das Wasser sei ihm das beste, welches ihn zum Mittagstisch rufe.
Die sogenannte Quelle Homers auf der Insel Chios ergießt sich glänzend und leicht wie ein Silberflor aus dem Felsen. Täglich tragen Maultiere das Wasser nach der nahen Stadt zum Verbrauche. Unter den Geschenken, welche die Bewohner der Insel von Zeit zu Zeit dem Kapudan-Pascha darbringen, befinden sich immer einige Tonnen dieses Wassers. Es ist das reinste und leichteste der Insel, ebenso berühmt als der Wein Homers, der eine halbe Stunde davon auf einem sehr kleinen Felde wächst. »Verseht euch«, ruft ein moderner Schriftsteller, »mit diesem Wasser und mit diesem Weine, wenn ihr euch der Schule Homers würdig machen wollt!«
Die Römer waren nicht, wie neuere Völker, damit zufrieden, ihre Zisternen aus einem trüben Flusse oder fauligen Kanale zu füllen, sondern suchten die vorzüglichsten Quellen auf, und leiteten das Wasser aus großer Entfernung klar und nicht verunreinigt in die Städte. So entstanden jene herrlichen Wasserleitungen, die noch jetzt als Meisterwerke der Baukunst in Staunen setzen. Am höchsten wurde das marcische Wasser, nach Ancus Marcius so genannt, wegen seiner vorzüglichen Reinheit und Süßigkeit gehalten.
Sowohl Galen als Plinius haben das noch jetzt in den Tropenländern übliche Verfahren, die Temperatur des Wassers durch Evaporationen in porösen Gefäßen zu erniedrigen, in ihren Schriften beschrieben, und ein Gleichnis in den Sprüchen Salomonis (Kap. 25, Vers 13) scheint zu dem Schlusse zu berechtigen, daß die Aufbewahrung des Schnees für den Sommer seit den frühesten Zeiten im Orient gebräuchlich gewesen sei. Daß den Griechen und Römern Eiskeller bekannt waren, ist vollkommen erwiesen. Als Alexander der Große die Stadt Petra in Indien belagerte, ließ er eine Anzahl Löcher in die Erde graben, mit Schnee füllen und mit Eichenästen bedecken, und der Schnee blieb lange unaufgelöst. Auf dem alten Mons Albanus wurde alljährlich der für Rom bestimmte Schnee gesammelt. Auf dieser trockenen Ebene gräbt man noch gegenwärtig fünfzig Fuß tiefe und oben fünfundzwanzig Fuß weite zuckerhutförmige Löcher. Etwa drei Fuß vom Boden befestigt man einen hölzernen Rost, welcher dem Schneewasser als Abzug dient. Die Grube wird mit Baumzweigen und Stroh gefüttert und mit Schnee gefüllt, den man so fest einrammt, daß er zum Klumpen wird. Diesen bedeckt man mit Baumzweigen und baut ein kegelförmiges Dach mit starker Strohdecke darüber. An der Seite wird eine ebenfalls mit Stroh bedeckte Tür gelassen, durch welche man eingeht, um das Eis, denn in solches verwandelt sich der Schnee, mit Picken herauszuhacken. Noch fester wird der Klumpen, wenn man heißes und, ist es möglich, kochendes Wasser darübergießt. Abgekochtes Wasser gefriert überhaupt am schnellsten; dieser Meinung waren schon Galen und Aristoteles, und die neuere Chemie hat die Richtigkeit dieser Ansicht bestätigt.
Jedes Wasser, das man vorher warm gemacht, wird hernach viel frischer. Ähnliches zeigt unser Körper, indem wir nach einem warmen Bade mehr zu frieren pflegen. Denn die durch die Wärme bewirkte Erschlaffung eröffnet alle Poren und macht den Körper so schwammig, daß er die Luft in großer Menge einzieht.
Die Liebhaberei des Warmwassertrinkens ist uralt. Der heilige Augustinus ist der Meinung, daß diese Sitte schon zu Matthäus des Evangelisten Zeiten im Gebrauch gewesen; er schließt das aus dem 10. Kapitel, 42. Vers, wo es heißt: »Und wer dieser Geringsten einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränkt« – also, sagt Augustinus, war doch auch warmes gebräuchlich. Justus Lipsius beweist (im Electrum, I. Buch), daß das Wort Calix von caldus (warm) herrührt, und die Alten alle Getränke warm nahmen. Der Kaiser Claudius ließ, als er Zensor war, die Warmwasserbuden in Rom schließen, weil sie zu sehr überhandnahmen. Caligula ließ einen Warmwasserwirt peitschen, weil er an den Tagen der Leichenfeier der Drusilla öffentlich ausschenkte, und Kaiser Tiberius Claudius Nero wurde spottweise Biberius Claudius Mero (Warmwassersäufer) genannt. Das Wasser soll so viel Anteil an unserer Gestalt haben, daß die Inder sagen – und man weiß, welche Verehrung sie für das heilige Wasser des Indus haben –, es könne keine Schönheiten geben in Ländern, wo kein gutes Wasser sei; und das Orakel selbst gibt dem Wasser der Arethusa die Wirkung, schöne Menschen zu machen. Stratonicus sah zu Pella einige Leute mit schlechter Gesichtsfarbe an einem Brunnen stehen. Er fragte, ob das Wasser des Brunnens gut sei. »Wir trinken daraus«, war die Antwort. »Also«, sagte er, »taugt es nichts.«
Das Wasser, welches sich schnell erhitzt und schnell erkältet, welches leichter als anderes ist, ist das beste. Hippokrates sagt (in seiner Abhandlung über die Getränke), daß gutes Trinkwasser auch das beste für die Mischung der Medikamente sei. Er behauptet, daß das beste Wasser dasjenige sei, welches von großer Höhe zwischen zwei Erdhügeln ströme. Er zieht das Wasser der Quellen, die nach Osten fließen, allem anderen vor, besonders des Sommers, wo diese Wasser leicht und klar sind und dem Geruch schmeicheln. Gutes Wasser muß ferner weich und geschmacklos sein. Recht kaltes Wasser hielten Römer und Griechen für eine allgemeine Arznei. Boerhave sagt, es stärke die Eingeweide, es reinige alles, bewahre vor hitzigen Fiebern und sei für allzu dürre Personen, die zuviel Säure oder Galle haben, das beste Heilmittel. Das Wasser dämpft das Genie nicht. Zimmermann gibt dem Wasser den Vorzug vor allen anderen Getränken. Das sanfte Wasser, sagt er, scheint, wie die Pflanzengewächse, die angemessenste Nahrung; denn die gärenden Getränke hat uns der Schöpfer nicht gegeben.
Das Wasser ist ein herrliches Galle und Fäulnis tilgendes Mittel wegen der vielen fixen Luft und der salzigen Bestandteile, die es enthält. Es befördert die Verdauung. Es ist das natürlichste und einfachste Getränk und besitzt unter allen Getränken die meiste Indifferenz, obwohl in ihm auch der Sauerstoff überwiegt. Daher ist es das Getränk vorzugsweise und bildet die Grundlage aller übrigen natürlichen und künstlichen Getränke.
Es stillt den Durst am besten, kühlt, stimmt die Empfindlichkeit der Nerven herab und wirkt durch seine Kohlensäure und atmosphärische Luft erregend. Es wird schnell eingesogen und dem Blute zugeführt, dessen Umlauf es befördert.
König Karl IV. von Spanien war ein so großer Freund von gutem Trinkwasser, daß er auf seinen Reisen nach den entferntesten Punkten des Königreichs, nach Barcelona, nach Badajoz, sich sein gewöhnliches Trinkwasser aus Madrid, wo es von vorzüglicher Güte ist, auf zahlreichen Maultieren nachkommen ließ. »Schönes Wasser«, sagt der sonst gar nicht gewählte Seume (»Spaziergang nach Syrakus«), »ist eine meiner besten Liebschaften, und überall, wo nur Gelegenheit war, ging ich hin und schöpfte und trank. – Jetzt – fügt er bei einer anderen Gelegenheit hinzu –, jetzt sind alle Wasser so schön und hell, daß ich überall trinke; denn für mich geht nichts über schönes Wasser. Die Wohltat und den Wert davon zu empfinden, mußt du dich von den Engländern einmal nach Amerika transportieren lassen, wo man in dem stinkenden Wasser fingerlange Fasern von Unrat findet, die Nase zuhalten muß, wenn man es, durch ein Tuch geschlagen, trinken will, und doch noch froh ist, wenn man diese kozytische Tunke zur Stillung des brennenden Durstes nur erhält. So ging es uns – endet Seume – als wir in den amerikanischen Krieg zogen, wo ich die Ehre hatte, dem Könige die dreizehn Provinzen mit verlieren zu helfen.«
Ich selbst kenne aus meiner Erfahrung die üblen Folgen des Trinkens von schlechtem Wasser. In dem russischen Feldzuge von 1812 fehlte es uns häufig an frischem Wasser. Oft halfen wir uns mit den Pfützen Liv- und Kurlands; auf dem Rückzuge, da alle Brunnen eingefroren waren, mußten wir uns mit Schneewasser begnügen; ohne Sorgfalt, in Eile, in oft nicht sehr reinlichen Zeltflaschen ans Feuer gebracht, wurde es zuweilen noch lau getrunken. Die Folge davon war, daß ein großer Teil unseres Armeekorps (des Yorkschen) im nächsten Frühjahr an der ägyptischen Augenkrankheit litt. Viele Soldaten mußten Reih' und Glied verlassen, so daß wir Offiziere endlich unter uns beschlossen, bei der ganz nahen Aussicht auf Kampf und Gefahr, trotz des Augenübels, nicht von der Fahne zu gehen, ein Beispiel, welches von vielen recht kranken Soldaten nachgeahmt wurde. Ich kann versichern, daß ich vierzehn Tage lang fast gar nichts gesehen hatte, als wir bei Lützen ins Feuer kamen; aber mit dem ersten Kanonenschusse riß ich die Augen mit Gewalt auf, habe aber nachher jahrelang an Augenübel gelitten.
Das Wasser besitzt (nach Reil) alle die Eigenschaften, die bei einem guten Trank erforderlich sind. Wasser bekommt allen Naturen und übt gar keine angreifenden Wirkungen auf den Körper aus. Alle anderen Getränke erschlaffen oder reizen mehr oder weniger die Fasern und Nerven, verdicken die Lymphe und das Blut und beschleunigen oder dämpfen den Kreislauf der Säfte. Wasser verträgt sich mit allen Speisen, löst sie am besten auf und verwandelt sie in einen gesunden Nahrungssaft. Man muß das Wasser kalt und roh trinken. Gesundes Wasser muß rein, hell und durchsichtig sein, ohne Geschmack, Geruch und Farbe. Es muß ferner leicht auf der Waage sein, leicht kalt und warm werden, im Sommer kühl und im Winter laulich sein; es darf keinen Bodensatz haben, wenn es einige Tage gestanden hat, und, auf Papier getröpfelt, keinen Fleck zurücklassen.
Nach der verschiedenen Beschaffenheit, welche das Wasser besitzt, ist seine Wirkung natürlich wiederum verschieden. Es kann viel fremde, erdartige, salzige, vegetabilische und animalische Bestandteile in zu großer Menge, statt der Kohlensäure und der atmosphärischen Luft fremde Gasarten enthalten, wodurch es die sogenannte harte Beschaffenheit bekommt und von dem weichen Wasser unterschieden wird.
Ein solches hartes Wasser erschwert die Verdauung und bringt eine seinen fremdartigen Bestandteilen entspringende Wirkung hervor, wie z. B. durch den zu reichlichen kohlensauren Kalk Ausgehen der Haare und selbst Nierenkrankheiten entstehen. Ein gutes Wasser muß daher nicht hart, sondern weich sein. Es muß Hülsenfrüchte leicht garkochen, und die Seife muß davon schäumen; es muß die Flecken aus dem Leinenzeug nehmen. Harte Wasser lösen die Speisen nicht so gut im Magen auf, machen die Haut hart und spröde und schaden der Gesundheit durch die fremdartigen Teile, womit sie überladen sind. Gutes Wasser muß bei dem Kochen und Abdämpfen wenig feste Teile und keine erdigen Borken an den Seitenwänden der Gefäße zurücklassen. Sehr selten findet man Wasser im höchsten Grade der Reinheit, weil es eine so überaus große Auflösungskraft hat. Daher der Unterschied von weichem und hartem, reinem und unreinem, Tau-, Regen-, Schnee-, Quell-, Brunnen-, Fluß-, See- und mineralischem Wasser.
Man hat viele Mittel versucht, unreines Wasser gesünder und trinkbarer zu machen. Man filtriert es durch Sand, poröse Steine, Papier, mischt Zitronensäure, Essig, Vitriol, Weinsteinsalz dazu und kocht es, um die flüchtigen Teile zu verjagen, die schweren, erdigen Körper aus ihrer Verbindung zu setzen, daß sie zu Boden fallen. Aber alle diese Reinigungsmittel haben noch ihre Unvollkommenheiten. Das Kochen z. B. nimmt dem Wasser zugleich einen nützlichen Bestandteil, seine fixe Luft, und vermindert oft nur das Auflösungsmittel für den aufzulösenden Körper, ohne daß der Anteil fremdartiger Substanzen in dem zurückgebliebenen Wasser vermindert wird.
Das Quellwasser besitzt weniger Kohlensäure und atmosphärische Luft als das Regenwasser, außerdem etwas kohlensauren Kalk, salzsaures Natron und Kieselerde. Enthält es keine anderen Mittelsalze, hat es nicht von den bleiernen, eisernen oder hölzernen Röhren der Verdauung schädliche Bestandteile, kohlensaures Eisen oder Blei angenommen, so ist es das gesündeste Wasser. Aber die Hauptsache ist: es muß frisch, d. h. aus Quellen, nicht aus Brunnen geschöpft sein; denn jedes Brunnenwasser hat so gut wie die mineralischen seinen Brunnengeist, seine fixe Luft. Das vorzüglichste Quellwasser entspringt aus einem sandigen, kieselartigen Boden. Weniger gesund ist es, wenn es über mörtelartige Wege, über Salz- und Eisenminen geht. Es ist das Wasser des Dunstkreises, das durch die Gebirge abgeleitet wird, sich durch ihre Erdschichten durchseiht und als Quelle wieder hervorsprudelt. Ist das Quellwasser einmal erwärmt gewesen, so erhält es den erquickenden, erfrischenden Geschmack nie wieder. Vollkommen reines Wasser erhält man nur durch Destillation, am besten des Regen- oder Flußwassers mit der Vorsicht, daß man noch etwa ein Drittel des Wassers im Rückstande läßt, weil sonst das Destillat durch Veränderung der im Wasser enthaltenen organischen Körper brenzlich wird. Vollkommen reines destilliertes Wasser muß ganz farb-, geruch- und geschmacklos sein, in einer blanken Platinschale abgedampft, keinen festen Rückstand hinterlassen und weder vom Schwefelwasser noch vom salpetersauren Silberoxyd getrübt werden.
Das Regenwasser enthält viel atmosphärische, durch einen Reichtum von Sauerstoffgas sich auszeichnende Luft und Kohlensäure, etwas kohlensauren und salzsauren Kalk sowie etwas Salpetersäure. Das während eines Gewitters gefallene Wasser enthält letztere in Verbindung mit Ammonium und Kalk noch reichlicher, doch ohne daß dadurch jenes eine schädliche Wirkung bekommt. Das Regenwasser ist hell, auf der Waage am leichtesten, löst die Seife auf, Hülsenfrüchte werden leicht weich darin; aber es ist doch nicht das gesündeste und roh gar nicht zu trinken; es ist die Lauge des Dunstkreises, die alle die flüchtigen, von Tieren, Pflanzen und Mineralien aufsteigenden Dünste wieder herunterbringt. Deshalb fault es, vorzüglich bei heißem Wetter, leicht und wirft einen grünlichen, sehr übel riechenden Schlamm zu Boden. Am reinsten ist es bei kalter Luft und wenn es schon einige Zeit geregnet hat; unreiner im Sommer, wenn die Hitze die Ausdünstung vermehrt, bei nebeligem und windigem Wetter. Das Wasser, das über volkreiche Städte fällt, mit den Ausdünstungen von Menschen und Tieren und den phlogistischen Dämpfen brennender Materie geschwängert, ist unreiner und fauler als der Regen auf dem platten Lande. Das aber auf die gewöhnliche Weise in den Zisternen aufgefangene Regenwasser ist nichts anderes als das Spülwasser des Dachs, welches von Insekten, ihren Exkrementen, von Kalk und verfaultem Stroh besudelt, bald in Fäulnis übergeht und in den Zisternen einen pestilenzartigen Geruch verbreitet. Das Wasser der Schieferdächer führt vitriolische Teile mit sich; das auf den Bleidächern oder durch Bleiröhren geleitete scheuert leicht einen Bleizucker ab. Oft ist dergleichen vergiftetes Wasser die verborgene Ursache von verstopften Drüsen, Auszehrungen, Lähmungen, Krämpfen. Wo es notwendig wird, Regenwasser aus Zisternen zu trinken, müssen diese oft gereinigt und gut zugedeckt werden; die Dachrinnen aber müssen von Holz sein und man muß im Frühlinge das erste Wasser ablassen.
Schnee fällt im Winter, wenn der Dunstkreis am reinsten ist; er gibt also ein gesundes und reines Wasser, wenn er frisch gefallen ist, wird aber, wenn er lange liegt, mit allerlei Schmutz besudelt. Am zweckmäßigsten ist es, wenn der Schnee oder auch das Eis durch Sonnenstrahlen geschmolzen ist. Dies Wasser hat aber durch das Gefrieren nicht bloß seine salzigen und erdigen Teile verloren, sondern auch seinen Gasgehalt, also seine reizenden Bestandteile, deshalb ist es schwer verdaulich. Jedoch beschuldigt man das Schneewasser mit Unrecht, daß es Kröpfe erzeugt; denn in Tibet und dem mittägigen Amerika, wo bei den dortigen hohen Gebirgen lauter Schneewasser getrunken wird, trifft man keine Kröpfe an, wohl aber in Sumatra, wo man kein Schneewasser trinkt.
Das Flußwasser enthält weniger Mittelsalze als das Quellwasser, aber auch weniger Kohlensäure. Flüsse, die einen schnellen Lauf und ein sandiges und steiniges Bett haben, geben ein reines und gesundes Wasser, das vorzüglich zum Kochen der Hülsenfrüchte und zum Bierbrauen gut ist. Das ursprünglich unreine Flußwasser säubert sich und schlemmt seine Unreinigkeiten ab, wenn es schnell über Sand und Kieselsteine geht. Stagnierende Gewässer, Flüsse, die über ein schlammiges und mörtelartiges Bett gehen, von unreinen Orten kommen, durch große Städte fließen, langsam durch weite Ebenen fortschleichen, voll abgestorbener Fische, verwester Insekten und giftiger und scharfer Wasserpflanzen sind, geben ein unreines, fauliges und der Gesundheit äußerst verderbliches Wasser. Nach Gewitter, Sturm und Platzregen wird das Flußwasser meistens trübe, voll erdiger Teile, macht Magenschmerzen und darf nicht eher getrunken werden, bis es sich gesetzt hat oder durchgeseiht ist.
Das Brunnenwasser gleicht am meisten dem Quellwasser, enthält etwas mehr Kohlensäure, besitzt aber zuweilen eine harte Beschaffenheit. Es hat oft einen starken, erdigen und salzigeren Gehalt als das Quellwasser; daher ist es der Gesundheit weniger zuträglich. Das leichte und weiche Brunnenwasser, worin Hülsenfrüchte bald weich kochen, aus sandigem Boden entspringend, und woraus häufig geschöpft wird, ist, in Ermangelung eines besseren, ein gesundes Trinkwasser. Ein guter Brunnen aber muß mit Ziegelsteinen ausgesetzt und um ihn herum das Erdreich schräge mit Sand aufgehöht sein, damit das umstehende faule Wasser nicht hineinlaufe. Das Schöpfen durch eine Winde rührt den Brunnen leicht auf, zumal wenn er wenig Wasser und einen schlammigen Boden hat. Pumpen, die zugleich die äußeren Verunreinigungen abhalten, sind besser, zumal, wenn sie mit solchen Röhren versehen sind, wodurch der Brunnen mit der Atmosphäre in Gemeinschaft steht und frische Luft bekommen kann. Ein paarmal im Jahre muß man den Brunnen ausschöpfen und ihn von seinem Grundschlamm, von faulen Insekten und vermoderten Vegetabilien reinigen.
Das Wasser von Landseen und Sümpfen, besonders letzteres, besitzt außer den faulenden organischen Stoffen und einer zu großen Menge von Kohlensäure andere der Verdauung hinderliche Gasarten, z. B. geschwefeltes, gekohltes, gephosphortes Wasserstoffgas. Es erzeugt Milzkrankheiten, Wechsel- und bösartige Faulfieber.
Das Seewasser ist kein Getränk, aber oft eine herrliche auflösende Arznei, die schleimigen Personen vortrefflich bekommt. Allein das Brackwasser, nahe an der See, auf frischbedeichtem Boden, zieht seine salzige Schärfe aus dem Klee. Es taugt nicht zum Getränke, macht Durst, Hitze, Spannung der Fasern und führt in unsere Säfte eine salzige Schärfe ein.
In hölzernen und tönernen Gefäßen aufbewahrtes oder gekochtes Wasser verliert seine Kohlensäure, zersetzt und sättigt sich mit Bestandteilen, die der Gesundheit schädlich sind.
Je mehr arzneiliche Wirkungen die Mineralwässer haben und je heilsamer sie auf Kranke wirken, desto schädlicher können sie Gesunden werden. Sie nehmen gleichsam die erste Stelle unter den harten Wassern ein, indem sie in einem Pfund oft mehr als sechzig bis siebzig Gran fremder Stoffe enthalten.
Abgestandenes, abgekochtes, gewärmtes Wasser hat wegen seines Mangels an Kohlensäure eine nachteilige Wirkung auf die Verdauungswerkzeuge.
Das Element des Wassers ist das größte, ja einzige Verdauungsmittel in der Natur. Es ist durch seine Kälte und fixe Luft ein Stärkungs- und Belebungsmittel für Magen und Nerven. Es enthält 88,9 Sauerstoff, 11,1 Wasserstoff, jener hat also ein sehr bedeutendes Übergewicht über diesen, und darum schöpfen wir wirklich neuen Lebensreiz, indem wir Wasser trinken.
Wie es sehr wichtig ist, gutes Trinkwasser zu haben, so wird es nicht weniger von Belang sein, mit welchem Wasser man koche. Nicht jedes Trinkwasser taugt zum Kochen, wie auch nicht jedes Kochwasser zum Trinken geeignet ist. Zum Kochen eignet sich nur ein weiches Wasser. Die äußeren Kennzeichen eines harten Wassers, d. h. eines solchen, welches in 128 Unzen mehr als 40 Gran Salze und Erde enthält, sind: Mangel an Klarheit, größere Schwere, eigentümlicher Geschmack, zuweilen auch Geruch, Bildung eines Bodensatzes beim längeren Stehen oder Kochen, nicht vollkommene Auflöslichkeit der Seife in demselben, und Unfähigkeit, Hülsenfrüchte weich zu kochen. Es ist immer noch besser, mit einem lauen, stehenden Wasser zu kochen, als mit einem mineralischen; denn die fauligen Pflanzenteile des ersteren werden im Sieden teils durch das Schäumen abgesondert, teils bilden sie bei beruhigtem Wallen im Grunde des Gefäßes einen Niederschlag oder Bodensatz, während die mineralischen Wasser im Kochen die in ihnen enthaltenen Salze nur um so mehr auflösen und den Speisen mitteilen.
Allen diesen Übelständen begegnet man, wenn man, wie uns die neuere Chemie lehrt, Soda bicarbonata in das zum Abkochen bestimmte Wasser wirft. Dann kocht sich alles, selbst achtzehnjähriges, gedörrtes Ochsenfleisch oder zehnjähriges Brack-Schöpsenfleisch weich wie Butter. Alle fremdartigen Teile im Wasser werden so niedergeschlagen, daß oft ein Gefäß nach acht Tagen nicht mehr brauchbar ist. Da es starkes Schäumen verursacht, so schäumt sich das Fleisch von selbst ab und damit alle Unreinigkeiten, die vom Fett oder Blut herrühren. Bei mir wird seit Jahren fast nichts mehr ohne Soda gekocht und kein Kaffee oder Tee bereitet, zu dem nicht Soda beigemischt ist, weil diese so viel besser ziehen und man fast ein Drittel des Stoffes zum Aufgießen weniger braucht. Zu vier Pfund Rindfleisch ein halbes Lot Soda, zu drei Portionen Tee oder Kaffee eine starke Messerspitze voll. Selbst wenn das Wasser weich ist, schadet es nichts, denn es macht sich dadurch rein.